Titelbild: Der Hafen von Batavia (Tandjong Priok), Postkarte der Deutsch-Australischen Dampfschiffs-Gesellschaft aus dem Jahr 1913, ungelaufen, eigene Sammlung
Über die Hauptstadt Niederländisch-Indiens und ihre Exportprodukte
Schiffspassagiere, die zu Beginn des 20. Jahrhunderts nach Batavia reisten, gingen in der Regel im Hafen von Tandjong Priok an Land. Das lassen uns Meyers Reisebücher aus dem Jahr 1912 wissen.
Die meisten Dampfer laufen in den durch zwei lange Molen geschützten Hafen von Tandjong-Priok ein, der etwa 9 km östl. vom alten Hafenkanal vor der Stadt Batavia liegt.
Quelle: Meyers Reisebücher, Weltreise, Erster Teil: Indien, China und Japan, Bibliographisches Institut Leipzig und Wien, 1912; über gutenberg.org
Tandjong Priok (auch Tandjung Priok, Tanjung Priok) hatte Ende des 19. Jahrhunderts den alten, weiter westlich gelegenen Hafen Batavias ersetzt, der die immer größer werdenden Schiffe nicht mehr aufnehmen konnte.
Schiffe mit Gefahrgütern machten weiterhin auf Reede in der großen Bucht von Batavia fest, die durch Inseln und Riffe ebenfalls einen guten Ankerplatz bot. In der untenstehenden Abbildung ist deren Lage gut erkennbar (beschriftet mit Reede von Batavia).

Nach Erledigung der Zollformalitäten ging es für Reisende per Bahn in die Stadt. Von deren Lage gibt uns ebenfalls Meyer einen guten Eindruck:
Batavia, Hauptstadt Niederländisch-Ostindiens und der gleichnamigen Residentschaft Javas, mit (1905) 138500 Einw. (darunter über 8000 Europäer und 28000 Chinesen), liegt nahe dem Westende der Nordküste, unter 6° 7′ südl. Br., an der Südseite einer geräumigen, durch 17 kleine Koralleninseln geschützten Bai und am Flüßchen Tjiliwong, inmitten ausgedehnter Reisfelder und Kokospflanzungen.
Ich staune immer wieder, wenn ich die Einwohnerzahl Batavias (ab 1942 Djakarta, ab 1972 Jakarta) aus dem Jahr 1905 sehe: 138.500 Einwohner. Seitdem ist die Zahl exponentiell gewachsen und überstieg erstmals Ende der 1940er Jahre die Millionengrenze. Heute beherbergt das Stadtgebiet 10 Millionen Menschen. Im Ballungsraum oder schöner ausgedrückt, in der Metropolregion leben über 30 Millionen Einwohner.
Bleiben wir jedoch in den ersten Jahren des 20. Jahrhunderts und bei der schönen Beschreibung Batavias in Meyers Reisebüchern:
Die Unter- oder Altstadt (Benedenstad, AB2) enthält das große Stadthaus, eine Kirche, die Javasche Bank, die Zollgebäude, ein für Chinesen und ein für Eingeborne bestimmtes Hospital sowie ein Gefängnis für letztere, die Magazine der Regierung und der Niederländischen Handelsgesellschaften, die Kontore und Speicher der großen Handelshäuser und der Schiffsagenturen, ist aber nur noch von Malaien, Javanen, Arabern und Mauren, Mischlingen und Chinesen (im chinesischen Kampong) bewohnt, während die Europäer ihre ehemaligen Wohnhäuser in der Unterstadt nur während der Geschäftsstunden aufsuchen, sonst aber in dem neuen Stadtteil Weltevreden (= Wohlzufrieden; C4/5) wohnen, wohin der fast 4 km lange, gleichfalls europäische Stadtteil Molenvliet (AB3) über die Stadtteile Noordwijk und Rijswijk (B4) hinüberführt. Die luftigen großen Häuser, mit Veranden, liegen getrennt zwischen Zierbäumen.
Anmerkung: Die Buchstaben-/Zahlenkombinationen (AB2 usw.) im Text beziehen sich auf die Lage im unten abgebildeten Stadtplan.

„Unerschöpfliche Giftquelle“
Batavia war bei den Europäern berüchtigt: tropische Hitze, heftige Monsunregen, unhygienische Verhältnisse sowie ausgedehnte Sümpfe und Moraste lieferten einen idealen Cocktail für eine Vielzahl an Krankheiten.
Selberg (1846) bezeichnet in seinen Reisebeschreibungen Javas das Klima Batavias als „unerschöpfliche Giftquelle“.
Dr. E. Selberg, Reise nach Java und Ausflüge nach den Inseln Madura und St. Helena, Oldenburg 1846, Verlag Stalling; über deutsche-digitale-bibliothek.org
Die niederländischen Kolonialherren errichteten deshalb im 19. Jahrhundert den zehn Kilometer südöstlich der Altstadt Batavias gelegenen Stadtteil Weltevreden (heute Sawah Besar), der über ein angenehmeres und gesünderes Klima verfügt. Erste Herrenhäuser existierten hier bereits im 18. Jahrhundert. Heute befinden sich im ehemaligen Stadtteil Weltevreden die meisten historischen Gebäude Jakartas.

Exportartikel Batavias
Meyers Reisebücher liefern uns nicht nur wertvolle touristische Ratschläge für die Ankunft in Batavia wie „Gepäck-Kulis erhalten 10 cents für jedes Stück“, sondern geben auch jede Menge Hintergrundinformationen.
Als Dampfschiffsblog über den Frachtdampfer „Fürth“ interessieren wir uns natürlich für die Wirtschaft der Stadt und hier speziell für ihre Exportgüter, die nach Europa verschifft wurden. Dazu machen Meyers Reisebücher folgende Angaben:
Ausfuhrartikel sind Kaffee, Zucker, Tabak, Gewürze, Pfeffer von Sumatra, Zinn aus Bangka und Billiton, Damaraharz, Indigo, Reis, Rotang, Gambir, Kopra, Bambushüte, Häute, Tee, Arrak, Palm- und Kajeputöl, Teakholz, Büffelhörner und Büffelhäute, Chinarinde, Kampfer, Kassia, Sandel- und Sapanholz, Tamarinden, während die Einfuhr in europäischen Manufakturen, Eisen, Luxusartikeln, Wein, Butter, Konserven besteht. Die Hälfte des Umsatzes fällt auf das Mutterland. Der Schiffsverkehr ist lebhaft.—
Quelle: Meyers Reisebücher, Weltreise, Erster Teil: Indien, China und Japan, Bibliographisches Institut Leipzig und Wien, 1912; über gutenberg.org
Anmerkung: Mit Mutterland sind die Niederlande gemeint.
Zu einigen der zahlreichen Exportgüter gebe ich nachgehend einige Erläuterungen oder verweise auf Blogartikel, in denen ich die Waren bereits ausführlicher beschrieben habe.

Zinn aus Bangka und Billiton
Bangka und Billiton sind zwei kleine Inseln östlich von Sumatra etwa 350 Kilometer nördlich von Batavia. Die NV Billiton Maatschappij hatte hier 1860 die Schürfrechte für Erze erworben. Das Unternehmen beschäftigte vor dem Ersten Weltkrieg rund 7500 vorwiegend chinesische Arbeiter in 80 Minen, die die Zinnsande auf den Inseln ausbeuteten.
2023 ist Indonesien der weltgrößte Exporteur von Zinn. Aus der NV Billiton Maatschappij wurde inzwischen die BHP Group, einer der größten Bergbaukonzerne der Welt.
Unser ungestillter Hunger nach Zinn, das zum Beispiel auch in Smartphones oder Computern enthalten ist, hat zur weitgehenden Zerstörung der Umwelt auf beiden Inseln geführt. Nachdem die Vorräte an Land weitgehend erschöpft sind, setzt sich nun der Raubbau im vorgelagerten Meer unvermindert fort. Der durch die eingesetzten Saugbagger aufgewirbelte Sand zerstört Riffe und Fischbestände.
Damaraharz
Das auch als Dammar bezeichnete Harz wurde zur Herstellung von Lacken und als Firnis in der Malerei verwendet. Zusammen mit dem ähnlichen Kopal hatte ich es hier vorgestellt:
Kopal und Dammar
Indigo
Natürlicher Indigo war ein heißbegehrter Farbstoff zum Blaufärben von Textilien, der aus den Blättern der Indigopflanze oder dem in Europa vorkommenden Färberwaid gewonnen wird.
Der deutsche Chemiker Adolf von Baeyer schaffte ab 1878 die Grundlage für seine synthetische Herstellung. Darauf brach der Import natürlichen Indigos um die Wende des 19./20. Jahrhunderts dramatisch ein.

Rotang
Rotang ist Ihnen vielleicht besser bekannt unter dem Namen Rattan oder Peddigrohr. Es wird für Korbwaren oder in der Möbelindustrie verwendet. Als Wiener Geflecht dient es zum Beispiel als Bespannung für die bekannten Kaffeehausstühle der Marke Thonet.
Gambir
Gambir ist ein pflanzlicher Farb- und Gerbstoff:
Der Gambir ist ein Farb- und Gerbstoff, der – ähnlich dem Katechu – aus den Blättern des kletternden Strauches Nauclea Gambir in Hinterindien gewonnen wird. Beide, Catechu und Gambir, liefern eine schöne braune Farbe meist für Baumwolle und Catechu auch eine schwarze Farbe für Seide. http://www.chemie.de/lexikon/Gambir.html
Mehr dazu hier: https://frachtdampferfuerth.com/2018/11/24/gambir-eucalyptusrinde/
Kopra
Das getrocknete Fruchtfleisch der Kokosnuss war eines der am häufigsten anzutreffenden Transportgüter auf dem Frachtschiff „Fürth“ und anderer Dampfer der Deutsch-Australischen Dampfschiffs-Gesellschaft (DADG). Daraus wurden Seifen, Margarine oder Palmfett (Palmin).
Kopra

Arrak
ist eine aus Palmensaft gewonnene Spirituose, die am ehesten mit Rum vergleichbar, aber heute nur noch sehr selten im Handel zu finden ist.
Aber wer weiß, vielleicht kommt sie ja eines Tages aus der Versenkung zurück – auch für Gin hatte sich schließlich jahrelang niemand mehr richtig interessiert.
Cajeputöl
Kajeputöl (heute meist Cajeputöl) ist ein ätherisches Öl, das Erkältungskrankheiten lindert. Es ist zum Beispiel wesentlicher Bestandteil in der international bekannten Marke Tiger Balm. Zu Risiken und Nebenwirkungen fragen Sie Ihren Arzt oder Apotheker.
Chinarinde
Die Rinde des Chinarindenbaums diente zur Herstellung von Chinin, das wegen seines Einsatzes gegen die Malaria berühmt wurde. Einige der eigentlich aus Südamerika stammenden Bäume wurden vom deutschen Botaniker Justus Karl Haßkarl (1811-1894) im Auftrag der niederländischen Regierung aus Peru entwendet und dann in Niederländisch-Indien eingepflanzt.
Kampfer
Die älteren unter Ihnen kennen vielleicht noch den stechenden Geruch von Kampfer, der in Mottenkugeln zum Einsatz kam. Ausgangsprodukt ist der tropische Kampferbaum.
Seit 1887 wurde in Eilenburg bei Leipzig in der Deutschen Celluloid-Fabrik aus Cellulosenitrat und Kampfer Zelluloid hergestellt. Die Jahresproduktion soll vor dem Ersten Weltkrieg zirka 12.700 Tonnen betragen haben.
Kassia
Bleiben wir bei den Bäumen. Kassien sind einerseits eine artenreiche tropische Pflanzengattung, andererseits wird der Name Kassia auch für die Zimtkassie verwendet. Als Exportgut dürfte es sich in unserem Beispiel um letztere handeln.
Die Zimtkassie oder Chinesischer Zimtbaum kommt als Zimtrinde in den Handel, wobei sie nicht an die Qualität der Rinde des Ceylon-Zimtbaumes oder Echten Zimtbaumes heranreicht.
Sandel- und Sapanholz
Mit Sandelholz kommen Sie in Räucherstäbchen, aromatischen Ölen oder Parfüms in Berührung. Dem erdig-holzig-süßlich riechenden Holz werden viele positive Wirkungen auf Körper und Geist attestiert.
Der deutsche Kolonialschriftsteller Stefan von Kotze (1869-1909) verwendete es für ein Lagerfeuer, das er in seinen Südseeerinnerungen beschriebt:
„Die schweren, süßen Rauchwolken des Sandelholzes umwogten uns wie der Weihrauch in einer Kathedrale und betäubten unsere Sinne.“
Quelle: Abdruck als Fortsetzungsroman in Neue Hamburger Zeitung, Zitat in der Ausgabe vom 28. September 1905; europeana.eu
Sap(p)anholz dient als Färbe- und Heilpflanze. Auf die Ähnlichkeit mit Sandelholz weist die englische Bezeichnung false sandalwood hin.
Tamarinden
In den Küchen tropischer Länder wird Tamarinde häufig verwendet. In Europa ist der Einsatz weitaus seltener: So wird die Fruchtpaste aus Tamarindenfrüchten zum Beispiel in Worcestersauce und anderen Soßen verwendet.
Das Pulver aus Tamarindenkernen kommt außerdem in der Papierindustrie als Zusatzstoff zum Einsatz. Es ist ebenfalls Bestandteil natürlicher Abführmittel.

Maintz und Co.
Der für den Export dieser Güter verantwortliche Schiffsmakler der DADG in Batavia war die Firma Maintz & Co.
Ursprünglich war Maintz & Co. ein privates Energieunternehmen, welches ab 1897 einen Teil des Elektrizitätsnetzes in Niederländisch-Indien aufbaute, bevor es auch im Handel aktiv wurde.
Laut oben gezeigter Anzeige unterhielt Maintz & Co. weitere Büros in Soerabaja und Semarang . In diesen beiden Städten arbeitete Maintz & Co. ebenfalls für die DADG. In den kleineren Häfen Niederländisch-Indiens kooperierte die DADG mit anderen Partnern.
Der im Jahr 1920 von den Architekten Ghijsels und Hes für Maintz & Co. in Batavia neu erbaute Firmensitz steht noch heute.

































































