Archiv der Kategorie: Fracht

Tandjong Priok, Batavia, about 1910

Reise nach Batavia

Titelbild: Der Hafen von Batavia (Tandjong Priok), Postkarte der Deutsch-Australischen Dampfschiffs-Gesellschaft aus dem Jahr 1913, ungelaufen, eigene Sammlung

Über die Hauptstadt Niederländisch-Indiens und ihre Exportprodukte

Schiffspassagiere, die zu Beginn des 20. Jahrhunderts nach Batavia reisten, gingen in der Regel im Hafen von Tandjong Priok an Land. Das lassen uns Meyers Reisebücher aus dem Jahr 1912 wissen.

Die meisten Dampfer laufen in den durch zwei lange Molen geschützten Hafen von Tandjong-Priok ein, der etwa 9 km östl. vom alten Hafenkanal vor der Stadt Batavia liegt. 
Quelle: Meyers Reisebücher, Weltreise, Erster Teil: Indien, China und Japan, Bibliographisches Institut Leipzig und Wien, 1912; über gutenberg.org

Tandjong Priok (auch Tandjung Priok, Tanjung Priok) hatte Ende des 19. Jahrhunderts den alten, weiter westlich gelegenen Hafen Batavias ersetzt, der die immer größer werdenden Schiffe nicht mehr aufnehmen konnte.

Schiffe mit Gefahrgütern machten weiterhin auf Reede in der großen Bucht von Batavia fest, die durch Inseln und Riffe ebenfalls einen guten Ankerplatz bot. In der untenstehenden Abbildung ist deren Lage gut erkennbar (beschriftet mit Reede von Batavia).

Batavia map 1912
Lageplan von Batavia mit dem Hafen Tandjong Priok rechts oben, Quelle: Meyers Reisebücher, Weltreise, Erster Teil: Indien, China und Japan, Bibliographisches Institut Leipzig und Wien, 1912; über gutenberg.org

Nach Erledigung der Zollformalitäten ging es für Reisende per Bahn in die Stadt. Von deren Lage gibt uns ebenfalls Meyer einen guten Eindruck:

Batavia, Hauptstadt Niederländisch-Ostindiens und der gleichnamigen Residentschaft Javas, mit (1905) 138500 Einw. (darunter über 8000 Europäer und 28000 Chinesen), liegt nahe dem Westende der Nordküste, unter 6° 7′ südl. Br., an der Südseite einer geräumigen, durch 17 kleine Koralleninseln geschützten Bai und am Flüßchen Tjiliwong, inmitten ausgedehnter Reisfelder und Kokospflanzungen.

Ich staune immer wieder, wenn ich die Einwohnerzahl Batavias (ab 1942 Djakarta, ab 1972 Jakarta) aus dem Jahr 1905 sehe: 138.500 Einwohner. Seitdem ist die Zahl exponentiell gewachsen und überstieg erstmals Ende der 1940er Jahre die Millionengrenze. Heute beherbergt das Stadtgebiet 10 Millionen Menschen. Im Ballungsraum oder schöner ausgedrückt, in der Metropolregion leben über 30 Millionen Einwohner.

Bleiben wir jedoch in den ersten Jahren des 20. Jahrhunderts und bei der schönen Beschreibung Batavias in Meyers Reisebüchern:

Die Unter- oder Altstadt (Benedenstad, AB2) enthält das große Stadthaus, eine Kirche, die Javasche Bank, die Zollgebäude, ein für Chinesen und ein für Eingeborne bestimmtes Hospital sowie ein Gefängnis für letztere, die Magazine der Regierung und der Niederländischen Handelsgesellschaften, die Kontore und Speicher der großen Handelshäuser und der Schiffsagenturen, ist aber nur noch von Malaien, Javanen, Arabern und Mauren, Mischlingen und Chinesen (im chinesischen Kampong) bewohnt, während die Europäer ihre ehemaligen Wohnhäuser in der Unterstadt nur während der Geschäftsstunden aufsuchen, sonst aber in dem neuen Stadtteil Weltevreden (= Wohlzufrieden; C4/5) wohnen, wohin der fast 4 km lange, gleichfalls europäische Stadtteil Molenvliet (AB3) über die Stadtteile Noordwijk und Rijswijk (B4) hinüberführt. Die luftigen großen Häuser, mit Veranden, liegen getrennt zwischen Zierbäumen. 

Anmerkung: Die Buchstaben-/Zahlenkombinationen (AB2 usw.) im Text beziehen sich auf die Lage im unten abgebildeten Stadtplan.

batavia city map 1912
Stadtplan von Batavia, Quelle: Meyers Reisebücher, Weltreise, Erster Teil: Indien, China und Japan, Bibliographisches Institut Leipzig und Wien, 1912; über gutenberg.org

„Unerschöpfliche Giftquelle“

Batavia war bei den Europäern berüchtigt: tropische Hitze, heftige Monsunregen, unhygienische Verhältnisse sowie ausgedehnte Sümpfe und Moraste lieferten einen idealen Cocktail für eine Vielzahl an Krankheiten.

Selberg (1846) bezeichnet in seinen Reisebeschreibungen Javas das Klima Batavias als „unerschöpfliche Giftquelle“.
Dr. E. Selberg, Reise nach Java und Ausflüge nach den Inseln Madura und St. Helena, Oldenburg 1846, Verlag Stalling; über deutsche-digitale-bibliothek.org

Die niederländischen Kolonialherren errichteten deshalb im 19. Jahrhundert den zehn Kilometer südöstlich der Altstadt Batavias gelegenen Stadtteil Weltevreden (heute Sawah Besar), der über ein angenehmeres und gesünderes Klima verfügt. Erste Herrenhäuser existierten hier bereits im 18. Jahrhundert. Heute befinden sich im ehemaligen Stadtteil Weltevreden die meisten historischen Gebäude Jakartas.

Weltevreden Batavia about 1920
Batavia, Stadtteil Weltevreden, Straßenbild (vor 1929), Quelle: Nationalmuseum für Weltkulturen, COLLECTIE_TROPENMUSEUM_Straatbeeld_met_de_zaak_van_Helmig_en_Co_in_Weltevreden_TMnr_10020621.jpg über commons.wikimedia.org, Lizenz: CC BY-SA 3.0

Exportartikel Batavias

Meyers Reisebücher liefern uns nicht nur wertvolle touristische Ratschläge für die Ankunft in Batavia wie „Gepäck-Kulis erhalten 10 cents für jedes Stück“, sondern geben auch jede Menge Hintergrundinformationen.

Als Dampfschiffsblog über den Frachtdampfer „Fürth“ interessieren wir uns natürlich für die Wirtschaft der Stadt und hier speziell für ihre Exportgüter, die nach Europa verschifft wurden. Dazu machen Meyers Reisebücher folgende Angaben:

Ausfuhrartikel sind Kaffee, Zucker, Tabak, Gewürze, Pfeffer von Sumatra, Zinn aus Bangka und Billiton, Damaraharz, Indigo, Reis, Rotang, Gambir, Kopra, Bambushüte, Häute, Tee, Arrak, Palm- und Kajeputöl, Teakholz, Büffelhörner und Büffelhäute, Chinarinde, Kampfer, Kassia, Sandel- und Sapanholz, Tamarinden, während die Einfuhr in europäischen Manufakturen, Eisen, Luxusartikeln, Wein, Butter, Konserven besteht. Die Hälfte des Umsatzes fällt auf das Mutterland. Der Schiffsverkehr ist lebhaft.—
Quelle: Meyers Reisebücher, Weltreise, Erster Teil: Indien, China und Japan, Bibliographisches Institut Leipzig und Wien, 1912; über gutenberg.org

Anmerkung: Mit Mutterland sind die Niederlande gemeint.

Zu einigen der zahlreichen Exportgüter gebe ich nachgehend einige Erläuterungen oder verweise auf Blogartikel, in denen ich die Waren bereits ausführlicher beschrieben habe.

tandjong priok train station about 1900
Bahnhof in Tandjong-Priok; Ansichtskarte, undatiert; https://commons.wikimedia.org/wiki/File:%27Tandjong-Priok._Station.,_KITLV_1405489.tiff

Zinn aus Bangka und Billiton

Bangka und Billiton sind zwei kleine Inseln östlich von Sumatra etwa 350 Kilometer nördlich von Batavia. Die NV Billiton Maatschappij hatte hier 1860 die Schürfrechte für Erze erworben. Das Unternehmen beschäftigte vor dem Ersten Weltkrieg rund 7500 vorwiegend chinesische Arbeiter in 80 Minen, die die Zinnsande auf den Inseln ausbeuteten.

2023 ist Indonesien der weltgrößte Exporteur von Zinn. Aus der NV Billiton Maatschappij wurde inzwischen die BHP Group, einer der größten Bergbaukonzerne der Welt.

Unser ungestillter Hunger nach Zinn, das zum Beispiel auch in Smartphones oder Computern enthalten ist, hat zur weitgehenden Zerstörung der Umwelt auf beiden Inseln geführt. Nachdem die Vorräte an Land weitgehend erschöpft sind, setzt sich nun der Raubbau im vorgelagerten Meer unvermindert fort. Der durch die eingesetzten Saugbagger aufgewirbelte Sand zerstört Riffe und Fischbestände.

Damaraharz

Das auch als Dammar bezeichnete Harz wurde zur Herstellung von Lacken und als Firnis in der Malerei verwendet. Zusammen mit dem ähnlichen Kopal hatte ich es hier vorgestellt:
Kopal und Dammar

Indigo

Natürlicher Indigo war ein heißbegehrter Farbstoff zum Blaufärben von Textilien, der aus den Blättern der Indigopflanze oder dem in Europa vorkommenden Färberwaid gewonnen wird.

Der deutsche Chemiker Adolf von Baeyer schaffte ab 1878 die Grundlage für seine synthetische Herstellung. Darauf brach der Import natürlichen Indigos um die Wende des 19./20. Jahrhunderts dramatisch ein.

natural indigo
Indigo, historische Farbstoffsammlung der Technischen Universität Dresden, Quelle: https://commons.wikimedia.org/wiki/File:Indigo-Historische_Farbstoffsammlung.jpg, Lizenz: CC BY-SA 3.0

Rotang

Rotang ist Ihnen vielleicht besser bekannt unter dem Namen Rattan oder Peddigrohr. Es wird für Korbwaren oder in der Möbelindustrie verwendet. Als Wiener Geflecht dient es zum Beispiel als Bespannung für die bekannten Kaffeehausstühle der Marke Thonet.

Gambir

Gambir ist ein pflanzlicher Farb- und Gerbstoff:

Der Gambir ist ein Farb- und Gerbstoff, der – ähnlich dem Katechu – aus den Blättern des kletternden Strauches Nauclea Gambir in Hinterindien gewonnen wird. Beide, Catechu und Gambir, liefern eine schöne braune Farbe meist für Baumwolle und Catechu auch eine schwarze Farbe für Seide. http://www.chemie.de/lexikon/Gambir.html

Mehr dazu hier: https://frachtdampferfuerth.com/2018/11/24/gambir-eucalyptusrinde/

Kopra

Das getrocknete Fruchtfleisch der Kokosnuss war eines der am häufigsten anzutreffenden Transportgüter auf dem Frachtschiff „Fürth“ und anderer Dampfer der Deutsch-Australischen Dampfschiffs-Gesellschaft (DADG). Daraus wurden Seifen, Margarine oder Palmfett (Palmin).
Kopra

Kokosfett Palmin Werbung
Palmin-Werbung zu Beginn des 20. Jahrhunderts

Arrak

ist eine aus Palmensaft gewonnene Spirituose, die am ehesten mit Rum vergleichbar, aber heute nur noch sehr selten im Handel zu finden ist.

Aber wer weiß, vielleicht kommt sie ja eines Tages aus der Versenkung zurück – auch für Gin hatte sich schließlich jahrelang niemand mehr richtig interessiert.

Cajeputöl

Kajeputöl (heute meist Cajeputöl) ist ein ätherisches Öl, das Erkältungskrankheiten lindert. Es ist zum Beispiel wesentlicher Bestandteil in der international bekannten Marke Tiger Balm. Zu Risiken und Nebenwirkungen fragen Sie Ihren Arzt oder Apotheker.

Chinarinde

Die Rinde des Chinarindenbaums diente zur Herstellung von Chinin, das wegen seines Einsatzes gegen die Malaria berühmt wurde. Einige der eigentlich aus Südamerika stammenden Bäume wurden vom deutschen Botaniker Justus Karl Haßkarl (1811-1894) im Auftrag der niederländischen Regierung aus Peru entwendet und dann in Niederländisch-Indien eingepflanzt.

Kampfer

Die älteren unter Ihnen kennen vielleicht noch den stechenden Geruch von Kampfer, der in Mottenkugeln zum Einsatz kam. Ausgangsprodukt ist der tropische Kampferbaum.

Seit 1887 wurde in Eilenburg bei Leipzig in der Deutschen Celluloid-Fabrik aus Cellulosenitrat und Kampfer Zelluloid hergestellt. Die Jahresproduktion soll vor dem Ersten Weltkrieg zirka 12.700 Tonnen betragen haben.

Kassia

Bleiben wir bei den Bäumen. Kassien sind einerseits eine artenreiche tropische Pflanzengattung, andererseits wird der Name Kassia auch für die Zimtkassie verwendet. Als Exportgut dürfte es sich in unserem Beispiel um letztere handeln.

Die Zimtkassie oder Chinesischer Zimtbaum kommt als Zimtrinde in den Handel, wobei sie nicht an die Qualität der Rinde des Ceylon-Zimtbaumes oder Echten Zimtbaumes heranreicht.

Sandel- und Sapanholz

Mit Sandelholz kommen Sie in Räucherstäbchen, aromatischen Ölen oder Parfüms in Berührung. Dem erdig-holzig-süßlich riechenden Holz werden viele positive Wirkungen auf Körper und Geist attestiert.

Der deutsche Kolonialschriftsteller Stefan von Kotze (1869-1909) verwendete es für ein Lagerfeuer, das er in seinen Südseeerinnerungen beschriebt:

„Die schweren, süßen Rauchwolken des Sandelholzes umwogten uns wie der Weihrauch in einer Kathedrale und betäubten unsere Sinne.“
Quelle: Abdruck als Fortsetzungsroman in Neue Hamburger Zeitung, Zitat in der Ausgabe vom 28. September 1905; europeana.eu

Sap(p)anholz dient als Färbe- und Heilpflanze. Auf die Ähnlichkeit mit Sandelholz weist die englische Bezeichnung false sandalwood hin.

Tamarinden

In den Küchen tropischer Länder wird Tamarinde häufig verwendet. In Europa ist der Einsatz weitaus seltener: So wird die Fruchtpaste aus Tamarindenfrüchten zum Beispiel in Worcestersauce und anderen Soßen verwendet.

Das Pulver aus Tamarindenkernen kommt außerdem in der Papierindustrie als Zusatzstoff zum Einsatz. Es ist ebenfalls Bestandteil natürlicher Abführmittel.

Maintz and Co, Batavia
Anzeige in Isles of the East: an illustrated guide: Australia, New Guinea, Java, Sumatra; W. Lorck, Batavia, Java; distributed gratis by the Royal Packet Steam Navigation Co. (KPM), 1912, Cornell University Library, Southeast Asia Visions; https://digital.library.cornell.edu/collections/seasiavisions

Maintz und Co.

Der für den Export dieser Güter verantwortliche Schiffsmakler der DADG in Batavia war die Firma Maintz & Co.

Ursprünglich war Maintz & Co. ein privates Energieunternehmen, welches ab 1897 einen Teil des Elektrizitätsnetzes in Niederländisch-Indien aufbaute, bevor es auch im Handel aktiv wurde.

Laut oben gezeigter Anzeige unterhielt Maintz & Co. weitere Büros in Soerabaja und Semarang . In diesen beiden Städten arbeitete Maintz & Co. ebenfalls für die DADG. In den kleineren Häfen Niederländisch-Indiens kooperierte die DADG mit anderen Partnern.

Der im Jahr 1920 von den Architekten Ghijsels und Hes für Maintz & Co. in Batavia neu erbaute Firmensitz steht noch heute.

Maintz & Co. advertisement
Anzeige des Maklers Maintz & Co., Batavia, in der Zeitung Het Nieuws van den Dag voor Nederlandsch-Indië vom 11. Januar 1911
advertisement, continental, guttapercha, 1903

Guttapercha und der Tote aus Borneo

Kein neuer Commissario

Guttapercha

Keine Sorge, Guttapercha ist nicht noch ein neuer „Commissario“ und der Tote aus Borneo auch keine exotische Leiche. Aber eins nach dem anderen!

Auf den Fahrten der „Fürth“ treffen wir einige Waren an, die heute weitgehend in Vergessenheit geraten sind, wie zum Beispiel die Guttapercha oder auch nur kurz Gutta genannt. Wenn Sie nicht gerade in einem Dentallabor arbeiten, sind Sie wahrscheinlich noch nie in Berührung mit diesem, zur Zeit unseres Dampfschiffes „Fürth“, sehr begehrten Rohstoff gekommen. Ich auch nicht.

Und wer weiß heute schon noch, dass der weltweite Erfolg des größten deutschen Industrieunternehmens, der Firma Siemens, zu einem großen Teil auf dieser Substanz und ihrer Verarbeitung beruht?

Aber beginnen wir auf der Insel Java, wo die „Fürth“ regelmäßig Batavia, Soerabaya und auch Tjilatjap anlief (heute Djakarta, Surabaya und Cilacap) und Guttapercha nach Europa brachte.

guttapercha java

Guttapercha-Verarbeitung auf Java (ca. 1920/1930); Quelle: commons.wikimedia.org, File:COLLECTIE TROPENMUSEUM West-Java Tjipetir arbeiders bedienen de machines die de guttapercha wassen en persen TMnr 60020167.jpg

Der Guttaperchabaum

Dort, auf Sumatra, Borneo sowie auf der malaiischen Halbinsel, wächst der Guttaperchabaum (Palaquium gutta). Dieser tropische Laubbaum wird bis über 20 Meter hoch und liefert reichlich Milchsaft. Einige andere Arten der Gattung Palaquium liefern ebenfalls Guttapercha, aber nicht immer in der gewünschten Qualität.

Durch Trocknung, Reinigung und Aufkochen erhält man aus dem Milchsaft ein kautschukähnliches Produkt, die Guttapercha.

guttapercha java

Nicht erst seit Palmöl: Die Abrodung von tropischen Wäldern auf Java für Guttapercha-Plantagen
Quelle: commons.wikimedia.org, File:COLLECTIE TROPENMUSEUM Proefaanplant van guttapercha op de rubberonderneming Langsa West-Java TMnr 60020174.jpg

Eigenschaften

„Das wesentlichste Merkmal, durch welche sich Guttapercha ohne weiteres von dem mit ihr so oft identifizierten Kautschuk unterscheidet, ist zweifellos die bereits von Tradescant erwähnte, und auch von D’Almeida, sowie Montgomerie betonte Eigenschaft, beim Eintauchen in heißes Wasser weich und plastisch zu werden, dann beim Abkühlen jede ihr vorher gegebene Gestalt beizubehalten und hart, aber keineswegs spröde, wie andere Harze zu werden. Dem gegenüber wird Kautschuk in heissem Wasser nicht weich, und behält seine ursprüngliche Elastizität und Spannkraft fast unvermindert bei.“
Dr. Eugen Obach (1899): Die Guttapercha, Verlag von Steinkopff & Springer, Dresden,
abgerufen unter:
http://dfg-viewer.de/show/?tx_dlf%5Bpage%5D=1&tx_dlf%5Bid%5D=http%3A%2F%2Fdigital.ub.uni-duesseldorf.de%2Foai%2F%3Fverb%3DGetRecord%26metadataPrefix%3Dmets%26identifier%3D1259277&tx_dlf%5Bdouble%5D=0&cHash=47b26e1b8afb23734d48166b38dc3659

Ein guter Isolator

Guttapercha hat neben dieser einfachen Verformbarkeit noch eine andere, sehr begehrte Eigenschaft: sie ist ein guter, sogar sehr guter Isolator. Womit wir zur Firma Siemens & Halske kommen.

„Das Jahr 1847 wird in der Geschichte der Guttapercha-Industrie allezeit denkwürdig bleiben. Wurde doch in demselben die Pflanze, von der dieses industriell wertvolle Produkt stammt, zum ersten Male von Sir William Jackson beschrieben. Und im gleichen Jahr begann auch Dr. Ernst Werner von Siemens, damals Artillerieleutnant in der Preussischen Armee, die Verwendung von Guttapercha zur elektrischen Isolierung unterirdischer Telegraphenleitungen aufzunehmen. Er erbaute damals eine Maschine, mittels welcher Draht fortlaufend mit dem Stoffe umhüllt werden konnte. Diese Maschine ist, mit geringen Änderungen, bis auf den heutigen Tag im Gebrauch geblieben.“
Dr. Eugen Obach (1899): Die Guttapercha, Verlag von Steinkopff & Springer, Dresden.

Allegorical scene showing Neptune with a trident in foreground, and lion representing Great Britain holding one end of the Atlantic cable and eagle representing the United States holding the other end of the cable, with ocean between them and cities behind them. Includes portrait of the inventor, Cyrus Field, at top center.

Das achte Weltwunder, Originalbeschreibung: Allegorical scene showing Neptune with a trident in foreground, and lion representing Great Britain holding one end of the Atlantic cable and eagle representing the United States holding the other end of the cable, with ocean between them and cities behind them. Includes portrait of the inventor, Cyrus Field, at top center.
Quelle: Library of Congress, https://lccn.loc.gov/93510355

Das achte Weltwunder

Der Bedarf an Kabeln war in der zweiten Hälfte des neunzehnten und zu Beginn des 20. Jahrhunderts enorm. Unterirdische Telegrafenleitungen wurden über hunderte Kilometer über Land gelegt und ab 1856 begann die Geschichte einer technischen Meisterleistung, die damals als achtes Weltwunder gefeiert wurde: Die 1866 nach mehreren Fehlversuchen gelungene Installation eines über 2000 Meilen langen Unterseekabels zwischen Europa und Nordamerika. Ein Meilenstein in der Kommunikationstechnik.

Guttapercha war also sehr begehrt und wurde entsprechend teuer.

„Dazu kommt, was wesentlich mitspricht, daß der Preis der Guttapercha immer mehr steigt, und wenn dieser Punkt bei den großen Unterseekabeln nicht von entscheidender Bedeutung ist, so wird doch die Kostenfrage, wenn es sich um elektrische Anlagen, z. B. für Beleuchtungszwecke handelt, eine sehr wesentliche.“
Arthur Wilke (1893): Die Elektrizität, ihre Erzeugung und ihre Anwendung in der Industrie und Gewerbe, Springer Verlag Berlin Heidelberg (abgerufen unter books.google.fr)

Djeloetong oder „Dead Borneo“

Dies hatte zur Folge, dass auch andere Produkte als Ersatzstoffe für Guttapercha auf den Markt kamen. Einer davon war Djeloetong, mit Handelsnamen auch „Dead Borneo“, das ebenfalls auf der „Fürth“ nach Europa transportiert wurde.

Der ungewöhnliche Handelsname „Dead Borneo“ soll darauf zurückgehen, dass das Holz des Djeloetong-Baumes ein bevorzugtes Material für die Herstellung von Särgen war. Deswegen also in der Überschrift „der Tote aus Borneo“. Sie mögen mir diese etwas freie Übersetzung nachsehen.

djeloetong

Djeloetong (Handelsname Dead Borneo) ist ein Ersatzstoff für Guttapercha,
Quelle: Hubert Winkler (1912), Botanisches Hilfsbuch: für Pflanzer, Kolonialbeamte, Tropenkaufleute und Forschungsreisende, Hinstorffsche Verlagsbuchhandlung, Wismar (abgerufen unter books.google.fr)

Golfbälle

Falls Sie Golf spielen: Golfbälle wurde um die Jahrhundertwende (also um 1900) ebenfalls aus Guttapercha hergestellt.

„The Gutta Percha ball was the ball that opened Golf to the masses, the first major development in the evolution of the golf ball.

Gutta Percha revolutionised the game of golf,… „
(https://www.standrewsgolfco.com/shop/products/heritage-collection/clubs-and-balls/historic-balls/the-bramble-guttie/)

So ein Golfball hieß je nach Oberflächenbeschaffenheit „Guttie“ oder „Bramble“. Diese Bälle finden Sie antiquarisch oder auch als Replik. Das ist vielleicht mal ein ungewöhnliches Geschenk für einen Golfer und Sie können jetzt ja auch noch eine Geschichte dazu erzählen! Lassen Sie mich bitte wissen, wenn Sie als Golfer einen Guttapercha-Ball ausprobieren, wie er sich im Spiel von modernen Bällen unterscheidet.

Im Plastozän

Heute, im Zeitalter des „Plastozän“, ist Guttapercha weitgehend in Vergessenheit geraten. Verwendet wird es nach wie vor in der Zahntechnik:

„In der Zahnmedizin wird es als provisorisches Füllmaterial und zur Herstellung von Abdrücken sowie zum Verfüllen der Wurzelkanäle bei Wurzelkanalbehandlungen verwendet.“
(http://www.chemie.de/lexikon/Guttapercha.html)

Falls Sie im Sommer an den Atlantik fahren und am Strand spazieren gehen, achten Sie mal auf gummiartige Substanzen im Strandgut, vielleicht fällt Ihnen ja echtes Guttapercha in die Hände! Mehr dazu in einem Artikel der Zeit:
https://www.zeit.de/2015/06/strandgut-cornwall-fundstueck-tjipetir

Das Titelbild des Beitrags ist eine Werbung der Firma Continental aus dem Jahr 1903, die damals noch Continental Caoutchouc & Guttapercha Co. hieß. Auch das haben wir im Plastikzeitalter längst vergessen.

Anmerkung: Der Beitrag erschien in einer ersten Fassung am 8. September 2018.

advertisement, continental, guttapercha, 1903

Werbung der Continental Caooutchouc & Guttapercha Co. Hannover aus dem Jahr 1903
Quelle: commons.wikimedia.org (File:1903 Werbung Continental Pneumatic Continental Caoutchouc & Guttapercha Co. hannover.JPG)

Beauty Point Tamar River 1913

Handel mit dem anderen Ende der Welt

Titelbild: Der Beautypoint in der Trichtermündung des Tamar auf Tasmanien, Postkarte der Deutsch-Australischen Dampfschiffs-Gesellschaft, veröffentlicht 1913, Fotograf unbekannt; eigene Sammlung

Von Hamburg nach Tasmanien

Das Postkartenidyll zeigt einen beschaulichen Anleger mit einem kleinen Schuppen am sogenannten Beautypoint im Norden Tasmaniens.

Die Auswahl dieses Ansichtskartenmotivs durch die die Deutsch-Australische Dampfschiffs-Gesellschaft (DADG) im Jahr 1913 überrascht, denn die Reederei unterhielt vor dem Ersten Weltkrieg keine Linienverbindung zu dieser, südlich des australischen Kontinents gelegenen Insel, die bis 1856 Van-Diemens-Land hieß.

In der Regel wurden Güter, die für die tasmanischen Städte Hobart, Lanceston oder Burnie bestimmt waren, in Melbourne umgeladen und dann mit Schiffen anderer Reedereien nach Tasmanien transportiert.

Tasmanien vor 1911
Tasmanien, Karte aus Encyclopedia Britannica, 11. Ausgabe 1911; Quelle: https://commons.wikimedia.org/wiki/File:EB1911_Tasmania.jpg; die Lage der Städte Burnie, Launceston und Hobart sind vom Autor gelb markiert

Nur bei großen Lademengen wurde Tasmanien direkt angelaufen, meist für ausgehende Fracht.

So wurden saisonal in Hobart nach der Ernte Äpfel für den direkten Transport nach Europa geladen. Die neuen, 1912 in Dienst gestellten Schiffe der DADG, „Adelaide“ und „Melbourne“, die beide über Kühlräume verfügten, machten dies noch besser möglich. Gelegentlich wurde auch Wolle befrachtet und im Huon River südwestlich von Hobart Holzladungen aufgenommen.

Piesse & Co.

Als Agent der DADG vor Ort agierte das Unternehmen Messrs. C. Piesse and Company mit Sitz in Hobart.

Messrs. C. Piesse and Company arbeiteten als Händler und Schiffsmakler. Die Firma war Ende des 19. Jahrhunderts von Charles August James Piesse gegründet worden. Sein Sohn Leslie Fraser Piesse führte das Geschäft nach dem Tod des Vaters im Jahr 1909 fort.

Der Tätigkeitsbereich war Import/Export von und nach Großbritannien und Festlandseuropa sowie der Handel mit der australischen Hauptinsel. Die Exportprodukte waren mannigfaltig: Wolle, Hopfen, Obst, Häute von Schaf und Kaninchen, Pelze, Silber, Bleierze und Getreide.

Hobart, Ocean Pier about 1900
Hobart, Ocean Pier (Länge ca. 370 M, Breite 58 M, Wassertiefe 18,9 M), kurz nach 1900, Foto H.H. Baily; Quelle: https://commons.wikimedia.org/wiki/File:Ocean_Pier,_Hobart,_Tasmania_-_very_early_1900s.jpg; Lizenz: CC BY-SA 4.0

In einem Artikel der Tageszeitung The Mercury (Hobart) vom 18. Juni 1912 brachte Piesse zum Ausdruck, dass eine regelmäßige Verbindung der DADG nach Tasmanien in Planung wäre.

Bis zum Ausbruch des Ersten Weltkrieges kam dies jedoch nicht zustande, dafür dürften die Lademengen der Hamburger Reederei für Tasmanien zu klein und nicht regelmäßig genug gewesen sein.

So blieben die Schiffe der DADG in Tasmanien eine Ausnahmeerscheinung. Dokumentiert ist zum Beispiel die Ankunft der „Altona“, die im Juli 1912 immerhin 400 Tonnen allgemeine Ladung nach Hobart brachte. Im April 1913 erreichte die „Reichenbach“ Burnie im Nordwesten Tasmaniens mit einer großen Menge Zement für den Bau einer Hafenmole.

Die Reichenbach in Burnie
© Maritime Museum of Tasmania, Cyril Smith Collection vol. 11., https://ehive.com/collections/3906/objects/842355/reichenbach

Besuch der Geschäftsführung

Im Oktober 1912 besuchte Marius Böger als Mitglied der Geschäftsführung der DADG Burnie und Lanceston.

Ein wichtiges Thema war der geplante Ausbau des Flusses Tamar und seiner Trichtermündung, so dass Schiffe der DADG die Stadt Launceston erreichen konnten, was bis dahin nicht der Fall war.

Burnie hatte hingegen nach Böger den Vorteil, direkt am Meer zu liegen und über geschützte Liegeplätze zu verfügen.

Böger machte bei seinem Besuch jedoch klar, dass Tasmanien nur dann regelmäßig angelaufen werden könne, wenn die Ladungsmengen interessant genug wären.
Quelle: The Mercury, Hobart, 23. Oktober 1912.

Burnie Tasmania 1919
Panoramaansicht von Burnie, Tasmanien, 1919; https://upload.wikimedia.org/wikipedia/commons/8/85/Burnie%2C_Tasmania_%281919%29_%2813415397133%29.jpg (Ausschnitt)

Das Dampfschiff „Oberhausen“ – beschlagnahmt im Huon River

Ein Schiff der DADG, der Frachtdampfer „Oberhausen“, lag bei Ausbruch des Ersten Weltkrieges im tasmanischen Huon River.

Kapitän Johann Meier und seine Mannschaft waren dabei, eine große Menge Eisenbahnschwellen für Südafrika zu laden, als australische Reservisten das deutsche Schiff beschlagnahmten.

Nach einer ersten Zeit der Gefangenschaft auf dem Schiff, kam die Mannschaft der „Oberhausen“ im Februar 1915 in die Quarantänestation auf Bruny Island, wo insgesamt etwa 70 Internierte untergebracht waren.

Die „Oberhausen“ hatte 33 Mann Besatzung, die anderen Lagerinsassen waren Deutsche und Österreicher, die auf Tasmanien lebten.

Nach Auflösung der regionalen Lager in Australien und damit auch des Camps auf Bruny Island, kam die Mannschaft der „Oberhausen“ in das große Lager nach Holsworthy bei Sydney. Kapitän und Offiziere wurden nach Berrima bzw. nach Trial Bay überstellt.

Der Frachtdampfer „Oberhausen“ wurde unter dem neuen Namen „Booral“ von der australischen Regierung als Transportschiff eingesetzt.

Zur Geschichte der „Oberhausen“ auf Tasmanien gibt es drei schöne informative Artikel in GeschiMag, dem Online-Geschichtsmagazin:

Der Fall des Dampfschiffes Oberhausen

Zur falschen Zeit am falschen Ort

Die Mannschaft der Oberhausen im Ersten Weltkrieg

Hobart Tasmania
Hobart, Tasmanien, Stadtpanorama mit Mt. Wellington (1271 m), undatierte Aufnahme (um 1900-1920?); Quelle: https://commons.wikimedia.org/wiki/File:Hobart,_Tasmania_(4749707971).jpg

Das Tagebuch des vierten Offiziers Fritz Stegherr

Im Jahr 2016 wurde bekannt, dass der 4. Offizier der „Oberhausen“, Fritz Stegherr, in Hobart und auf Bruny Island Tagebuch geführt hatte. Insgesamt hat er fünf Hefte mit fast 600 Seiten verfasst. Bestimmt war das Tagebuch des Offiziers der Handelsmarine für seine Mutter.

Veröffentlicht wurde 2021 der erste Teil in einer Übersetzung in die englische Sprache mit dem Titel „Dear Mama“ – The Diary of a German P.O.W. in Tasmania 1914-1915.

Mehr Informationen dazu gibt es ebenfalls beim GeschiMag:

Interniert in Australien

Neuerscheinung Dear Mama

Tamar River about 1900
River Tamar, Tasmanien, Aufnahme undatiert, Quelle: Tasmanian Archive and Heritage Office Commons, no restrictions, via Wikimedia Commons, https://commons.wikimedia.org/wiki/File:View_of_River_Tamar,_Launceston_(36298934486).jpg

Andere Tagebücher hier im Blog

Hier im Blog hatte ich in mehreren Artikeln die Tagebücher des Offiziers Friedrich Meier vorgestellt, der den Ersten Weltkrieg in den australischen Lagern Langwarrin, Holswothy und Trial Bay verbringen musste. Hier der erste Teil: In australischer Gefangenschaft

Ein weiteres Tagebuch berichtet von der Gefangenschaft des Matrosen Paul Thomas in Portugiesisch-Indien (Goa): Kriegsgefangenschaft in Goa (Teil 1 von 2)

Rockhampton Queensland about 1913

Gruß aus Rockhampton

In Queensland/Australien

Die Stadt Rockhampton in Queensland gehörte zu den weniger häufig angefahrenen Fahrtzielen der Deutsch-Australischen Dampfschiffs-Gesellschaft (DADG).

In den regelmäßigen Fahrplan wurde Rockhampton erst nach 1910 mit zweimonatlichen, später vierwöchentlichen Abfahrten aufgenommen.

Praktischerweise waren es die Dampfer der Linie 4, die von Sydney aus kommend, über Brisbane die gesamte Ostküste Australiens entlangfuhren, die in Rockhampton Halt machten. Anschließend setzten die Frachtdampfer ihre Küstenfahrt fort, um dann durch die Torres-Straße nördlich um Australien herum nach Makassar in Niederländisch-Indien weiterzureisen.

Weiterer Anlaufpunkt der Reederei an der Küste Queenslands war Townsville, bei Bedarf wurde auch das noch nördlichere Cairns bedient. 1913 startete die Reederei einen Versuch, auch die kleineren Hafenstädte Mackay und Bowen mit in den Linienverkehr einzubeziehen.

German Line for Port Alma 1911

German Line for Port Alma, Artikel in Morning Bulletin, Rockhampton vom 21. Oktober 1911; Quelle: trove.nla.gov.au

Der Hafen Port Alma

Die Stadt Rockhampton liegt nicht direkt am Meer, sondern am Fitzroy-River etwa 40 Kilometer landeinwärts.

Die Frachtdampfer der DADG legten deshalb im Hafen Port Alma am Delta des Fitzroy Rivers an, der sich etwa 60 Straßenkilometer südöstlich vom Stadtzentrum befindet.

Der Frachthafen verfügte seit 1912 über einen Eisenbahnanschluss, um den Gütertransport nach Rockhampton zu erleichtern.

Außerdem wird in Port Alma bis heute Meersalz gewonnen.

steamship Roscommon in Port Alma, 1912

Kühlschiff „Roscommon“ am Anleger in Port Alma, Rockhampton (Queensland/Australien), Aufnahme undatiert, ca. 1912-1917; Quelle: State Library Queensland über wikimedia; https://commons.wikimedia.org/wiki/Category:Roscommon_(ship,_1902), public domain

Die Stadt Rockhampton

Rockhampton wurde ab 1853 von Briten besiedelt und zählt zu den ältesten Städten im nördlichen Australien.

Einen steilen Aufschwung nahm die Stadt durch die Goldfunde bei Mount Morgan in den 1880er Jahren.

Der in Rockhampton lebende Rechtsanwalt William Knox D’Arcy hatte eine Beteiligung an der Mount Morgan Goldmining Corporation erworben und war dadurch sehr reich geworden. Siehe dazu den Artikel: Die Ursprünge der bp Gruppe (British Petroleum).

Fleisch und Fleischextrakt

Wichtigster Wirtschaftszweig in Rockhampton selbst war die Fleischverarbeitung. Das Umland bot ideale Weideflächen und in der Stadt hatten sich zwei große Schlachtbetriebe angesiedelt.

Fleisch und Fleischprodukte wurden in Dosen, gekühlt oder tiefgefroren für den australischen Markt und den Export produziert.

Auch der damals beliebte Liebigs Fleischextrakt wurde in Rockhampton hergestellt. Hierbei handelte es sich jedoch nicht um das Original. Der Name Liebig’s war zuvor von einem britischen Gericht als generisch eingestuft worden und konnte seitdem auch von anderen Herstellern, wie im vorliegenden Fall von der Central Queensland Meat Export Co. Ltd. in Rockhampton verwendet werden.

Liebig's extractum carnis

Liebigs Fleischextrakt, Central Queensland Meat Export Co. Ltd. Rockhampton, Banderole, ohne Jahresangabe, Quelle: State Library of Queensland, Negativnummer 190792, public domain

Die folgende Aufnahme zeigt das Unternehmen Central Queensland Meat Export Company zur Zeit der großen Überschwemmungen im Januar/Februar 1918.

Rockhampton floods 1918

Central Queensland Meat Export Company, Rockhampton, Hochwasser 1918; Quelle: State Library of Queensland, https://collections.slq.qld.gov.au/viewer/IE60559, public domain

Einen detailreichen Einblick in die Produktion von Konservendosen gibt dieses Bild.

tinmaking department lakes creek queensland 1913

Herstellung von Konservendosen, Central Queensland Meat Preserving Company, Lakes Creek, Queensland, 1913; Quelle: State Library of Queensland, public domain

Die Fitzroy-Brücke

Die Fitzroy-Brücke in Rockhampton wurde ab 1877 gebaut und 1881 fertiggestellt. Die Hängebrücke über den Fitzroy River war die erste Brücke Rockhamptons. Geplant wurde sie von Frederick Byerley. Zuvor musste der Fluss mit einer Dampffähre überquert werden.

Die Brücke hatte eine neogotische Anmutung, wozu vor allem die mit Zinnen verzierten Türmchen der Brückenpfeiler beitrugen.

Fitzroy bridge 1918

Rockhampton, Fitzroy-Brücke mit Schaulustigen, Hochwasser Januar/Februar 1918; Quelle: State Library Queensland über wikimedia; https://commons.wikimedia.org/wiki/File:StateLibQld_1_72091_Fitzroy_Bridge,_Rockhampton,_1918.jpg; public domain

Im Jahr 1918 überstand die Fitzroy-Brücke nicht nur die Rekordüberschwemmung, von der zahlreiche Fotodokumente existieren, sondern auch das stärkste Erdbeben, dass seit der europäischen Besiedelung in Queensland registriert wurde (Great Queensland Earthquake of 1918).

Nach über 75 Jahren musste die 336,5 Meter lange Brücke einer Neukonstruktion Platz machen. Sie wurde im Januar 1956 abgerissen.

Glücklicherweise existieren zahlreich historische Aufnahmen, die an das bemerkenswerte Bauwerk erinnern.

fitzroy bridge rockhampton

Rockhampton, Pferdewagen auf der Fitzroy-Brücke bei Hochwasser, um 1910; State Library of Queensland, Negativnummer 24769; https://collections.slq.qld.gov.au/viewer/IE325901

Rockhampton – Weitere historische Aufnahmen

Zum Abschluss des heutigen Artikels noch zwei ganz unterschiedliche Abbildungen Rockhamptons, das 1901 gerade einmal gut 15.000 Einwohner hatte. Bis heute ist die Stadt mit ihren 80.000 Bewohnern recht übersichtlich geblieben.

Das erste Foto zeigt die 1895 errichtete Post. Das imposante Gebäude zeugt vom Reichtum der Stadt nach den Goldfunden bei Mount Morgan. Es besticht durch seine schönen Kolonnaden und den zentralen Uhrturm. Es existiert noch heute, wenn auch nicht mehr als Postamt.

post office rockhampton 1895

Rockhampton, Post, ca. 1895; Fotograf Jens Hansen Lundager (1853-1930); Quelle: State Library Queensland über wikimedia; https://commons.wikimedia.org/wiki/File:StateLibQld_2_237154_Rockhampton_Post_Office,_ca._1895.jpg

Die zweite Abbildung zeigt Kunden, Angestellte und Produkte in einem Warenhaus. Die Angestellten mit ihren Schürzen und die gut gekleideten Kundinnen legen den Schluss nahe, dass sich in dem eleganten Geschäft das gut gestellte Bürgertum mit Waren eindeckte. Der lange Tresen bot reichlich Platz, seine Einkäufe in aller Ruhe zusammenzustellen. Und wenn die Kundinnen eine Pause brauchten, standen auch Stühle an der Theke für eine kurze Rast zur Verfügung.

Wo gibt es heute noch ein solch formidables Einkaufserlebnis?

rockhampton store interior about 1910

Rockhampton, Warenhaus um 1910-1920, Quelle: State Library of Queensland, Referenz: 21251688730002061, public domain

HIrsch Kupfer- und Messingwerke (HKM) Halberstadt

Der „Fall Snow“ und die Firma Hirsch in Halberstadt

Handel mit dem Feind

Titelbilld: Verkaufsprospekt für die Kapitalerhöhung der Hirsch Kupfer- und Messingwerke (HKM) in der Berliner Börsenzeitung vom 7. Oktober 1911; Quelle europeana.eu

Halberstadt und Fürth

Wussten Sie schon, was Halberstadt und die Stadt Fürth, Namenspatin des Dampfschiffes „Fürth“ gemein haben?

Beide Städte verfügen über ein reiches jüdisches Erbe und in beiden Städten hinterließen wohlhabende jüdische Bürger eindrucksvolle Stiftungen, die zum Teil noch heute ihren Einwohnern zugutekommen.

Diese Gemeinsamkeit wurde im Jahr 2011 durch eine gemeinsame „Bewerbung für die Tentativliste der UNESCO Welterbekonvention“ unter dem Titel „Jüdisches Stiftungswesen als Beitrag zur Entwicklung des modernen Sozialstaates“ zum Ausdruck gebracht.

Darin heißt es: „Die seriellen Komponenten in Fürth und Halberstadt repräsentieren die Vielfalt der materiellen Zeugnisse jüdischen Wohlfahrtswesen in zwei städtischen jüdischen Gemeinden. Die erhaltenen Stiftungsgebäude reflektieren dabei die Breite der Wohlfahrtsleistungen, die Aspekte der sozialen Fürsorge, medizinischen Versorgung und Bildung aufnahmen und damit das Spektrum der späteren Grundleistungen des modernen Sozialstaates vorwegnehmen.“
Quelle: www.moses-mendelssohn-akaedemie.de

Halberstadt cathedral about 1890

Halberstadt, der Dom; Fotochromdruck der Fa. Photoglob in Zürich, 1890, Quelle: Library of Congress, https://www.loc.gov/resource/ppmsca.52560/

Aron Hirsch

Einer dieser jüdischen Stifter in Halberstadt war der Metallindustrielle Aron Hirsch. Das Familienunternehmen Hirsch & Sohn war ein bedeutender Metallhändler und über zahlreiche Beteiligungen auch in der Metallproduktion tätig. Geschäftsbeziehungen bestanden nach ganz Europa, aber auch nach Mittel- und Südamerika, Asien und Australien.

Im Jahr 1906 wurde aus der offenen Handelsgesellschaft Hirsch & Sohn die Hirsch Kupfer- und Messingwerke Aktiengesellschaft zu Halberstadt (HKM). Die Gesellschaft hatte ein Stammkapital von 7 Millionen Mark. Sie betrieb als Zweigstellen ein Messingwerk bei Eberswalde und ein Kupferwerk in Ilsenburg am Harz.

Das Kapital der Aktiengesellschaft blieb mit großer Mehrheit bei Aron Hirsch & Sohn (6.996.000 Mark). Geschäftsführer waren die Kaufleute Aron Hirsch und Dr. Phil. Abraham Hirsch sowie Fabrikdirektor Max Hesse, der das Messingwerk bei Eberswalde leitete.
Quelle: Berliner Börsenzeitung vom 23. August 1906; Staatsbibliothek zu Berlin über europeana.eu

Über die Tätigkeit des Unternehmens sagt der im Titelbild dieses Beitrages abgebildete Verkaufsprospekt bei der Erhöhung des Grundkapitals im Jahr 1911:

Die Gesellschaft befasst sich mit der Weiterverarbeitung und Verfeinerung von Metallen, insbesondere Kupfer und Zink in den verschiedensten Legierungen und verschiedenen anderen Metallen durch Walzen, Pressen, Stanzen und Ziehen zu mannigfachen Zwecken, namentlich auch für den Eisenbahn-, Schiffbau und militärische Zwecke.

Die beiden Werke der Gesellschaft beschäftigten im Jahr 1911 „etwa 1550 Beamte und Arbeiter“.

Dem florierenden Unternehmen wurde jedoch durch den Ausbruch des Ersten Weltkrieges der Rohstoffnachschub abgeschnitten. Eine dieser Rohstoffquellen war Australien.

Messingwerk Finow (HKM)

Messingwerk bei Eberswalde am Finowkanal mit Hafenbecken und Wasserturm, der 1918 fertiggestellt wurde; historische Ansichtskarte; commons.wikimedia.org; Heegermuehle-messingwerk-lu.jpg; Lizenz: CC BY-SA 3.0

Hirsch & Sohn in Australien

Hirsch & Sohn hatte sich in Australien eine solide Geschäftsbasis aufgebaut. Das Unternehmen besaß Anteile an den beiden australischen Metallgesellschaften Australian Electrolytic Smelting & Refining Company und an der Mount Morgan Gold Mining Co. Ltd.

An letzterer hatte sich 1882 übrigens auch William Knox D’Arcy beteiligt. Siehe dazu den Beitrag Die Ursprünge der bp Gruppe (British Petroleum).

Des Weiteren bestand eine Geschäftsbeziehung mit dem Unternehmen Francis H. Snow in Adelaide, der für Hirsch & Sohn als Agent arbeitete und die Verschiffung von Erzen und Konzentraten organisierte.

An dieser Stelle kommt die Deutsch-Australische Dampfschiffahrts-Gesellschaft (DADG) ins Spiel. Erze und Konzentrate waren eine regelmäßige Fracht auf den Heimfahrten der Reederei von Australien.

Ein schönes Beispiel eines Erztransports nach Europa ist folgende Zeitungsnotiz über die Fahrt des Dampfschiffes „Australia“ von Port Pirie (Südaustralien) nach Hamburg über Antwerpen:

April 22.—Australia, str., 4686, J. Hellerich, for Antwerp via Durban, with 2003 tons zinc concentrates, shipped; by F. H. Snow; 4011 tons ore, shipped by Australian Metal Co., and 4633 tons do., shipped, by Elder, Smith & Co., total 10,647 tons. Elder, Smith & Co., agents.
Port Pirie Recorder and North Western Mail, Fr 24. 
Apr 1914, S. 2, SAILED.

Die 2003 Tonnen Zinkkonzentrate, die F. H. Snow verschiffte, waren für Hirsch & Sohn bestimmt.

Port Pirie, Australia

Die „Australia“ in Port Pirie, eigene Montage aus zwei Fotos aus der State Library of South Australia, Referenznummer B9524/2 und B9524/3

Metallhandel in deutscher Hand

Wie groß die Bedeutung deutscher Unternehmen im weltweiten Metallhandels zu diesem Zeitpunkt war, zeigt sich, wenn man sich auch die anderen beiden Verschiffer ansieht:

4011 Tonnen Erz im Namen der Australia Metal Co.

Die Australian Metal Company war eine Tochtergesellschaft der Metallgesellschaft in Frankfurt am Main, Inhaber Wilhelm Merton. Siehe dazu den Artikel: Die Erze an Bord der „Fürth“ …

Das Unternehmen Elder, Smith & Co., das 4633 Tonnen Erze mit der „Australia“ nach Antwerpen verschiffte, war wiederum der Agent des dritten großen deutschen Metallhändlers, der Firma Beer, Sondheimer & Co. mit Sitz ebenfalls in Frankfurt am Main.

Bleiben wir für heute bei Hirsch & Sohn und seinem Geschäftspartner Snow.

Hampden Smelters Qld.

Erze werden mit Bahnwaggons einer Eisenhütte angeliefert, um 1912, Hampden Smelters, Queensland, Australia, Quelle: State Library of Queensland

Francis Hugh Snow

Francis Hugh Snow wurde 1854 in Yorkshire (England) geboren und ging als junger Mann nach Australien wo er zu nächst als Handelsagent arbeitete.

Später spezialisierte er sich als Metallbroker und wurde ein bedeutender Händler. Snow war verheiratet und hatte vier Söhne.

Iron Monarch Whyalla 1919

Minenarbeiter beim Erzabbau, 1919, Iron Monarch, Whyalla, South Australia, State Library of South Australia, Ref. B62487; https://collections.slsa.sa.gov.au/resource/B+62487

Gestörte Geschäftsbeziehung

Die internationale Geschäftsbeziehung von Hirsch & Sohn mit Francis H. Snow fiel nach Ausbruch des Ersten Weltkrieges noch im August unter den Bann des Commonwealth, die Handelsbeziehungen mit dem Feind unter Strafe gestellt hatte.

Trading with the Enemy

Commonwealth Proclamation, Trading with the Enemy, The Daily News, Perth vom 25. August 1914; trove.nla.gov.au

Das stellte Unternehmen wie Francis H. Snow, die über viele Jahre eng mit den deutschen Geschäftspartnern zusammengearbeitet hatten, natürlich vor große Probleme.

Der Staat hatte plötzlich ein scharfes Auge darauf, welche Firmen noch mit dem Feind kommunizierten.

Verlässlicher Partner der Regierung waren die australischen Tageszeitungen, die sich auf die vermutlichen Fälle stürzten und in großer Breite darüber Bericht erstatteten. Mit Kriegsbeginn war in Australien eine breite antideutsche Kampagne gestartet worden.

So kam das Unternehmen Snow als Agent eines deutschen Großunternehmens auf die Anklagebank.

Weiters überrascht es nicht, dass dies sehr zügig geschah, nämlich bereits im November 1914:

alleged trading with the enemy 1914

Vermeintlicher Handel mit dem Feind; Observer, Adelaide, 28. November 1914; trove.nla.gov.au

Vor Prozessbeginn hatte die Staatsanwaltschaft Snows Büros durchsucht und zahlreiche Unterlagen sichergestellt.

Der Prozess gegen Francis H. Snow

Der Prozess gegen Snow dauerte von November 1914 bis Februar 1915.

Während des Prozesses verfolgte die Presse sehr genau den Prozessverlauf und berichtete nach jeder Sitzung des Gerichts. Die Details würden viele Seiten füllen.

Zusammenfassend lässt sich sagen, dass die Firma Snow nach Kriegsbeginn versuchte, die Lieferungen über Drittstaaten abzuwickeln, wie zum Beispiel über Geschäftspartner in New York oder Rotterdam.

Auf Dokumente angesprochen, die einen direkten Kontakt mit Hirsch & Sohn belegten, äußerte sich Snow nicht, sondern gab an, nichts davon zu wissen. Er wird zitiert mit Aussagen wie “I know nothing about“ oder “I must admit I know nothing of that”.

Ende Januar 1915, als sich die Beweislage gegen Snow mehr und mehr verdichtete, ordnete das Gericht Hausarrest gegen Snow an und ließ eine Militärwache vor seinem Haus postieren.

Am 11. Februar wurde Snow wegen versuchten Handels mit dem Feind schuldig gesprochen. Snow wurde gegen eine Sicherheitsleistung von 1000 £ von einer Haftstrafe verschont. Außerdem musste er zwei Bürgschaften von je 1000 £ hinterlegen:

The Snow Case 1915

Snow Case Concluded; Observer, Adelaide, 13. Februar 1915; trove.nla.gov.au

Zu späteren Zeiten

Francis Hugh Snow starb am 5. April 1930 im Alter von 75 Jahren in einem Krankenhaus in Adelaide. Einer seiner Söhne, Wilfrid H. Snow, hat das väterliche Unternehmen in den 1920er Jahren nach Rückzug seines Vaters weitergeführt.

Francis Hugh Snow 1930

Meldung über den Tod von Francis H. Snow, News, Adelaide, Sa 5. April 1930, S. 4; Quelle: trove.nla.gov.au

Das Unternehmen Aron Hirsch & Sohn bestand bis 1929, als das Handelshaus in Zahlungsschwierigkeiten kam und mit dem Berliner Metallunternehmen Schoyer & Co. fusionieren musste. Die Industrieaktivitäten wurden von der britischen ICI-Gruppe übernommen.

Neben seiner Geschäftstätigkeit war Aron Hirsch in Halberstadt und Berlin ein großzügiger Stifter. Er starb im Februar 1942 in Wiesbaden.

Das zu HKM gehörende Kupferwerk Ilsenburg wurde 1948 auf das Walzen von Blech umgestellt und gehört heute als Ilsenburger Grobblech GmbH zum Salzgitter-Konzern.

Das Messingwerk in Eberswalde war bis 1945 in Betrieb und wurde dann von der sowjetischen Besatzungsbehörde demontiert. Ein später an gleicher Stelle stehendes Walzwerk wurde 2012 stillgelegt. Zurzeit (2022) soll dort zwischen einigen noch verbliebenen historischen Industriegebäuden neuer Wohnraum entstehen: http://www.messingwerkfinow.de

Der Traum der Städte Halberstadt und Fürth, ihr jüdisches Stiftungswesen zum UNESCO Welterbe werden zu lassen, war 2014 zu Ende. Gegen Neuschwanstein hatten sie keine Chance.

Vielleicht schafft es ja in Zukunft das Halberstädter Würstchen als immaterielles Kulturerbe anerkannt zu werden. Meine Stimme hat es.

fruit shipping in australia about 1913

Obst aus Übersee

Über die Anfänge des Fruchtimports

Titelbild: Verladen von Frucht in Australien, Ansichtskarte der Deutsch-Australischen Dampfschiffs-Gesellschaft aus dem Jahr 1913, ungelaufen, eigene Sammlung

Äpfel, Birnen und Bananen

Der Transport von frischen Früchten über weite Strecken wurde im großen Maßstab erst durch die Entwicklung der Kühltechnik möglich. Parallel dazu musste der Transport schnell und verlässlich erfolgen. Eigenschaften, die erstmals die Dampfschifffahrt garantieren konnte.

In Deutschland wurde 1903 bei Blohm & Voss in Hamburg der erste HAPAG-Dampfer zum Kühlschiff umgebaut. Es war das Passagier- und Frachtschiff „Sibiria“.

Dann dauerte es allerdings weitere neun Jahre, bis der erste Neubau eines Kühlschiffes von einer deutschen Werft in Dienst gestellt wurde: ebenfalls ein HAPAG-Schiff, die „Carl Schurz“.

Andere Schiffe verfügten zu diesem Zeitpunkt zwar auch schon über Kühlräume, es handelte sich aber um Einbauten, die nur jeweils einen Teil des Laderaums umfassten (siehe unten).

Carl Schurz Kühlschiff

Das Fruchtschiff „Changuinola“ ex „Karl (Carl) Schurz“ der HAPAG, Baujahr 1912, Aufnahme aus dem Jahr 1914; http://www.naval-history.net/PhotoWW1-08amcChanguinola1PS.JPG

Anmerkung: Das Schiff hieß zunächst „Karl Schurz“. Carl Schurz, nach dem das Schiff benannt worden war, schreibt sich jedoch mit „C“. Im Jahr 1913 erfolgte dann die Korrektur.

Deutsch-Australische Dampfschiffs-Gesellschaft (DADG)

Das erste Schiff der DADG, das über eine Kühlanlage verfügte, war die 1905 in Dienst gestellte „Oberhausen“. Es sollten bei der DADG bis 1914 sechs weitere Schiffe mit Kühleinrichtungen folgen.

Es waren jedoch keine echten Kühlschiffe; sondern nur ein Teil des Laderaums verfügte über Kühlung.

Einerseits wollte die DADG zwar Kapazitäten für Fruchtverschiffer zur Verfügung stellen, andererseits war der Einbau der Kühlungen mit einem Verlust an Frachtraum verbunden. Außerdem war der Einbau recht kostenintensiv. Erschwerend kam hinzu, dass Frucht und Fleisch unterschiedliche Einrichtungen der Kühlräume verlangten.

So nahmen die Kühlräume jeweils nur einen Teil des Laderaums ein:

Für das Schiff „Adelaide“ ist die Größe des Kühlraums beispielsweise mit 100 000 Kubikfuß angegeben, was 1000 Bruttoregistertonnen entspricht. Bei einer Tonnage von insgesamt 5898 BRT waren also etwa 17 % des Laderaums gekühlt.

Adelaide ship 1911 German Australian Line

Der Frachtdampfer „Adelaide“ (1911), gebaut von der Flensburger Schiffbau-Gesellschaft, Aufnahme aus den Jahren 1911-1914; © R. Schmelzkopf, Deutsch-Australische Dampfschiffs-Gesellschaft, Hamburg 1888 – 1926, S. 30, Eigenverlag (Strandgut), Cuxhaven 1984.

Deichtormarkt und Fruchthof

Parallel zum Aufbau der Kühlschifffahrt wurden in Hamburg die Kapazitäten für den Umschlag an Frucht erhöht: Ab 1911 entstand ein neuer Großmarkt (Deichtormarkt). Im selben Jahr wurde das Kontorhaus Fruchthof am Oberhafen eröffnet.

Die Anlagen für die Fruchtzufuhr am Zentralmarkt.
Wie an der Ecke der Spalding- und Amsinckstraße in einem mächtigen Neubau die Zentralstelle für den Blumenhandel geschaffen ist, so wurde auch an der Ausmündung der Oberhafenstraße in die Bankstraße in dem Kontorhaus Fruchthof eine solche Zentralstelle für den Fruchthandel geschaffen.


Hamburger Anzeiger vom 21. Juli 1911

Nach der gleichen Quelle wurde auch eine neue Kaimauer an der Oberhafenstraße angelegt, der Schienenanschluss verbessert und ein Fruchtschuppen errichtet.

Port Adelaide about 1910 export of apples

Kontrolle und Verpackung von Äpfeln, Port Adelaide, Aufnahme um 1910; State Library of South Australia, Ref. B 22739

Äpfel und Birnen

Die DADG transportierte aus Australien Äpfel (und Birnen) nach Niederländisch-Indien und nach Europa. Auf den kurzen Transportwegen nach Niederländisch-Indien erfolgte das auch ungekühlt. Nach Europa hingegen war der Transport auf Schiffe mit Kühleinrichtung beschränkt.

Harms (1933) schreibt über den Erfolg der australischen Fruchtexporte:

„Die gute Stimmung hielt an, die australischen Fruchtverschiffer waren von Einrichtungen im Fruchtschuppen und der Art der Auktionen sehr befriedigt; sie ermöglichte ihnen genau zu verfolgen, welche Preise die einzelnen Sorten und Sendungen erzielten und gewannen damit nicht nur einen guten Ueberblick über die Geschmacksrichtung, sondern auch eine Kontrolle über die Preise ihrer eigenen Sendungen.“

Heute würde man das Marketinganalyse nennen. Im Prinzip gab es das auch schon vor über hundert Jahren, ohne dass der moderne Begriff dafür verwendet worden wäre.

Weiter heißt es bei Harms zu den Obstimporten:

„Das Geschäft entwickelte sich gut und Hamburg begann nicht nur das Inland und Hinterland, sondern auch viele nordische und Ostseehäfen mit zu versorgen. Im Mai 1910 sind rund 32 000 Kisten Aepfel und Birnen an einem Tage zu guten Preisen verkauft worden.“

Diese Lieferungen von der Südhalbkugel machten damit Äpfel und Birnen auch zu einer Jahreszeit verfügbar, in denen es vor Ort kein Angebot geben konnte, die Apfelernte ist schließlich erst im Spätsommer/Herbst.

apple packaging and grading about 1910

Lange Tische mit Äpfeln in einem Schuppen in Südaustralien, ev. beim Sortieren und Verpacken, Aufnahme ca. 1910; Quelle: Library of South Australia, Ref. [PRG 280/1/43/259]

Die erfreuliche Marktentwicklung veranlasste die DADG zu weiteren Investitionen und 1911 wurden zwei weitere Frachtdampfer mit über 100000 Kubikfuß (2830 m3) großen Kühlräumen in den Verkehr gebracht und ein dritter war bestellt:

„Die ersten beiden großen Dampfer („Adelaide“ und „Melbourne“) brachten volle Ladungen Frucht heran und an einem Tage sind 50 000 Kisten umgesetzt worden; ein Ereignis in diesem Geschäft.“

Vor dem Ersten Weltkrieg hatte die DADG auf sieben Schiffen eine Kühlraumkapazität von 700 000 engl. Kubikfuß für Frucht und für 725 000 engl. Kubikfuß für Fleisch (Harms 1933).

inspecting fruit 1912 melbourne

Kontrolle von Äpfeln für den Export, Staatliches Kühlhaus in Melbourne; National Museum Australia, https://collectionsearch.nma.gov.au/icons/images/kaui2/index.html#/home?usr=CE

Bananen

Andere Reedereien brachten Äpfel aus den USA sowie Zitrusfrüchte und Trauben aus Italien und Spanien nach Hamburg. Erste Bananenimporte stammten von den Kanarischen Inseln.

Mit Entwicklung der Kühlschiffe war der Weg frei für den Import von exotischen Früchten aus der Karibik und Mittelamerika, allen voran der Banane. Für deren Transport waren spezielle Schiffe konzipiert worden, die sogenannten „Bananendampfer“.

„Die Kultur der Banane ist zwar uralt, aber der Anbau zum Zweck der Ausfuhr in nordische Länder bedeutet eine Errungenschaft, die erst durch die Verbesserung der Verkehrsmittel neuester Zeit möglich war.“
Die Banane, Altonaer Nachrichten/Hamburger Neueste Zeitung, 24. Sep. 1913, S. 5

transporting bananas about 1918

Lastwagen mit Bananen der National Fruit Company (USA), 1918, Quelle: Library of Congress; https://www.loc.gov/resource/npcc.33409/

In Deutschland hatte die Banane ihren Siegeszug auf dem Fruchtmarkt im Jahr 1902 begonnen. Die ersten Stauden sollen allerdings nur schlecht abverkauft worden sein. Bald aber wurde die Banane eine Erfolgsgeschichte (zumindest aus europäischer und nordamerikanischer Sicht).

Die Anfänge des Imports waren noch bescheiden: 1911 kamen 745000 Bananenstauden aus Mittel- und Südamerika nach Deutschland, 1913 waren es 2 258 800.

Zu dieser frühen Zeit wurden Bananen noch in Stauden (Büschels) gezählt, bevor die Statistiken später wie für andere Güter auch auf Tonnen umgestellt wurden.

Angaben nach: Die PackEISwaffel: Von Gletschern, Schnee und Speiseeis, C. Reinke-Kunze: Springer Verlag Basel (1996); abgerufen über books.google.fr

Die Vorzüge der Banane wurden zwar schnell erkannt, jedoch war die Frucht vor dem Ersten Weltkrieg noch ein Luxusgut:

„Die Banane übertrifft an Nährwert andere Obstarten recht erheblich. Es ist daher nur zu wünschen, daß unsere Handelsgesellschaften es ermöglichen, den Preis noch weiter zu ermäßigen und die Banane zu einem den weitesten Volkskreisen zugänglichen Nahrungs- und Genußmittel zu machen.“
Die Banane, Altonaer Nachrichten/Hamburger Neueste Zeitung, 24. Sep. 1913, S. 5

santos 1914 bananas

Verladung von Bananen auf ein Frachtschiff, Santos, Brasilien, Stereoaufnahme 1914; Quelle: Library of Congress; https://www.loc.gov/resource/stereo.1s17571/

Unternehmensgründungen

Die neuen Marktchancen, die sich aus dem Fruchtimport ergaben, spiegelten sich in zahlreichen Firmengründungen wider.

Eine davon war die Elders & Fyffes Fruit Company mbH in Hamburg:

Bananen-Import.
Kürzlich ist in Hamburg die Elders & Fyffes Fruit Company m. b. H. mit einem nominellen Kapital von 500 000 Mk. eingetragen worden. Dies Unternehmen bildet einen Teil des großen amerikanischen Bananentrusts, der ‚United Fruit Company‘ in Boston, deren europäische Interessen von der Firma Elders & Fyffes Ltd. in London geleitet werden. Das amerikanische Unternehmen ist das größte dieser Art in der ganzen Welt. Sein Kapital beträgt 175 000 000 Mark. Ueber 100 Dampfer sind in seinem Dienst, und der Trust besitzt 181 786 Hektar Land, abgesehen von ausgedehnten Pachtungen in Westindien und Mittelamerika. Zur Bewirtschaftung seiner Bananen- und Obstplantagen sind 600 Kilometer Eisenbahn und 270 Kilometer Trambahn in Betrieb, und die Zahl der Pferde, Ochsen und Maultiere beträgt 21 657. Für das deutsche Geschäft werden jetzt vorläufig drei Dampfer gebaut, von denen jeder 70 000 Bananenbündel faßt; die Schiffe machen 15 Knoten, und es wird ein regelmäßiger vierzehntägiger Dienst stattfinden. Der Sitz des deutschen Geschäfts wird Hamburg sein, wo die notwendigen Bureau- und Lagerräume bereits gemietet sind.
Hamburger Anzeiger, 24. Nov. 1911; europeana.eu

Fyffes & Son. in London hatte 1888 begonnen, Bananen von den Kanarischen Inseln zu importieren.

1901 wurde dann durch Entwicklung von Kühlschiffen der Import von Bananen aus Westindien möglich und die Dampfschifffahrtsgesellschaft Elder Dempster Company Ltd. stieg in das Geschäft ein. Die neue Gesellschaft erhielt den Namen Elders & Fyffes.

elders and fyffes 1917

Elders & Fyffes Ltd., Anzeige aus dem Jahrbuch für Telefon und drahtlose Telegraphie 1917; Quelle: https://www.gracesguide.co.uk/Elders_and_Fyffes

1910 kam die Gesellschaft unter die Kontrolle der amerikanischen United Fruit Company, behielt aber ihre eigene Identität.

Die übermächtige United Fruit Company griff massiv in die Politik der Herkunftsländer in Mittelamerika ein. Der bis heute bekannte Begriff der Bananenrepubliken entstand daraus in den 1930er Jahren.

1969 wurde aus Elders & Fyffes die Fyffes Group.

Heute (2022) ist das Unternehmen ein weltweit führender Importeur tropischer Früchte und einer der größten Bananenimporteure Europas. Der Pro-Kopf-Verbrauch an Bananen in Deutschland liegt aktuell etwa bei 12 Kilogramm pro Jahr.

Nachdem ich keine esse, muss also irgendjemand anderer deutlich mehr verdrücken. Sie vielleicht?

Bananendampfer

„Golfito“, ein typischer weißer Bananendampfer von Elders & Fyffes, Aufnahme von 1950; Quelle: Grace’s Guide to British Industrial History; https://www.gracesguide.co.uk/File:Im1950v189-p064.jpg

Über Kühleinrichtungen auf DADG-Schiffen siehe auch den Blogartikel:
Hatte die Fürth eine Kühlanlage?

Makassar harbour, about 1910

In Makassar

Titelbild: Ladebrücke im Hafen von Makassar, Ansichtskarte, ungelaufen, undatiert, Deutsch-Australische Dampfschiffs-Gesellschaft, Hamburg, Aufnahme ca. 1910-1913; eigene Sammlung

Mit dem Dampfschiff „Fürth“ in Niederländisch-Indien

Die Hafenstadt Makassar (Macassar, Mangkasar) war die Hauptstadt des gleichnamigen Distriktes auf der Insel Celebes (indonesisch: Sulawesi). Zu den Zeiten des Dampfschiffes „Fürth“ gehörte die Insel und damit auch die Stadt zu Niederländisch-Indien (heute Indonesien).

Laut Encyclopedia Britannica (Ausgabe 1911) lebten dort 17.925 Menschen, davon 940 Europäer, 2618 Chinesen und 168 Araber.

Die Stadt liegt an der Westküste einer südlichen Halbinsel von Celebes (zur Lage siehe Karte unten). Die Makassarstraße trennt die Insel von der westlich gelegenen Insel Borneo.

Heute hat die Stadt etwa 1,5 Mio. Einwohner, der Ballungsraum rund 3 Mio.

Celebes and Macassar map

Die Lage von Celebes und Makassar in Niederländisch-Indien; die Lage der Städte Singapur und Batavia (heute: Jakarta) habe ich zur Orientierung eingefügt; https://commons.wikimedia.org/wiki/File:Sulawesi_Locator.svg (Wiedergabe in Sepia); Lizenz: Creative Commons Attribution-Share Alike 3.0 Unported

Macassar pier and quays, before1912

Makassar, Hafen, Aufnahme aus dem 1912 veröffentlichten Buch „Scented Isles and Coral Gardens“ von C. D. Mackellar; Quelle: https://commons.wikimedia.org/wiki/File:The_Pier_and_Quays,_Macassar,_Celebes.jpg

Kopra

Die Handelsgüter für die Schiffe der Deutsch-Australischen Dampfschiffs-Gesellschaft (DADG), die in Makassar geladen wurden, waren Kopra, Kaffee, Gummi, Gewürze und Hölzer.

Von diesen Gütern war Kopra (getrocknetes Kokosnussfleisch) mit Abstand das wichtigste, es diente in Europa zur Herstellung von Margarine und Seife. 70 % der Ausfuhr im östlichen Teil Niederländisch-Indiens lief über den Hafen von Makassar.

Siehe dazu auch den Artikel: Die Fracht der „Fürth“ – Kopra

Im Zeitraum von 1909 bis 1913 war Niederländisch-Indien weltweit der wichtigste Exporteur von Kopra mit 2,38 Mio. Tonnen, gefolgt von den Philippinen, Britisch-Malaya (heute Malaysia) und Ceylon (heute Sri Lanka).

Wichtigstes Abnehmerland für Kopra war zu dieser Zeit Frankreich, das etwa 50 % der Weltproduktion von Kopra importierte. Haupteinfuhrhafen war Marseille. Über die beeindruckende Schwebefähre im Hafen von Marseille habe ich kürzlich ausführlich berichtet. SIEHE: Die Schwebefähre in Marseille

Aber auch Deutschland fragte Kopra in großer Menge nach. So wurden in Bremen und Hamburg allein täglich 60-200 Tausend Tonnen Margarine hergestellt, für die große Mengen Kopra benötigt wurden.

Informationen nach: The globalizing of copra and coconut oil industry of Makassar before the second world war, Abd. Rasyid Asba et al., 2020 IOP Conf. Ser.: Earth Environ. Sci. 575 012094;

the white meat of coconutsis dried to get kopra

Kopra ist das getrocknete weiße Fruchtfleisch der Kokosnuss, die Nüsse sind ca. 1-2,5 Kilo schwer; Bild: Pixabay

Verträge mit niederländischen Linien

Nachdem Makassar in Niederländisch-Indien lag, musste die DADG ihr Frachtaufkommen vertraglich mit den holländischen Linien regeln.

Dies waren die folgenden drei Reedereien:

– Stoomfahrt Maatschappij Nederland, Amsterdam
– Rotterdamsche Lloyd, Rotterdam und
– Stoomvaart Maatschappij Ocean, Amsterdam/Ocean S. S. Co. Holt, Liverpool

Nach einem Vertrag vom 12. Oktober 1900 erhielt die DADG einen Frachtanteil von 21 Prozent der Ladung aus Java und von Padang (Sumatra). Der Hafen Makassar hingegen wurde zunächst ganz der DADG überlassen. Das dürfte daran gelegen haben, dass er im östlichen Teil Niederländisch-Indien und damit „weit ab vom Schuss“ lag. Für die DADG bedeutete er auf der Rückfahrt über die australische Ostküste und die Torres-Straße hingegen keinen Umweg.

Bei den vereinbarten Frachtanteilen waren Regierungsgüter und Zucker ausdrücklich ausgenommen. Diese beide Kategorien waren ausschließlich den niederländischen Linien vorbehalten.

Spätere Änderungen der Vereinbarung erhöhten den Frachtanteil der DADG auf 25 %. Makassar musste dafür wieder mit den niederländischen Linien geteilt werden.

Insgesamt waren die Absprachen mit den niederländischen Reedereien für die DADG eine gute Geschäftsgrundlage. Der damalige Geschäftsführer der DADG, Otto Harms schrieb dazu:

„So hat der Vertrag denn auch gut gearbeitet und die Verbindung mit den holländischen Linien hat sich immer freundschaftlicher gestaltet.“
Deutsch-Australische Dampfschiffs-Gesellschaft Hamburg, Otto Harms (1933), Schröder & Jeve, Hamburg.

Macassar harbour about 1910

Makassar , Pirogenhafen, Aufnahme um 1910; Quelle: https://commons.wikimedia.org/wiki/File:Macassar._Prauwenhaven._Lighter_harbour.,_KITLV_1403280.tiff

Direktfahrten nach Niederländisch-Indien

Im Jahr 1909 wurde mit den niederländischen Reedern eine Übereinkunft über Direktfahrten nach Niederländisch-Indien getroffen. Das war neu, denn bislang wurden die Häfen Niederländisch-Indien von der DADG nur auf der Rückfahrt von Australien bedient. Die neuen Direktfahrten liefen stattdessen von Europa direkt durch den Suezkanal.

An dem Vertrag mit je einem Drittel beteiligt waren die DADG, die Stoomvaart Maatschapij Nederland und der Rotterdamsche Lloyd.

Die zweiwöchentlichen Abfahrten erfolgten von Hamburg und Amsterdam bzw. Hamburg und Rotterdam.

Für die DADG bedeutete der Vertrag eine weitere Ausweitung des Südostasiengeschäfts:

„Das war ein sehr bedeutender und wichtiger Vertrag, welcher unsere Stellung in der Fahrt weiter befestigte und insbesondere uns erleichterte von Makassar 14tätige Gelegenheit zu bieten.“ (gleiche Quelle)

Frachtdampfer „Fürth“ in Makassar

Die Bedeutung Makassars für die DADG spiegelt sich auch in den Fahrten des Dampfschiffes „Fürth“ wider. Bei 15 Australienfahrten liefen fünf Reisen über Makassar.

Allerdings hatte der Erfolg des Warenumschlagsplatzes Makassar auch seine Schattenseiten. Die Anleger im Hafen waren mehr und mehr überlastet, was zu längeren Wartezeiten bei der Abfertigung führte. Im August 1911 waren die „Fürth“ und ein weiterer Frachter davon betroffen:

„…
En wat dat zeggen wil, konden we dezer dagen alen toen twee groote vrachtschepen, de Deucalion en de Fürth eenige dagen op de ree moesten wachten brj gebrek aan ruimte aan de steigers.
…“
Bataviaasch nieuwsblad, 10. Aug 1911, Quelle: delpher.nl

Muskatnüsse, Makassar vor 1942

Arbeiter und Arbeiterinnen in Makassar sortieren Muskatnüsse und trennen sie von den Blüten; Sammlung Tropenmuseum (National Museum of World Cultures), Aufnahme vor 1942; Quelle: https://commons.wikimedia.org/wiki/File:COLLECTIE_TROPENMUSEUM_Arbeiders_selecteren_nootmuskaat_en_ontdoen_de_noten_van_de_foelie_Makassar_Celebes_TMnr_10012350.jpg

Demnächst im Blog

Historische Aufnahmen geben interessante Einblicke in die Häfen, die Wirtschaft und in die Kultur Niederländisch-Indiens. Bleiben Sie dran!

Antwerp about 1912, steamship Elmshorn

„Elmshorn“ lädt in Antwerpen

Titelbild:
Die Schelde in Antwerpen und der Dampfer „Elmshorn“ beim Laden für Australien; Ansichtskarte der Deutsch-Australischen Dampfschiffs-Gesellschaft, Hamburg, 1913, ungelaufen, eigene Sammlung

Heute zeige ich Ihnen eine weitere Ansichtskarte der Deutsch-Australischen Dampfschiffs-Gesellschaft, Hamburg, die die Reederei sehr wahrscheinlich zu ihrem 25jährigen Jubiläum im September 1913 veröffentlicht hat.

Da die Reederei eine reine Frachtschiffreederei war und keine Passagiere beförderte, hat die Karte einen gewissen Seltenheitswert. Zumindest ist sie nicht oft zu finden.

Leider wurde die Kartenserie „nur“ im Offsetdruck hergestellt und die Karten haben nicht die Brillanz von Karten, die im Lichtdruck produziert wurden. Über diese überlegene Technik hatte ich hier berichtet: Der Strandhöft im Jahr 1905

Die Stadtsilhouette von Antwerpen

Die Stadtsilhouette von Antwerpen wird dominiert von der Liebfrauenkathedrale (Onze-Lieve-Vrouwekathedraal). Der 123 Meter hohe Turm ist eine weithin sichtbare Landmarke und die Kirche der größte gotische Dom in den Beneluxländern.

Rechts neben dem hohen Turm sieht man den kleinen Vierungsturm, der ebenfalls zur Kathedrale gehört, jedoch nie fertiggestellt und im 17. Jahrhundert mit einer Holzkonstruktion abdeckt wurde.

Über dem Vorschiff der „Elmshorn“ sieht man Burg Steen, die Stadtburg von Antwerpen. Sie geht auf des 12. Jahrhundert zurück. Zur Zeit dieser Aufnahme war hier ein Museum untergebracht, heute ist es die Touristeninformation von Antwerpen.

Der „Stammplatz“ der Deutsch-Australischen Dampfschiffs-Gesellschaft (DADG) war eigentlich etwas weiter südlich am Quai St. Michel. An der Stelle, an der die „Elmshorn“ auf der Ansichtskarte zu sehen ist, legten normalerweise Schiffe des Norddeutschen Lloyd an.

Aber dort hätte der Fotograf das Dampfschiff nicht so schön mit Dom und Schloss in Szene setzen können.

Antwerp, Schelde, Steen, about 1910

Antwerpen, Partie an der Schelde mit Burg Steen, Postkarte, gelaufen Juli 1917, Aufnahme vermutlich vor dem Ersten Weltkrieg; Quelle: https://commons.wikimedia.org/wiki/File:Antwerpen_-_Schelde.jpg

Das Dampfschiff „Elmshorn“

Das knapp 125 Meter lange Schiff wurde am 19. November 1910 für die Deutsch-Australische Dampfschiffs-Gesellschaft (DADG) in Dienst gestellt. Gebaut worden war der Frachtdampfer auf der „Hauswerft“ der DADG, der Flensburger Schiffbau-Gesellschaft.

Das Titelfoto mit der Ansicht von querab backbord zeigt schön den typischen Aufbau der DADG-Dampfschiffe (von links nach rechts): die Back mit den Mannschaftsunterkünften, das sog. Versaufloch, das die Position des tieferen Welldecks mit Ladeluke 1 kennzeichnet, den vorderen Mast, die zweite Ladeluke dahinter und dann das Steuerhaus, das vom Maschinenhaus getrennt war. Zwischen beiden liegt Laderaum drei, der auf den langen Fahrten als Reservebunker für zusätzliche Kohlen genutzt wurde. Hinter dem Maschinenhaus lagen die Räume 4 und 5, mit einer Luke vor und der anderen hinter dem zweiten Mast. Schließlich das Heck mit der Handrudereinrichtung und verschiedenen kleineres ‚Stores‘, also Lagerräumen für Betriebsmittel, Post, Pakete oder Nahrungsmittel.

Nach Ausbruch des Ersten Weltkrieges suchte die „Elmshorn“ in Manila Zuflucht. Kapitän Peter Kiel und andere Mannschaftsmitglieder müssten 1917 dann nach Hot Springs in North-Carolina gekommen sein, denn die Philippinen waren zu diesem Zeitpunkt amerikanische Kolonie.
SIEHE dazu den Artikel: Angelpartie in Hot Springs

Elmshorn, Capetown, Table Mountain, about 1912

Der Frachtdampfer „Elmshorn“ im Hafen von Kapstadt vor dem Tafelberg; © R. Schmelzkopf, Deutsch-Australische Dampfschiffs-Gesellschaft, Hamburg 1888 – 1926, Eigenverlag (Strandgut), Cuxhaven 1984, Aufnahme aus der Sammlung A. Kludas

Das Schiff „Elmshorn“ wurde im Januar 1918 als USS „Casco“ wieder in Fahrt gebracht.

Interessanterweise kaufte die DADG das Schiff 1922 zurück, benannte es zunächst aber „Mannheim“ bevor es 1925 den alten Namen „Elmshorn“ zurückerhielt. Vielleicht hatten die Elmshorner bei der Reederei protestiert. Der Grund für die nachträgliche Namensänderung ist meiner Kenntnis nach jedoch nicht dokumentiert.

Weitere Details zu dem Frachtdampfer „Elmshorn“ gibt es bei Wikipedia: https://de.wikipedia.org/wiki/Elmshorn_(Schiff,_1910)

Von Interesse ist auch immer die Frage, warum ein Schiff den Namen einer bestimmten Stadt erhielt. Naheliegend ist, dass die Reederei die Schiffe nach Städten benannte, in denen wichtige Geschäftspartner ansässig waren, die regelmäßig Waren über die Reederei aus- oder einführten.

Bei dem Schiff „Elmshorn“ führt die Spur zur Elmshorner Lederindustrie.

Die Stadt Elmshorn

Elmshorn war der bedeutendste Industriestandort in Südwestholstein. Der größte Industriezweig wiederum war die Lederindustrie.

„1890 existierten 31 Gerbereien. … Der Aufstieg Elmshorns zu einer bedeutenden Lederstadt Norddeutschlands beruhte auf der günstigen Lage zu Hamburg. Der Hamburger Hafen war der größte Häute-Einfuhrhafen Europas. Importiert wurden überwiegend Rinderhäute, die vor allem zu Leder für Schuhsohlen verarbeitet wurden.“
Quelle: www.industriemuseum-elmshorn.de

Eine dieser Gerbereien war die 1873 gegründete Lederfabrik Johann Knecht & Söhne. Mit bis zu 500 Arbeitnehmern entwickelte sie sich zum größten Arbeitgeber Elmshorns. Die Fabrik in den sogenannten Knechtschen Hallen existierte bis zum Jahr 1953.
Quelle: https://www.knechtschehallen-elmshorn.de/knechtsche-hallen/lederfabrik-knecht/

Heute (April 2022) ist das Schicksal der Fabrik ungewiss. Ein Freundeskreis bemüht sich um deren Erhaltung.

Regelmäßige Fracht

Häute waren an Bord der Schiffe der Deutsch-Australischen Dampfschiffs-Gesellschaft eine regelmäßige Fracht.

Man unterscheidet zwischen Häuten von Rindern oder Büffeln (hides) und Häuten kleinerer Tiere, vor allem Schafen oder auch Ziegen (skins).

Der lange Transportweg der Häute war nicht unproblematisch, da die Zersetzung nach dem Töten der Tiere einsetzt und erst durch den Gerbprozess gestoppt wird. Um den Zerfall möglichst lange hinauszuzögern wurden und werden die Häute nass/trocken gesalzen oder getrocknet.

In den australischen Exportlisten liest sich das dann zum Beispiel wie folgt:

FUERTH, G.A., s.
For Antwerp and Hamburg.
Sailed Brisbane July 10, 1914.
Brabant and Co., agents. –
ANTWERP.

Denham Bros (R’p’ton) Ltd., 500 wet salted hides
Mofflin and Co. Ltd., 500 wet 250 dry salted hides
Geo. Wilcox and Co., 1500 wet salted hides
and C. Kreglinger, 500 dry salted hides
HAMBURG.
Denham Bros. (R’p’ton) Ltd., 2988 wet salted hides
W. H. Turner and Co., 345 wet salted hides
and C. Kerglinger, 500 wet hides

Quelle: Daily Commercial News and Shipping List, Sydney, 14. Jul 1914, S. 17, Export Manifests.
Queensland

A/S Hertz' Garveri & Skotojsfabrik, Köbenhavn, Danmark

A/S Hertz‘ Garveri & Skotojsfabrik in Kopenhagen, Bearbeitung der Häute, Quelle: http://www.heilesen.dk/ahertz/ahfabrik.html

Je nach Konservierung wurden die Häute zu Dampfschiffzeiten in Ballen, Bündeln, Tonnen, Fässern oder Säcken transportiert.

Hier im Blog hatte ich über eine Lieferung von Häuten an die Schuhfabrik Hertz in Kopenhagen berichtet. Diese Lieferung war Gegenstand eines umfangreichen Schriftverkehrs, da die Häute durch den Ausbruch des ersten Weltkrieges nie in Kopenhagen angekommen und durch langen Transport und Lagerung schließlich auch unbrauchbar geworden waren.

SIEHE: Die Fracht der „Fürth“: Häute aus Australien für Schuhe aus Dänemark

Andere Lieferungen aus Australien landeten sicher in Elmshorn und wurden dort zu Schuhwerk und anderen Lederartikeln verarbeitet.

Die erste Globalisierung war in vollem Gange. Die Konsumenten dürften sich jedoch keine Gedanken gemacht haben, woher das Material für ihre Schuhe stammte.

Hertz Garveri Skarvhuset Köbenhavn

A/S Hertz‘ Garveri & Skotojsfabrik, Reinigung der Häute, Quelle: http://www.heilesen.dk/ahertz/ahfabrik.html

Anmerkung:

Auch Gerbstoffe für die Lederindustrie wurden von der Deutsch-Australischen Dampfschiffs-Gesellschaft nach Deutschland importiert.

Siehe dazu den Beitrag: Gambir und Eucalyptusrinde

Wool train Sydney 1901

Der Weg der Wolle

Titelbild: Vollbeladener Zug mit Wollballen in Sydney, Postkarte der Deutsch-Australischen Dampfschiffs-Gesellschaft, 1913, ungelaufen, eigene Sammlung

Eindrucksvolle Bilder vom Wolltransport

Der Transport von Wolle von Australien nach Kontinentaleuropa gehörte zum Kerngeschäft der Deutsch-Australischen Dampfschiffs-Gesellschaft (DADG).

So wurden im Geschäftsjahr 1908/1909 allein von dieser Reederei 196.847 Ballen Wolle von australischen Häfen nach Europa transportiert. Als zweite deutsche Reederei hatte der Norddeutsche Lloyd Bremen fast das gleiche Frachtaufkommen. Mit 190.954 Ballen lag die transportierte Menge nur geringfügig darunter.

Damit hatten die beiden deutschen Reedereien über 30 % Marktanteil am Gesamtvolumen des Wolltransports von Australien nach Europa.

Um die Zahl von 196.000 Ballen Wolle besser einordnen zu können: Das Dampfschiff „Fürth“ hatte im November/Dezember 1912 eine Einzelladung von etwa 13.500 Ballen mit etwas Beifracht nach Antwerpen und Hamburg transportiert:
Ein Nilpferd und viel Wolle

Das Hauptaugenmerk der DADG lag immer darauf, während der Wollsaison genügend Raum für diese Heimfahrten nach Europa zu haben, auch wenn dafür Schiffe unter Ballast oder mit wenig Fracht nach Australien geschickt werden mussten.

„Wir sind aber immer darauf bedacht gewesen, reichlich Schiffsraum hinauszulegen, um in der Wollezeit besonderen Anforderungen genügen zu können. So hatten wir schon 1908 außer den in der regelmäßigen Fahrt befindlichen Schiffen folgende Nebendampfer für die Wollezeit zur Verfügung:
im September 1 Dampfer
im Oktober 2 Dampfer
im November 4 Dampfer
im Dezember 1 Dampfer
im Januar 2 Dampfer“
Quelle: Deutsch-Australische Dampfschiffs-Gesellschaft, Hamburg, Otto Harms (1933), Schröder und Jeve, Hamburg.

In dem Ansichtskartenheft der DADG sind dementsprechend gleich mehrere Ansichtskarten dem Wollgeschäft gewidmet.

Die Herden

Die Darstellung des Wollgeschäfts beginnt mit einer geradezu idyllischen Szenerie: Eine sehr überschaubare Schafherde grast in einer offenen Parklandschaft mit saftigen Wiesen am Rande einer kleinen Wasserfläche. Hinter der Herde sehen wir einige berittene Hirten.

sheep NSW

Schafherde in New South Wales, Australien, Postkarte der Deutsch-Australischen Dampfschiffs-Gesellschaft, 1913, ungelaufen, eigene Sammlung

Pferdekutschen

Die zweite Karte aus dem „Wollzyklus“ zeigt drei hoch beladene Gespanne, die von jeweils zehn Pferden gezogen werden. Solche Zehnspänner dürften auch zu Zeiten, als das Pferd noch das Haupttransportmittel war, ein seltener Anblick gewesen sein. Nach Informationen der Karte ging die Fahrt von den Farmen zu den Bahnstationen.

wool transport with carriages

Transport von Wolle von der Farm zum Bahnhof, Postkarte der Deutsch-Australischen Dampfschiffs-Gesellschaft, 1913, ungelaufen, eigene Sammlung

Weniger spektakulär ist dieser „gemütliche“ Woll-Transport in Hahndorf, einem bekannten Ort deutscher Siedler in Südaustralien.

Cartering Wool, Hahndorf, 1901

Mit Wolle beladenes Fuhrwerk in Hahndorf bei Adelaide; Hahndorf ist eine der ältesten deutschen Siedlungen Australiens, Aufnahme 1901, © State Library of Sout Australia, B-18258.

Per Bahn

Von den Eisenbahnstationen auf dem Land erfolgte dann der Transport per Bahn nach Sydney. Hier ein Detail mit posierendem Bahnpersonal aus der Titelabbildung dieses Blogartikels.

wool train sydney 1901

Vollbeladener Zug mit Wollballen in Sydney, Ausschnitt mit posierendem Bahnpersonal, Postkarte der Deutsch-Australischen Dampfschiffs-Gesellschaft, 1913, ungelaufen, eigene Sammlung

Laut der Pyrmont History Group (siehe unten), die das gleiche Foto auf ihrer Internetseite zeigt, datiert das Foto bereits aus dem Jahr 1901.

Muster und Auktionen

In Sydney angekommen, wurden die Ballen zu Verkaufslosen ähnlicher Qualität zusammengefasst. Dann wurden Muster genommen und die Wolle auf ihre Merkmale getestet.

Im Anschluss erfolgte und erfolgt auch noch heute der Verkauf über Auktionen.

wool samples

Musterraum für Wolle, Postkarte der Deutsch-Australischen Dampfschiffs-Gesellschaft, 1913, ungelaufen, eigene Sammlung

Verschiffung

Für die anschließende Verschiffung der Ballen bedeutet der Verkauf auf Auktionen, dass jeder einzelne Ballen identifizierbar sein muss:

„Bei Wolle muß jeder einzelne Ballen nach Marke und Gegenmarke und Nummer ausgesucht werden.“ (Zitat: Otto Harms, Deutsch-Australische Dampfschiffs-Gesellschaft, 1933)

Die folgende Karte zeigt die Verladung von Wolle im Hafen von Sydney.

Sydney verladen der wolle

Verladen der Wolle in Sydney auf einen der typischen „Zweischornsteiner“ der Reederei, Postkarte der Deutsch-Australischen Dampfschiffs-Gesellschaft, 1913, ungelaufen, eigene Sammlung

Aus dieser Karte noch ein Detail:
Ein Ladungskontrolleur („Tallymann“, unten Mitte) beaufsichtigt das Laden der Wolle. Auf dem Welldeck des Schiffes (dort wo die Bordwand niedriger ist) posieren drei Personen. An der Schiffswand ist ein Schild zur Orientierung für die Verlader angebracht (Deutsch-Australische Dampfschiff-Gesellschaft).

Sydney verladen der wolle_detail

Detail aus der Aufnahme von oben

Ausführlicher habe ich den Wollhandel in Australien in diesem Artikel vorgestellt:
Wolle und Wollhandel in Australien um 1910

Lagerhäuser für Wolle

Viele historische Aufnahmen und Informationen über den Wollhandel in Sydney finden Sie auch bei der Pyrmont History Group auf der Seite Wool Stores.

Pyrmont war ein Industrieviertel Sydneys.

Demnach wurden ab den 1880er Jahren bis in die 1930er Jahre auf der Halbinsel Pyrmont zwanzig Lagerhäuser für Wolle mit einer Fläche von über 40 Hektar errichtet, die rund ein Drittel der Halbinsel einnahmen. Erst in den 1970er Jahren verschwanden die alten Lager und die Lagerung der Wolle wurde nach Liverpool in das Hinterland Sydneys verlagert.

Die Wollballen hatten ein Standardformat von etwa 120 cm x 76 cm x 76 cm, davon wurden je vier übereinandergestapelt. Fenster und Glasdächer spendeten Licht, damit die Wolle von den Käufern beurteilt werden konnte (siehe dazu auch die Postkarte „Musterraum für Wolle“ oben).

In den größten Lagerhäusern Pyrmonts konnten bis über 50.000 Wollballen gelagert werden.

Großbrand bei Goldbrough, Mort und Co.

Das in der Wolle enthaltene Wollfett oder Wollwachs (Lanolin) macht Wolle wasser- und schmutzabweisend. Es ist aber auch leicht entzündlich. Zahlreiche Lagerhäuser in Pyrmont fielen deshalb immer wieder Brandkatastrophen zum Opfer.

Ein Großbrand ereignete sich bei Goldbrough, Mort und Co. am 25. September 1935.

Nach Ausbruch des Feuers waren in kurzer Zeit zwanzig Löschzüge und 230 Feuerwehrmänner vor Ort. Das Feuer wurde jedoch durch Winde derartig angefacht, dass das Lagerhaus Nr. 1 nicht gerettet werden konnte und vollständig abbrannte.

Die Hitzeentwicklung war so groß, dass selbst in 100 Metern Entfernung abgestellte Bahnwagons mit Weizen sich entzündeten.

Ein Übergreifen des Brandes auf zwei benachbarte Lagerhäuser konnten die Feuerwehren verhindern.

wolle goldsbrough fire 1935

Umbau der Lagerhäuser

Neben den Lagerhäusern für Wolle war Pyrmont Standort anderer Industrien: Gießereien, Werften, Schlachthöfe und Zuckerraffinerien. Außerdem wurde in einigen Brüchen Sandstein in großer Menge gewonnen.

Ab den 1970er Jahren begann sich das Gesicht Pyrmonts grundlegend zu wandeln und einige der ehemaligen Wolllager wurden zu Apartmenthäusern und Bürokomplexen umgebaut.

Aus dem geschäftigen, aber oft gemiedenen Industriestandort wurde nach und nach eines der beliebtesten Viertel Sydneys, dass heute durch sein pulsierendes Leben bei Einheimischen und Touristen gleichermaßen beliebt ist.

Mehr über die Geschichte Pyrmonts erfahren Sie hier: https://pyrmonthistory.net.au/

Hutholmen Frederikstad, 1913, steamer "Java"

Postkarten der Deutsch-Australischen Dampfschiffs-Gesellschaft

Das Dampfschiff „Java“ in Frederikstad

Titelbild: Frederiksstad, Norwegen, Dampfschiff „Java“, Postkarte der DADG (ungelaufen), Juli 1913, eigene Sammlung.

Ansichtskartenhefte

Letztes Jahr konnte ich ein schönes Los mit Ansichtskarten der Deutsch-Australischen Dampfschiffs-Gesellschaft (DADG) erwerben, die ich nach und nach hier vorstellen möchte.

Zu jeder der Ansichtskarten wird es historische Informationen sowie weiteres Bildmaterial geben, die ich rund um die Abbildung recherchiert habe.

Wie die Perforation am linken Rand verrät, sind die Karten einem Heftchen entnommen. Dieses wurde von der Reederei herausgegeben. Es muss mindestens 24 Karten enthalten haben, vielleicht auch mehr. Heute liegen mir immerhin 23 davon vor.

Anmerkung: Bis heute sind mir nur 24 Motive bekannt, weitere konnte ich auf den verschiedenen Verkaufsplattformen noch nicht entdecken.

Ansichtskarten waren das „Instagram der Kaiserzeit“ und Kartenheftchen waren damals schwer in Mode. Man findet die herausgelösten Karten häufig in Antiquariaten. Zumindest Karten, die von den großen, auch Passagiere befördernden Schifffahrtsgesellschaften publiziert wurden, wie zum Beispiel dem Norddeutschen Lloyd, aber auch von niederländischen oder französischen Linien. Für eine reine Frachtschiffreederei wie die DADG waren die Kartenhefte eher ungewöhnlich.

Der Druck der Karten erfolgte im Offsetdruck, sie haben nicht die Brillanz der damals oft noch im Lichtdruck hergestellten Ansichtskarten. SIEHE: Der Strandhöft im Jahr 1905

Frederikstad, 1920-1940, harbour and industry

Fredrikstad, Industrieanlagen und Hafen, 1920-1940; National Library of Norway, public domain; Quelle: https://commons.wikimedia.org/wiki/File:2386._Fredrikstad_-_no-nb_digifoto_20150916_00095_bldsa_PK06315.jpg

Juli 1913

Datieren lässt ich das Kartenheft recht gut mit zwei Karten. Eine Aufnahme vom Australiakai in Hamburg ist auch im Buch von Otto Harms über die Deutsch-Australische Dampfschiffs-Gesellschaft wiedergegeben und dort mit dem 26. Juli 1913 beschriftet (auf den Kartenrückseiten selbst befinden sich leider keine Angaben außer dem Wort „Postkarte“).
Otto Harms, Deutsch-Australische Dampfschiffs-Gesellschaft, Hamburg, Schröder & Jeve (1933).

Das in der Titelabbildung wiedergegebene Schiff „Java“ wurde ebenfalls im Juli 1913 für die Reederei in Dienst gestellt und bediente auf der Jungfernfahrt die Skandinavien-Linie. Laut Zeitungsmeldungen war das Schiff in der zweiten Julihälfte zum Laden in Fredrikstad. Diese Aufnahme kann also definitiv nicht vorher entstanden sein.

Die DADG feierte im September 1913 ihr 25-jähriges Bestehen. SIEHE: 25 Jahre Deutsch-Australische Dampfschiffs-Gesellschaft

Ich gehe heute davon aus, dass das Kartenheft zu dieser Gelegenheit in Auftrag gegeben wurde.

Frederikstad about 1920 - 1930

Fredrikstad, Stadtansicht zwischen 1920-1930; National Library of Norway; Quelle: https://commons.wikimedia.org/wiki/File:1344._Fredrikstad._-_no-nb_digifoto_20150807_00186_bldsa_PK06344.jpg

Hutholmen

Die Stelle, an der das Foto mit dem Dampschiff „Java“ in Frederikstad aufgenommen wurde, lässt sich genau lokalisieren.

Es ist im Fjord Vesterelva vor der Insel Hutholmen. Das kleine massive Huth Fort mit den drei bogenförmigen Öffnungen ist auf dem Foto links neben dem Schiff gut erkennbar.

Die Stadt selbst ist auf der Aufnahme (Titelbild dieses Blogartikels) nicht zu erkennen, sie liegt im Bilderhintergrund rechts. Zu sehen ist lediglich eine Industrieanlage am linken Flussufer mit einem rauchenden Kamin.

Eventuell handelt es sich um eines der Sägewerke, die sich an beiden Ufern befanden, wie zum Beispiel das Unternehmen Fredrikstad Dampsag og Høvleri.

Fort Hut, Hutholmen, Frederikstad, Norway

Fort Hut(h) auf Huth(h)olmen, Festungsanlage von 1797; Quelle: Fredrikstad Museum, Arne Stangebyes samlinger, https://lokalhistoriewiki.no/wiki/Fil:Huth.jpg

Holzexporte

Frederikstad war der wichtigste Hafen Norwegens für Holzexporte: 1913 gingen von hier 50,5 % des gesamten Exportvolumens ins Ausland.

This is no doubt the most promising sawmill center in Norway, because it is located at the mouth of the most important floating river and right in the center of a manufacturing district …
Quelle: Forest Resources, Lumber Industry and Lumber Export Trade of Norway, US Department of Commerce, Special Agents Series No. 211, A. H. Oxholm, 1922, abgerufen über books.google.de

Für gehobeltes Holz war Australien nach Großbritannien der zweitwichtigste Exportmarkt. Ich finde das auf Grund der weiten Distanz Australiens schon überraschend:

Australia is the second largest market for Norwegian planed lumber and has been a growing market for a number of years. During normal conditions Australia takes 30 to 35 per cent of the export of planed stock from Norway.
(gleiche Quelle)

Holzverarbeitung, Frederikstad, um 1880

Frederikstad, Holzindustrie, Aufnahme von Henrik Sigvard Scheel zwischen 1870-1890; Quelle: https://commons.wikimedia.org/wiki/File:Fredrikstad,_%C3%98stfold_-_Riksantikvaren-T015_01_0194.jpg

Die Schuten zum Beladen der Schiffe, wie sie rechts und links des Dampfschiffes „Java“ zu sehen sind, hatten das Aussehen von kleinen schwimmenden Hütten, da sie mit Dach und Wänden ausgestattet waren, um das Holz vor Niederschlägen zu schützen. Sie wurden bei Bedarf zu den zu beladenden Schiffen geschleppt.

Die Ladegeschwindigkeit für das Holz wird mit 160 – 400 Tausend Fuß in zehn Stunden angegeben. Bei Regenfällen wurde der Ladevorgang allerdings unterbrochen.

The steamers may take on board from 160 to 400 thousand feet in 10 hours, according to the local conditions in each district.
(gleiche Quelle)

Die besondere Form der Schuten zeigt auch eine Aufnahme, die während des Ersten Weltkrieges entstanden sein dürfte, da das zu beladende Schiff einen Tarnanstrich („dazzle camouflage“/„razzle dazzle“) hat.

loading timber at frederikstad, WW1

Laden von Holz in Frederikstad, Quelle: Forest Resources, Lumber Industry and Lumber Export Trade of Norway, US Department of Commerce, Special Agents Series No. 211, A. H. Oxholm, 1922, abgerufen über books.google.de

Frederikstad

Frederikstad (auch Frederiksstad) liegt in Südostnorwegen (Østfold) an der Bahnstrecke von Christiana (Oslo) nach Gothenburg (Göteburg); im Jahr 1900 hatte die kleine Stadt 14.553 Einwohner (Quelle: Encyclopedia Britannica, Ausgabe 1911).

Die Holzindustrie entstand durch die geografische Lage der Stadt an der Mündung des Flusses Glomma, dem mit 600 Km längsten Fluss Norwegens. Über den Fluss konnten die Baumstämme zu den Sägewerken transportiert werden.

Neben der Holzindustrie war Frederikstad auch Zentrum für die Produktion von Ziegelsteinen sowie für den Schiffbau. Der Hafen wurde im Winter durch Eisbrecher eisfrei gehalten.

Das Dampfschiff „Java“

Auf der Jungfernfahrt des Dampfschiffes „Java“, die im Juli 1913 begann, wurde nach Gothenburg und Frederikstad nur noch ein kurzer Zwischenhalt in Emden eingelegt.

Von dort ging es unter Führung von Kapitän T. Bahr in nur 39 Tagen bis nach Melbourne, wo das Schiff am 9. September 1913 eintraf. Auf der Fahrt machte die „Java“ im Durchschnitt 13,3 Knoten; ein erstaunlicher Wert für das Frachtschiff mit einer Ladekapazität von rund 11.900 Tonnen.

Der Journalist von „The Age“, Melbourne lobte es in der Ausgabe am 10. September 1913 überschwänglich:

She is one of the most up to date cargo vessels that has visited the port …

Die “Java” war das erste Schiff, das die DADG vor dem Ersten Weltkrieg beim Bremer Vulkan bauen ließ (Bau-Nr. 565). Das ist etwas überraschend, denn der Bremer Vulkan war vor dem Ersten Weltkrieg die größte deutsche Werft für den zivilen Schiffbau.

Bei Kriegsausbruch war die „Java“ eines der wenigen Schiffe der DADG, die in Deutschland lagen. Sie musste dann 1919 nach Frankreich abgeliefert werden, wo sie für die Regierung in Fahrt war, bevor sie 1920 an die Cie. des Messageries Maritimes in Marseille verkauft und in „Min“ umbenannt wurde.

1942 wurde die „Min“, exJava in Biserta (Bizerte/Tunesien) vom Deutschen Reich beschlagnahmt und an die italienische Regierung verchartert. Unter dem neuen Namen „Conegliano“ sank die exJava am 6. Juni 1943 bei Olbia (Sardinien) nach einem Bombentreffer. Das Schiff wurde 1949 im Maddalena-Archipel versenkt. Dort liegt das Wrack heute noch in etwa 20 Meter Tiefe und ist ein Tauchziel.

Weitere Informationen: https://wrecksite.eu/wreck.aspx?151420

Frederiksstad Tilskuer

Anzeige der Firma Andersen in der Tageszeitung Frederiksstad Tilskuer vom 20. April 1911, Seite 3

Das Dampfschiff „Fürth“ in Frederikstad

Das Dampfschiff „Fürth“ war im April 1911 in Frederikstad und hatte ebenfalls Holz für Australien geladen. Siehe dazu die Blogartikel

Die „Fürth“ in Skandinavien

und

Die Barwon-Papiermühle in Fyansford, Geelong

Andersen & Co. Frederiksstad

Anzeige des Maklers Andersen & Co. in Frederiksstad (Norwegen) für die Abfahrt des Dampfschiffes „Fürth“ im April 1911 nach Australien, Zeitung Kysten, 30. März 1911, Seite 3, Quelle: National Library of Norway