Titelabbildung: Menu des Hotels „Des Indes“ in Batavia vom 19. März 1910; Quelle: The New York Library, Digital Collections; http://digitlcollections.nypl.org/; public domain
Ein Menu im Hôtel Des Indes (1910)
Auf unserer Reise nach Batavia sind wir in unserem Hotel, dem Hôtel Des Indes, angekommen und haben nach einem anstrengenden Tag richtig Appetit.
Den Aperitif hatten wir auf der großen überdachten Terrasse eingenommen und nun begeben wir uns in den großen Speisesaal.
Die oben abgebildete Menükarte ist vom Samstag, den 19. März 1910.
Im März 1910 könnten auch Kapitän Saegert vom Frachtdampfer „Fürth“ mit ein paar Offizierskollegen das Hotelrestaurant aufgesucht haben. Der Frachtdampfer befand sich zu dieser Zeit in Java.
Er war am 8. März aus Südaustralien kommend in Batavia angekommen. Die wichtigste Fracht für Java war Mehl, das in Adelaide geladen worden war. Bis zum 10. März wurde ein Teil der Ladung in Batavia gelöscht, bevor die „Fürth“ weitere Häfen auf Java anlief.
In der Folge umrundete die „Fürth“ die Insel Java im Uhrzeigersinn. Nach dem Anlaufen von Semarang, Soerabaya, Banjoewangi und von Tjilatjap, dem einzigen Tiefseehafen an der Südküste, kehrte die „Fürth“ anschließend nach Batavia zurück, von wo aus sie am 23. März nach Singapur aufbrach.
Das Menü vom 19. März 1910 dürfte Kapitän Saegert vermutlich verpasst haben.
Die Menüfolge
Die Küche des Hôtel Des Indes war offenbar stark geprägt von Auguste Escoffier, der 1903 seinen Guide Culinaire herausgegeben hatte. Spätestens dieses Kochbuch machte den französischen Koch in aller Welt berühmt und das Buch wurde in viele Sprachen übersetzt. Viele Speisen auf der Menükarte finden wir in seinem Werk wieder. Den Link zu der digitalisierten deutschen Ausgabe von 1910 finden Sie am Ende des Blogartikels.
Hors d’œuvres varié
Unser Menü beginnt mit einer Auswahl an Appetitanregern oder Vorgerichten, wie es Escoffier ausdrückt.
Canapés, Cremes, Duchesse-Krapfen, verschiedene Gemüse, Meeresfrüchte, Salate, salzige Törtchen: eine Auswahl davon könnte unser Menü eröffnet haben. In der französischen Menüabfolge sind die Hors d’œuvres, die vor der Suppe serviert werden, kalt.

Consommé Montmorency
Eine leichtgebundene Geflügelkraftbrühe mit Spargel setzt unser Menü fort. Escoffier nennt die darin befindliche Einlage: „Kleine raupenförmige Klößchen, Spargelspitzen (Hauptbestandteil). Pochierter Reis. Kerbelblätter.“
Filet de Soles à l’Amiral
Der Admiral als einer der höchsten Dienstgrade in der Marine ist Hinweis darauf, dass das jetzt servierte Seezungenfilet reich garniert daherkommt.
Die Seezunge nach Admiralsart verlangt als Garnitur Champignons, Krebsschwänze, Trüffel(scheiben), Muscheln und Austern à la Villeroy (zu Villeroy kommen wir noch). Dazu macht Escoffier eine „gebundene Weißweinsauce, die man mit dem eingekochten Fischfond und 50 Gr. Krebsbutter mischt.“
Filet de Boeuf Garni à la Châtelaine
Nun der Fleischgang: ein Rinderfilet, das nach Art der Schlossherrin (châtelaine) garniert ist. Dazu gehören – nomen est omen – Schlosskartoffeln (pommes noisettes) sowie Artischocken, Maronenpüree mit Zwiebeln, geschmorter Salat und Kalbsfonds.
Escalopes de ris de veau à la Villeroy
Ich persönlich esse sehr gerne Kalbsbries. Leider werden diese schmackhaften Innereien immer teurer gehandelt.
Namensgeber der Zubereitungsart „à la Villeroy“ ist der französische Marschall François de Neuville de Villeroy (1644-1730). Eine weiße Grundsauce (sauce allemande) wird mit Trüffel- und Schinkenessenz verfeinert. Die Kalbsbries-Scheiben werden dann in die (recht dicke) Soße eingetaucht, paniert und anschließend frittiert.
Escoffier merkt an: „Der einzige Gebrauch dieser Sauce ist, gewisse Bestandteile einzuhüllen, um dieselben nachher „à l’anglaise“ zu panieren. Durch diese Art der Zubereitung nehmen die betreffenden Gerichte immer die Benennung „à la Villeroy“ an.“
Sorbets Sicilienne
Zeit zum Durchatmen! Bevor es weiter geht, gibt es eine kleine Erfrischung. Nach Escoffier sind Sorbets gleichzeitig appetitreizend und förderlich für die Verdauung.
Im Deutschen verwendet man für Sorbet auch den Namen Scherbett, der auf das türkische şerbet (kühler Trank) zurückgeht.
Der Zusatz sizilianisch (sicilienne) legt für unser Menü Sorbets/Scherbetts aus Zitrusfrüchten und/oder Melone nahe.

Chaud-Froid de Volaille „en Bellevue“
Bei einem Chaud-Froid wird grundsätzlich heiß zubereitet und kalt serviert (chaud-froid = heiß-kalt). In unserem Fall wird Geflügel (volaille) verarbeitet, das dann mit einer gelatinehaltigen gebundenen Soße oder Gelatine überzogen wird. Alternativ gibt es Chaud-Froid auch mit Fleisch oder Fisch. Zum Schluss wird das Chaud-Froid kunstvoll dekoriert, wie oben auf den Bildern zu sehen ist. Diese künstlerische Präsentation der Speise bezeichnet man als „en Bellevue“. Einfacher ausgedrückt: ein rausgeputztes Hühnchen in Gelee.
Gâteau Fantaisie
Auch beim Erstellen des Kuchens (gâteau)/der Torte wird sich die Hotelküche mächtig ins Zeug gelegt haben, um das Ergebnis möglichst repräsentabel zu gestalten.
Ein paar Beispiele phantasievoller Kuchen aus einem Buch von 1923 sind unten abgebildet.

Glace Nesselrode
Karl Robert Graf von Nesselrode war ein deutscher Adliger und Diplomat, der während des Wiener Kongresses die russische Delegation leitete. Auf seine kulinarische Vorliebe für die Esskastanie dürfte das Dessert zurückgehen, welches jetzt 95 Jahre nach dem Wiener Kongress im Hôtel des Indes in Batavia serviert wurde.
In Meyers Konversationslexikon wird es als eine Eiscreme aus Rahm, Eidotter, Zucker, Maronenpüree, Zitronat und Rosinen beschrieben.
Meyers Konversationslexikon, 4. Auflge 1885-1892; https://www.retrobibliothek.de/retrobib/seite.html?id=111819
Bei Rezepten, die ich im Internet recherchiert habe, gehört aber immer auch Maraschino, ein Kirschlikör, in ein Glace Nesselrode.
Gerne wurde dieses Dessert aufmerksamkeitsträchtig von Hotelbediensteten in Form einer großen Eisbombe in den Speisesaal gebracht.
Bei Escoffier ist die Bombe Nesselrode schlichter: „Außen Vanille-Eis, innen Schlagsahne, der man feines Kastanienpüree unterzogen hat.“
Fruits – Dessert – Café
Sind Sie auch so satt wie ich? Unser Menü neigt sich dem Ende und klingt mit Früchten, Desserts und Café aus.
Nach Torte und Eiskrem wird sich das Dessert in Grenzen halten, vielleicht ein paar Kekse, Konfekt oder kandierte Früchte.
Das Obst war sicher eine interessante Wahl, die Auswahl javanischer Früchte sicher riesig und deren Geschmack köstlich.

Getränke
Was leider zu unserm Menü nicht erhalten ist, ist die Getränkekarte. Aber nachdem wir schon beim Aperitif gesehen haben, dass die Hotelbar keine Wünsche offenließ (SIEHE: Im Hotel „Des Indes“), können wir davon ausgehen, dass es im Restaurant genauso war.
Bemerkenswert finde ich die Idee des Hotels, den Gästen eisgekühltes Wasser zu servieren, das aus den Bergen (Buitenzorg) nach Batavia transportiert, dann abgekocht, gekühlt und anschließend eiskalt serviert wurde. Zum Wohl!

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Wie die Kombüse auf einem Frachtdampfer eingerichtet war, sehen Sie hier:
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Der Kochkunstführer von August Escoffier (Ausgabe 1910)
Den Kochkunstführer von A. Escoffier in der Ausgabe von 1910 finden Sie in der digitalen Sammlung der Sächsischen Landesbibliothek — Staats- und Universitätsbibliothek Dresden (SLUB):





















