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Diyatalawa camp. Ceylon

Gefangenschaft auf Ceylon – Mannschaftsmitglieder der „Fürth“ berichten

Das Lager Ragama bei Colombo

Strenge Vorschriften

Am 18. August 1914 wurde die Mannschaft der „Fürth“ bis auf einige wenige Besatzungsmitglieder von bewaffneten Truppen vom Schiff, das im Hafen von Colombo lag, geholt und ins das Lager Ragama gebracht. Siehe: Die „Fürth“ in Colombo: 11. bis 18. August 1914

ceylon, Ragama Camp and Diyatalawa Camp (yellow dot)

Karte von Ceylon, heute Sri Lanka, Südteil, etwa 1914. Ragama (auf der Karte gelb eingekreist) liegt an der Westküste in der Nähe von Colombo. Der gelbe Punkt ist der Ort des größten Lagers auf Ceylon: Diyatalawa. Baedeker, Karl: Indien. Handbuch für Reisende. Verlag Karl Baedeker, Leipzig, 1914, p. 6 f. Quelle: commons.wikimedia.org/wiki/File:Ceylon_(ca_1914).jpg

Zunächst lassen wir Kapitän W. Richter zu Wort kommen, der das Gefangenenlager Ragama in seinem Bericht kurz beschreibt (Hamburger Nachrichten, 16. Dezember 1914, S. 3):

„Ragama ist ein auf einem hohen Hügel liegender Truppenübungsplatz, umgeben von Reisfeldern. Es herrscht daher dort feuchte und ungesunde Luft, so daß unter den dort festgehaltenen Leuten einige Fälle von Malaria vorkamen. Ragama ist bekannt aus dem Burenkriege, weil die gefangenen Deutschen, die zusammen mit den Buren gekämpft hatten, dort gefangen gehalten wurden. Die Behandlung der Gefangenen durch die englische Regierung war nicht schlecht. Sie wurden von eingeborenen Truppen bewacht. Das Essen, das meine Leute erhielten, war gut, da es mir, der ich als Nichtmilitärpflichtiger an Bord der Fürth zurückgeblieben war, auf mein Ersuchen gestattet worden war, ihnen Proviant vom Schiffe zukommen zu lassen. Meine Leute hatten daher genug zu essen. Sonst war das gelieferte Essen sehr knapp und mäßig.“

Diyatalawa camp. Ceylon

Diyatalawa camp. Ceylon. Blick nach Süden. Quelle: The National Archives UK, Ref.: CO 1069-588-1.

Eine andere Einschätzung

Die Beschreibung des Lagers klingt dann von den direkt betroffenen Mannschaftsmitgliedern ganz anderes, vor allem was die Versorgungslage betrifft. Die Zitate stammen aus dem Bericht eines Assistenten und des dritten Maschinisten der „Fürth“ (Hamburgischer Correspondent und neue hamburgische Börsen-Halle, 31. Oktober 1914, S. 3).

„Im Lager von Ragama wurden wir in Hütten untergebracht, die zum Teil noch aus der Zeit des Burenkrieges herrührten, und in Gruppen eingeteilt, die sich einen Vorstand zu wählen hatten. Wir wurden mit Eß-, Koch- und Waschgeschirr ausgerüstet und erhielten als Proviant rohes Fleisch, Zwiebeln, Kartoffeln, etwas Reis, eine Dose Milch pro Tag und Tisch, Brot, Tee und ein wenig schlechten Zucker. Als Kochstätte improvisierten wir einen Herd im Erdboden aus Ziegeln, und als Heizmaterial lieferte man uns Holz in großen Blöcken. Die Rationen waren sehr klein, und wenn uns der Kapitän der „Fürth“ nicht anfangs mit Lebensmitteln versorgt hätte, wären wir halb verhungert. Qualvoll war auch das ewige Einerlei der Speisekarte. Täglich bekamen wir genau das Gleiche. Eine Abwechslung im Fleisch trat erst in den letzten Tagen ein, als man uns auf unter Bitten Lammfleisch verabreichte. Außer der Mittagsmahlzeit genossen wir nur Tee und trockenes Brot. Von der Kantine, die auf unsere Beschwerden eingerichtet wurde, konnten wir keinen Gebrauch machen, da die Preise lächerlich hoch waren. Als Lagerstätte war jedem von uns ein Feldbett zugewiesen worden, mit einem Kissen, einer Seegrasmatratze und einer Decke.“

Ragama Camp, Ceylon

Postkarte an einen Gefangenen, kurz POW oder „Prisoner of War“ im Lager Ragama, Burenkrieg, 1902, Quelle: commons.wikimedia.org

Weiter berichten die beiden Besatzungsmitglieder der „Fürth“ von ihrem eintönigen Aufenthalt im Gefangenenlager Ragama:

„Die Vorschriften, nach denen wir uns zu richten hatten, waren außerordentlich streng, aber über die Behandlung durch die schwarzen Aufseher haben wir uns nicht zu beklagen und Bestrafungen kamen in unseren Abteilungen nicht vor. Mit den schwarzen Polizeisoldaten standen wir auf gutem Fuß. Sie zeigten sich eher deutsch- als engländerfreundlich und erleichterten uns unsere Lage nach Möglichkeit. Das ging sogar manchmal so weit, daß sie von ihren Vorgesetzten bestraft wurden. Auch wir versuchten alles, um über die Trübsal unserer Lage hinwegzusetzen, indem wir Spiele arrangierten. Mit Genauigkeit wurde die Ordnung des Tages eingehalten, die mit Weckruf, Aufruf, Proviantverteilung, Kochen der Mahlzeiten, wieder Aufruf wechselte. Um 6 ½ Uhr mußte alles in den Hütten sein und um 10 Uhr wurde das Licht gelöscht. Unter unseren Leidensgefährten, die es um nichts besser hatten als wir, befanden sich auch ein Sohn des Generalobersten v. Kessel, ein Freiherr v. Massenbach und ein Freiherr v. Vetter. Sie waren als Pflanzerangestellte drüben tätig gewesen und waren auf der Reise in die Heimat von den Engländern abgefaßt worden. Auch ein österreichischer Ober-Stabsingenieur, der aus der Heimat kommend seine Dienststelle auf dem Kreuzer Kaiserin Elisabeth“ hatte antreten wollen, war unter ihnen. Uns wurde als Warnung für unser Verhalten erzählt, der englische Kommandant des Gefangenenlagers habe gedroht, wenn die Engländer in Deutschland noch weiter so schlecht behandelt würden, wie es ihm zu Ohren gekommen sei, so werde er mal zehn Mann von uns auslosen! Was daß heißen sollte, war uns klar.

Von den wahren Kriegsereignissen erfuhren wir nichts; nur schlimme Botschaften wurden uns vorgelogen, auch Briefe gelangten nicht in unsere Hände.“

Die Bezeichnung „drüben“ in dem Bericht dürfte sich auf Niederländisch-Indien, das heutige Indonesien, beziehen.

Diyatalawa Camp Ceylon

Diyatalawa Camp auf Ceylon, Zeitungsartikel mit Verwendung des Fotos von A. W. Andree (s.o.) Quelle: www.angloboerwar.com/other-information/89-prisoner-of-war-camps/1839-camp-for-boers-ceylon-sri-lanka

Ende der Gefangenschaft

Die Leidenszeit der beiden Besatzungsmitglieder der „Fürth“ war dann nach sechs Wochen beendet:

„Erst nach sechs trostlosen Wochen der Ungewißheit über unsere Zukunft und über das Schicksal des Vaterlandes, unter drückenden Beschränkungen der Lebensweise bei mangelhafter Beköstigung und umgeben von ungesundem Klima erlöste uns der Nachweis unserer Militäruntauglichkeit aus unseren Nöten.

Auf Bemühen des amerikanischen Konsuls, an den wir uns gewandt hatten, wurde uns von der englischen Regierung endlich die Rückreise in die Heimat gestattet.“

Die beiden Mannschaftsmitglieder der „Fürth“ mussten bis zum 1. Oktober 1914 in dem Gefangenenlager Ragama verbringen.

Über die Fahrt der beiden Augenzeugen nach Europa berichte ich demnächst hier im Blog.

Colombo Ceylon 1907

Die „Fürth“ in Colombo: 11. bis 18. August 1914

Getrennte Wege

Zuletzt habe ich über die Kaperung der „Fürth“ am 10. August 1914 berichtet und die anschließende Verbringung des Frachtdampfers nach Colombo, wo das Schiff am 11. August 1914 eingetroffen ist: Die Kaperung der „Fürth“

Mit dem Eintreffen in Colombo wird die Nachverfolgung der Geschichte des Dampfschiffes „Fürth“ komplizierter. Die bislang gültige Einheit aus Schiff und Mannschaft, die zumindest für eine Fahrt lang Bestand hatte, wird durch den Kriegsausbruch zerrissen. Auch die Ladung nimmt nicht ihren vorgesehenen Weg vom Verschiffungshafen zum vertraglich vereinbarten Bestimmungshafen.

Colombo Harbour 1915

Colombo Harbour 1915, Quelle: State Library Victoria, Referenz: Image H83.103/163

Im Einzelnen:

Das Dampfschiff „Fürth“

Die „Fürth“ wird noch im Hafen von Colombo für (Kriegs-)Transportzwecke umgebaut und später von einem britischen Kapitän nach England überführt werden.

Die Ladung der „Fürth“

Von der ursprünglichen Ladung verbleibt dabei nur eine Teilladung Erze auf der „Fürth“, der Rest wird in Colombo gelöscht.

Die Mannschaft der „Fürth“

Die Mannschaft der „Fürth“ wird getrennt. Nur ein kleiner Teil verbleibt auf dem Schiff und der weitaus größere Teil wird in einem Lager auf Ceylon interniert. Der Rückweg der Seeleute nach Deutschland wird durch die Wirren des Krieges ebenfalls ganz unterschiedlich verlaufen.

Der Blog wird Schiff, Ladung und Mannschaft nachverfolgen, zunächst mit dem Fokus auf das Schicksal der Mannschaftsmitglieder.

„Hamburger Woche“ in Sydney

Die letzte derzeit verfügbare Information über die Mannschaft der „Fürth“ stammt aus der Liste der Hafenpolizei beim Eintreffen in Sydney: Drei Mannschaftslisten der „Fürth“ aus dem Jahr 1914

In der Zeit von Freitag, 10. bis Montag, 20. Juli 1914 herrschte jedoch reger Betrieb von Schiffen der Deutsch-Australischen Dampfschiffs-Gesellschaft in Sydney. Nicht weniger als sieben Schiffe der Reederei kamen in dieser Zeit in Sydney an: die „Essen“ und die „Ulm“ am 10. Juli 1914, die „Fürth“ und die „Osnabrück“ am 13. Juli 1914, die „Oberhausen“ am 17. Juli 1914, die „Sydney“ am 19. Juli 1914 und schließlich die „Cannstatt“ am 20. Juli 1914 (Quelle: http://marinersandships.com.au/).

Während die Offiziere und Ingenieure (Maschinisten) dem Schiff in der Regel für eine Fahrt die Treue hielten, war das für die übrigen Besatzungsmitglieder nicht immer der Fall. Wir hatten den Fall für den Maschinisten-Assistenten W. Heidepriem, der die „Fürth“ in Sydney mit größter Wahrscheinlichkeit verlassen hatte, um auf der „Oberhausen“ anzuheuern: Die Kaperung der „Fürth“

Andere Wechsel von Mannschaftsmitgliedern auf andere Schiffe und umgekehrt sind daher nicht auszuschließen. Außerdem lief die „Fürth“ nach Sydney noch Melbourne, Adelaide und Fremantle an (vergleiche Die letzte Australienfahrt der „Fürth“), wo es Veränderungen in der Zusammensetzung der Besatzung gegeben haben könnte, unter anderem durch Desertion.

Wer letztendlich auf der Fahrt von Fremantle von Colombo wirklich noch an Bord war, ist derzeit zumindest mit einem Fragezeichen zu versehen, außer der Name liegt vor.

Zurück nach Colombo

Das folgende Zitat ist aus dem Bericht des Kapitäns W. Richter („In französischer Gefangenschaft“, 16. Dezember 1914, Hamburger Nachrichten, S. 3)

Colombo harbour 1915

Hafen von Colombo, 1915. Quelle: State Library Victoria, Referenz: H83.103/171

Eintreffen im Hafen

„Am 11. August traf ich im Hafen von Colombo ein, wo mein Schiff vertäut wurde. Die Schieber und Reserveschieber wurden aus der Maschine genommen und dadurch diese unbrauchbar gemacht. Ich bekam dann Polizeimannschaften zur Bewachung an Bord. Meine Mannschaft blieb jedoch bis zum 18. August auf dem Schiffe, wurde dann aber durch bewaffnete Polizeimannschaften von Bord geholt und in das etwa 14 Kilometer von Colombo liegende Gefangenenlager Ragama übergeführt. Nur die nicht mehr militärpflichtigen Leute und die fremder Nationalität blieben an Bord.“

Zu den Personen fremder Nationalität: Laut Mannschaftsliste in Sydney (siehe oben) vom 13. Juli 1914 waren ein US-Amerikaner und zwei Schweden als Heizer und Trimmer an Bord der „Fürth“.

Es folgt der Bericht des dritten Maschinisten und eines Assistenten. Darin muss wiederum das Datum um einen Tag auf den 18. August 1914 geändert werden, da sie bereits zuvor das Datum um einen Tag falsch angegeben hatten (Quelle: Hamburgischer Correspondent und neue hamburgische Börsen-Halle, 31. Oktober 1914, S. 3).

„Am 17. August wurden die deutschen Mannschaften von sämtlichen Schiffen nach Ragama auf Ceylon gebracht, wo wir sechs Wochen unter wenig beneidenswerten Umständen bleiben mußten. Von der „Fürth“ blieben nur der Kapitän, der erste Maschinist, der dritte Offizier, ein Maschinenassistent und der Koch an Bord. Wir wurden vollständig als Gefangene behandelt, trotzdem wir doch Angehörige der Handelsmarine waren und wir beide ebenso wie Leute von anderen Schiffen nachweisen konnten, daß wir nicht militärpflichtig sind.“

Im Abgleich mit der oben zitierten Mannschaftsliste aus Sydney wären die auf dem Schiff verbliebenen Mannschaftsmitglieder: Kapitän W. Richter, der Chefingenieur (erster Maschinist) W. Collier, der dritte Offizier H. Wodarz, ein Maschinenassistent (J. Ernst oder ein namentlich nicht bekannter Assistent) und der Koch H. Albrecht.

Die Namensangaben sind alle unter Vorbehalt zu sehen (siehe oben). Ganz sicher an Bord war Kapitän W. Richter, von dem der andere Augenzeugenbericht stammt und auch der dritte Offizier H. Wodarz. Dessen Name wird später auf einer Passagierliste zusammen mit Kapitän Richter stehen.

Abweichung

Der zitierte Bericht des Assistenten und des dritten Maschinisten hat eine Abweichung zum Bericht des Kapitäns, der ausgesagt hatte, dass auch die Mannschaftsmitglieder fremder Nationalität an Bord geblieben waren.

Mehrere Schiffe gekapert

In der Zeit ab dem 11. August 1914, welche die „Fürth“ zwangsweise im Hafen von Colombo verbrachte, teilte sie ihr Schicksal mit anderen deutschen Dampfern und einem österreichisch-ungarischen Schiff, die ebenfalls gekapert wurden und im Hafen von Colombo lagen.

bay of Colombo, Ceylon 1915

Bucht von Colombo, 1915, Quelle: State Library Victoria, Image H83.103/172

Über alle gekaperten Schiffe gibt ein Dokument aus dem Britischen Nationalarchiv Auskunft:

Folio 214: telegram from Colombo to Admiralty 20th August 1914 – list of German ships captured on East Indies station: Trifels, Steinturm, Reichenfels, Rappenfels, Furth, Australia, Moltkefels, Josef Agost Foherezeg.
http://discovery.nationalarchives.gov.uk/details/r/C12813014

Die Schiffe „Trifels“, „Steinturm“, „Reichenfels“, „Rappenfels“ und „Moltkefels“ waren Dampfschiffe der Deutschen Dampfschifffahrts-Gesellschaft „HANSA“, Bremen.

Wer sich für die Reederei DDG HANSA interessiert, dem sei die Internetseite http://www.ddghansa-shipsphotos.de/ wärmstens empfohlen.

Das Schiff „JÓZSEF AGOST FÖHERCZEG“ war ein in Nordengland erbautes Frachtschiff der Hungarian-Levant Steamship Co Ltd in Fiume (http://www.tynebuiltships.co.uk/J-Ships/jozseffoherczeg1904.html).

Fiume, das heutige Rijeka, war vor dem Ersten Weltkrieg eine bedeutende Hafenstadt des Königreiches Ungarn. Die Reederei Hungarian-Levant Steamship Co Ltd unterhielt eine Verbindung von der nördlichen Adria nach Australien und Neuseeland.

Ausführliche Informationen zur Bedeutung der Stadt Fiume für das Königreich Ungarn finden Sie hier:
https://deutsche-schutzgebiete.de/wordpress/projekte/oesterreich-ungarn/ungarn/fiume/

Demnächst im Blog: Die Mannschaft der „Fürth“ im Gefangenenlager Ragama auf Ceylon.

Bildnachweis des Titelbildes:

Queen Street, showing light house, Colombo, 1907, New York Public Library’s Digital Library, digital ID e75f4360-c5d2-012f-ef16-58d385a7bc34

HMS Espiegle

Die Kaperung der „Fürth“

10. August 1914,
100 Seemeilen südlich von Ceylon im Indischen Ozean

Zwei Augenzeugenberichte

Von der Kaperung der „Fürth“ und den folgenden Geschehnissen gibt es zwei Augenzeugenberichte, die beide in deutschen Tageszeitungen erschienen sind. Sie enthalten einander ergänzende oder auch widersprüchliche Informationen und ich werde sie in der Folge auszugsweise und kommentiert wiedergeben. Dazu kommen noch andere Dokumente und Fotos, die die Geschehnisse komplettieren und besser veranschaulichen.

Ernst oder Heidepriem?

Der Bericht „Erlebnisse in Colombo“ erschien am 31. Oktober 1914 in der Zeitung Hamburgischer Correspondent und neue hamburgische Börsen-Halle auf Seite 3. Die Augenzeugen sind im Artikel nicht namentlich genannt. Es ist nur vom 3. Maschinisten der „Fürth“ und einem Assistenten die Rede. Hier müssen wir auf andere Quellen zurückgreifen: Der 3. Maschinist der „Fürth“ war laut Mannschaftsliste in Sydney vom 14. Juli 1914 A. Herrde, 34 Jahre alt (Drei Mannschaftslisten der „Fürth“ aus dem Jahr 1914).

Mit dem Assistenten verhält es sich etwas schwieriger. Als Assistenten wurden eigentlich immer nur die Maschinisten-Assistenten bezeichnet. Von diesen Maschinisten-Assistenten gab es deren zwei auf der „Fürth“, es könnte sich daher also entweder um J. Ernst, Alter 24 oder um den jungen W. Heidepriem, 18 Jahre, handeln.

Allerdings taucht der Name Heidepriem später in Tasmanien als Gefangener in der Quarantänestation Bruny Island als Besatzungsmitglied der „Oberhausen“ auf, einem anderen Schiff der Deutsch-Australischen Dampfschiffs-Gesellschaft:

„Heidepriem, William Henrich, geb. 1896. Maschinist. Am 05. November 1914 unter Auflagen entlassen und am 01. März 1915 wieder interniert. Repatriiert am 09. Juli 1919 auf der Tras os Montes.“
https://geschimagazin.wordpress.com/2014/07/14/die-mannschaft-der-ss-oberhausen-im-ersten-weltkrieg/

Es liegt also nahe, dass Heidepriem in Sydney das Schiff gewechselt hat. Eingehend in Sydney am 17. Juli 1914 war er noch nicht Besatzungsmitglied der „Oberhausen“ (http://marinersandships.com.au/), jedoch am 14. Juli 1914 auf der „Fürth“. Ein Initiale des Vornamens (W.) und das Alter (18) stimmen überein und Heidepriem ist kein häufiger Nachname. Es sollte sich also um dieselbe Person handeln.

Der zweite Augenzeuge in diesem Bericht ist also mit deutlich größerer Wahrscheinlichkeit J. Ernst.

Kapitän W. Richter

Der zweite Augenzeugenbericht ist von Kapitän W. Richter selbst, erschienen unter dem Titel „In französischer Gefangenschaft“ am 16. Dezember 1914 in den Hamburger Nachrichten auf Seite 3.

Beide Artikel sind abrufbar unter www.theeuropeanlibrary.com.

Die „HMS Espiegle“

Der Assistent und der dritte Maschinist berichten:

„Wir waren am 30. Juli von Fremantle nach Colombo abgefahren und befanden uns am 9. August etwa 100 Seemeilen südlich Colombo, als wir von einem englischen Kriegsschiff, der etwa 30 Jahre alten, 1500 Tonnen großen Panzerdeckskorvette „Espigle“ gekapert wurden.“

Statt 9. August muss es richtig heißen 10. August, das geht aus der Schilderung des Kapitäns und auch aus anderen Dokumenten eindeutig hervor. Der Name des englischen Schiffes lautet richtig geschrieben „HMS Espiegle“.

Und weiter heißt es im gleichen Dokument:

„Nachdem ein Offizier und 30 Mann zu uns an Bord gekommen waren, wurden wir am anderen Morgen, gefolgt vom „Espigle“ in den Hafen von Colombo eingebracht, wo bereits 4 Dampfer der Hansa-Linie lagen. Der „Espigle“ und der Kreuzer „Fox“, den wir bereits am Tage vorher auf See gesichtet hatten, verließen bald wieder den Hafen, nachdem sie sich mit Kohlen und Wasser versehen hatten. Die englischen Marinesoldaten auf unserem Schiff waren durch indisches Militär und dieses nach einer Weile durch schwarze Polizeitruppen abgelöst worden. Uns wurde jede Verbindung mit dem Lande untersagt. Am nächsten Tage wurden wichtige Maschinenteile auf der „Fürth“ entfernt. Jeden Morgen und Abend wurden wir gezählt. Am 12. August gesellten sich der ebenfalls gekaperte Dampfer „Australia“ und der Hansadampfer „Rappenfels“ zu uns.“

Die „Australia“ habe ich hier im Blog ausführlich vorgestellt (Bordkonzert in Port Pirie). Sie wurde ebenfalls am 10. August 1914 gekapert und von der „HMS Fox“ nach Colombo gebracht (siehe unten). Zu den „wichtigen Maschinenteilen“ gibt es im folgenden Auszug mehr Informationen. Nachdem sich die Augenzeugen bereits bei den vorangegangenen Daten um einen Tag vertan hatten, ist die Ankunft der „Australia“ und der „Rappenfels“ auf den 11. August 1914 zu datieren.

HMS Espiegle

HMS Espiegle, eine für die Royal Navy von 1900-1903 gebaute Sloop; Quelle: commons.wikimedia.org/wiki/File:HMS_Espiegle_(1900).jpg

Der Kapitän berichtet

Und hier die Schilderung des Kapitäns W. Richter:

Ich hatte mit meinem Dampfer Fürth am 30. Juli Fremantle in Australien verlassen, um über Colombo die Heimreise anzutreten. Ohne jegliche Kenntnis des Kriegsausbruches zwischen Deutschland und England war ich bereits bis in die Nähe der Insel Ceylon gekommen, als am Mittag des 10. August ein Kriegsschiff unbekannter Nationalität – es zeigte seine Nationalität nicht – in unsere Nähe kam. Ich tauschte mit dem Schiffe Grüße aus, worauf von diesem ein blinder Schuß abgegeben wurde, der mich zwang, die Fahrt meines Schiffes zu stoppen. Gleich darauf setzte das Kriegsschiff das Flaggensignal: Krieg zwischen England und Deutschland. Da mein Schiff aber immer noch etwas Bewegung hatte, gab das fremde Kriegsschiff, das als der englische Kreuzer Espigels erkannt wurde, jetzt zwei scharfe Schüsse ab, von denen der eine vor dem Bug vorüber- und der andere über die Kommandobrücke meines Schiffes hinüberging. Gleich darauf kam ein Boot längsseit, auf dem ein Kapitänleutnant und 15 bewaffnete Matrosen zu mir an Bord kamen. Der Offizier erklärte das Schiff als beschlagnahmt und befahl mir, dem Kriegsschiff zu folgen. Am 11. August traf ich im Hafen von Colombo ein, wo mein Schiff vertäut wurde. Die Schieber und Reserveschieber wurden aus der Maschine genommen und dadurch diese unbrauchbar gemacht. Ich bekam dann Polizeimannschaften zur Bewachung an Bord.“

Auch in diesem Bericht ist der Name des englischen Schiffes „HMS Espiegle“ nicht richtig wiedergegeben.

Der Schieber sitzt bei einer Dampfmaschine im Schieberkasten und steuert den Dampfstrom wechselweise von oben oder von unten in den Zylinder. Fehlt der Schieber, ist das Schiff fahruntüchtig.

Interessant ist auch, dass die Angaben beider Augenzeugen durchaus Unterschiede aufweisen: im ersten Bericht ist von 30 Mann die Rede, die auf die „Fürth“ kommen, der Kapitän spricht von nur 15 „bewaffneten Matrosen“. Der dritte Maschinist sagt, dass die „HMS Espiegle“ der „Fürth“ folgte, der Kapitän berichtet, dass er dem Kriegsschiff folgte.

Im September können wir dann in der englischen Presse folgenden Artikel über die Erfolge der „HMS Espiegle“ finden:

WARSHIP CAPTURES
PORTSMOUTH CREW’S WORK.

The mail from Colombo brings news of two important captures of German merchant shipsby the British sloop Espiegle, a Portsmouth manued vessel on the East Indies Station, in command of Com. W. Nunn.
The first capture was the Rappenfels, which had a valuable cargo of merchandise; and some days later the Espiegle succeeded in making the German ship Furth a prize of war.
Both the prizes were taken to Colombo.
Hampshire Telegraph, Fr 25. September 1914, S. 14; Quelle: British Newspaper Archive

Damit haben wir auch den Namen des Schiffsführers der HMS Espiegle:
Commander W. Nunn, als auch den Heimathafen des Schiffes: Portsmouth.

Die „HMS Fox“

Am 10. August war noch ein anderes englisches Kriegsschiff von Colombo aus auf Patrouille gegangen: die „HMS Fox“.

Die „HMS Fox“ kaperte an diesem Tag, dem 10. August 1910, ebenfalls ein Schiff der Deutsch-Australischen Dampfschiffs-Gesellschaft: die „Australia“.

Von dieser Kaperung gibt es sogar noch einen Logbucheintrag. Darin heißt es unter anderem für den 10. August 1914:

From Colombo on patrol
Lat 5.0, Long 80.2
12.10pm: sighted smoke on port bow; proceeded to intercept
1.06pm: Stopped along side German SS AUSTRALIA, Dutch Australian Lloyd Line; Sent officer on board to take possession; Sent prize crew to take vessel to Colombo;
2.25pm: proceeded
Quelle: https://www.naval-history.net/OWShips-WW1-05-HMS_Fox.htm

Logbook, HMS Fox, August, 10th 1914

Logbuchseite der „HMS Fox“ vom 10. August 1914; aus: Royal Navy Log Books of the World War 1 Era HMS FOX – November 1913 to April 1915, Persian Gulf, East Indies Station, German East African Campaign (Part 1 of 2); Edited by Don Kindell, Naval History Researcher, Ohio, USA; Quelle: https://www.naval-history.net/OWShips-WW1-05-HMS_Fox.htm

 

Trotz Funkanlage gekapert

Die „Australia“ hatte im Gegensatz zur „Fürth“ bereits Funk an Bord. Das Schiff hatte Suez am 29. Juli 1914 verlassen und war auf dem Weg nach Colombo und nach Java. Im Roten Meer hatte das Schiff Nachricht vom Krieg aufgefangen. Daraufhin wollte Kapitän Hellerich Ceylon südlich umfahren und direkt Java anlaufen. Allerdings hatte er die Route nicht südlich genug gewählt und wurde daher von der „HMS Fox“ gekapert. (Quelle: Otto Harms, 1933).

Port Pirie, Australia

Die „Australia“ in Port Pirie: Aufnahmedatum nicht bekannt; wahrscheinlich zwischen dem 27. Februar und dem 20. März 1913; Quelle: State Library of South Australia, Referenznummer B9524/3

Telegramm nach London

Ein Dokument der Kaperung der „Fürth“ gibt es im Britischen Nationalarchiv in Kew (London). Es ist ein Telegramm des Obersten Kommandeurs von Ostindien an die Britische Admiralität vom 16. August 1914. Darin heißt es:

[HMS] Fox and [HMS] Espiegle captured [German] Australian Line ships Australia and Furth off Ceylon 10th August and took them to Colombo

Quelle: https://discovery.nationalarchives.gov.uk/details/r/C12813014

Commander-in-Chief von Ostindien war zu dieser Zeit Richard Henry Peirse, der zu dieser Zeit den Rang eines Konteradmirals („rear-admiral“) innehatte. Er sollte also der Absender des Telegramms sein. „Sollte“ deshalb, da mir von diesem Telegramm bislang nur die obenstehende Archiv-Beschreibung des Britischen Nationalarchivs vorliegt. Ein Besuch in Kew würde das Original selbst wieder an Licht bringen. Über die Dokumente im Nationalarchiv, die die „Fürth“ betreffen, werde ich demnächst hier im Blog noch einen eigenen Artikel machen.

Insgesamt gibt es im Britischen Nationalarchiv nämlich über einhundert (!) Dokumente, in denen das Dampfschiff „Fürth“ erwähnt wird. Eine echte Goldgrube!

Bildquelle Titelbild des Artikels, HMS Espiegle:
http://www.naval-history.net/PhotoWW1-18slEspiegle1PS.JPG

 

Crew list, SS Furth, January 19th, 1914, Sydney

Drei Mannschaftslisten der „Fürth“ aus dem Jahr 1914

Viele neue Namen und ein paar alte Bekannte

Mannschaftslisten der „Fürth“ aus dem Jahr 1914 habe ich aktuell von der Hafenpolizei Sydney vorliegen. Dieser Hafen wurde von der „Fürth“ in diesem Jahr dreimal angelaufen: Zunächst am 19. Januar 1914 auf der dreizehnten Fahrt und dann zweimal auf der vierzehnten Fahrt: auf dem Weg nach Brisbane am 29. Juni 1914 und kurz später auf der Heimreise von Brisbane, nämlich am 13. Juli 1914. Die Quelle dieser Aufstellungen ist erneut die äußerst bemerkenswerte Webseite Mariners and Ships in Australian Waters (http://marinersandships.com.au/).

Zusätzlich liegt mir ein Dokument aus dem Hafen von Brisbane vom 10. Juli 1914 vor, dass das Desertieren von vier Besatzungsmitgliedern belegt beziehungsweise belegen soll (siehe unten).

Die Dokumente sind die ersten mir vorliegenden Crewlisten unter dem neuen Kapitän W. Richter. Leider fehlt beim „Master“ des Schiffes wie so oft die Altersangabe.

Dazu müssen wir ältere Mannschaftslisten bemühen, zu Zeiten als Richter noch Offizier war. So war er am 4. Juni 1906, ebenfalls beim Einlaufen in Sydney, 2. Offizier der „Ottensen“. Sein Alter wurde dort mit 37 angegeben, so dass er im Jahr 1914 45 Alter alt gewesen sein muss.

Sydney, 19. Januar 1914

Erster Offizier an Bord ist Alfred Steinorth, der auch schon am 29. Dezember 1910 als erster Steuermann an Bord der „Fürth“ diente (Die Mannschaft der Fuerth). Es sollte seine letzte Fahrt auf der „Fürth“ sein, er wird im Jahr 1914 auf die „Ulm“ zu seinem „alten“ Kapitän C. B. Saegert als erster Steuermann zurückkehren (Kapitän C. B. Saegert – eine Würdigung).

Die anderen Decksoffiziere sind F. Nagel, F. Korfage und Th. Christiansen.

Der Chefingenieur ist J. Hess, der schon 1910 in Fremantle erster Ingenieur war (Die Mannschaft der Fuerth).

Anm.: In der Liste aus Fremantle hatte ich J. Hess zunächst als P.I. Hefs angesprochen, das später aber korrigiert.

P. Meltke, H. Petersen und J. Schmidt sind die anderen Maschinisten.

An Bord waren diesmal insgesamt nur 35 Personen (inkl. Kapitän), darunter 27 Deutsche, 2 Schweden, 2 Holländer, 1 Neuseeländer, 1 Franzose, 1 Norweger und 1 Finne.

Das lässt vermuten, dass auf dieser außergewöhnlich langen Reise ab 15. Februar 1913 einige Seeleute abgesprungen bzw. desertiert sind und nicht vollständig ersetzt werden konnten. Bei vorangegangenen Fahrten war die Mannschaftsstärke jeweils 41 Personen. Auch die hohe Zahl an nichtdeutschen Mannschaftsmitgliedern deutet darauf hin.

Nachweislich sind P.T Hollman und J. Salminen kurz zuvor in Newcastle desertiert (Endlich nach Hause!).

Crew list, SS Furth, January 19th, 1914, Sydney

Mannschaftsliste der „Fürth“, Sydney, 19. Januar 1914; © State Records Authority of New South Wales

crew list, SS Furth, January 19th 1914, Sydney, transcription

Transkription der Mannschaftsliste der „Fürth“ vom 19. Januar 1914; Quelle: Mariners and Ships in Australian Waters, marinersandships.com.au

Sydney, 29. Juni 1914

Die zweite Mannschaftsliste aus Sydney ist vom 29. Juni 1914.

Neuer erster Offizier ist bei dieser Fahrt R. Hoffmann. Der zweite und der vierte Offizier sind unverändert F. Nagel und Th. Christiansen. Als dritter Offizier mit an Bord ist jetzt H. Wodarz.

Bei den Maschinisten ist J. Hess nicht mehr Teil der Mannschaft, Erster Maschinist ist jetzt W. Collier. Die anderen Maschinisten sind ebenfalls neu an Bord: J. Wilkins, A. Herrde, G. Konrad.

Auch alle anderen Mannschaftsmitglieder haben neu angeheuert, der einzige verbliebene Seemann ist der junge erste Stewart Fr. Schwenk.

Insgesamt sind 40 Mann an Bord, alle sind Deutsche.

crew list SS Fuerth, Sydney June 29th, 1914

Mannschaftsliste der „Fürth“, Sydney 29. Juni 1914, © State Records Authority of New South Wales; 40 Crewmitglieder, keine Passagiere

Furth, crew list, June 29th, 1914, Sydney, transcription

Transkription der Mannschaftsliste der „Fürth“ vom 29. Juni 1914; Quelle: Mariners and Ships in Australian Waters, marinersandships.com.au

Sydney, 13. Juli 1914

Die dritte Crewliste ist vom 13. Juli 1914. Diese nur gut zwei Wochen später erstellte Liste kommt dadurch zustande, dass die „Fürth“ auf dieser Australienfahrt die Linie 1 der Deutsch-Australischen Dampfschiffs-Gesellschaft bediente. Bei dieser Linie wurden Melbourne, Sydney und Brisbane angefahren und von Brisbane ging es dann über Sydney und Melbourne auch wieder zurück nach Europa.

Nun läge die Vermutung nahe, dass beide Listen identisch sein müssten. Dem ist aber nicht so.

Es fehlen fünf Mannschaftsmitglieder:

K. Kiewitt (1. Bootsmann), M. Potschka (Seemann), M. Röder (Heizer), R. Hunger (Heizer), A. Raber (Heizer)

Dafür sind neu an Bord:

W. Kreinacker (Seemann), J. Montegue (Heizer), E. Lemburg (Trimmer)

Insgesamt sind jetzt noch 38 Personen an Bord, 35 Deutsche, 1 US-Amerikaner und 2 Schweden (Der Trimmer Podsionek war im Juni als Deutscher ausgewiesen, in der Liste vom Juli als Schwede).

crew list, SS Fuerth, Sydney July 13th, 1914, shipping master's office

Einreisedokument der „Fürth“, Hafenpolizei Sydney, 13. Juli 1914, © State Records Authority of New South Wales, via Mariners and Ships in Australian Waters (marinersandships.com.au)

crew list SS Fuerth, Sydney, July 13th 1914, transcription

Transkription der Mannschaftsliste der „Fürth“ vom 13. Juli 1914; Quelle: Mariners and Ships in Australian Waters, marinersandships.com.au

Anm.: Achtung, die Transkriptionslisten sind nicht immer korrekt, Umlaute in den Namen werden regelmäßig unterschlagen. Der zweite Offizier war H. Nagel (in der dritten Liste als H. Norgel ausgewiesen). Zur Namenssuche daher immer auf die Originallisten zurückgreifen!

Brisbane, 10. Juli 1914

Im Australischen Nationalarchiv habe ich ein weiteres Mannschaftsdokument gefunden, es ist eine Ausreiseliste der „Fürth“ aus dem Hafen von Brisbane vom 10. Juli 1914. Das Dokument ist leider nicht sehr aussagekräftig, da es nur den Hinweis „as per inward list“ enthält, also auf die Einreiseliste verweist, die mir nicht vorliegt, aber keine Namen auflistet.

Verwirrend wird die Angelegenheit dadurch, dass das Dokument folgenden Zusatz enthält: „with the exception of“: Max. Lehman, U. Brundt, Ch. Kuppe, A. Leiffert (deserted)

Port of Brisbane, list of crew SS Furth, July 10th 1914

Ausreisedokument der Hafenpolizei Brisbane vom 10. Juli 1914 (Ausschnitt); © National Archives of Australia, Barcode 20359771

Diese vier Mannschaftsmitglieder wurden also als Deserteure eingetragen. Alle vier Namen waren jedoch nicht in der Mannschaftsliste vom 29. Juni 1914 in Sydney verzeichnet.

Noch stutziger macht mich die Tatsache, dass die Kurzsignatur des Kapitäns unten rechts im Dokument nicht mit der Handschrift Kapitän Richters übereinstimmt. Deshalb gehe ich davon aus, dass es sich bei diesem Dokument um ein anderes Schiff handelte und nicht um die „Fürth“ auch wenn das Dokument den Namen des Dampfschiffes im Titel trägt.

signatures crew list, outward Brisbane, SS Fuerth, July 10th 1914

Ausreisedokument der Hafenpolizei Brisbane vom 10. Juli 1914, Unterschriften, © National Archives of Australia, Barcode 20359771

Wurden hier die Listen zweier (deutscher) Schiffe verwechselt? Das liegt zumindest nahe.

Zu einem späteren Zeitpunkt werde ich auf einige Namen der Besatzung zurückkommen.

Memeler Dampfboot, newspaper, July 1899

Die Männer der „Fürth“: Ingenieur Max Waldheyer

Der Chefmaschinist aus Memel

Zu den beiden Mannschaftslisten der „Fürth“, die hier im Blog bereits veröffentlicht wurden, kommt jetzt ein erstes Porträt eines Mannschaftsmitgliedes der „Fürth“.

Fündig wurde ich in der Zeitung mit dem schönen Namen Memeler Dampfboot in einer Ausgabe aus dem Jahr 1962.

Anm.: Memel heißt heute Klaipėda und liegt in Litauen.

In der Ausgabe vom 5. Mai 1962 gratuliert die Heimatzeitung der Memelländer dem Maschinenbau-Oberingenieur Max Waldheyer zum 90. Geburtstag.

Max Waldheyer

Auszug aus der Mannschaftsliste, Sydney 21. März 1909, Quelle: http://www.marinersandships.com.au

Auf der Mannschaftsliste der „Fürth“ vom 21. März 1909 ist bei der Ankunft in Sydney, als erster Ingenieur ein M. Waldheyer, Alter 37, verzeichnet. Ohne Zweifel ist dies der in Memel geborene Max Waldheyer, wie der in der Zeitung geschilderte Lebenslauf bestätigt:

„Wir gratulieren…

… dem Maschinenbau-Oberingenieur Max Waldheyer zum 90. Geburtstag am 24. April. Der Name Waldheyer dürfte manchem Memeler noch in Erinnerung sein durch Grundbesitz und durch das Kolonialwarengeschäft Waldheyer in Memel-Schmelz gegenüber dem Gerlachschen Holzplatz.
Max Waldheyer wurde in Memel geboren. Schulbesuch bis Sekunda (Mittlere Reife) auf dem Burg-Gymnasium in Königsberg. Dann eine dreijährige Lehrzeit bei der Maschinenfabrik Ongley in Memel in der Lotsenstraße gegenüber dem Gerichtsgebäude.
Im Anschluß wurden auf dem Wege der Ingenieur-Laufbahn eine Reihe von Examen in Flensburg, Danzig und Hamburg abgelegt, die mit Verleihung des Seepatentes C6 ihre Krönung fanden. Von 1902 bis 1915 war Max Waldheyer bei der Deutsch-Australischen Dampfschiffsgesellschaft tätig. Als leitender Ingenieur machte er viele Fahrten nach Afrika, Amerika, Australien, zu den Niederländischen Inseln – fast durch die ganze Welt – und war auch Beauftragter bei verschiedenen Werften für Neubauten seiner Firma. 1914, kurz vor Kriegsausbruch, fuhr Max Waldheyer als leitender Ingenieur bei der Garantiereise des Neubaus „Australia“ (12.500 t), Ladung Dynamit, Kurs Colombo. Vom Ausbruch des Krieges überrascht, wurde die „Australia“ kurz vor Erreichung des Bestimmungshafens gekapert. Nach kurzer Internierung auf Ceylon wurde Max Waldheyer entlassen. Die Heimreise bis Genua erfolgte auf einem holländischen Passagierdampfer….“

Bis hierhin ist das der für uns in Verbindung mit der „Fürth“ der interessanteste Teil. Das Schiff „Australia“ hatten wir in Port Pirie kennengelernt, als es an Bord ein Konzert gab: Bordkonzert in Port Pirie.

Wie viele Fahrten Max Waldheyer an Bord der „Fürth“ machte, werde ich noch herausfinden. Der im Artikel erwähnte holländische Passagierdampfer könnte die „Koningin Emma“ gewesen sein, ich komme auf dieses Schiff noch zurück.

Spätere Karriere

Hier der weitere Lebenslauf des Ober-Ingenieurs Max Waldheyer, der noch viele interessante Stationen in seinem Leben durchlaufen sollte:

„…Von 1916 bis 1919 war er in Libau (Kurland). Das Reichsverkehrsministerium hatte ihn als technischen Leiter bei der Schiffahrtsabteilung Libau eingesetzt. Von 1919 bis 1925 Vorstand der Rheinschiffahrtsstelle für die besetzten rheinischen Gebiete. Als Vertretung des Reichsverkehrsministeriums hatte er die verantwortungsvolle Aufgabe, die Requisitionen der Entente-Truppen hinsichtlich schwimmender Objekte auf dem Rhein auf ein Mindestmaß zu beschränken. Der Jubilar erinnert sich aus dieser Zeit gern an ein persönliches Telefongespräch mit dem damaligen Oberbürgermeister der Stadt Köln Dr. Konrad Adenauer, dem jetzigen Bundeskanzler. Herr Waldheyer, dienstlich nach Köln beordert, suchte eine Wohnung. Dem Wunsche wurde innerhalb einer halben Stunde entsprochen. Von 1926 bis 1932 folgten 6 Jahre als technischer Direktor bei der Wilhelmshaven-Rüstringer Industriehafenanlagen AG. Ende 1932 mit 60 Jahren, ausgezeichnet mit dem EK II und dem Hamburger Verdienstkreuz, ging er in die wohlverdiente Pension. Er zog nach Königsberg und baute sich in der Cranzer Allee ein Haus. Doch dieser tätige Mann sollte noch nicht zur Ruhe kommen. Man brauchte seine hervorragenden Fachkenntnisse. Im Jahre 1940 holte ihn das Oberkommando der Kriegsmarine und übertrug ihm die Bauaufsicht bei der Schichau-Werft in Königsberg. Hier wurden M-Boote gebaut und Reparaturen an M-U-Torpedobooten und auch an Panzerschiffen ausgeführt. Der Zusammenbruch 1945 und der Verlust seiner ostpreußischen Heimat setzten dieser verantwortungsvollen Tätigkeit ein Ende. Die Flucht nach dem Westen wurde auch ihm nicht erspart. Doch „Wer rastet, der rostet“, und die Pension hatte in den ersten Nachkriegsjahren geringe Kaufkraft. So übernahm er 1946 – mit 74 Jahren – als technischer Leiter den Aufbau einer Kunststoff-Fabrik in Bremen-Burg und war hier noch bis 1952 tätig. Seit 1952 – nun endgültig im Ruhestand – wohnt Max Waldheyer in Hamburg-Bergedorf, August-Bebel-Str. 155. Seine Frau Ella, geb. Preising, ist ebenfalls gebürtige Memelerin. Die Eltern hatten vor Jahren das Restaurations- und Schiffsausrüstungsgeschäft mit Stauereibetrieb in der Holzstraße, Ecke Kreuzstraße. Frau Ella sang im Memeler Oratorienverein und singt noch heute. Am 22. Juni 1960 konnte das Ehepaar Waldheyer goldene Hochzeit feiern. Ein seltenes Glück ist damit diesen beiden prächtigen Menschen beschieden. Bei bester Gesundheit und bei völliger geistiger Klarheit nehmen beide am Zeitgeschehen regen Anteil. Sie spielen mit Begeisterung Skat und sind bei den Veranstaltungen der Landsmannschaft Ostpreußen in Bergedorf stets anwesend. Sobald die Musik zum Tanz aufspielt, sind sie unter den ersten Tänzern. Es ist ein Erlebnis, bei Waldheyers eingeladen zu werden. Frau Ella erfreut durch Klavierspiel und Gesang. Unser Jubilar erzählt aus seinem abwechslungsreichen Leben und er läßt es sich nicht nehmen, drei Treppen herabzusteigen, um die Gäste zu verabschieden.“

Memeler Dampfboot, 113. Jahrgang, Oldenburg (Oldb.), 5. Mai 1962, Nummer 9, S. 125, abgerufen unter
http://memel.klavb.lt/MD/Papildymai1953-1962/19620505.pdf
© Klaipėdos apskrities viešoji I. Simonaitytės biblioteka, 2009-2016

Memeler Dampfboot, newspaper, July 1899

Memeler Dampfboot, Jubiläumsausgabe vom 5. Juli 1899, © Klaipėdos apskrities viešoji I. Simonaitytės biblioteka, 2009-2016

In dem zitierten Artikel ist auch ein Porträtfoto von Max Waldheyer, das ich hier gerne gezeigt hätte, aber aus Copyright-Gründen leider nicht kann. Interessierte folgen daher obenstehendem Link zum Memeler Dampfboot.

Max Waldheyer, chef engineer, steamship Fuerth

Aufgebot Bernhard Max Waldheyer mit Ella Caroline Preising, Hamburgischer Correspondent und neue hamburgische Börsen-Halle, 7. Juni 1910, S. 30, Familien-Nachrichten

Letzte Grüße

Ein letztes Mal gratuliert Das Ostpreußenblatt Max Waldheyer im April 1963 zum Geburtstag:

Wir gratulieren:
zum 91. Geburtstag

Waldheyer, Max, früher Königsberg, Cranzer Allee Nr. 22, jetzt in Hamburg-Bergedorf, August-Bebel- Straße 155, am 24. April.
Das Ostpreußenblatt, 20. April 1963, S. 16

Danach müssen wir das Sterberegister der Stadt Hamburg bemühen, das online verfügbar ist:

Max Bernhard Waldheyer verstarb am 1. Juni 1963 im Alter von 91 Jahren, seine deutlich jüngere Ehefrau (geboren 1890) Ella Marta Caroline Waldheyer, geborene Preising, am 25. April 1971 im Alter von 81 Jahren.

C. B. Saegert, master

Kapitän C. B. Saegert – eine Würdigung

Fünf Jahre Kapitän der „Fürth“

Kapitän C. B. Saegert war Kapitän der Deutsch-Australischen Dampfschiffs-Gesellschaft und verantwortlicher Schiffsführer des Dampfschiffes „Fürth“ vom Tag seiner Probefahrt am 17. August 1907. Kapitän C. B. Saegert hatte die Verantwortung für das Schiff bis Ende August 1912. In dieser Zeit unternahm er als Kapitän der „Fürth“ elf Reisen nach Australien und Niederländisch-Indien.

Obwohl er also fünf Jahre „der Alte“ war, wie die Besatzung ihren Kapitän oft nannte, konnte ich bis heute nur wenige Informationen über ihn finden. Diese spärlichen Informationen stelle ich hier zusammen und hoffe, sie mit Hilfe von eventuellen Nachfahren eines Tages noch ergänzen zu können.

C. B. Saegert, master

Anzeige der DADG vom 30. August 1898 in den Hamburger Nachrichten mit Kapitän Saegert auf dem Dampfer „Sommerfeld“

Ein Glücksfall

Soviel kann ich sagen: Kapitän C. B. Saegert war für das Dampfschiff „Fürth“ ein Glücksfall: Er war zum Zeitpunkt der Übernahme der „Fürth“ bereits ein erfahrener Kapitän. Er hatte bis ins Jahr 1900 die Verantwortung für das Schiff „Sommerfeld“. Am 21. August 1900 übernahm er die Leitung des Dampfers „Bergedorf“, dem Dampfer, der lange nach seiner Zeit als Kapitän am 4. April 1911 an der Südspitze Indiens havarierte und verloren ging: Der Untergang des Dampfers „Bergedorf“ .

„Bergedorf“, Saegert, nach abgehaltener Probefahrt 21. ds. Nachm. von Middlesbrough nach Hamburg.
Schiffsnachrichten in Altonaer Nachrichten / Hamburger neueste Zeitung, 23. August 1900, S. 3

Nicht nur hatte er also lange Erfahrung in der Schiffsführung, sondern er kannte die Fahrtrouten und die angelaufenen Häfen bereits ausgesprochen gut.

The new German-Australian liner Furth, launched on 20th July last, and since described in detail, was taken to a river berth, on arrival yesterday. She is under command of Captain C. B. Saegert who is well known at this port.
The Age, Melbourne, Do 24. Okt 1907, S. 6, SHIPPING INTELLIGENCE.

Aus einer von Kapitän C. B. Saegert am 21. März 1909 unterzeichneten Mannschaftsliste wissen wir, dass er an diesem Tag 56 Jahre alt war. Er ist also 1852 oder 1853 geboren.

Master C. B. Saegert, 56 years old, March 21, 1909

Kapitän C. B. Saegert, Unterschrift mit Altersangabe auf der Meldeliste für die Hafenpolizei in Syndey am 21. März 1909

Keine besonderen Vorkommnisse

Während seiner Zeit als Kapitän, gab es keinen schweren Zwischenfall auf dem Schiff, zumindest keinen, der in der damaligen Presse erschienen wäre. Das gleiche gilt für Unfälle, die allesamt sehr glimpflich abliefen. Das Auflaufen auf Grund am 30. August 1909 im Hafen von Melbourne muss sicher dem Lotsen angelastet werden, das Schiff nahm außerdem keinen Schaden: Suche nach der Waratah. Einen zweiten Zwischenfall gab es in Geelong, als das Schiff beim Andocken vom Wind gegen die Hafenmole gedrückt wurde, aber auch hier waren keine Schäden zu verzeichnen: Die „Fürth“ in Skandinavien.

Im Sommer 1910 hätte Kapitän C. B. Saegert eigentlich ein neues Schiff übernehmen sollen, was aber aus uns unbekannten Gründen dann nicht hatte sein sollen, da der neue für die „Fürth“ ausersehene Kandidat Wienecke das Schiff nicht übernahm: Ein neuer Kapitaen?

Die weiteren Stationen

Am 21. September 1912 verließ das Schiff „Düsseldorf“ (9625 Tonnen Tragfähigkeit) den Hafen Hamburg zu seiner zweiten Fahrt. Kapitän war jetzt C. B. Saegert, der von der „Fürth“ (7010 Tonnen Tragfähigkeit) auf das neuere und größere Schiff gewechselt war.

Sonderbar daran ist, dass die erste Fahrt der „Düsseldorf“ von dem ebenfalls sehr erfahrenen Kapitän der Deutsch-Australischen Dampfschiffs-Gesellschaft, J. Schuldt durchgeführt wurde. Nach nur einer Fahrt mit der „Düsseldorf“ übernahm er bereits wieder ein anderes (und kleineres) Schiff, und zwar die „alte“ Plauen, ein Schwesterschiff der „Fürth“, Baujahr 1907.

Warum? Das weiß ich nicht. Noch in Australien war Kapitän J. Schuldt (nach außen) voll des Lobes über die „Düsseldorf“ gewesen:

“…Regarding the seefaring qualities of the Dusseldorf, Captain J. Schuldt is enthusiastic He reports that the voyage passed, off without remarkable incident, but states that the bunker coal provided at a South African port where the vessel called en route was very poor. Otherwise she would have arrived earlier, although the run across was accomplished in excellent time, as it was.”
Newcastle Morning Herald and Miners‘ Advocate, Mi 29. Mai 1912, S. 4, NEW GERMAN LINER DUSSELDORF.

Das Dampfschiff „Ulm“

Aber auch Kapitän C. B. Saegert blieb nicht lange auf der „Düsseldorf“. Bereits im Jahr 1914 wechselte auch er wieder zurück auf ein kleineres Schiff, die „Ulm“.

Die neuen Australdampfer Freiberg und Ulm. Die Deutsch-Australische Dampfschiffs-Gesellschaft stellt, wie schon von uns mitgeteilt, im Laufe dieses Monats zwei neue Dampfer, Freiberg und Ulm, in Dienst, von denen der erstere, auf Tecklenborgs Werft in Geestemünde erbaut, am 11. April seine Probefahrt machte und seit dem 13. April hier schon in Ladung liegt. Der 9600 Tons große Dampfer ist mit einer dreifachen Expansions-Heißdampfmaschine von 4000 Pferdestärken ausgerüstet, die dem Dampfer auf der Probefahrt eine Geschwindigkeit von 14,6 Seemeilen in der Stunde verlieh. —Der zweite Dampfer, Ulm, auf der Neptunwerft in Rostock erbaut, ist etwa 1000 Tons kleiner als der Dampfer Freiberg. Der Dampfer macht am 18. April seine Probefahrt und geht im Anschluß an diese direkt nach Gothenburg weiter. Der Dampfer erhält dort eine Teilladung nach Australien, die er in Frederikstad kompletteren wird. Von Frederikstad tritt der Dampfer die erste Reise an. Führer des
Dampfers Freiberg ist Kapitän I. Renz, und die Führung des Dampfers Ulm erhält Kapitän Saegert, bisheriger Führer des derselben Reederei gehörenden Dampfers Düsseldorf.
Hamburger Anzeiger, 17. April 1914, S. 5

Von Skandinavien aus steuerte die „Ulm“ Emden an, den letzten deutschen Hafen, den Kapitän C. B. Saegert vor dem Ersten Weltkrieg anlaufen sollte:

Ulm, ss., 4,700 tons, Capt. Saegert, left Emden May 7. Due June 17. Messrs. Strelitz Bros.,
agents, The West Australian, Perth, Do 28. Mai 1914, S. 6, SHIPPING

Emden, Germany, mole, postcard 1922

Die Mole in Emden, Postkarte, 1922, Quelle: http://www.zeno.org/Ansichtskarten

Eine sehr lange Reise

Die erste Reise mit der “Ulm” sollte die einzige bleiben und viel, viel länger dauern als vorhergesehen (über 5 Jahre).

Die „Ulm“ kam am 22. Juli 1914 in Newcastle N.S.W. (Australien) an, um dort Kohlen für Amboina, Makassar und Java zu laden. Am 2. August 1914 ist das Schiff von Newcastle abgegangen, ohne auf volle Ladung zu warten und erreichte am 20. August 1914 Banjoewangi.
Quelle: Otto Harms, Deutsch-Australische Dampfschiffs-Gesellschaft (1933).

Anm.: Banjoewangi heißt heute Banyuwangi und liegt am östlichen Ende der Insel Java, gegenüber der Insel Bali. – Die vorgezogene Abfahrt von Newcastle war von der Reederei wegen des drohenden Eintritts Großbritanniens in den Krieg angeordnet worden, der dann am Abend des 4. August 1914 (GMT) erfolgte (in Australien bereits der 5. August 1914).

Amboina/Ambon (Molukken – Ost-Indonesien)

Während des Ersten Weltkriegs lag das Schiff „Ulm“ spätestens ab September 1914 im Hafen von Amboina (Ambon), einer kleinen Insel gleichen Namens im östlichen Indonesien. An Bord natürlich auch der Kapitän: C. B. Saegert.

Ambon/Amboina port

Blick vom Strand auf den Hafen von Amboina, 1922, Quelle: Collectie Nationaal Museum van Wereldculturen, Amsterdam, Inventarnr. TM-33000958

Im Jahr 1915 und 1916 spenden Kapitän C. B. Saegert sowie einige andere Besatzungsmitglieder für die Kriegshilfe:

47. Gabenverzeichnis der Hamburger Kriegshilfe
(Die Aufrufe der Hamburgischen Kriegshilfe und des Roten Kreuzes werden in der Sonntagsausgabe veröffentlicht.)
Deutsche Bank, … Deutsch-Austral.-Dampfsch.-Ges., Dampfer „Ulm“, Kapitän C. B. Saegert 50, 2. Steuermann P. Hoffmeister 170, 4. Steuermann R. Bloese 50, 4. Maschinist L. Reichard 50
Hamburger Anzeiger, Fr 2. Juli 1915, S. 11

Gabenverzeichnis der Hamburgischen Kriegshilfe
Deutsche Bank: … Kapitän C. B. Saegert u. Maschinisten-Anwärter C. Heesch vom D. „Ulm“, z. Zt. Amboina,
Niederländisch-Indien, durch Deutsch-Austral. Dampfsch.-Ges. 80.(Neue Hamburger Zeitung, 2. Juni 1916,Seite 4)

Außerdem liegt mir eine von Kapitän C. B. Saegert unterschriebene Original-Abrechnung für den Schiffskoch Wilhelm Holst vom 27. März 1917 vor, ebenfalls ausgestellt in Amboina (auf dieses Dokument komme ich noch einmal zurück).

C. B. Saegert, master

Kapitän C. B. Saegert, Originalunterschrift auf einem Dokument des Jahres 1917, eigene Sammlung

Drei Todesfälle

Eine weitere Spur des ersten Kapitäns der „Fürth“ habe ich im Jahr 1922 gefunden, die allerdings Ereignisse aus den Jahren 1914 bis 1916 betrifft:

Das Seeamt zu Hamburg verhandelte am Mittwoch den 1. November 1922 drei Todesfälle, die sich auf dem Dampfer „Ulm“ unter der Leitung von Kapitän C. B. Saegert zugetragen hatten.

Der zeitlich erste Fall ereignete sich am 7. September 1914 im Hafen von Sawai, womit wir auch den Aufenthaltsort des Schiffes für diesen Tag kennen. Zu den beiden anderen Todesfällen kam es dann im Jahr 1916 im Hafen von Ambon.

Anm. Sawai liegt im Norden der Insel Pulau Seram, weniger als eine halbe Tagesreise von Ambon.

Die Namen der Verunglückten: Der Leichtmatrose Franz Carl Gustav Paul Kötteritzsch, ertrunken beim Bewegen eines Beibootes im Hafen von Sawai (7. September 1914); der dritte Offizier Hugo Max Hornuff am 2. Juni 1916 durch Sturz in den Unterraum des Schiffes und der Matrose Fritz Heinemann genannt Woebbekind, am 10. April 1916 ebenfalls durch Sturz in den Unterraum. Alle drei Todefälle wurden bei der Verhandlung des Seeamtes als Unglücksfälle eingestuft, an denen niemanden ein Verschulden trifft.
Quelle: Hamburgischer Correspondent und neue hamburgische Börsen-Halle, 02. November 1922 , S. 27

Ob Kapitän C. B. Saegert allerdings bei der Verhandlung im Jahr 1922 selbst anwesend war, ist nicht dokumentiert.

Letzte Informationen

Eine (für den Moment) letzte Spur von Kapitän C. B. Saegert gibt es im Frühjahr 1919 in einer Zeitungsmeldung über eine Meuterei auf dem Schiff „Ulm“ (De Preanger-bode, 12. Apr 1919).

Danach konnte ich bislang keinen Hinweis mehr auf Kapitän C. B. Saegert finden.

Er muss theoretisch noch bis zum 30. August 1919 in Ambon gewesen sein, dem Tag, als die „Ulm“ fast ein Jahr nach Kriegsende an die Briten übergeben wurde, wie die Zeitung Bataviaasch nieuwsblad am 29. August 1919 berichtete:

Amboina, 29 Aug. (Aneta). De schepen-overgavs.
De heden overgegeven schepen ,Manila“ en ,Teo Pao“ voeren de Statenbondvlag met in den top de Britsche kleuren. De overgave van de ,Ulm“ heeft Zaterdag plaats.
Bataviaasch nieuwsblad, 29-08-1919

Erst dann kann er zusammen mit der verbliebenen Mannschaft das Schiff verlassen haben und hat wahrscheinlich auf schnellstem Weg versucht, über Makassar und Batavia nach Deutschland zurückzukommen. Er war zu diesem Zeitpunkt bereits 66 oder 67 Jahre alt und dürfte seinem Ruhestand in der Heimat sehnsüchtig entgegengesehen haben.

Allerdings kamen im Herbst 1919 sehr viele Kriegs- und Zivilgefangene aus aller Welt nach Deutschland zurück, ein einzelner Kapitän ist in dieser großen Zahl an Heimkehrern nur schwer auszumachen…

Kapitän Claus Berthold Saegert aus Stralsund?

Laut der Transkription eines Dokumentes der Hafenbehörde in Sydney vom 22. Januar 1902 beim Eintreffen des Dampfers „Bergedorf“ steht die Abkürzung der Vornamen für Claus Berthold Saegert, damals 49 Jahre alt und als Ort wurde in der Meldung für die Hafenpolizei Stralsund angegeben. Im Scan des Originals (www.marinersandships.com.au) sind diese Angaben allerdings nicht zu lesen, vielleicht wurden sie auf der Außenseite des Dokumentes gemacht, die nicht eingescannt wurde. Aber immerhin eine Spur…

Stralsund port, about 1900

Führt uns die Spur nach Stralsund?
Stralsund vom Hafen mit Dampfer Altefähr, Postkarte, um 1900, Quelle: http://www.zeno.org/Ansichtskarten

Für alle sachdienlichen Hinweise, die dazu dienen, das Profil von Kapitän C. B. Saegert zu vervollständigen, vorab herzlichsten Dank!

Master C. B. Saegert, 56 years old, March 21, 1909

Mannschaftsliste der vierten Australienfahrt

Sydney, 21. März 1909

Meldeliste für die Hafenpolizei

Während wir sehr viele Informationen über die transportierten Waren auf der „Fürth“ haben, waren die Informationen über die Mannschaft bislang eher spärlich. Lediglich eine Mannschaftsliste der achten Fahrt vom 29. Dezember 1910 in Fremantle, Westaustralien, konnte ich bereits hier veröffentlichen, die ich in den National Archives of Australia gefunden hatte (Die Mannschaft der Fuerth)

marinersandships.com.au

Dass sich dies nun ändert, ist einer australischen Webseite und deren Betreiberin, Mary-Ann Warner, zu verdanken, die es sich zur (Lebens-)Aufgabe gemacht hat, die Mannschafts- und Passagierlisten aller in Sydney eingehenden Schiffe aus den Jahren 1837 bis 1925 zu scannen, in Reinschrift zu übertragen und online zu stellen. Eine wahre Herkules-Aufgabe! Die Seite heißt Mariners and Ships in Australian Waters, die Adresse ist http://marinersandships.com.au/

Allein für den Monat März 1909 verzeichnete die State Records Authority of New South Wales in Sydney 191 eingehende Schiffe! Hinter jedem Schiff verbirgt sich eine Liste, die der Kapitän den Behörden nach dem Anlegen übergeben musste. Darin verzeichnet sind alle Mannschafts-Mitglieder und auch alle Passagiere, wenn denn welche an Bord waren. Erschwerend kommt hinzu, dass die Handschrift der verantwortlichen Schiffsführer nicht immer einfach zu entziffern ist.

Verständlich ist daher auch, dass noch nicht alle Listen online sind. Verfügbar sind diese aber bereits OFFLINE im Büro des Western Sydney Records Centre (WSRC) in der 161 O’Connell Street in Kingswood NSW 2747, Western Sydney, https://www.records.nsw.gov.au/archives

Falls da jemand in der Nähe wohnt und mal vorbeischauen will – bitte melden!

Sehr fürsorglich finde ich den Hinweis, dass man sich sein Mittagessen mitbringen sollte, wenn man plant, den ganzen Tag zu bleiben, da es keine Shops in der Nähe gibt. Sehr liebenswerte Menschen, diese Australier, nicht wahr?

Die Originalliste

Hier die Originalliste, die Transkription ist weiter unten eingefügt.

crew list, Fürth, 21st March, 1909

Mannschaftsliste der „Fürth“, Syndey eingehend, 21. März 1909, Copyright Mary-Anne Warner, State Records Authority of NSW, Australia

Kapitän C. B. Saegert ist 56 Jahre alt

An dieser Stelle möchte ich die aus meiner Sicht interessantesten Informationen kommentieren, auch im Vergleich mit der Liste vom Dezember 1910 aus Fremantle:

Zum Kapitän: In der Regel haben die Kapitäne die Liste unterschrieben, eine Altersangabe wurde nicht gemacht. Anders in der vorliegenden Liste: wir erfahren, dass Kapitän C. B. Saegert am 21. März 1909 56 Jahre alt war, er muss also zwischen dem 22. März 1852 und dem 21. März 1853 geboren sein. Es ist die damit die erste Altersangabe, die mir bislang vorliegt!

Friedrich Winiker

Der 1. Steuermann heißt Friedrich Winiker. Wir haben ihn im Blog bereits kennengelernt, er war später Kapitän auf der „Bergedorf“ und leider (mit-)verantwortlich, dass das Schiff „Bergedorf“ am Abend des 4. April 1911 bei Kap Komorin in Südindien strandete. Seine Karriere als Kapitän bei der Deutsch-Australischen Dampfschiffs-Gesellschaft hatte also ein schnelles Ende gefunden. Der Untergang des Dampfers „Bergedorf“

Alfred K. Steinorth und P. J. Heß

Den zweiten Steuermann, Alfred K. Steinorth, hatten wir im Dezember 1910 in Fremantle als ersten Steuermann unter Kapitän C. B. Saegert angetroffen, ein logischer Karriereschritt. Diesen Aufstieg in der Hierarchie machte auch P. J. Heß, der auf dieser Liste des Jahres 1909 noch als zweiter Ingenieur geführt wird und der eineinhalb Jahre später erster Ingenieur auf der „Fürth“ unter Kapitän C. B. Saegert war.

F. Schröder

Den einzigen Namen, den wir außerdem auf beiden Listen finden, ist F. bzw. Friedr. Schröder, einen jungen Matrosen („ordinary seaman“), der im März 1909 gerade einmal 18 Jahre alt war. Bei allen anderen Namen auf beiden Listen gibt es keine Namensgleichheit.

Wie auch im Dezember 1910 setzte sich die Mannschaft der „Fürth“ im März 1919 aus 41 Personen zusammen. Bis auf den Heizer Lund, einem Russen, hatten alle die deutsche Staatsangehörigkeit.

Weitere Namenslisten

Die nächsten bereits digitalisierten Crew-Listen der „Fürth“ sind aus dem Juni und Juli 1914. Für uns ist das von ganz besonderem Interesse, da wir damit die Personen kennen, die bei Kriegsausbruch im August 1914 in Ceylon festgesetzt wurden. Dazu später mehr.

crew list, transcription, 21st March 1909

Transkription der Originallliste (s. o.), Quelle: marinersandships.com.au

Anmerkungen: Namen, die ich anders lese: Ströh statt Stroh, Dobberkau statt Dobberman, Kesselbaum statt Kosselbaum, Jacoby statt Tacoby, Günzel statt Gunzel, Löscher statt Loscher, Schröder statt Schroder, bei Truckenmüller lese ich den ersten Buchstaben als S, bin mir aber über den Namen unklar, Berchers statt Borthers, Bones statt Bonss und Kehrs statt Hohrs; alle Anmerkungen zur Aufklärung sind sehr willkommen!