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Dampfschiff Neumünster 1907

Pläne zur Rekonstruktion des Dampfschiffes „Fürth“

Aus dem Schifffahrtsmuseum Flensburg

Titelbild: Zeichnung der „Neumünster“, einem Schwesterschiff der „Fürth“, © mit freundlicher Genehmigung des Schifffahrtsmuseums Flensburg (Ref. BN_269). Ich weise ausdrücklich darauf hin, dass sämtliche Bildrechte beim Schifffahrtsmuseum Flensburg liegen und jegliche Nutzung dieses Bildes der Genehmigung des Rechteinhabers bedarf.

DigiPEER

Vor einiger Zeit hatte ich den Generalplan des Schiffes „Lübeck“ vorgestellt, der im Rahmen des Projektes DigiPEER digitalisiert worden war. SIEHE Das Projekt DigiPEER

DigiPEER war ein Projekt, ich zitiere, zur „Digitalisierung wertvoller Pläne und technischer Zeichnungen zur Erfassung und Erschließung des Raums im 20. Jahrhundert“.

Die „Lübeck“ war dem Schiff „Fürth“ sehr ähnlich: sie war auf der gleichen Werft ebenfalls für die Deutsch-Australische Dampfschiffs-Gesellschaft (DADG) gebaut worden, sie hatte eine ähnliche Größe und zwischen dem Bau beider Schiffe lagen gerade einmal sieben Jahre.

Die Pläne der „Reichenbach“ und der „Neumünster“

Die beiden heute gezeigten Pläne sind von Schwesterschiffen der „Fürth“ und haben daher Gültigkeit für die gesamte „Hagen-Klasse“, also die Schiffe „Hagen“, „Reichenbach“, „Plauen“, „Neumünster“, „Fürth“, „Osnabrück“ und schließlich „Hanau“.

Erhalten haben sich beide Pläne im Archiv des Schifffahrtsmuseums Flensburg, welches sie als Leihgabe von der Flensburger Schiffbau-Gesellschaft erhalten hat, der Werft, die in den Jahren 1906 und 1907 diese Schiffe für die DADG in Hamburg gebaut hatte.

Dampfschiff Reichenbach, 1907, Generalplan

Generalplan der „Reichenbach“, einem Schwesterschiff der „Fürth“, © mit freundlicher Genehmigung des Schifffahrtsmuseums Flensburg (Ref. FSG_267). Ich weise ausdrücklich darauf hin, dass sämtliche Bildrechte beim Schifffahrtsmuseum Flensburg liegen und jegliche Nutzung dieses Bildes der Genehmigung des Rechteinhabers bedarf.

Generalplan der „Reichenbach“

Eines der Dokumente ist der Generalplan des Schiffes S.D. „Reichenbach“. Das S.D. vor dem Namen steht für Schrauben-Dampfer.

Im oberen Teil des Planes sehen wir den Aufriss, also die seitliche Ansicht der „Reichenbach“. Darüber von links nach rechts eine Aufsicht auf das Bootsdeck, auf das Brückendeck und auf das kleine Peildeck.

Unter dem Aufriss sind zwei Aufsichten, die obere auf das Hauptdeck mit der davon abgesetzten Back (rechts im Bild )und die untere auf das Schottendeck mit dem offen liegenden Welldeck zwischen der Back und dem Hauptdeck.

Links auf dem Plan befindet sich eine Schnittzeichnung. Diese ist zweigeteilt und zeigt links einen Schnitt durch den Laderaum und rechts einen Schnitt durch den Kesselraum.

Darunter ist eine Aufsicht auf das Zwischendeck beim Maschinen- bzw. Kesselschacht und ganz unten eine Aufsicht auf das Tanktop (die Tankdecke des Doppelbodens).

Dampfschiff Neumünster 1907, DADG

Zeichnung der „Neumünster“, einem Schwesterschiff der „Fürth“, © mit freundlicher Genehmigung des Schifffahrtsmuseums Flensburg (Ref. BN_269). Ich weise ausdrücklich darauf hin, dass sämtliche Bildrechte beim Schifffahrtsmuseum Flensburg liegen und jegliche Nutzung dieses Bildes der Genehmigung des Rechteinhabers bedarf.

Zeichnung der „Neumünster“

Die gleichen Ansichten wie für den Schraubendampfer „Reichenbach“ zeigt eine farbig angelegte Zeichnung des Schiffes „Neumünster“. Hier ist das Schiff im Aufriss oberhalb der Wasserlinie farbig angelegt, ebenso die verschiedenen Aufsichten und der Schnitt.

Diese farbige Zeichnung war von der Werft vielleicht für eine Präsentation des Schiffes beim Kunden, also bei der DADG angefertigt worden. Wenn Sie so wollen, quasi ein handkolorierter Vorläufer eines PowerPoints. Bei einem Verkaufspreis von rund 1,2 Millionen Mark konnte man durchaus einen Zeichner diese aufwändige Arbeit machen lassen.

Anmerkung: Die Baupreise der Hagen-Klasse lagen pro Schiff zwischen 1,158 Millionen für das günstigste (und älteste) und 1,285 Millionen Mark für das teuerste (und jüngste) der Schiffe (Quelle: Harms, 1933)

Über den Schiffbau

Der Schiffbau wird von Physik und Material bestimmt, aber auch durch regulatorische Rahmenbedingungen (Gesetzgebung, Vermessungsregeln, Vorschriften der Klassifikationsgesellschaften).

Beim Entwurf eines Handelsschiffes ist es wesentlich, die Hauptabmessungen und Völligkeitsgrade so zu wählen, daß das Schiff einerseits für seine Fortbewegung günstigste Form, also einen möglichst geringen Widerstand hat, andererseits aber auch genügend Tragfähigkeit und einen ausreichend nutzbaren Raum besitzt. Je nach der zu entwerfenden Schiffsgattung wird man z. B. beim Schnelldampfer größeren Wert auf schlanke Schiffslinien legen, beim langsamen Frachtschiff dagegen auf völlige Form, die einen guten Laderaum ergibt.
Quelle: Klassischer Schiffbau der Vorkriegszeit, Heinrich Herner, Salzwasserverlag; leicht abgeänderter Nachdruck des Originals (1926); abgerufen über books.google.fr

Der Schnitt durch Lade-/Kesselraum der „Reichenbach“ zeigt sehr schön die „völlige“ Form der Frachtdampfer der Hagen-Klasse, also die Optimierung der Schiffsform im Hinblick auf den Laderaum.

Reichenbach 1907, Schnittzeichnung

Generalplan der „Reichenbach“, Ausschnitt, © mit freundlicher Genehmigung des Schifffahrtsmuseums Flensburg (Ref. FSG_267)

Ein Kompromiss muss beim Schiffbau im Hinblick auf Stabilität und Gewicht gefunden werden:

Die wichtigste Aufgabe bei der Gestaltung der Schiffsverbände ist bei ausreichender Festigkeit einen möglichst leichten Schiffskörper zu erhalten. In den letzten Jahrzehnten sind in dieser Hinsicht sehr große Fortschritte gemacht worden, indem man die Bauteile in höchster Ausnutzung des Werkstoffes angeordnet hat.

Interessant ist, dass bereits bei Erscheinen des Buchs im Jahr 1926 die Überlegenheit der Schweißtechnik im Schiffbau bekannt war, diese sich aber erst nach dem Zweiten Weltkrieg durchsetzen konnte:

Ein weiterer Weg zur Gewichtsersparnis ist die umfangreiche Verwendung der Schweißung im Schiffbau, da ein vollständig geschweißtes Schiff hauptsächlich durch Fortfall von Winkelflanschen und Nietköpfen 25-30% leichter wird als ein genietetes.

Über das Nieten im Schiffbau hatte ich an Hand eines Fotos der „Fürth“ auf der Helling in Flensburg berichtet. Auf dem Foto sind auch Werftarbeiter an drei Nietkochern zu sehen. SIEHE: Die „Fürth“ auf der Helling

Der Schiffbau wurde weiters von den Sicherheitsvorschriften der Klassifikationsgesellschaften bestimmt. Die Gesellschaft Lloyd’s Register hatte ich hier vorgestellt: SIEHE Die „Fürth“ in Lloyd’s Register. Das deutsche Pendant dazu war der Germanische Lloyd, der unter anderem detaillierte Vorschriften über Klassifikation und Bau von stählernen Seeschiffen vorgab.

Die Gesetzgebung stellte Mindestanforderungen an Sicherheit und Arbeitsbedingungen an Bord. Als Beispiel sei genannt die Bekanntmachung, betreffend die Logis-, Wasch- und Baderäume sowie die Aborte für die Schiffsmannschaft auf Kauffahrteischiffen.

Der Schiffbau hatte sich auch an den nationalen und internationalen Vermessungsregeln zu orientieren. Diese komplizierten Regelwerke führten zu bestimmten Schiffstypen, die bei der Vermessung günstiger abschnitten als andere und kleinere Raumgehalte möglich machten. Für die Reeder hatte dies Vorteile bei den Hafen- und Kanalgebühren (Suezkanal) oder auch bei den Versicherungspolicen. Zum Schiffsmessbrief der „Fürth“ und die mit der Vermessung verbundene Problematik siehe: Die Vermessung der „Fürth“

Welldecker

Schemazeichnung eines sogenannten Welldeckers; aus: Klassischer Schiffbau der Vorkriegszeit, Heinrich Herner, Salzwasserverlag; Nachdruck des Originals aus dem Jahr 1926; abgerufen über books.google.fr

Welldecker

Eine dieser vermessungstechnisch günstigen Schiffstypen war der sogenannte Welldecker, wie er auch in der Hagen-Klasse und somit bei der „Fürth“ umgesetzt wurde.

Der Name Welldecker leitet sich vom englischen Wort für Brunnen („well“) ab und weist auf das niedrigere Deck im Vorschiff hin, dass gegenüber dem Oberdeck abgesenkt war. Hier befand sich die Ladeluke 1.

Ein wesentlicher Grund für diese Bauform lag in der günstigen Vermessung:

Da der Welldecker wegen der großen Aufbaulänge sehr günstig vermessen werden kann, wendet man diesen Typ auch bei großen Schiffen für atlantische Fahrt an.
Quelle: Klassischer Schiffbau der Vorkriegszeit, Heinrich Herner, Salzwasserverlag; leicht abgeänderter Nachdruck des Originals (1926); abgerufen über books.google.fr

Von den Seeleuten wurde der abgesenkte Bereich mit der Ladeluke 1 auch als „Versaufloch“ bezeichnet. Bei schwerer See sammelte sich in diesem Bereich das Wasser, bevor es wieder ins Meer zurücklief.

Dieses „Versaufloch“ hat sich auf vielen Küstenmotorschiffen („KÜMOS“) bis etwa in die sechziger Jahre des 20. Jahrhunderts hinein erhalten, auf modernen Schiffen findet man es nicht mehr.

Die Reichenbach in Burnie

Auf diesem Bild ist das „Versaufloch“ rechts neben dem vorderen Mast gut zu erkennen; mit freundlicher Genehmigung des © Maritime Museum of Tasmania, Cyril Smith Collection vol. 11., https://ehive.com/collections/3906/objects/842355/reichenbach

Dampfschiff Reichenbach, 1907, Generalplan

Generalplan der „Reichenbach“, einem Schwesterschiff der „Fürth“, © mit freundlicher Genehmigung des Schifffahrtsmuseums Flensburg (Ref. FSG_267).

Der Aufbau des Schiffes

Die „Fürth“ und ihre Schwesterschiffe hatten fünf Ladeluken. Zwischen Luke 1 und 2 sowie zwischen Luke 4 und 5 befanden sich die beiden Masten mit den Ladebäumen. Die Tragfähigkeit eines Ladebaums betrug 5 Tonnen, am vorderen Mast befand sich zusätzlich ein Schwergutladebaum für Lasten bis 15 Tonnen.

Auf dem Aufriss sieht man sehr schön auch die Besegelung mit vier Stützsegeln zur Abwetterung von Schwerwetter. Siehe dazu den Beitrag Tagebuch (11): Die „Fürth“ in den Roaring Forties und den fachkundigen Kommentar dazu.

Charakteristisch für den Schiffstyp war die Trennung von Brücken- und Maschinenhaus. Zwischen beiden lag eine weitere Ladeluke (Luke 3). Auf langen Fahrten ohne Landberührung diente der darunterliegende Laderaum 3 als Reservebunker für die Lagerung zusätzlicher Bunkerkohlen (1720 Tonnen), die nicht von den festen Bunkern (Kapazität 500 Tonnen) aufgenommen werden konnten.

Vor der Maschine konnte Fracht auf vier Ebenen untergebracht werden, in der Zeichnung von oben nach unten „Brücke“, „Zwischendeck“, „Unterdeck“ und „Raum“ bezeichnet. Alle Raumangaben sind in Kubikfuß (C.F.) notiert, alle Längenangaben in Fuß und Zoll.

Im hinteren Schiffsteil wurde der Raum über dem Doppelboden von der langen Welle zwischen Maschine und Ruder eingenommen, es gab ein Deck weniger. Die Decks sind auf der Zeichnung als „Poop“, „Zwischendeck“ und „Raum“ beschriftet.

Zusätzlichen Lagerraum bot die Vor- und die Achterpiek am Bug bzw. Heck des Schiffes. Diese Lagermöglichkeiten sind in der Zeichnung als „Stores“ benannt. In der Afterpiek lagen zusätzlich Öl-, Post- und Proviantraum (Anmerkung: der Ölraum ist auf dem Plan als Probekammer bezeichnet).

Im als Doppelboden konstruierten Schiffsboden sind Tanks für Frisch- und Ballastwasser eingebaut.

Die Mannschaftsräume befanden sich im Bug des Schiffes unter der Back, die Matrosen auf der Steuerbord- und die Heizer auf der Backbordseite. Zur Unterbringung der Mannschaft siehe: Dampfschiff „Fürth“: im Mannschaftslogis.

Kapitän, Offiziere und Stewards waren im Brückenhaus untergebracht. Die Kapitänskammer hatte ich bereits beschrieben. Dampfschiff „Fürth“: In der Kapitänskajüte. Vor der Kapitänskammer lag der Kartenraum und vor diesem der Steuerraum. Darunter lagen der Salon und eine Pantry sowie die Unterkünfte von Offizieren und Stewards und ein Sanitätsraum.

Anmerkung: Der mit Verwalter bezeichnete Raum dürfte von einem der Offiziere genutzt worden sein. Es sind nur drei Offizierskammern im Plan eingezeichnet, an Bord waren aber vier Offiziere (nach Harms 1933 ab dem Jahr 1904).

Generalplan Reichenbach 1907, Ausschnitt

Generalplan der „Reichenbach“, einem Schwesterschiff der „Fürth“, Ausschnitt Peil- und Brückendeck, © mit freundlicher Genehmigung des Schifffahrtsmuseums Flensburg (Ref. FSG_267).

Die Unterkünfte der Maschinisten und Köche lagen im Maschinenhaus. Dort befand sich auch Kombüse, Werkstatt, zwei Lampenräume, die Messe und Pantry der Maschinisten sowie Bäder und WCs. An den Seiten des Maschinenhauses befanden sich die Öffnungen für das Bunkern von Kohle.

Am unteren Bildrand ist die Gangway zum Betreten und Verlassen des Schiffes erkennbar.

Dampfschiff Reichenbach, Maschinenhaus, 1907

Generalplan der „Reichenbach“, einem Schwesterschiff der „Fürth“, Ausschnitt Maschinenhaus, © mit freundlicher Genehmigung des Schifffahrtsmuseums Flensburg (Ref. FSG_267).

Die vielen Halbkreise auf dem Hauptdeck zeigen die Lage der Lüfterköpfe an. Weiterhin sind an Deck die Dampfwinden zu erkennen (4 pro Mast plus zwei weitere seitlich an Luke 3); die beiden Ankerwinden auf der Back und eine Verholwinde auf dem Achterschiff.

Sicher kann man den Zeichnungen noch weitere Details entnehmen, ich will es allerdings bei den genannten Punkten belassen.

Modellbauer gesucht

Die Pläne der „Fürth“ beziehungsweise von zwei ihrer identischen Schwesterschiffe sind also noch vorhanden, jetzt fehlt nur noch ein erfahrener und begeisterter Modellbauer, der solch ein schönes Handelsschiff der Kaiserlich Deutschen Handelsmarine nachbauen möchte!

An dieser Stelle möchte ich auf ein wirklich phantastisches Modell hinweisen, dass von einem anderen (ehemaligen) Schiff der DADG existiert. Gefunden habe ich es auf der Webseite der Model Ship World: https://modelshipworld.com/topic/5427-steamship-heinrich-kayser-by-nils-langemann-scale-196-1898-as-she-appeared-in-1922-finished/ Staunen Sie selbst!

Es ist ein Modell im Maßstab 1:96 des Schiffes „Heinrich Kayser“, exElbing, einem Zweischornsteiner aus dem Jahr 1898. Zur Geschichte dieses 1922 im Nordatlantik verschollenen Schiffes erfahren Sie hier mehr: Dampfschiff „Fürth“ – Rückzahlung der Vorrechtsanleihe im Jahr 1917.

Die Geschichte der beiden in diesem Blogartikel gezeigten Schwesterschiffe finden Sie hier:

Schwesterschiffe der „Fürth“: Die „Neumünster“

Schwesterschiffe der „Fürth“: Die „Reichenbach“

Dieser Artikel erschien in erster Fassung am 20. September 2020.

 

Tjilatjap, Java, about 1910

In Tjilatjap

Im Süden der Insel Java

Heute führen uns die Reisen des Dampfschiffes „Fürth“, einem Frachtdampfer der Deutsch-Australischen Dampfschiffs-Gesellschaft Hamburg (DADG), nach Tjilatjap.

Tjilatjap liegt im Süden der Insel Java, die vor der Unabhängigkeit Indonesiens zu Niederländisch-Indien gehörte. Die Stadt heißt heute offiziell Cilacap, in englischen Quellen wurde auch die Schreibweise Chilachap benutzt, wie auf der untenstehenden Karte aus Encyclopædia Britannica, Ausgabe 1911. Das „p“ am Wortende ist übrigens stumm, es wird nicht gesprochen.

Java map about 1910

Karte der Insel Java, aus Encyclopedia Britannica 1911, Lage der Stadt Tjilatjap farbig markiert; https://en.wikisource.org/wiki/1911_Encyclopædia_Britannica

Die Stadt erlangte für den Handel eine gewisse Bedeutung, da sie über den einzigen Hafen an der Südküste Javas verfügt, der für große Schiffe zugänglich ist. Darüber hinaus schützt die im Süden vorgelagerte langgestreckte Insel Nusa Kambangan den Hafen vor starken Winden und hohem Seegang.

Über einen Schienenanschluss war der Hafen von Tjilatjap mit dem Hinterland verbunden.

Die folgende Abbildung ist um das Jahr 1900 entstanden. Sie zeigt eine noch sehr primitive und rudimentäre Ausstattung der Anlegestelle von Tjilatjap. In der rechten Bildmitte ist gerade das Gerüst für den neuen Anleger in Bau, der die Hafeninfrastruktur maßgeblich verbessern sollte.

Tjilatjap about 1900

Tjilatjap, Anlegestelle, um 1900, Digital Collections Leiden University Libraries, http://hdl.handle.net/1887.1/item:782587, Creative Commons CC BY License

Im folgenden Bild war der Bau abgeschlossen und der neue Kai in Betrieb.

Dem Fotografen ging es offensichtlich darum, die schöne Lichtstimmung im Hafen einzufangen. Sonst hätte er vielleicht den Namen des Schiffes notiert, das am Kai lag. Es ist einer der markanten „Zweischornsteiner“ der DADG.

Siehe dazu die folgenden Artikel: Instagram der Kaiserzeit: Ansichtskarten

Zumindest lässt sich das Bild durch das abgebildete Schiff auf die Zeit vor dem Ersten Weltkrieg datieren (1900-1914).

tjilatjap wharf with German Australian line steamer

Tjilatjap, Kai, ca. 1900-1914, Digital Collections Leiden University Libraries, http://hdl.handle.net/1887.1/item:823951, Creative Commons CC BY License

Mehr Glück haben wir mit der nachstehenden Aufnahme, bei der die Namen der beiden Schiffe mit archiviert wurden. Es sind die Frachtdampfer „Reichenbach“ der DADG und „Thüringen“ des Norddeutschen Lloyd Bremen.

„Reichenbach“ war ein Schwesterschiff der „Fürth“. Ich hatte den Dampfer hier im Blog ausführlich vorgestellt. SIEHE: Schwesterschiffe der „Fürth“: Die „Reichenbach“

Tjilatjap, steamships Reichenbach and Thueringen, about 1908

Die Frachtdampfer „Reichenbach“ (DADG, rechts) und „Thüringen“ (NDL, links) am Anleger in Tjilatjap, von der Insel Noesa Kambangan aus gesehen, um 1908, Digital Collections Leiden University Libraries, http://hdl.handle.net/1887.1/item:915206, Creative Commons CC BY License

Den Dampfer „Thüringen“ ereilte 1914 das gleiche Schicksal wie einem anderen Schwesterschiff der „Fürth“, der „Neumünster“: Im August 1914 war auch „Thüringen“ im Hafen von Fremantle konfisziert worden. Die Besatzung wurde im Anschluss auf der Insel Rottnest interniert.

Hier das Schiff noch einmal auf einer Ansichtskarte des Norddeutschen Lloyd.

Thüringen Schiff

Frachtdampfer „Thüringen“, Norddeutscher Lloyd Bremen, Ansichtskarte ungelaufen und undatiert (ca. 1906-1914), eigene Sammlung

Warenumschlag in Tjilatjap

Eine detailreiche Aufnahme zeigt den Güterbahnhof von Tjilatjap.

Neben den Gleisen und Lagerschuppen sehen wir links ein Gebäude, in dem die Büros der Reedereien untergebracht waren.

In der linken Hälfte befand sich das Büro der Deutsch-Australischen Dampfschiffs-Gesellschaft, wie ein großes Schild über dem Eingang belegt. Das Büro war offensichtlich zur Zeit der Aufnahme nicht besetzt, die Tür ist geschlossen.

Im rechten Gebäudeteil sehen wir die Kontore der Stoomvaart Maatschappij Nederland und der Koninklijke Paketvaart Maatschappij. Auch hier befindet sich ein breites Schild über den Büros.

tjilatjap, donan station, about 1910

Tjilatjap, Bahnhof im Stadtteil Donan; Digital Collections Leiden University Libraries, http://hdl.handle.net/1887.1/item:914990, Creative Commons CC BY License

Das Dampfschiff „Fürth“ in Tjilatjap

Die abgelegene Lage der relativ kleinen Stadt Tjilatjap hat zur Folge, dass die Ankunft und Abfahrt der Schiffe in den Zeitungen nicht so gut dokumentiert wurde wie in Batavia oder Soerabaya.

Dennoch sind mindestens fünf kurze Aufenthalte des Frachtdampfers „Fürth“ in der Zeit zwischen dem 6. Oktober 1907 und dem Februar 1911 in den Schiffsmeldungen der niederländischen Zeitungen überliefert.

Über aufgenommene Fracht der „Fürth“ in Tjilatjap habe ich leider keine Angaben. Wichtige Handelsgüter waren Kopra, Gummi, Tee und Maniok.

Gummi wurde auf Plantagen auf der vorgelagerten Insel Nusakambangan gewonnen, die als Gefängnisinsel genutzt wurde (und bis heute wird). Die Häftlinge mussten auf den Gummiplantagen und in der angeschlossenen Fabrik arbeiten.

Heute sind in der Stadt eine bedeutende Erdölraffinerie und ein großes Zementwerk angesiedelt. Für indonesische Verhältnisse ist die Stadt mit über 200.000 Einwohnern sehr klein geblieben.

Historische Aufnahmen aus der Kolonialzeit

Die folgenden Aufnahmen vermitteln einen Eindruck vom krassen Gegensatz des Lebens in den europäischen Kolonien. Es handelt sich um eine Aufnahme des Marktes von Tjilatjap und zwei vom europäischen Club.

tjilatjap market

Tjilatjap, Marktplatz, Digital Collections Leiden University Libraries, http://hdl.handle.net/1887.1/item:914617; Creative Commons CC BY License

tjilatjap societeit 1920

Gesellschaft im Club (Sociëteit) um 1920; Digital Collections Leiden University Libraries, http://hdl.handle.net/1887.1/item:904906, Creative Commons CC BY License

Societeit Tjilatjap about 1920

Tjilatjap, Sociëteit (Club der Europäer); Digital Collections Leiden University Libraries, http://hdl.handle.net/1887.1/item:919467; Creative Commons CC BY License

Tropenkrankheiten

Das privilegierte Leben der Europäer in Tjilatjap hatte jedoch einen gewaltigen Haken: die Stadt war berüchtigt für Tropenkrankheiten, vor allem Malaria.

In der Zeitung De Locomotief vom 4. April 1910 heißt es:

Aus Tjilatjap schreiben sie uns: Abgesehen davon, dass hier schon Pocken und akute Malaria weit verbreitet sind, sind seit 31. März sechs Cholera-Fälle mit tödlichem Ausgang vorgekommen.
De Locomotief, Samarang (Java), 4. April 1910, http://www.delpher.nl

Wären Sie damals noch dazu im Besitz von Meyers Reiseführer gewesen, wären sie bestimmt niemals auf die Idee gekommen, Tjilatjap in Ihre Java-Rundreise aufzunehmen:

„ein unbedeutender Seehafen und verrufenes Fiebernest, an der landschaftlich schönen Südküste Javas, der die lange »Blumeninsel« (Noesa Kembangan) vorgelagert ist“
(Meyers Weltreisen 1912 über Tjilatjap)

Die Besatzungen der deutschen Schiffe, die den Ersten Weltkrieg im Hafen von Tjilatjap verbrachten, mussten diese Fiebererfahrung machen. Harms (1933) schreibt dazu:

„In Tjilatjap haben die Besatzungen ziemlich stark unter Fieber zu leiden gehabt.“ (Harms, 1933).

Verantwortlich für das ungesunde Klima waren große Sumpfgebiete in der Umgebung der Stadt. In den 1920er Jahren wurden umfangreiche Wasserbaumaßnahmen durchgeführt, um den Wasserabfluss im Hinterland zu verbessern.

Tjilatjap map 1894

Karte von Tjilatjap, 1894, aus: West-Java; traveller’s guide for Batavia to the Preanger Regencies and Tjilatjap, Cornell University Library, Ithaka (New York); http://seasiavisions.library.cornell.edu/catalog/seapage:160_71

Tjilatjap im Ersten Weltkrieg

Zwei DADG-Schiffe und ein Reichspostdampfer des Norddeutschen Lloyd Bremen verbrachten den ganzen Ersten Weltkrieg im Hafen von Tjilatjap.

Der Frachtdampfer „Lübeck“ (SIEHE: Das Projekt DigiPEER) war auf dem Weg von Fredrikstad (Norwegen) nach Australien unterwegs und hatte am 25. Juli 1914 das Kap der Guten Hoffnung passiert. Am 11. August erhielt das bereits mit drahtloser Telegrafie ausgestattete Schiff vom Dampfer „Lüneburg“ Nachricht vom Kriegsausbruch und änderte seinen Kurs nach Tjilatjap, wo es am 26. August 1914 einlief.

Das Dampfschiff „Stolberg“ erreichte von Hamburg kommend, am 30. Juli Fremantle in Westaustralien. Es gelang dem Kapitän noch am 4. August den Hafen zu verlassen. Statt nach Melbourne und Sydney, nahm er Kurs auf Tjilatjap, das er am 10. August erreichte. Noch im August verließ „Stolberg“ wieder Tjilatjap, um die Kaiserliche Marine zu unterstützen. Siehe dazu den Artikel: „Stolberg“ suchte dann den Hafen Makassar als neuen Nothafen auf.

Der Dampfer „Sydney“ hatte in Sydney am 28. Juli abgelegt: Fahrtziel Adelaide. Statt in Adelaide Erze zu laden, fuhr das Schiff jedoch direkt weiter in Richtung Batavia. Nachdem die Mannschaft Nachricht von „Stolberg“ erhalten hatte, dass die Passage der Sundastraße nicht sicher wäre, ließ der Kapitän den Kurs nach Tjilatjap ändern. „Sydney“ erreichte den Hafen an der javanischen Südküste am 11. August.

Ein weiteres Schiff, das in Tjilatjap Zuflucht gesucht hatte, war der Reichspostdampfer „Roon“ des Norddeutschen Lloyd Bremen.

Frachtdampfer Sydney 1911, DADG

Frachtdampfer „Sydney“, Baujahr 1911, © Abbildung aus: Deutsch-Australische Dampfschiffs-Gesellschaft Hamburg 1888-1926, R. Schmelzkopf (1984), Eigenverlag (Strandgut), Foto aus der Sammlung A. Kludas

Fünf lange Jahre

Die Schiffe „Lübeck“, „Sydney“ und „Roon“ sollten fünf lange Jahre in Tjilatjap bleiben. Erst im August 1919 verließen sie den Hafen unter neuer Flagge.

Die deutschen Schiffe, die so viele Jahre ruhig im Hafen von Tjilatjap gelegen haben, werden nach und nach ausgerüstet, um ihrer neuen Bestimmung unter englischer Flagge zu folgen. Es ist ein Passagierschiff, die Sydney und zwei Frachtschiffe, die Lübeck und die Roon.
Het nieuws van den Dag voor Nederlandsch-Indië, 19. Aug. 1919; www. Delpher.nl (eigene Übersetzung)

Anmerkung: Der Artikel hat zwei Schiffe durcheinandergebracht: das Passagierschiff war der Reichspostdampfer „Roon“ des Norddeutschen Lloyd Bremen und „Sydney“ war ein Frachtschiff der DADG.

Alle vier genannten Schiffe mussten 1919 an Großbritannien abgeliefert werden. Die drei DADG-Dampfer wurden von der British India Steam Navigation Company (BI) bereedert. SIEHE dazu den Artikel: Das Schulschiff „Australia“

Über den Aufenthalt eines DADG-Dampfers in Niederländisch-Indien während des Ersten Weltkriegs hatte ich am Beispiel von Dokumenten Wilhelm Holsts berichtet. Holst war Schiffkoch auf dem Dampfer „Ulm“, der in den Kriegsjahren vor der Insel Ambon lag. Holst erkrankte während des Aufenthalts, er starb im März 1917.
Die „Ulm“ in Ambon (Teil 1 von 2) und Die „Ulm“ in Ambon (Teil 2 von 2)

Nusa Kambangan Lighthouse

Tjilatjap, Leuchtturm auf der Insel Nusa Kambangan, Ansichtskarte undatiert (ca. 1900-1930), Collectie Wereldculturen, Public Domain Anonymous 70 EU