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Wilhelm Holst, Schiffskoch

Die „Ulm“ in Ambon (Teil 2 von 2)

Über fünf Jahre (1.800 Tage) fern der Heimat

 

Der Schiffskoch Wilhelm Holst, Meutereien und ein tödliches Rennen

Teil 1 finden Sie hier: Die „Ulm“ in Ambon (Teil 1 von 2)

Bildnachweis Titel: Abrechnung der DADG für den Schiffskoch Holst, oberer Teil der ersten Seite, eigene Sammlung

 

Der Schiffskoch Wilhelm Holst

Zwei Abrechnungen der Deutsch-Australischen Dampfschiffs-Gesellschaft (DADG), die mir im Original vorliegen, dokumentieren das Schicksal des Schiffskochs der „Ulm“, Wilhelm Holst.

Die erste Abrechnung

Der Schiffskoch Wilhelm Holst ist in Ambon (auch Amboina) so erkrankt, dass er seinen Dienst auf dem Schiff nicht mehr ausüben konnte.

Ein erstes Mal war er im Hospital vom 22.5. bis zum 23.6.1916, also 32 Tage. Für jeden dieser Fehltage bekam er 4,33 Mark von seiner Heuer abgezogen, insgesamt 138,56 Mark.

Endgültig das Schiff verlassen hat er am 19.7.1914 „bis zu dem Tag an welchem er das Schiff verließ“.

Vom Tag der Anmusterung, dem 20.4.1914 bis zum 19.7.1916 belief sich die Heuer des Schiffkochs auf genau 27 Monate zu je 130 Mark, zusammen 3510 Mark. Davon abgezogen wurde die oben erwähnte Fehlzeit im Hospital, so dass Wilhelm Holst in der genannten Zeit 3371,44 Mark verdient hatte.

Von dieser Summe wurden weiter in Abzug gebracht:

– bereits ausbezahlte Vorschüsse in Gothenburg (Schweden), Melbourne, Newcastle (Australien) und Ambon in einer Gesamthöhe von 1952,88 Mark (siehe unten)

– ein Ziehschein in Höhe von 130 Mark („auf Ziehschein soweit mir bekannt ausgezahlt“)

– für Getränke und Zoll 20,10 Mark

– der halbe gesetzliche Beitrag zu Seekasse, 118 Wochen zu 0,24 Mark, gesamt 28,32 Mark

– Portoauslagen in Höhe von 1,70 Mark

Die Gesamthöhe dieser Posten belief sich auf 2133 Mark, so dass Wilhelm Holst über ein Restguthaben von 1238,44 Mark verfügte.

Ein handschriftlicher Vermerk besagt, dass

„Auf Order des K. R. Konsulats zu Makassar hat der Kapitain C. B. Saegert das Guthaben des Kochs Holst in Verwahrung zu nehmen u. periodische Zahlungen daraus an Holst zu verabfolgen.“

Anmerkung

Ein Ziehschein „ist der Verpflichtungsschein, den der Reeder auf Verlangen eines Schiffsbesatzungsmitglieds darüber zu erteilen hat, dass er Abschlagszahlungen auf die Heuer an Familienangehörige oder andere vom Besatzungsmitglied angegebene Personen leistet.“ (§ 36 SeemannsGesetz).

Die Abrechnung ist am 27.3.1917 von Kapitän Saegert unterzeichnet worden. Dabei machte er noch folgende handschriftliche Ergänzungen:

„Irrtum vorbehalten.
Sollten Kursdifferenzen vorliegen so werden
diese von der Deutsch-Australischen Dampfschiffs-Gesellschaft
später berichtigt werden.“

Wilhelm Holst, Schiffskoch

Abrechnung der DADG für den Schiffskoch Holst vom 27. März 1917, Vorderseite, eigene Sammlung

Die Rückseite der Abrechnung zeigt sehr deutlich zwei Dinge:

Der Wechselkurs der Mark zum niederländischen Gulden wird im Lauf der Kriegsjahre viel ungünstiger. Der erste Kurs im September 1914 lag bei 1,80 M und stieg auf über 2.30 M im Jahr 1917. Im ungünstigsten Fall sogar auf 2.56 M (1.3.1916). Vor dem Ersten Weltkrieg war der Wechselkurs bei 1.69 M.

Die Lebenshaltungskosten stiegen dramatisch an. Holst erhielt im Jahr 1915 insgesamt 271,19 Mark Vorschüsse, 1916 waren es 895,07 Mark und im ersten Quartal 1917 bereits 540,50 Mark. Lagen die Beträge der einzelnen Vorschüsse bis Ende 1915 meist unter 15 Gulden, ließ sich Holst 1917 stets 45 Gulden als Vorschuss auszahlen.

Anmerkung:

Ein Teil der Erhöhung ist sicher auf die Erkrankung Holsts zurückzuführen, wie hoch dieser krankheitsbedingte Anteil in Relation mit der „normalen“ Preissteigerung ist, lässt sich leider nicht nachvollziehen.

Schiffskoch Wilhelm Holst

Abrechnung der DADG für den Schiffskoch Holst vom 27. März 1917, Rückseite, eigene Sammlung

 

Die zweite Abrechnung

Die zweite Abrechnung für den Schiffskoch Wilhelm Holst wurde zweifelsohne nach seinem Tod erstellt. Holst war offensichtlich seiner Krankheit erlegen, ein Kreuz neben seinem Namen ist das eindeutige Zeichen.

Die Abrechnung trägt kein Datum und eine Unterschrift, die ich nicht zuordnen kann.

Die Abrechnung hat folgenden Inhalt:

Erneut wird die Heuer berechnet, diesmal jedoch anderes, als bei der ersten Abrechnung. Dieses Dokument ist also offensichtlich nach der ersten Abrechnung erstellt worden.

Die Heuer berechnet sich diesmal wie folgt:

vom 20.4.1914 bis zum 19.4.16 = 24 Monate zu 130 Mark = 3120 Mark

ab 20.4.1916 wird ein neuer, erhöhter Heuersatz vergütet:

20.4.1916 bis 19.7.16 = 3 Monate zu 156 Mark = 468 Mark

Neu ist die Position „Erlös aus dem Nachlaß“ zu 275,20 Mark, offenbar wurden die Habseligkeiten Holsts an andere Seeleute verkauft;

„baarer Nachlaß des Verstorbenen fl. 24,14 z. 2.44“ = 58,90 Mark

fl. ist die Abkürzung für niederländische Gulden, 2.44 der Wechselkurs an dem Ausstellungstag

Schuld des Schiffsmanns Alex Androwno f. Stiefel fl. 4 z. 2.44 = 9.76

Diese Posten ergeben ein Guthaben Holsts in Höhe von 3931,86 Mark.

Schiffskoch Wilhelm Holst

undatierte Abrechnung der DADG für den Schiffskoch Holst, eigene Sammlung

 

Davon abgezogen wurden:

– die Zeit im Hospital „Hospitalkrank 22/5. – 23/6.16 = 1 Mt. 2 Tg. z. M 156.-“ = 166,40 M

Miete, Beköstigung, Wäsche für den letzten Monat fl. 30 z. 2.44 = 73.20 M

– Vorschuss in Gothenburg, Kr 23,80 z. 1,12 M = 26,66 M

– Vorschuss in Australien, £ 1.10 z. 20,50 M = 30,75 M

– Vorschuss in Niederl. Indien fl. 843,50 z. 1,69 = 1.425,52 M

– Vorschuss in Niederl. Indien fl. 185.- z. 1.69 = 312,65 M

– Vorschuss in Niederl. Indien fl. 310.- z. 2,44 = 756,40 M

 

Die letzten vier Positionen sind unverändert zur ersten Abrechnung:

 

– auf Ziehschein 130,- M

– Getränke u. Zoll 20,10 M

– Halber gesetzlicher Beitrag zur Seekasse 118 Wochen zu 24 Pfg. = 28,32 M

– Porto-Auslagen 1,70 Mark

Insgesamt 2.971,70 Mark

 

Damit bleibt ein Rest-Guthaben in Höhe von 960.16 Mark (im Dokument ist hinter die Summe Fr. gesetzt. Warum kann ich nicht erklären.

Die Unterschrift und das Datum

Für mich sieht es so aus, dass die Unterschrift unter der Abrechnung von einer zweiten Person stammt, die die Abrechnung kontrolliert hat. Der Grauton ist etwas heller, als die Abrechnung selbst. Die Häkchen ganz rechts wurden meiner Meinung nach vom Unterzeichner gesetzt, nicht von der Person, die die Rechnung geschrieben hat.

Einen Hinweis auf das Datum der undatierten Rechnung gibt die Nummer des Formblattes unten links. Die beiden letzten Zahlen sind „XI. 19.“, demnach wäre das Formblatt im November 1919 gedruckt worden, die Rechnung kann demzufolge nicht vor November 1919 erstellt worden sein, also lange nach dem Tod des Seemanns.

Holst dürfte nur 55 Jahre alt geworden sein (die Mannschaftsliste vom 10. Juli 1914 weist sein Alter mit 53 Jahren aus). Siehe: Die „Ulm“ in Ambon (Teil 1 von 2)

 

Ein nächstes dokumentiertes Ereignis auf der „Ulm“ ist dann bereits aus dem Jahr 1918:

1918

Februar 1918

Im Februar 1918 gab es auf dem niederländischen Schiff „Valk“ in der Bucht von Ambon eine Explosion, das Schiff brannte aus und war verloren. Ein Seemann, der Maschinist Morbeck, kam dabei ums Leben.

Kritik wurde danach an den Kapitänen der vier deutschen Schiffe wegen unterlassener Hilfsleistung laut. Diese Kritik wurde jedoch von verschiedenen Personen entkräftigt, zunächst vom Hafenmeister Bruin in Ambon:

„Auf Ihr Telegramm Hafenmeister Bruin erklärt, er hat niemanden angeklagt. Dampfer Teo Pao hatte an Bord den Kapitän, einen Offizier, einen Maschinisten. Hülfeleistung war unmöglich, da Gefahr nicht ausgeschlossen.“

Auch der Resident (ähnlich einem Gouverneur) von Ambon teilte diese Ansicht:

„W.D. van Drunen Littel, Resident von Amboina, erlaubt zu veröffentlichen, dass keinerlei Anzeige erfolgt sei gegen Teo Pao noch Manilla und beide Schiffe keine Hülfe leisten konnten, da keine Mannschaft an Bord war und kein Dampf auf war.“

Weitere Unterstützung der deutschen Kapitäne kam von dem Kommandanten des niederländischen Schiffes H.M. „Koetei“:

„Kommandant Jager von H.M. Koetei erlaubt zu veröffentlichen, wenn Kapitän Luers vom Dampfer Teo Pao seine Hülfe angeboten hätte, dann hätte ich ihm gesagt, bleiben Sie auf Ihrem Schiff, das Sie klar sind, wenn Ihr Schiff fort muss von Ankerplatz. Dampfer Ulm und Linden lagen sechs Kilometer von der Unfallstelle, konnten Vorfall nicht beobachten, mittags haben Kapitän Saegert (van de Ulm; Red.) und Moritzen (van de Linden; Red.) Hulfe angeboten.
[gez.] Schmidt

Diese Nachforschungen geschahen auf Anweisung des deutschen Generalkonsuls in Batavia. Erschienen in De locomotief, 20. März 1918, www. delpher.nl; die zitierten Textauszüge sind in der, in niederländischer Sprache erschienenen Zeitung, in deutscher Sprache erschienen).

Das Dampfschiff „Valk“ wurde 1903 in Amsterdam gebaut und hatte eine Besatzung von 40 Personen („van 6 Europeanen en 34 inlanders“). Quelle: Leidsch Dagblad, 22. Feb 1918, S. 3, leiden.courant.nu)

Willem Diederik van Drunen Littel, Ambon

Visitenkarte von Willem Diederik van Drunen Littel mit Frau, Resident von Ambon, Aufnahme von 1890, Quelle: commons.wikimedia.org

 

23. September 1918

Ein bitterer Tag für die Besatzung der „Ulm“ war sicherlich der 23. September 1918.

An diesem Tag verließ die ebenfalls in der Bucht von Ambon liegende „Linden“, wie die „Ulm“ ein Schiff der DADG, die Bucht von Ambon. Sie ging als Reparationsleistung für versenkte Tonnage an die Niederlande. Unter dem neuen Namen „Eemland“ versegelte das Schiff nach Makassar. Was mit der Mannschaft der „Linden“ geschah, erfahren wir nicht.

Amboina, 23. Sept. (Aneta).
De „Eemland“
Het ss. Eemland is naar Makasser vertrokken.
De locomotief, 23. Sept. 1918, http://www.delpher.nl

 

Zuvor war eine niederländische Mannschaft in Ambon eingetroffen, die das Schiff übernahm:

Amboina, 14. Sept. (Aneta)
Het overnemen van de Duitsche schepen.
Hier zijn de kapitein, stuurlui en machinisten aangekomen ter bemanning van het overgenomen Duitsche stoomschip Linden, thans Eemland.
De locomotief, 15. Sept. 1918, http://www.delpher.nl

Das Schiff wurde dann im Dock von Soerabaya auf Java überholt, bevor es die Reise in die Niederlande antreten konnte. (Quelle: Bataviaasch nieuwsblad, 9. Nov. 1918, www. delpher.nl)

Ambon/Amboina port

Blick vom Strand auf den Hafen von Amboina, 1922, Quelle: Collectie Nationaal Museum van Wereldculturen, Amsterdam, Inventarnr. TM-33000958

1919

Neue Hoffnung keimte in der Bucht von Ambon im Januar 1919 auf. Die „Teo Pao“ und die „Manila“ sollten das Schiff klar machen, Proviant aufnehmen und auf weitere Order warten. Für die „Ulm“ hieß es, dass sie unter „englische Aufsicht kommen“ solle.

De Duitsche schepen.
Ambon vooruit meldt, dat de s.s. Manilla en Teo Pao van het kantoor der N.D.L. te Amsterdam telegrafisch bericht hebben gekregen, de schepen zeilree te maken, proviand in te nemen en verder op orders te wachten. Denkelijk zullen de schepen te Singapore dokken en voor voedseloverbrenging naar Duitschland moeten dienen.
Het s.s. Ulm heeft bericht ontvangen, dat het onder Engelsch toezicht zal gaan varen.
De Sumatra Post, 29. Jan 1919

Anmerkung: Die Zeitung Ambon Vooruit wurde zweimal wöchentlich in niederländischer Sprache veröffentlicht.
Quelle: Netherlands East Indies and British Malaya, A Commercial and Industrial Handbook, 1923, abgerufen über https://books.google.fr/books

 

Die Ankündigung erwies sich jedoch als Strohfeuer. Im August 1919 sollten alle drei Schiffe noch immer in der Bucht von Ambon liegen.

Im März 1919 kam es zu einer ersten (dokumentierten) Meuterei, bei der die Worte fielen:

„Wenn du nicht gleich machst, dass du fortkommst, dann hau ich dir den Farbtopf um die Ohren“

Bericht über die Meuterei gibt ein Zeitungsartikel, hier in der deutschen Übersetzung:

„Bolschewismus auf Ambon
Die Seeleute, Heizer und Trimmer der in der inneren Bucht liegenden SS Ulm haben sich am Mittwoch geweigert, unter dem gegenwärtigen Regime länger an Bord zu arbeiten, schrieb Ambon Vooruit vom 22. März. Nach einem Schiffsrat, bei dem ein Heizer und ein Seemann für die Besatzung sprachen, wurde festgestellt, dass von nun an nur noch die Befehle des Kapitäns angenommen werden. Nachdem die Forderungen der Besatzung, die unter anderem die Wachen an Bord selbst regeln, erfüllt waren, nahmen sie die Arbeit wieder auf. Der Stellvertreter, der 1. Offizier Hoffmeister ist vom Dienst ausgeschieden.“

Anmerkungen: Der Mittwoch vor dem 22 . März 1919 (Sa) war der 19. März 1919.
P. Hoffmeister war der 2. Offizier der „Ulm“; 1. Offizier war A. Steinorth

Auch die Zeitung De Preanger Bode berichtete über den Vorfall:

Ulm Ambon

De Preanger Bode vom 12. April 1919, http://www.delpher.nl

 

Nach diesem, ausführlicheren Artikel über die Meuterei soll der 1. Bootsmann dem 2. Offizier Hoffmeister mit den Worten gedroht haben:

„Wenn du nicht gleich machst, dass du fortkommst, dann hau ich dir den Farbtopf um die Ohren“
Quelle : De Preanger-bode, 12. Apr 1919, http://www.delpher.nl

In dieser Quelle heißt es außerdem:

„der deutsche Konsul den Kapitänen der hier liegenden deutschen Schiffe aufgetragen hat, dafür Sorge zu tragen, dass solche Probleme nicht wieder vorkommen.“

 

Zweite Meuterei

Allerdings blieb die Stimmung an Bord explosiv und im Juli 1919 eskalierte die Lage vollends. 21 Seeleute wurden daraufhin unter bewaffnetem Geleit von Ambon abgeführt und über Makassar und Soerabaya auf die Quarantäne-Insel Onrust bei Batavia gebracht (De locomotief, 21. Juli 1919):

Makasser, 12 Juli 1919.
Dienstwsigeraars.
Een en twintig Duitsche schepelingen, afkomstig van het Duitsche ss. Ulm, zijn wegens dienstweigering afgemonsterd en onder sterk gewapend geleide te Makasser aangebracht, om naar Java te worden doorgezonden.
Het nieuws van den dag voor Nederlandsch-Indië, 12-07-1919

In der Übersetzung:
Dienstverweigerer
Einundzwanzig Deutsche der deutschen SS „Ulm“, die wegen Dienstverweigerung eingezogen werden mussten und unter starkem bewaffnetem Geleit nach Makasser gebracht wurden um nach Java weitergeleitet zu werden.

Anmerkung: Die Quarantäne-Insel Onrust wurde während des Zweiten Weltkrieges als Internierungslager genutzt, auch für deutsche Gefangene.
Laut van Dijk (2007) waren die deutschen Seeleute auf der winzigen Nachbarinsel von Onrust, Kuiper (Kuyper) Island untergebracht. Einmal pro Monat konnten sie für drei Tage nach Batavia, um sich dort Arbeit zu suchen. Wenn sie ihren Lebensunterhalt selbst bestreiten konnten, mussten sie nicht mehr auf Kuiper Island bleiben.
Quelle: The Netherlands Indies and the Great War 1914-1918, Kees van Dijk, KITLV Press, Leiden 2007; Verhandelingen van het Koninklijk Instituut voor Taal-, Land- en Volkenkunde, 254; Seite 570)

Nach diesem Zeitpunkt war also nur noch eine deutliche verkleinerte Mannschaft an Bord der „Ulm“.

Onrust Island and Kuiper Island 1925

Onrust Island (vorne) und Kuiper Island in der Bucht von Batavia, um 1925; Collectie Tropenmuseum, Stichting Nationaal Museum van Wereldculturen; collectie.wereldculturen.nl

 

Aufbruch aus Amboina

Im August 1919 kam dann endlich Bewegung in die Angelegenheit. Britische Offiziere und Seeleute kamen über Makassar nach Ambon, um die drei deutschen Schiffe zu übernehmen.

Makassar, 23 Augustus 1919.
De Duitsche schepen.
..eerst acht Engelsche officieren aangekomen, zijn gisteren-avond per… vier officieren gearriveerd, allen van de commissie tot overname van Duitsche schepen. Hedenmorgen kwamen… van Rees nog 23 officieren aan, waar…. gedeelte voor Ambon bestemd is. In Ambon liggen nog de Ulm, de Teopao … Manilla.
Het nieuws van den dag voor Nederlandsch-Indië, 25-08-1919

Am 29. August 1919 wurden schließlich die „Teo Pao“ und die „Manila“ an die Briten übergeben und einen Tag darauf die „Ulm“:

Amboina, 29 Aug. (Aneta). De schepen-overgavs.
De heden overgegeven schepen ,Manila“ en ,Teo Pao“ voeren de Statenbondvlag met in den top de Britsche kleuren. De overgave van de ,Ulm“ heeft Zaterdag plaats.
Bataviaasch nieuwsblad, 29-08-1919

Übersetzt: Die heute übergebenen Schiffe Manila „und Teo Pao“ führen die Statenbund-Flagge mit den britischen Farben darüber. Die Übergabe der „Ulm“ findet am Samstag statt.

Anm.: Samstag war der 30. August 1919

 

Ein verrücktes Rennen und Tod nach kurzer Freiheit

Die deutschen Seeleute konnten Ambon endlich verlassen. Zuerst mussten sie mit Schiff nach Makassar, um von dort nach Java zu gelangen, von wo aus die Reise nach Europa zurückgehen konnte.

Für einen Seemann endete die Reise allerdings bereits in Makassar, er starb dort bei einem Autounfall. Drei weitere Seeleute wurden schwer verwundet:

Makasser, 2 Sept. 1919.
Een dolle race.
Zondag-nacht hielden 2 auto’s, — waarin afgemonsterde Duitsche zeelieden van de overgegeven schepen zaten, die in zeer vroolflke stemming verkeerden, —op het nieuwe haven-terrein een duizeling wekkende race. De voorste auto kwam hierbij tegen het met touw afgesloten weggedeelte en sloeg aan gruizelementen. Een persoon werd onmiddellijk gedood, drie werden ernstig gewond. De andere auto bleef ongedeerd.
De omgekomen Duitscher was vroeger machinist van den stoomer Ulm.
Het nieuws van den dag voor Nederlandsch-Indië, 03-09-1919

Ein verrücktes Rennen
Am Sonntagabend lieferten sich zwei Autos – in denen die deutschen Seeleute, die von den übergebenen Schiffen abgemustert worden waren und die in einer sehr glücklichen Stimmung waren – auf dem neuen Hafengelände, ein schwindelerregendes Rennen. Das vordere Auto kam auf den mit einem Seil verschlossenen Straßenabschnitt und schlug gegen Sandhaufen. Eine Person wurde sofort getötet, drei wurden schwer verletzt. Das andere Auto war unbeschädigt. Der verstorbene Deutsche war früher Maschinist des Dampfers Ulm.

Anmerkung: Der Name des Verstorbenen wurde in den Zeitungen nicht genannt.

Makassar harbour 1937

Laden von Rattan im Hafen von Makassar im Juni 1937, Quelle: Collectie Tropenmuseum Amsterdam, Inventarnummer TM-10011574

 

Das Schiff „Ulm“ lief hingegen mit neuer Besatzung nach Singapur:

Amboina, 19 Sept. 1919.

De „Ulm“.
Het Duitsche stoomschip Ulm vertrok gisteren via Soerabaja naar Singapore om aldaar te dokken.
Het nieuws van den dag voor Nederlandsch-Indië, 19-09-1919

 

Die Ulm nach dem Ersten Weltkrieg

Die „Ulm“, die „Manila“ und die „Teo Pao“ gingen an die Britische Krone bzw. an den Shipping Controller, die zuständige Behörde für die Verwaltung der Handelsschiffe. Bereedert wurden die drei Schiffe von der British India Steam Navigation Co.

Die „Ulm“ wurde 1921 an die Nourse Line verkauft und in „Tapti“ umbenannt. 1937 wurde das Schiff nach HongKong (Williamson & Co) abgegeben und erhielt den neuen Namen „Leana“.

Die „Leana“, exUlm, exTapti wurde am 7. Juli 1943 vom deutschen U-Boot U 198 vor Portugiesisch-Ostafrika torpediert und versenkt.

Quellen: http://www.biship.com; uboat.net

 

Schlussbemerkungen

Mehr Informationen über die „Ulm“ und die anderen deutschen Schiffe in Ambon während des Ersten Weltkrieges könnte der Zeitung Ambon Vooruit zu entnehmen sein, die zweimal wöchentlich in niederländischer Sprache erschien. Über Hinweise zu noch existierenden Ausgaben freue ich mich.

In Ambon existiert eine sogenannte PASCH-Schule (SMA NEGERI SIWALIMA AMBON), die dem Netzwerk der Goethe-Institute angeschlossen ist und Deutschkurse anbietet. Zwei Anfragen zur Geschichte der deutschen Schiffe in Ambon blieben leider unbeantwortet.

Die besten Internetquellen für historische Aufnahmen von Ambon/Amboina und generell von Niederländisch-Indien sind die digitale Sammlung der Universitätsbibliothek Leiden (digitalcollections.universiteitleiden.nl) und die Museumsseite von Stichting Nationaal Museum van Wereldculturen (collectie.wereldculturen.nl).

 

 

 

 

 

steam ship Ulm, crew list July 20th 1914

Die „Ulm“ in Ambon (Teil 1 von 2)

Über fünf Jahre (1.800 Tage) fern der Heimat

Teil 1: Trostlose Langeweile auf einer Gewürzinsel

Teil 2 (nächste Woche hier im Blog):
Der Schiffskoch Wilhelm Holst, Meutereien und ein tödliches Rennen

Bildnachweis Titel: Mannschaftsliste der „Ulm“ bei der Ankunft in Sydney am 10. Juli 1914, Seite 1 oben; © State Records Authority of New South Wales

 

Die „Ulm“ in den Molukken

In heutigen Zeiten beschweren sich viele Menschen, wenn sie ein paar Wochen zuhause bleiben sollen, um die Ausbreitung eines Virus zu verlangsamen.

Deutsche Seeleute mussten im Ersten Weltkrieg fünf Jahre lang fern der Heimat verbringen, ehe sie wieder in die Heimat zurück konnten. Der Artikel berichtet am Beispiel des Dampfschiffes „Ulm“ in Ambon, einem Frachtdampfer der Deutsch-Australischen Dampfschiffs-Gesellschaft (DADG), von dieser Zeit.

Der Kapitän des Schiffes, C. B. Saegert, war lange Zeit verantwortlicher Schiffsführer der „Fürth“, bevor er im Herbst 1912 von Kapitän Richter ersetzt wurde: Kapitän C. B. Saegert – eine Würdigung.

Bei Ausbruch des Ersten Weltkrieges hatte Kapitän Saegert mit seiner „Ulm“ versucht, die Deutsche Kriegsmarine mit Kohlen zu versorgen.
SIEHE dazu den Artikel: Die heimlichen Helfer der Kaiserlichen Marine

Nachdem er allerdings zusammen mit dem Dampfschiff „Linden“, ebenfalls ein Schiff der DADG, am 8. September 1914 von dem niederländischen Panzerkreuzer HNLMS Maarten Harpertszoon Tromp in der Bucht von Sawai entdeckt und in den Hafen von Ambon eskortiert worden war, musste Kapitän Saegert und seine Mannschaft den Ersten Weltkrieg in diesem kleinen Hafen auf den Molukken (Gewürzinseln) verbringen.

Nach Kriegsende dauerte es noch einmal viele lange Monate, bis das Schicksal der „Ulm“ beschlossen und eine britische Crew nach Ambon gesendet wurde, die das Schiff schließlich übernehmen sollte. Dies geschah nicht vor Ende August 1919, also nochmals fast neun Monate nach dem Waffenstillstand.

So verbrachten die deutschen Seeleute insgesamt fünf lange Jahre oder über 1.800 (eintausendachthundert) Tage auf der kleinen Insel Ambon in Niederländisch-Indien und warteten darauf, wieder in die Heimat zurückkehren zu können.

steamship ULM

Das Dampfschiff „Ulm“ nach dem Ersten Weltkrieg als „Tapti“ der Nourse Line, London; Aufnahme 1921-1937; © R. Schmelzkopf, Deutsch-Australische Dampfschiffs-Gesellschaft, Hamburg 1888 – 1926, Eigenverlag (Strandgut), Cuxhaven 1984, Aufnahme aus der Sammlung A. Kludas.

 

Die Insel Ambon (auch Amboyna, Amboina)

Mit 775 km2 ist die Insel Ambon etwas so groß wie Madeira (741 km2) und damit kleiner als Rügen (926 km2). Die höchste Erhebung ist der Salhutu (ca. 1038 m), ein Berg vulkanischen Ursprungs. Das Lexikon Encyclopedia Britannica (Ausgabe 1911) beschreibt das Klima als „angenehm und gesund“ mit einer Durchschnittstemperatur von 26,7 Grad.

“The climate is comparatively pleasant and healthy; the average temperature is 80° F., rarely sinking below 72°.”
Dieses und folgende Zitate aus:
https://en.wikisource.org/wiki/1911_Encyclopædia_Britannica/Amboyna

Feuchtigkeit und schwere Stürme relativieren allerdings diese Aussage:

“The rainfall, however, after the eastern monsoons, is very heavy, and the island is liable to violent hurricanes.”

Wärme und Feuchtigkeit sorgen auf der Insel für ein üppiges Pflanzenwachstum. Dementsprechend gibt es auch viele Nutzpflanzen:

“The vegetation is also rich, and Amboyna produces most of the common tropical fruits and vegetables, including the sago-palm, bread fruit, cocoa-nut, sugar-cane, maize, coffee, pepper and cotton.”

Wichtigste Gewürzpflanze für den Export war die Gewürznelke und Ambon ihr wichtigster Verschiffungshafen.

Ambon

Die Insel Ambon, Ausschnitt aus der Karte von Seram, erstellt von: Lencer – own work, used:GMT and SRTM3V2File:Indonesia location map.svg by User:Uwe DederingPopulation_of_Indonesia_by_Village_2010.pdf by Banda Pusat Statistics for the labels of citiesBuria, by U.S. Army Map ServiceAmbon, by U.S. Army Map ServiceBula, by U.S. Army Map ServiceGeser, by U.S. Army Map Service, CC BY-SA 3.0, https://commons.wikimedia.org/w/index.php?curid=41001188, Lizenz: CC BY-SA 3.0, Wiedergabe in Sepia

Die Bevölkerung der Insel wird in der Encyclopedia Britannica von 1911 mit 39.000 Einwohnern angegeben, wovon 8.000 in der Hauptstadt gleichen Namens wohnten. Die Stadt lebte von Landwirtschaft, Fischfang und Handel:

“Amboyna, the chief town, and seat of the resident and military commander of the Moluccas, is protected by Fort Victoria, and is a clean little town with wide streets, well planted. Agriculture, fisheries and import and export trade furnish the chief means of subsistence. It lies on the north-west of the peninsula of Leitimor, and has a safe and commodious anchorage. Its population is about 8000.“

Anmerkung: Die beiden „Hälften“ der Insel Ambon werden Leitimor und Hitoe genannt.

In seiner Geschichte war Ambon zuerst portugiesisch, dann britisch und schließlich Teil Niederländisch-Indiens.

Auch heute noch liegt Ambon weit abseits der üblichen Touristenpfade und gilt als wenig erschlossener „Geheimtipp“ für Tauchtouristen.

Seram

Die Insel Seram mit der Bucht von Sawai (Nordküste, Inselmitte) sowie die Insel Ambon und die Lease-Inseln, erstellt von: Lencer – own work, used:GMT and SRTM3V2File:Indonesia location map.svg by User:Uwe DederingPopulation_of_Indonesia_by_Village_2010.pdf by Banda Pusat Statistics for the labels of citiesBuria, by U.S. Army Map ServiceAmbon, by U.S. Army Map ServiceBula, by U.S. Army Map ServiceGeser, by U.S. Army Map Service, CC BY-SA 3.0, https://commons.wikimedia.org/w/index.php?curid=41001188, Lizenz: CC BY-SA 3.0, Wiedergabe in Sepia

 

Vier Schiffe

Neben der „Ulm“ und der „Linden“ lagen während des Ersten Weltkrieges noch zwei weitere deutsche Schiffe in der Bucht von Ambon: die „Teo Pao“ und die „Manila“ (in den niederländischen Zeitungen stets „Manilla“ geschrieben, da sich die namensgebende Hauptstadt der Philippinen im Niederländischen mit zwei „l“ schreibt).

Beides waren kleine Küstendampfer des Norddeutschen Lloyd (NDL) im inner-ostasiatischen Verkehr („Manila“, 1790 BRT, gebaut 1904, und „Teo Pao“, 1655 BRT, gebaut 1907):

„In die Celebes-Molukken-Fahrt wurden 1907 die neu erbauten Dampfer TEO PAO und KWONG ENG eingestellt. Von den Zubringerlinien auf der Strecke Singapore – Celebes – Molukken ist eine Postschiff-Zweiglinie Singapore – Neuguinea zu unterscheiden, auf der seit April 1909 der Dampfer MANILA den Dienst versah und die von Singapore über Batavia, Makassar, Amboina (Südmolukken) zu Häfen des deutschen Schutzgebietes Neuguinea führte.“

aus: Die ostasiatische Küstenschifffahrt des Norddeutschen Lloyd und der Hamburg-Amerika Linie von 1900 bis 1914, Andreas Hamann (2006), Deutsches Schifffahrtsarchiv, 29, 159-180. https://nbn-resolving.org/urn:nbn:de:0168-ssoar-55833-2

Über die deutschen Schiffe während des langen Aufenthaltes in Niederländisch-Indien heißt es, dass sie mit zunehmender Liegezeit in einem sehr vernachlässigten Zustand waren:

„The maintenance of the German freighters themselves were largely neglected during their protracted stay in the ports of the Netherlands Indies. When Abdoel Moeis, visited Sabang in January 1917 he was struck by the poor condition of these ships. He noted that they were extremely filthy and that the sides were overgrown with barnacles.”

Anmerkung: Abdoel Moeis (Abdul Muis) war Schriftsteller und Kämpfer für die Unabhängigkeit Indonesiens; „barnacles“ sind Seepocken.

Den Quellen nach ankerten alle vier Schiffe auf Reede, das heißt, um an Land zu kommen, brauchten die Besatzungsmitglieder stets ein Boot.

steamship Ulm in Sydney

Mannschaftsliste der „Ulm“ bei der Ankunft in Sydney am 10. Juli 1914, Seite 1 ; © State Records Authority of New South Wales

 

Die Mannschaft der „Ulm“

Die Seeleute, die sich an Bord der „Ulm“ bei der Ankunft des Schiffes in Sydney am 10. Juli 1914 befanden, sind in den beiden Listen dokumentiert (siehe Abbildungen).

In Sydney selbst, aber auch in Newcastle kann es anschließend noch zu Desertationen bzw. zu Anmusterungen gekommen sein. Auch könnten sich blinde Passagiere an Bord geschlichen haben. SIEHE dazu den Artikel: Dampfschiff „Fürth“: Tagebuch-Spezial – Deserteure, Einschleicher und wechselndes Personal

Sicher nicht mehr an Bord in Ambon war der 18jährige Leichtmatrose Fritz Kötteritzsch, der am 7. September 1914 im Hafen von Sawai ertrunken war. Der Fall ist hier ausführlich beschrieben: Die heimlichen Helfer der Kaiserlichen Marine

 

steamship Ulm in Sydney

Mannschaftsliste der „Ulm“ bei der Ankunft in Sydney am 10. Juli 1914, Seite 2 ; © State Records Authority of New South Wales

 

Die Lebensbedingungen

Die jahrelange Isolation der Seeleute fern der Heimat ließ Langweile und Unruhe aufkommen. Tropische Krankheiten verschlimmerten die Situation, einige Seeleute suchten auch den Freitod, was für den vorliegenden Fall der „Ulm“ jedoch nicht dokumentiert ist.

“For the stranded Germans life became difficult over time. They were assailed by boredom and restlessness as time went by. Within months there were also the first reports of crew members who caught malaria and other tropical diseases, or committed suicide.”

Die Lage der Seeleute wurde mit zunehmender Dauer immer angespannter, der Krieg trieb die Preise und der Lebensstandard bei gleichbleibenden Einkommen sank stark ab. Wir werden das am Beispiel des Schiffskochs Wilhelm Holst noch sehen (siehe Teil 2 des Artikels).

“In the course of time, the situation of the sailors grew more precarious. They received their pay, or at least part of it, but as the war dragged on and prices rose they could not make ends meet.”
van Dijk 2007

Allerdings galt dies nicht nur für die Seeleute, sondern für die ganze Bevölkerung Niederländisch-Indiens.

Zwei Beispiele:

Vor dem Ersten Weltkrieg hatte Australien große Mengen Mehl nach Niederländisch-Indien exportiert. Auch die „Fürth“ hatte immer wieder große Mengen Mehl an Bord, wenn sie von Australien nach Niederländisch-Indien segelte. Ende 1914/Anfang 1915 wurden diese Mehlexporte eingestellt, was einen dramatischen Anstieg der Brotpreise in Niederländisch-Indien zur Folge hatte.

Die französischen Kolonialbehörden untersagten Anfang 1915 den Export von Reis aus Vietnam nach Niederländisch-Indien mit der Begründung, dass dieser zum Feind, also nach Deutschland, weiterverkauft werden könne.

Zunehmender Druck

Die Staaten der Entente übten weiteren Druck auf die Niederlande und ihre Kolonie aus:

Niederländisch-Indien war auf den Import von Kohle angewiesen, die dort nicht in ausreichender Menge vorkam. Die Briten belegten die Kolonie 1915 mit einem Importstopp.

Zudem wurden niederländische Firmen von Großbritannien und Frankreich zunehmend unter Druck gesetzt. Unternehmen, die Geschäftsbeziehungen mit den Mittelmächten unterhielten, wurden auf eine schwarze Liste gesetzt und boykottiert. Geschäftsbeziehungen mit ihnen wurden gerichtlich verfolgt („trading with the enemy„).

Zitate zu Lebensbedingungen und Informationen zu Handelsbeschränkungen aus: The Netherlands Indies and the Great War 1914-1918, Kees van Dijk, KITLV Press, Leiden 2007; Verhandelingen van het Koninklijk Instituut voor Taal-, Land- en Volkenkunde, 254)

 

Dokumentierte Vorkommnisse

An Bord der „Ulm“ gab es einige Vorfälle und Begebenheiten, die ihren Weg in die Presse gefunden haben und dokumentiert sind. Ich habe sie chronologisch geordnet.

 

1915

Im Sommer 1915 spendeten vier Besatzungsmitglieder der „Ulm“ für die Hamburger Kriegshilfe. Die Spenden wurden im Hamburger Anzeiger am 2. Juli 1915 veröffentlicht.

Gabenverzeichnis der Hamburger Kriegshilfe
(Die Aufrufe der Hamburgischen Kriegshilfe und des Roten Kreuzes werden in der Sonntagsausgabe veröffentlicht.)
Deutsche Bank, … Deutsch-Austral.-Dampfsch.-Ges., Dampfer „Ulm“, Kapitän C. B. Saegert 50, 2. Steuermann P. Hoffmeister 170, 4. Steuermann R. Bloese 50, 4. Maschinist L. Reichard 50
Hamburger Anzeiger, Fr 2. Juli 1915, S. 11

Anmerkung: die stolzen 170 Mark Hoffmeisters entsprachen einem Monatslohn des zweiten Offiziers

Kriegsgaben, Mannschaft der Ulm 1915

Hamburger Anzeiger, 02. Jul 1915, S. 11, Ausschnitt; Quelle: europeana.eu

 

1916

10. April 1916

Am 10. April 1916 starb der erst neunzehnjährige Matrose Fritz Heinemann, genannt „Wöbbekind“, bei Reinigungsarbeiten. Das Seeamt Hamburg wertete den Tod am 2. November 1922 als Arbeitsunfall, der Bericht gibt einen Einblick in die Arbeiten an Bord.

Anmerkung: Interessant ist, dass sich sein Spitzname „Wöbbekind“ sogar in der Mannschaftsliste oben wiederfindet, nicht sein Familienname.

 

„Die dritte Verhandlung betraf den Tod des am 15. Juli 1896 zu Elze Kreis Marienburg geborenen Matrosen Fritz Heinemann, genannt Wöbbekind, durch Sturz in den Raum auf der Reede von Amboina am 10. April 1916. Die Zeugenaussagen haben ergeben, daß der Matrose Heinemann gegen 6 ½ Uhr morgens am 10. April 1916 beim Rostreinigen beim Hinuntersteigen von der Leiter während er in Raum Nr. 3 Zwischendeck beschäftigt war, in den Unterraum hineingefallen ist. Die Niedergangsleitern befanden sich in vorschriftsmäßiger Ordnung, Heinemann hat von der Spardecksleiter fallend mit einem Arm den eisernen Scheerstock im Zwischendeck gestreift und ist dann in den Unterraum gefallen erst mit beiden Händen voraus und ist dann mit dem Kopf auf die Bodendielen geschlagen. Der Verunglückte wurde sofort an Land geschafft, wo er unter Aufsicht eines Arztes ins Krankenhaus transportiert wurde. Dort ist er am 14. Mai seinen inneren Verletzungen erlegen. — Der Spruch des Seeamts lautete: Der Matrose Fritz Heinemann genannt Woebbekind des Dampfers Ulm ist am 10. April 1916 im Hafen von Amboina von der Raumleiter in den Unterraum abgestürtzt und den erlittenen Verletzungen am 14. Mai erlegen. Es liegt hier ein Unfall vor, für welchen niemanden eine Verantwortung trifft.“
Quelle: Hamburgischer Correspondent und neue hamburgische Börsen-Halle, 02. November 1922 , S. 27, Quelle: europeana.eu

 

Mai 1916

Eine Spende für die Hamburgische Kriegshilfe von Kapitän Saegert und dem jungen Maschinenassistent Keesch erfolgte ebenfalls im Frühjahr 1916 und wurde am 2. Juni 1916 von der Neuen Hamburger Zeitung veröffentlicht:

95. Gabenverzeichnis der Hamburgischen Kriegshilfe
Deutsche Bank: … Kapitän C. B. Saegert u. Maschinisten-Anwärter C. Heesch vom D. „Ulm“, z. Zt. Amboina, Niederländisch-Indien, durch Deutsch-Austral. Dampfsch.-Ges. 80.
(Neue Hamburger Zeitung, 2.
Juni 1916, Seite 4)

Kriegsgaben, Ulm, 1916

Gabenverzeichnis, Neue Hamburger Zeitung, 2. Juni 1916, S. 4, Quelle: europeana.eu

 

2. Juni 1916

Erneut gab es einen Todesfall auf der „Ulm“: Der dritte Offizier Hugo Max Hornuff starb durch einen Arbeitsunfall, zumindest hat das Seeamt Hamburg dies über sechs Jahre später, nämlich am 2. November 1922 so festgestellt. Der Bericht vermittelt wieder einen guten Eindruck über die Arbeiten an Bord.

„Die erste Verhandlung betraf den Tod des III. Offiziers Max H o r n u f f geboren am 19. Juni 1890 in Großhartmannsdorf Kreis Freiberg in Sachsen. Das Schiff befand sich zur Zeit im Hafen von Amboina. Der Bericht und die Zeugenaussagen ergaben, daß man seit dem 31. 5. 16 in Luke Nr 3. wo sich die Kohlen entzündet hatten, beschäftigt war, die Kohlen nach Nr. 3 Zwischendeck, Spardeck und am letzten Tage auch nach Nr. 3 Unterraum zu verschiffen. Der III. Offizier Hornuff hatte die Nachtwache an der Brandstelle und war vom I. Offizier genau instruiert worden. Kapitän Saegert hatte speziell auf den Stand der Luken hingewiesen und gesagt, daß im Bedarfsfalle eine elektrische Kabellampe bei der Luke fertig zum Gebrauch angebracht sei. Am 2. Juni 1916 meldete der III. Offizier dem I Offizier Steinorth daß in Nr 3 Luke die Rauchentwicklung stärker werde; er ging dann in Nr. 3 a Unterraum und sagte dem I. Offizier, welcher die Lampe an einer Leine herunterließ daß die Kohlen in der Lukenmitte wieder brannten. Kapitän Saegert hatte sich zeitig zur Ruhe begeben und wachte von dem Sprechen der beiden Offiziere auf worauf er schnell an Deck kam und sah daß der I. Offizier in Luke 3 im Spardeck allein mit dem Schlauch arbeitete. Die hellbrennende Steuerlampe stand zur Zeit in der Mitte der Luke, so daß der ganze Lukenschaft hell erleuchtet war. Der Kapitän fragte darauf nach dem III. Offizier, worauf der I. Offizier antwortete daß dieser in der Maschine Wasser an Deck bestelle. Da noch immer kein Wasser an den Schlauch kam, ging der Kapitän selbst hin und bestellte Wasser an Deck. Zurückkehrend rief er mehrere Male nach dem III. Offizier, bekam aber keine Antwort. Nach ganz kurzer Zeit war dann das Feuer in den Kohlen wieder gedämpft und als auf nochmaliges Rufen keine Antwort kam, ließ Kapitän Saegert nach dem Vermißten suchen. Dieser wurde im Unterraum Nr. 3 mit dem Kopf seitwärts unter der Brust dicht am Schott welches Nr 3 Unterraum von Nr. 3 a Unterraum trennt, in einer Blutlache aufgefunden. Der Verunglückte wurde sofort an Deck und ins Boot gebracht und der II. Offizier Haffmeister beauftragt, so schnell wie möglich ärztliche Hilfe zu holen und den Verunglückten ins Hospital zu bringen. An der Landungsbrücke stellte der herbeigerufene Arzt Dr Marwitz den Tod durch Schädelbruch als eben eingetreten fest und ordnete die Ueberführung nach der Leichenhalle des Militär-Hospitals an. — Kapitän Saegert hatte den III. Offizier vor dem Unfall besonders darauf hingewiesen, daß 3 Lukendeckel von der ersten Sektion der Spardeckluke zwecks Beobachtung der Kohlen im Unterraum 3 offen ständen — Der I. Offizier Steinorth hat von dem Unfall nichts gemerkt. Er hat den III. Offizier im Raum auch nicht vermißt, weil er glaubte daß er Wasser bestellte, während er damit beschäftigt war den Schlauch zurechtzulegen. Er hat infolge des starken Regens und Windes keinen Fall gehört.
Nach Beratung wurde vom Seeamt folgender Spruch verkündet: Der III. Offizier Hugo Max Hornuff des Dampfers Ulm ist am 2 Juni 1916 im Hafen von Amboina beim Löschen eines in den Kohlen ausgebrochenen Feuers auf nicht aufgeklärte Weise durch Sturz in den Unterraum tödlich verunglückt. Eine Schuld an diesem Unfall ist niemandem nachgewiesen.“
Quelle: Hamburgischer Correspondent und neue hamburgische Börsen-Halle, 02. November 1922 , S. 27, Quelle: europeana.eu

Anmerkung: Der Familienname des 2. Offiziers lautet korrekt Hoffmeister.

 

Nächste Woche im Blog:

Der Schiffskoch Wilhelm Holst stirbt nach langer Krankheit; zwei Abrechnungen der Reederei geben Aufschluss über seine finanziellen Verhältnisse.

1919 kommt es auf der „Ulm“ zu zwei Meutereien, 21 Seeleute müssen unter bewaffnetem Geleit das Schiff verlassen. Ende August wird die „Ulm“ an die Briten übergeben und die verbliebenen Seeleute können endlich das Schiff verlassen.

Für einen der Maschinisten währt die Freiheit nur kurz, er stirbt Anfang September bei einem Autorennen im Hafen von Makassar, drei weitere Seeleute werden dabei schwer verletzt.

 

 

SMS Geier, Wilhelm II.

Die heimlichen Helfer der Kaiserlichen Marine

Die Unterstützung von SMS „Emden“ und anderer Kriegsschiffe durch die deutsche Handelsmarine am Beispiel des Dampfschiffes „Ulm“

 

Nachweis für das Titelbild:
Besuch Kaiser Wilhelm II. auf SMS „Geier“, 1894; Bundesarchiv Bild 134-B2664; Quelle: commons.wikimedia.org; Lizenz: CC-BY-SA 3.0

 

Eine Verhandlung des Seeamts zu Hamburg

Der Kapitän des Dampfschiffes „Ulm“ im Jahr 1914 war C. B. Saegert, der Kapitän, der von 1907 – 1912 die Geschicke des Dampfschiffes „Fürth“ leitete.

Bei Nachforschungen zu seinem späteren Lebensweg bin ich auf einen Zeitungsartikel in der Hamburger Tageszeitung mit dem umständlichen Namen Hamburgischer Correspondent und neue hamburgische Börsen-Halle gestoßen. In diesem Artikel hat mich ein Detail stutzig gemacht.

Der Artikel vom 1. November 1922 hat mehrere Todesfälle zum Inhalt. Ich gebe die Zeitungsmeldung hier verkürzt wieder, denn nur der Tod eines Leichtmatrosen im Herbst 1914 ist in dem hier zu schildernden Zusammenhang interessant.

Lesen Sie selbst:

Verhandlungen des Seeamts zu Hamburg
Mittwoch den 1. November 1922.

Vorsitzender: Direktor des Seeamts Dr. A. Schön. Beisitzer: die Kapitäne Frev. Hartung und Jonas sowie Ingenieur Ullrich. Protokollführer: Justizobersekretär R. Fritsche. Zunächst standen 3 Todesfälle zur Verhandlung die sich auf dem Dampfer Ulm der Deutsch-Australischen Dampfschiffs-Gesellschaft, Kapitän C. B. Saegert, ereignet hatten.

Sodann stand zur Verhandlung der Tod des Leichtmatrosen Franz Kötteritzsch, geboren am 3. Februar 1896 zu Hamburg, vom Dampfer Ulm, durch Ertrinken im Hafen von Sawai, am 7. September 1914. Der Leichtmatrose Kötteritzsch hatte am 7. September gegen 6 1/2 Uhr morgen vom 1. Offizier Steinorth den Auftrag erhalten das Rettungsboot Nr. 2 von Backbord nach der Steuerbordseite zur großen Treppe zu wriggen. Nahe der Treppe, etwa 10—12 Meter querab vom Großmast stürzte Kötteritzsch ins Wasser. Der hinten an Deck befindliche Bäcker Tschiedel warf sofort einen Rettungsring, welcher dicht bei dem Verunglückten ins Wasser fiel, aber nicht erfaßt wurde. Nach einigen schwachen Bewegungen sank Kötteritzsch unter und kam nicht wieder hoch. Das klar an der Treppe liegende Boot 3 und mehrere andere Boote suchten sofort die Unfallstelle ab doch ohne Erfolg.
Nach erfolgter Beratung verkündet das Seeamt den Spruch wie folgt: Der Leichtmatrose Franz Carl Gustav Paul Kötteritzsch des Dampfers Ulm ist am 7. September 1914 beim Wriggen eines Schiffsboots im Hafen von Sawai über Bord gefallen und ertrunken. Der Unfall ist scheinbar auf die eigene Unvorsichtigkeit des Verunglückten zurückzuführen. Die Schiffsleitung trifft keine Schuld. Rettungsversuche sind prompt angestellt, aber ohne Erfolg geblieben.

Quelle: Hamburgischer Correspondent und neue hamburgische Börsen-Halle, 02. November 1922 , S. 27, Quelle: europeana.eu

Offensichtlich ein tragischer Unglücksfall. Der Leichtmatrose Kötteritzsch konnte vermutlich nicht schwimmen und ist ertrunken.

Warum ich aber bei dieser Meldung stutzig geworden bin?

Der Hafen von Sawai

Haben Sie schon einmal etwas von Sawai gehört? Wahrscheinlich können Sie sehr erfahrene Reiseblogger oder hartgesottene „Traveller“ in Verlegenheit bringen, wenn Sie ihnen etwas von der Bucht oder dem Hafen von Sawai erzählen. Wo zum Kuckuck liegt denn das???

Hier im Blog erfahren Sie jetzt natürlich, wo Sawai liegt und warum das Dampfschiff „Ulm“ an diesem auch heute noch sehr, sehr abgelegenen Ort war.

Die erste Antwort erhalten Sie sofort: das kleine Dorf Sawai liegt auf der Insel Seram (früher Ceram), die zu den Molukken gehört, eine Inselgruppe, die wiederum im östlichen Teil Indonesiens liegt, im Jahr 1914 also zu Niederländisch-Indien gehörte.

Hier eine Übersichtskarte:

Java and Seram in the Netherlands Indies

Kartenausschnitt aus http://map.openseamap.org/; Wiedergabe in Sepia; zur Verdeutlichung habe ich die Namen der Insel Seram und die Stadt Banjoewangi auf Java in die Karte eingetragen.

 

… und im Detail die Lage von Sawai und der Stadt Ambon (s. u.)

Seram

Die Insel Seram mit der Bucht von Sawai (Nordküste, Inselmitte) sowie die Insel Ambon und die Lease-Inseln, erstellt von: Lencer – own work, used:GMT and SRTM3V2File:Indonesia location map.svg by User:Uwe DederingPopulation_of_Indonesia_by_Village_2010.pdf by Banda Pusat Statistics for the labels of citiesBuria, by U.S. Army Map ServiceAmbon, by U.S. Army Map ServiceBula, by U.S. Army Map ServiceGeser, by U.S. Army Map Service, CC BY-SA 3.0, https://commons.wikimedia.org/w/index.php?curid=41001188, Lizenz: CC BY-SA 3.0, Wiedergabe in Sepia

 

Warum sich das Dampfschiff „Ulm“ hier befand, ist allerdings eine längere Geschichte. Lassen wir sie in Newcastle, N.S.W., also im Südosten Australiens, beginnen.

 

Chronologie einer Flucht

Das Dampfschiff „Ulm“ kam auf seiner Australienreise von Hamburg am 22. Juli 1914 in Newcastle N.S.W. (Australien) an, um dort Kohlen für Amboina, Makassar und Java, also für Niederländisch-Indien zu laden.

Am 2. August 1914 ist das Schiff von Newcastle abgegangen, ohne auf volle Ladung zu warten. (Quelle: The Daily News, Perth, Mo 3. Aug 1914, S. 2, GERMAN VESSELS)

Die vorgezogene Abfahrt von Newcastle war von der Reederei wegen des drohenden Eintritts Großbritanniens in den Ersten Weltkrieg angeordnet worden (Quelle: Otto Harms, Deutsch-Australische Dampfschiffs-Gesellschaft, 1933) SIEHE dazu auch: Die „Fürth“ beim Ausbruch des Ersten Weltkrieges

Der Eintritt Großbritanniens erfolgte dann am Abend des 4. August 1914 (GMT, in Australien bereits der 5. August 1914).

Loading Coal, Newcastle Harbour NSW, about 1900-1910

Verladung von Kohle im Hafen von Newcastle NSW, ca. 1900 – 1910, Verladekran Nr. 11, © State Library of New South Wales, REFERENCE CODE 413801, CALL NUMBER PXE 711/480

 

Die eigentliche Route der „Ulm“ wäre durch die Torres-Straße nach Indonesien verlaufen. Kapitän Saegert musste jedoch klar sein, dass die Torres-Straße von Australien kontrolliert wurde. Außerdem lautete die Vorschrift seines Arbeitgebers, abseits der üblichen Routen zu fahren (Harms, 1933).

Eine andere Möglichkeit, nach Amboina zu kommen, wäre gewesen, um die Insel Neuguinea nördlich herumzufahren. Hier waren allerdings auch die Briten präsent und hatten in Port Moresby einen starken Stützpunkt, der die Region kontrollierte. Außerdem dürfte Kapitän Saegert keine Seekarten von diesem schwierigen Fahrtgebiet gehabt haben.

Und so nahm er mit größter Wahrscheinlichkeit eine südliche Route um den australischen Kontinent und Tasmanien herum nach Niederländisch-Indien, sich stets weit von der Küste entfernt haltend.

In Niederländisch-Indien erreichte er zunächst den Hafen Banjoewangi am östlichen Ende der Insel Java und zwar am 20. August 1914 (Harms 1933).

Anm.: Banjoewangi heißt heute Banyuwangi und liegt am Ostende der Insel Java, gegenüber der Insel Bali.

Dass die „Ulm“ die südliche Route um Australien herum nahm, wird auch durch ein Dokument im Britischen Nationalarchiv gestützt. Darin wurde die Position der „Ulm“, die aufgrund von Telefunkensignalen des Schiffes geschätzt wurde, südlich der Insel Java angegeben:

ADM 137/7/8: Page 381 (telegram from Commonwealth Naval Board, Melbourne to Admirality 27th August 1914 -estimation of German position – [German cruisers] Scharnhorst and Gneisenau disappeared North Eastwards. [German gunboat] Geier off North West of New Guinea. [gunboat] Jaguar off South coast of Java. [SS] Stolberg in Banda Sea. [SS] Luneberg in Java Sea. [SS] Ulm and [SS] Wismar south of Java.

Das Dokument belegt ebenfalls die Anwesenheit der deutschen Kreuzer SMS „Scharnhorst“ und SMS „Gneisenau“, als auch der deutschen Kanonenboote SMS „Geier“ und SMS „Jaguar“ in den Gewässern zwischen dem asiatischen Festland und Australien. SMS „Emden“ war zu dieser Zeit auf dem Weg von China durch die südostasiatische Inselwelt und noch nicht von der Australischen Marine erfasst worden.

SMS Emden, Tsingtau, China, 1914

SMS „Emden“ im Hafen von Tsingtau, Frühjahr 1914, Quelle: commons.wikimedia.org/wiki/File:Bundesarchiv_Bild_137-001329,_Tsingtau,_SMS_%22Emden%22_I_im_Hafen.jpg

 

Ein sicherer Hafen

Neutral betrachtet hatte die „Ulm“ in Banjoewangi ihr Ziel erreicht. Ohne von den Briten oder einer anderen feindlichen Nation aufgegriffen und gekapert zu werden, war das Schiff in einen neutralen Hafen eingelaufen, hätte dort bleiben und das von jedem schnell erwartete Ende des Krieges abwarten können.

Bei einem erneuten Auslaufen lief das Schiff Gefahr, von einem feindlichen Schiff aufgegriffen und gekapert zu werden. Auch ein holländisches Kriegsschiff hätte es angehalten, da es Konterbande in Form von Kohlen geladen hatte, was bedeutet hätte, dass die Ladung konfisziert oder das Schiff des Landes verwiesen worden wäre.

Kapitän C. B. Saegert muss jedoch eine andere Anweisung gehabt haben. Denn statt in dem sicheren Hafen auf Java zu bleiben, machte er sich auf den weiten Weg nach Nordosten, in Richtung der Bucht von Sawai, einem sicherlich auch ihm bis dahin völlig unbekannten Ort.

Banyuwangi about 1930

Arbeiter mit Fracht auf einer Lore im Hafen von Banjoewangi auf Ost-Java, 1924-1932; Quelle: Collectie Nationaal Museum van Wereldculturen, Collectie Tillema, Amsterdam, Inventarnr. RV-A440-y-190

 

Etappe Batavia

An dieser Stelle kommt der Etappendienst ins Spiel. Der Etappendienst war ein weltweites Netzwerk, das die Versorgung der Kriegsschiffe des Deutschen Reiches sicherstellen sollte. Wichtigstes Versorgungsgut war Bunkerkohle, aber auch Lebensmittel und andere Verbrauchsgüter sollten den Kriegsschiffen von Versorgungsschiffen zur Verfügung gestellt werden. Und wer eignete sich als Versorgungsschiffe besser, als die Schiffe der deutschen Handelsmarine?

Im südostasiatischen Raum war der Etappendienst in mehreren Zellen („Etappen“) organisiert. Für den Fall des Dampfschiffes „Ulm“ war die zuständige Einheit die Etappe Batavia, die insgesamt acht Schiffe mobilisierte (Quelle: German Commerce Raiders 1914-1918, Ryan K. Noppen, Bloomsbury Publishing, 2015, abgerufen über books.google.fr). Angrenzend gab es in der Region eine Etappe China und eine Etappe Manila.

In Banjoewangi wurde die „Ulm“ „als Kohlendampfer für das Kreuzergeschwader ausgerüstet“ (Zitat Schmelzkopf) und verließ am 24. August 1914 wieder diesen Hafen.

Falls jemand Hinweise darauf hat, wie diese Ausrüstung konkret ausgesehen hat, bin ich für Hinweise dankbar! Vorstellen kann ich mir, dass die Lagerkapazität für Kohlen an Deck erhöht wurde, um eine schnellere Versorgung der Kriegsschiffe zu gewährleisten. Außerdem könnten auch Körbe, Schaufeln usw. an Bord gebracht worden sein, um das Umladen der Kohle zu beschleunigen.

Sicher ist, dass die „Ulm“ in Banjoewangi weitere Kohlen geladen hat. Quelle dafür ist ein Artikel mit dem Titel „Geheimnisvolle Schiffsbewegungen“ in der Zeitung De Preanger-bode vom 2.9.1914, (Geheimzinnige Scheepsbewegingen), http://www.delpher.nl.

 

Auf Anweisung der Kaiserlichen Marine

Es liegt nahe, dass Kapitän C. B. Saegert bereits vor seiner Abfahrt aus Hamburg von der Kaiserlichen Marine kontaktiert wurde und Order hatte, sich nach einem eventuellen Kriegsausbruch zur Verfügung zu halten. Die folgende Quelle zitiert diese Praxis für die beiden größten deutschen Reedereien, sie dürfte auch für die anderen großen deutschen Reeder gegolten haben:

“Steamers of the Norddeutscher Lloyd and Hamburg-Amerika Linie had already been instructed to assist such German warships before the outbreak of war. Their captains had been provided with a secret code for making contact.”
Quelle: The Netherlands Indies and the Great War 1914-1918, Kees van Dijk, KITLV Press, Leiden 2007; Verhandelingen van het Koninklijk Instituut voor Taal-, Land- en Volkenkunde, 254

 

42 deutsche Handelsschiffe

Insgesamt lagen während des Ersten Weltkrieges 42 deutsche Schiffe und zwei österreichische Schiffe in Niederländisch-Indien (van Dijk, 2007, s. o.).

Die hohe Zahl erklärt sich durch die Tatsache, dass die beiden größten deutschen Reedereien, die Hamburg-Amerika Linie und der NDL vor dem Ersten Weltkrieg ein Liniennetz in der ostasiatischen Küstenschifffahrt aufgebaut hatten.

Siehe dazu: Hamann, A. (2006). Die ostasiatische Küstenschifffahrt des Norddeutschen Lloyd und der Hamburg-Amerika Linie von 1900 bis 1914. Deutsches Schiffahrtsarchiv, 29, 159-180 ; https://nbn-resolving.org/urn:nbn:de:0168-ssoar-55833-2

Den Niederländern kam es sehr ungelegen, dass sich so viele deutsche Schiffe in ihren Gewässern befanden, waren sie doch auf eine strikte Neutralität bedacht. Eine Versorgung deutscher Kriegsschiffe in ihren Hoheitsgewässern konnten sie auf keinen Fall dulden. Die Briten überwachten diese Neutralität natürlich mit Argusaugen. Zum einen waren sie daran interessiert, jedwede Aktivität, die im neutralen Niederländisch-Indien gegen sie gerichtet war, zu unterbinden. Zum anderen hatten sie auch den Verdacht, dass Aufständische in Britisch Indien über Niederländisch-Indien mit Waffen versorgt wurden.

Unter den angegebenen 42 deutschen Schiffen waren auch 13 Schiffe der Deutsch-Australischen Dampfschiffs-Gesellschaft (DADG). Diese habe ich im Anhang dieses Blogartikels aufgelistet.

Zurück zur Geschichte des Dampfschiffes „Ulm“ im August 1914.

 

Quer durch Niederländisch-Indien

Die „Ulm“ verließ am 24. August 1914 den schützenden Hafen von Banjoewangi ohne die, bei den Hafenbehörden übliche Nennung eines Zielhafens (De Preanger-bode, 2.9.1914) und versegelte quer durch die Inselwelt Niederländisch-Indiens nach Sawai. Die Entfernung zwischen beiden Orten beträgt schätzungsweise etwa 1500 Seemeilen.

Auf dieser Fahrt wird Kapitän C. B. Saegert sehr vorsichtig gewesen sein, der Ausguck war sicherlich immer besetzt, auch wenn er gegen die Geschwindigkeit eines eventuell kreuzenden Kriegsschiffes nichts entgegenzusetzen hatte.

Spätestens am 7. September muss er in der Bucht von Sawai angekommen sein, da an diesem Tag der Leichtmatrose Kötteritzsch zu Tode kam (siehe oben).

In die Bucht von Sawai war auch ein zweites Schiff der Deutsch-Australischen Dampfschiffs-Gesellschaft gekommen, die „Linden“.

Die „Linden“ war ebenfalls am 2. August von Newcastle, N.S.W. (Australien) aufgebrochen und hatte ebenfalls eine große Ladung Kohlen an Bord. Ob beide Schiffe gemeinsam oder getrennt voneinander nach Sawai gekommen sind, muss offen bleiben. Die folgende Quelle spricht eher für die zweitgenannte Möglichkeit, da die „Linden“ zuvor schon einmal angehalten worden war, die „Ulm“ hingegen nicht.

Am 8. September 1914, also einen Tag nach dem unglücklichen Todesfall des Leichtmatrosen Kötteritzsch, wurden die beiden deutschen Schiffe von dem niederländischen Panzerkreuzer HNLMS Maarten Harpertszoon Tromp in „einer Bucht nördlich der Insel Seram“ in den Molukken entdeckt und aufgegriffen (die einzig größere Bucht an der Nordküste Serams ist die Bucht von Sawai).

Seram

Die Insel Seram mit der Bucht von Sawai (Nordküste, Inselmitte) sowie die Insel Ambon und die Lease-Inseln, erstellt von: Lencer – own work, used:GMT and SRTM3V2File:Indonesia location map.svg by User:Uwe DederingPopulation_of_Indonesia_by_Village_2010.pdf by Banda Pusat Statistics for the labels of citiesBuria, by U.S. Army Map ServiceAmbon, by U.S. Army Map ServiceBula, by U.S. Army Map ServiceGeser, by U.S. Army Map Service, CC BY-SA 3.0, https://commons.wikimedia.org/w/index.php?curid=41001188, Lizenz: CC BY-SA 3.0, Wiedergabe in Sepia

 

“On 8 September, the Tromp arrested two German steamers of the Deutsch-Australische Dampfschiff Gesellschaft, and an American ship, the Rio Päsig, in a bay north of Seram. One of the German ships was the Linden. On an earlier occasion she had already been ordered out of territorial waters because of her cargo of coal. Encountered in territorial waters for the second time, her cargo was confiscated. The Linden was taken to Ambon. Presented with the choice of unloading her coal or leaving Dutch territory on the condition that re-entering it meant an embargo, the captain of the second vessel, the Ulm, also loaded with coal, opted for the first alternative. The Rio Päsig left. She was later captured by the British. Having escorted the German ships to Ambon, the tromp immediately had to sail to Halmahera, to assist in suppressing an uprising, only to be ordered on again to Lombok, this time her quarry being a merchantman carrying no flag.”

The Netherlands Indies and the Great War 1914-1918, S. 187, Kees van Dijk, KITLV Press, Leiden 2007; Verhandelingen van het Koninklijk Instituut voor Taal-, Land- en Volkenkunde, 254.

Tromp 1907

Das Schiff „Tromp“ der Niederländischen Marine, Quelle: https://commons.wikimedia.org/wiki/File:Hr._Ms._Tromp_(1907)_KM.jpg

 

Gescheiterte Mission

Etappe Batavia hatte für die Versorgung der deutschen Kriegsschiffe sehr abgelegene Plätze gewählt, die über keine Telegraphenverbindung verfügten. Bis die Nachricht weitergegeben werden konnte, konnte mehr als eine Woche dauern:

“Without a telegraph it might take a week, and even longer, before a message could be sent if a foreign warship violated neutrality.” (van Dijk, 2007)

Der Etappe Batavia war ebenfalls klar, dass die Niederländer nicht in der Lage waren, die ganze Inselwelt zu kontrollieren. Das hatte auch der niederländische Vizeadmiral F. Pinke den Briten gegenüber offen eingestanden:

“As Pinke confided to Vice Admiral Sir Thomas Henry Martyn Jerram, the commander of the British fleet in East Asia at the end of September, ‘the total coastline of all the islands has a length nearly that of the equatorial circumference of the earth and that perhaps [a] thousand and more anchorages are found along this coastline’.” (van Dijk, 2007).

Im Fall der „Ulm“ und der „Linden“ hatte die Niederländische Marine jedoch einen Erfolg zu verzeichnen. Beide Schiffe wurden am 8. September 1914 aufgespürt, nach Ambon eskortiert und dort interniert.

Vater dieses Erfolgs war Konteradmiral Umbgrove:

„Konteradmiral Umbgrove ist der Mann, der die deutschen Schiffe „Ulm“und „Linden“ in einer der vielen Buchten des großen Ostens entdeckt und aufgebracht hat.“
TROMP EN EMDEN, De Maasbode, 07. Dez. 1919

 

Erfolgreicher waren die beiden Schiffe „Bochum“ und „Elmshorn“ (siehe unten), die beide SMS „Geier“ mit Kohlen versorgen konnten.

SMS Geier, Kaiser Wilhelm II.

Kaiser Wilhelm II. (m.) auf der SMS „Geier“, Bundesarchiv Bild 134-B2651, 1894; Quelle: commons.wikimedia.org; Lizenz: CC-BY-SA 3.0

 

In Ambon

Das Eintreffen der „Ulm“ und der „Linden“ in Ambon (auch Amboina) dürfte entweder noch am 8. September oder dann spätestens am 9. September 1914 erfolgt sein (nach Schmelzkopf erst am 12. September), wo die „Ulm“ bis über das Kriegsende hinaus verblieb.

Über das Dampfschiff „Ulm“ in Ambon folgt zu einem späteren Zeitpunkt ein weiterer Artikel. Soviel voraus: die jahrelange Untätigkeit in einem tropischen Hafen setzt den Seeleuten stark zu: Langeweile, tropische Krankheiten, sich durch den Krieg stark verteuernde Lebenshaltungskosten waren schwierige Rahmenbedingungen. Mit zwei unveröffentlichten Originaldokumenten und weiteren Quellen werde ich einen kleinen Einblick in die Situation der Besatzung während des Ersten Weltkrieges auf der Insel Ambon geben.

Aber auch das Schiff selbst wurde durch die fünf Jahre dauernde Liegezeit stark in Mitleidenschaft gezogen…

Ambon/Amboina port

Blick vom Strand auf den Hafen von Amboina, 1922, Quelle: Collectie Nationaal Museum van Wereldculturen, Amsterdam, Inventarnr. TM-33000958

 

Anhang:

13 Schiffe der DADG in Niederländisch-Indien

Die 13 Schiffe der Deutsch-Australischen Dampfschiffs-Gesellschaft (DADG), die sich bei oder nach Kriegsausbruch in Niederländisch-Indien befanden (in alphabetischer Reihenfolge):

 

„Bochum“: „bei Kriegsausbruch am 1.8. in Makassar, dort von Etappe Batavia erfaßt und als Kohlendampfer für das Kreuzergeschwader ausgerüstet; lief am 5.8. aus zum Kreuzer „Geier“, nach Versorgung am 23.8. in Manila eingelaufen und dort interniert“ (Schmelzkopf). Am 20. oder 21.8. sollen SMS „Geier“ und die „Bochum“ auf SMS „Emden“ und deren Versorgungsschiff „Markomannia“ getroffen sein.

„Elmshorn“: „am 1.8. in Makassar, dort von der Etappe Batavia erfaßt und als Kohlendampfer für das Kreuzergeschwader ausgerüstet
am 5.8. zum Kreuzer „Geier“ ausgelaufen, nach Versorgung am 23.8. in Manila eingelaufen und erneut ausgerüstet, sollte am 27.9. wieder auslaufen, was aber von amerikanischen Behörden verhindert wurde; das Schiff wurde daraufhin interniert“ (Schmelzkopf)

„Freiberg“: seit 20. Juli in Soerabaya, „dort interniert“ (Schmelzkopf)

„Hagen“: am 29. Juli in Soerabaya „dort interniert“ (Schmelzkopf)

„Iserlohn“: am 19. August in Batavia, „dort interniert“ (Schmelzkopf)

„Linden“: 20. August in Banjoewangi; „von der Etappe Batavia erfaßt und als Kohlendampfer für das Kreuzergeschwader ausgerüstet und auf Station. Lief am 5.9. in Ceram ein, wurde jedoch am 10.9. wieder zum Auslaufen gezwungen und ließ sich am 20.9. in Amboina internieren“ (Schmelzkopf)

„Lübeck“: 26. August in Tjilatjap, „dort interniert“ (Schmelzkopf)

„Lüneburg“: 29. August in Makassar, „dort interniert“ (Schmelzkopf)

„Offenbach“: 27. Juli in Soerabaya; „von der Etappe Batavia erfaßt und als Versorgungsschiff für das Kreuzergeschwader vorgesehen und auf Station; wurde dort jedoch nicht angelaufen, lief am 27.8. nach Soerabaya ein und wurde dort interniert“ (Schmelzkopf). Die Station der „Offenbach“ war nach einer anderen Quelle in der Kambangragi-Bucht der kleinen Insel Jampea. Dort wurde sie am 11. und 12.8. gesichtet. Quelle: De Preanger-bode, 2.9.1914, Geheimzinnige Scheepsbewegingen. Anm.: Jampea gehört zu den Salajarinseln und liegt südlich der Insel Celebes (Sulawesi).

„Stolberg“: 10. August in Tjilatjap, „dort interniert“ (Schmelzkopf)

„Sydney“: 11. August in Tjilatjap, „dort interniert“ (Schmelzkopf)

„Wismar“: 27. August in Banjoewangi, „dort interniert“ (Schmelzkopf)

„Ulm“: siehe Text oben

Angaben nach:
Otto Harms, Deutsch-Australische Dampfschiffs-Gesellschaft, Hamburg (Schröder & Jeve 1933)
und
Reinhart Schmelzkopf, Deutsch-Australische Dampfschiffs-Gesellschaft, Hamburg 1888 – 1926, S. 30, Eigenverlag (Strandgut), Cuxhaven 1984

 

 

 

C. B. Saegert, master

Kapitän C. B. Saegert – eine Würdigung

Fünf Jahre Kapitän der „Fürth“

Kapitän C. B. Saegert war Kapitän der Deutsch-Australischen Dampfschiffs-Gesellschaft und verantwortlicher Schiffsführer des Dampfschiffes „Fürth“ vom Tag seiner Probefahrt am 17. August 1907. Kapitän C. B. Saegert hatte die Verantwortung für das Schiff bis Ende August 1912. In dieser Zeit unternahm er als Kapitän der „Fürth“ elf Reisen nach Australien und Niederländisch-Indien.

Obwohl er also fünf Jahre „der Alte“ war, wie die Besatzung ihren Kapitän oft nannte, konnte ich bis heute nur wenige Informationen über ihn finden. Diese spärlichen Informationen stelle ich hier zusammen und hoffe, sie mit Hilfe von eventuellen Nachfahren eines Tages noch ergänzen zu können.

C. B. Saegert, master

Anzeige der DADG vom 30. August 1898 in den Hamburger Nachrichten mit Kapitän Saegert auf dem Dampfer „Sommerfeld“

Ein Glücksfall

Soviel kann ich sagen: Kapitän C. B. Saegert war für das Dampfschiff „Fürth“ ein Glücksfall: Er war zum Zeitpunkt der Übernahme der „Fürth“ bereits ein erfahrener Kapitän. Er hatte bis ins Jahr 1900 die Verantwortung für das Schiff „Sommerfeld“. Am 21. August 1900 übernahm er die Leitung des Dampfers „Bergedorf“, dem Dampfer, der lange nach seiner Zeit als Kapitän am 4. April 1911 an der Südspitze Indiens havarierte und verloren ging: Der Untergang des Dampfers „Bergedorf“ .

„Bergedorf“, Saegert, nach abgehaltener Probefahrt 21. ds. Nachm. von Middlesbrough nach Hamburg.
Schiffsnachrichten in Altonaer Nachrichten / Hamburger neueste Zeitung, 23. August 1900, S. 3

Nicht nur hatte er also lange Erfahrung in der Schiffsführung, sondern er kannte die Fahrtrouten und die angelaufenen Häfen bereits ausgesprochen gut.

The new German-Australian liner Furth, launched on 20th July last, and since described in detail, was taken to a river berth, on arrival yesterday. She is under command of Captain C. B. Saegert who is well known at this port.
The Age, Melbourne, Do 24. Okt 1907, S. 6, SHIPPING INTELLIGENCE.

Aus einer von Kapitän C. B. Saegert am 21. März 1909 unterzeichneten Mannschaftsliste wissen wir, dass er an diesem Tag 56 Jahre alt war. Er ist also 1852 oder 1853 geboren.

Master C. B. Saegert, 56 years old, March 21, 1909

Kapitän C. B. Saegert, Unterschrift mit Altersangabe auf der Meldeliste für die Hafenpolizei in Syndey am 21. März 1909

Keine besonderen Vorkommnisse

Während seiner Zeit als Kapitän, gab es keinen schweren Zwischenfall auf dem Schiff, zumindest keinen, der in der damaligen Presse erschienen wäre. Das gleiche gilt für Unfälle, die allesamt sehr glimpflich abliefen. Das Auflaufen auf Grund am 30. August 1909 im Hafen von Melbourne muss sicher dem Lotsen angelastet werden, das Schiff nahm außerdem keinen Schaden: Suche nach der Waratah. Einen zweiten Zwischenfall gab es in Geelong, als das Schiff beim Andocken vom Wind gegen die Hafenmole gedrückt wurde, aber auch hier waren keine Schäden zu verzeichnen: Die „Fürth“ in Skandinavien.

Im Sommer 1910 hätte Kapitän C. B. Saegert eigentlich ein neues Schiff übernehmen sollen, was aber aus uns unbekannten Gründen dann nicht hatte sein sollen, da der neue für die „Fürth“ ausersehene Kandidat Wienecke das Schiff nicht übernahm: Ein neuer Kapitaen?

Die weiteren Stationen

Am 21. September 1912 verließ das Schiff „Düsseldorf“ (9625 Tonnen Tragfähigkeit) den Hafen Hamburg zu seiner zweiten Fahrt. Kapitän war jetzt C. B. Saegert, der von der „Fürth“ (7010 Tonnen Tragfähigkeit) auf das neuere und größere Schiff gewechselt war.

Sonderbar daran ist, dass die erste Fahrt der „Düsseldorf“ von dem ebenfalls sehr erfahrenen Kapitän der Deutsch-Australischen Dampfschiffs-Gesellschaft, J. Schuldt durchgeführt wurde. Nach nur einer Fahrt mit der „Düsseldorf“ übernahm er bereits wieder ein anderes (und kleineres) Schiff, und zwar die „alte“ Plauen, ein Schwesterschiff der „Fürth“, Baujahr 1907.

Warum? Das weiß ich nicht. Noch in Australien war Kapitän J. Schuldt (nach außen) voll des Lobes über die „Düsseldorf“ gewesen:

“…Regarding the seefaring qualities of the Dusseldorf, Captain J. Schuldt is enthusiastic He reports that the voyage passed, off without remarkable incident, but states that the bunker coal provided at a South African port where the vessel called en route was very poor. Otherwise she would have arrived earlier, although the run across was accomplished in excellent time, as it was.”
Newcastle Morning Herald and Miners‘ Advocate, Mi 29. Mai 1912, S. 4, NEW GERMAN LINER DUSSELDORF.

Das Dampfschiff „Ulm“

Aber auch Kapitän C. B. Saegert blieb nicht lange auf der „Düsseldorf“. Bereits im Jahr 1914 wechselte auch er wieder zurück auf ein kleineres Schiff, die „Ulm“.

Die neuen Australdampfer Freiberg und Ulm. Die Deutsch-Australische Dampfschiffs-Gesellschaft stellt, wie schon von uns mitgeteilt, im Laufe dieses Monats zwei neue Dampfer, Freiberg und Ulm, in Dienst, von denen der erstere, auf Tecklenborgs Werft in Geestemünde erbaut, am 11. April seine Probefahrt machte und seit dem 13. April hier schon in Ladung liegt. Der 9600 Tons große Dampfer ist mit einer dreifachen Expansions-Heißdampfmaschine von 4000 Pferdestärken ausgerüstet, die dem Dampfer auf der Probefahrt eine Geschwindigkeit von 14,6 Seemeilen in der Stunde verlieh. —Der zweite Dampfer, Ulm, auf der Neptunwerft in Rostock erbaut, ist etwa 1000 Tons kleiner als der Dampfer Freiberg. Der Dampfer macht am 18. April seine Probefahrt und geht im Anschluß an diese direkt nach Gothenburg weiter. Der Dampfer erhält dort eine Teilladung nach Australien, die er in Frederikstad kompletteren wird. Von Frederikstad tritt der Dampfer die erste Reise an. Führer des
Dampfers Freiberg ist Kapitän I. Renz, und die Führung des Dampfers Ulm erhält Kapitän Saegert, bisheriger Führer des derselben Reederei gehörenden Dampfers Düsseldorf.
Hamburger Anzeiger, 17. April 1914, S. 5

Von Skandinavien aus steuerte die „Ulm“ Emden an, den letzten deutschen Hafen, den Kapitän C. B. Saegert vor dem Ersten Weltkrieg anlaufen sollte:

Ulm, ss., 4,700 tons, Capt. Saegert, left Emden May 7. Due June 17. Messrs. Strelitz Bros.,
agents, The West Australian, Perth, Do 28. Mai 1914, S. 6, SHIPPING

Emden, Germany, mole, postcard 1922

Die Mole in Emden, Postkarte, 1922, Quelle: http://www.zeno.org/Ansichtskarten

Eine sehr lange Reise

Die erste Reise mit der “Ulm” sollte die einzige bleiben und viel, viel länger dauern als vorhergesehen (über 5 Jahre).

Die „Ulm“ kam am 22. Juli 1914 in Newcastle N.S.W. (Australien) an, um dort Kohlen für Amboina, Makassar und Java zu laden. Am 2. August 1914 ist das Schiff von Newcastle abgegangen, ohne auf volle Ladung zu warten und erreichte am 20. August 1914 Banjoewangi.
Quelle: Otto Harms, Deutsch-Australische Dampfschiffs-Gesellschaft (1933).

Anm.: Banjoewangi heißt heute Banyuwangi und liegt am östlichen Ende der Insel Java, gegenüber der Insel Bali. – Die vorgezogene Abfahrt von Newcastle war von der Reederei wegen des drohenden Eintritts Großbritanniens in den Krieg angeordnet worden, der dann am Abend des 4. August 1914 (GMT) erfolgte (in Australien bereits der 5. August 1914).

Amboina/Ambon (Molukken – Ost-Indonesien)

Während des Ersten Weltkriegs lag das Schiff „Ulm“ spätestens ab September 1914 im Hafen von Amboina (Ambon), einer kleinen Insel gleichen Namens im östlichen Indonesien. An Bord natürlich auch der Kapitän: C. B. Saegert.

Ambon/Amboina port

Blick vom Strand auf den Hafen von Amboina, 1922, Quelle: Collectie Nationaal Museum van Wereldculturen, Amsterdam, Inventarnr. TM-33000958

Im Jahr 1915 und 1916 spenden Kapitän C. B. Saegert sowie einige andere Besatzungsmitglieder für die Kriegshilfe:

47. Gabenverzeichnis der Hamburger Kriegshilfe
(Die Aufrufe der Hamburgischen Kriegshilfe und des Roten Kreuzes werden in der Sonntagsausgabe veröffentlicht.)
Deutsche Bank, … Deutsch-Austral.-Dampfsch.-Ges., Dampfer „Ulm“, Kapitän C. B. Saegert 50, 2. Steuermann P. Hoffmeister 170, 4. Steuermann R. Bloese 50, 4. Maschinist L. Reichard 50
Hamburger Anzeiger, Fr 2. Juli 1915, S. 11

Gabenverzeichnis der Hamburgischen Kriegshilfe
Deutsche Bank: … Kapitän C. B. Saegert u. Maschinisten-Anwärter C. Heesch vom D. „Ulm“, z. Zt. Amboina,
Niederländisch-Indien, durch Deutsch-Austral. Dampfsch.-Ges. 80.(Neue Hamburger Zeitung, 2. Juni 1916,Seite 4)

Außerdem liegt mir eine von Kapitän C. B. Saegert unterschriebene Original-Abrechnung für den Schiffskoch Wilhelm Holst vom 27. März 1917 vor, ebenfalls ausgestellt in Amboina (auf dieses Dokument komme ich noch einmal zurück).

C. B. Saegert, master

Kapitän C. B. Saegert, Originalunterschrift auf einem Dokument des Jahres 1917, eigene Sammlung

Drei Todesfälle

Eine weitere Spur des ersten Kapitäns der „Fürth“ habe ich im Jahr 1922 gefunden, die allerdings Ereignisse aus den Jahren 1914 bis 1916 betrifft:

Das Seeamt zu Hamburg verhandelte am Mittwoch den 1. November 1922 drei Todesfälle, die sich auf dem Dampfer „Ulm“ unter der Leitung von Kapitän C. B. Saegert zugetragen hatten.

Der zeitlich erste Fall ereignete sich am 7. September 1914 im Hafen von Sawai, womit wir auch den Aufenthaltsort des Schiffes für diesen Tag kennen. Zu den beiden anderen Todesfällen kam es dann im Jahr 1916 im Hafen von Ambon.

Anm. Sawai liegt im Norden der Insel Pulau Seram, weniger als eine halbe Tagesreise von Ambon.

Die Namen der Verunglückten: Der Leichtmatrose Franz Carl Gustav Paul Kötteritzsch, ertrunken beim Bewegen eines Beibootes im Hafen von Sawai (7. September 1914); der dritte Offizier Hugo Max Hornuff am 2. Juni 1916 durch Sturz in den Unterraum des Schiffes und der Matrose Fritz Heinemann genannt Woebbekind, am 10. April 1916 ebenfalls durch Sturz in den Unterraum. Alle drei Todefälle wurden bei der Verhandlung des Seeamtes als Unglücksfälle eingestuft, an denen niemanden ein Verschulden trifft.
Quelle: Hamburgischer Correspondent und neue hamburgische Börsen-Halle, 02. November 1922 , S. 27

Ob Kapitän C. B. Saegert allerdings bei der Verhandlung im Jahr 1922 selbst anwesend war, ist nicht dokumentiert.

Letzte Informationen

Eine (für den Moment) letzte Spur von Kapitän C. B. Saegert gibt es im Frühjahr 1919 in einer Zeitungsmeldung über eine Meuterei auf dem Schiff „Ulm“ (De Preanger-bode, 12. Apr 1919).

Danach konnte ich bislang keinen Hinweis mehr auf Kapitän C. B. Saegert finden.

Er muss theoretisch noch bis zum 30. August 1919 in Ambon gewesen sein, dem Tag, als die „Ulm“ fast ein Jahr nach Kriegsende an die Briten übergeben wurde, wie die Zeitung Bataviaasch nieuwsblad am 29. August 1919 berichtete:

Amboina, 29 Aug. (Aneta). De schepen-overgavs.
De heden overgegeven schepen ,Manila“ en ,Teo Pao“ voeren de Statenbondvlag met in den top de Britsche kleuren. De overgave van de ,Ulm“ heeft Zaterdag plaats.
Bataviaasch nieuwsblad, 29-08-1919

Erst dann kann er zusammen mit der verbliebenen Mannschaft das Schiff verlassen haben und hat wahrscheinlich auf schnellstem Weg versucht, über Makassar und Batavia nach Deutschland zurückzukommen. Er war zu diesem Zeitpunkt bereits 66 oder 67 Jahre alt und dürfte seinem Ruhestand in der Heimat sehnsüchtig entgegengesehen haben.

Allerdings kamen im Herbst 1919 sehr viele Kriegs- und Zivilgefangene aus aller Welt nach Deutschland zurück, ein einzelner Kapitän ist in dieser großen Zahl an Heimkehrern nur schwer auszumachen…

Kapitän Claus Berthold Saegert aus Stralsund?

Laut der Transkription eines Dokumentes der Hafenbehörde in Sydney vom 22. Januar 1902 beim Eintreffen des Dampfers „Bergedorf“ steht die Abkürzung der Vornamen für Claus Berthold Saegert, damals 49 Jahre alt und als Ort wurde in der Meldung für die Hafenpolizei Stralsund angegeben. Im Scan des Originals (www.marinersandships.com.au) sind diese Angaben allerdings nicht zu lesen, vielleicht wurden sie auf der Außenseite des Dokumentes gemacht, die nicht eingescannt wurde. Aber immerhin eine Spur…

Stralsund port, about 1900

Führt uns die Spur nach Stralsund?
Stralsund vom Hafen mit Dampfer Altefähr, Postkarte, um 1900, Quelle: http://www.zeno.org/Ansichtskarten

Für alle sachdienlichen Hinweise, die dazu dienen, das Profil von Kapitän C. B. Saegert zu vervollständigen, vorab herzlichsten Dank!