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German Australian liner FURTH, detail, collection A. Kludas

Das Dampfschiff „Fürth“ – ein Fazit nach vierzehn Australienfahrten

Die Globalisierung beginnt

Im vergangenen Jahr wurden hier im Blog die ersten sieben Jahre des Dampfschiffes „Fürth“ ausführlich dargestellt.

Vierzehn Fahrten der „Fürth“ nach Australien und Niederländisch-Indien wurden ebenso dokumentiert wie die Entwicklung des Handels zwischen Deutschland und Australiens und der Aufstieg der Deutsch-Australischen Dampfschiffs-Gesellschaft (DADG), der fünftgrößten deutschen Reederei, in den ersten Jahren des zwanzigsten Jahrhunderts.

Es ist die gleichzeitig die Geschichte der ersten Globalisierungswelle, die durch die Dampfschifffahrt und dem damit verbundenen regelmäßigen Güteraustausch ermöglich wurde. Der Mensch hatte sich vom Wind als unzuverlässigen Schiffsantrieb emanzipiert und dem Handel seinen eigenen Rhythmus auferlegt.

German Australian Line's Advertisment, September 1912 (detail)

Ausschnitt der Anzeige der DADG in der Zeitung Hamburger Correspondent und neue hamburgische Börsenhalle vom 05. September 1912

Australien rückt näher

Güter vom anderen Ende der Welt wurden zur Selbstverständlichkeit. In Australien trug man europäische Kleidung, arbeitete mit europäischem Werkzeug und Maschinen und in der Freizeit musizierte man auf deutschen Instrumenten oder die Kinder spielten mit Spielzeug aus Fürth oder Nürnberg. Siehe dazu: Deutsche Exporte nach Australien 1908

In Europa wurden aus australischer Wolle Stoffe und Kleidung, aus australischen Tierhäuten Schuhe und Lederwaren, aus australischem Weizen Nudeln oder Kekse hergestellt und durch die Entwicklung der Kühltechnik kamen in Europa Äpfel und Fleisch aus Australien auf den Tisch.

Loading bales of wool onto a ship, Queensland, about 1910

Verladung von Wollballen auf ein Schiff, Queensland, ca. 1910. Quelle: State Library of Queensland, Referenz: 147203

Niederländisch-Indien als Rohstofflieferant

Für die Deutsch-Australische Dampfschiffs-Gesellschaft war der Markt in Niederländisch-Indien ähnlich wichtig wie der australische. Kopra, Guttapercha, tropische Harze, Gerb- , Farbstoffe und vieles mehr waren wertvolle Rohmaterialien, die von der aufblühenden europäischen Industrie in großer Menge nachgefragt wurden. Gleichzeitig verlangten die Verbraucher nach Kaffee, Tee, Kakao, Gewürzen und anderen Genussmitteln aus fernen Ländern.

Alles Produkte, die wir auf den Fahrten der „Fürth“ angetroffen haben und die wir sicher auch auf jedem anderen Schiff der Reederei in wechselnden Mengen wiedergefunden hätten.

Kokosfett Palmin Werbung

Palmin-Werbung zu Beginn des 20. Jahrhunderts

Ausbeutung von Natur und Mensch

Bei all dieser florierenden Entwicklung in den Jahren zwischen 1900 – 1914, darf man aber auch nicht vergessen, dass zu dieser Zeit der Raubbau an der Natur seinen Ursprung nahm. Für Guttapercha wurden die Wälder damals ebenso abgeholzt, wie sie es heute für Palmöl werden. Nur in kleinerem Maßstab.

Auch die Arbeits- und Lebensbedingungen in den Kolonien als auch in den Industrieländern (und auf den Schiffen) waren vielerorts lebensbedrohend und nach heutigen Maßstäben menschenunwürdig.

Das Dampfschiff machte die Flucht vor diesem schlechten Leben zu einer Option, zumindest in Europa. Amerika wurde das neue Sehnsuchtsziel vieler Menschen.

guttapercha java

Nicht erst seit Palmöl: Die Abrodung von tropischen Wäldern auf Java für Guttapercha-Plantagen Quelle: commons.wikimedia.org, File:COLLECTIE TROPENMUSEUM Proefaanplant van guttapercha op de rubberonderneming Langsa West-Java TMnr 60020174.jpg

Geschichte wiederholt sich

Vieles, was damals passiert ist, erleben wir heute in ähnlicher Form wieder. Gesellschaft, Sprache und Begleitumstände haben sich verändert, aber viele Grundprobleme kehren in gleicher Form wieder: Armut, Migration, Kriminalität: Beim Studieren der Zeitungsartikel aus den Jahren 1900-1914 kommt einem vieles sehr bekannt vor und nicht selten schießt einem der Gedanken durch den Kopf, dass alles schon einmal genauso dagewesen ist.

Der Blog in der Folgezeit

Ganz zu Beginn hatte ich geschrieben, dass die Geschichte der „Fürth“ niemals vollständig erzählt sein wird. Das Format eines Blogs erlaubt es jedoch, diese Geschichte nach und nach zu vervollständigen. Neue Fundsachen aus der Zeit vor dem Ersten Weltkrieg werden daher hier im Blog in Zukunft weiterhin in unregelmäßigen Abständen erscheinen. Neue Dokumente, die ich nach und nach in möglichen Quellen recherchiere und hier vorstellen werde, werden dazukommen.

In erster Linie geht es aber in der Folgezeit darum, die Geschichte des Dampfschiffes „Fürth“ weiter zu erzählen, auch wenn das Schiff im Jahr 1915 einen anderen Namen erhält.

Die Informationslage in den Kriegsjahren als auch in der turbulenten Zeit direkt nach dem Krieg ist nicht so reichhaltig, wie in der Zeit davor. Auch die Informationsquellen werden sich zwangsläufig ändern. Sehen Sie mir daher bitte die ein oder andere größere Lücke nach. Ich werde versuchen, sie im Laufe der Zeit zu füllen.

The Sun, Sydney, Titel, August 5th, 1914

Titelseite der Zeitung „The Sun“, Sydney vom 5. August 1914

Nächste Woche im Blog:

Das Dampfschiff „Fürth“ beim Ausbruch des Ersten Weltkriegs

Bleiben Sie dran!

 

New York Harbor, Statue of Liberty

Die „Fürth“ in New York

Über Sydney nach England und New York

Die dreizehnte Fahrt der „Fürth“ ist eine ganz außergewöhnliche, sie dauert vierzehn Monate.

Zunächst ist die „Fürth“ auf einer Direktfahrt nach Sydney eingesetzt, dann transportiert sie 6000 Tonnen Weizen von Australien über Teneriffa nach Newcastle-on-Tyne (Nordengland) und zu guter Letzt fährt das Dampfschiff „Fürth“ über den Nordatlantik nach New York.

Was macht ein Schiff der Deutsch-Australischen Dampfschiffs-Gesellschaft in New York? Warum läuft die „Fürth“ erstmals Teneriffa und Newcastle-on-Tyne an? Interessante Einblicke in die erste Phase der Globalisierung gibt es jetzt im Blog: 6000 t Weizen für England

Beitragsbild: Freiheitsstatue, New York, Hafen, zwischen 1910 und 1920, Quelle: Library of Congress (Detroit Publishing Company photograph collection), Digital Id: det 4a24907 //hdl.loc.gov/loc.pnp/det.4a24907