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Deutsche Exporte nach Australien 1908

Kleidung, Metallwaren und Musikinstrumente

Bei vielen Fahrten des Dampfschiffes „Fürth“ haben wir gesehen, dass über die Ladung, die von Europa nach Australien ging, nur wenig bekannt wurde. Oft heißt es in den Schiffsmeldungen nur „allgemeine Waren“ oder ähnliches.

Werfen wir also einen Blick in ein statistisches Jahrbuch. Dort finden wir eine detaillierte Aufstellung, der von Deutschland im Jahr 1908 nach Australien exportierten Waren. Die Liste habe ich nach absteigendem Wert sortiert, so dass die wichtigsten Produktkategorien oben stehen.

Australische Zeitung advertisement

Anzeige für Gritzner-Nähmaschinen in der Australischen Zeitung, Adelaide, 22. April 1908.

Kleidung und Textilien, £1,248,115
Eisen, Stahl und Produkte aus diesen, £720,126,
                davon Drähte und Drahtgeflechte, £490,880
Andere Metallwaren (außer Eisen und Stahl), £260,798
Musikinstrumente, £246,570
Papier, £227,338
Maschinen und Apparate, £212,494
Drogerie-Waren, £161,594
Verschiedene Konsumgüter („fancy goods”), £116,743
Waffen, Munition und Sprengstoffe, £90,191
Glas- und Glaswaren, £84,137
Schreibwaren, £82,668
Kautschuk-Produkte, £80,553
Schmuck etc., £68,018
Porzellan etc., £65,914
Leder und Lederwaren (ohne Stiefel und Schuhe), £62,046
Biere, £58,775
Zement, £37,222
Bürstenartikel etc., £35,697
Lampen und Lampenartikel, £34,058
Möbel, Kleinmöbel und Zubehör £21,178
Tonerzeugnisse, £17,357
Hochprozentige alkoholische Getränke, £15,804
Farben und Lacke, £14,761
Tabak, £14,735
Hopfen, £8799

Anm: Kategorien: eigene Übersetzung ins Deutsche; verschiedene Konsumgüter (im Original “Fancy goods”): Dem Wert nach dürfte diese Kategorie die verschiedensten Konsumgüter umfasst haben, darunter wohl auch Spiegel und Spielwaren aus der Stadt Fürth.

Quelle: Official Year Book of the Commonwealth of Australia No. 3 – 1910, Commonwealth Bureau of Census and Statistics, Melbourne, 1201 S. (books.google.fr)

Ganz persönlich haben mich die Musikinstrumente auf Platz 4 überrascht.

Biese Pianos, Zimmermann Pianos, Geißler Pianos

Anzeige für deutsche Klaviere in der Australischen Zeitung, Adelaide, 22. April 1908.

 

Die Importe aus Deutschland beliefen sich 1908 nach obiger Quelle auf insgesamt £4,482,119. Damit stand Deutschland auf Platz 3 hinter Großbritannien und den USA (Gesamtimporte Australiens (ohne Münzen und Barren) insgesamt in Höhe von £48,608,921, davon UK £25,042,810 und USA £6,574,380).

Diese Zahlen verdeutlichen die dominante Stellung Großbritanniens. UK hat diese Vormachtstellung mit Schutzzöllen verteidigt. Ein Pfund entsprach vor dem Ersten Weltkrieg übrigens etwa 20 Mark.

Sämereien Heuzenroeder

Anzeige für deutsche Gemüsesämereien, Australische Zeitung, Adelaide, Mi 13. Mai 1908.

Anm.: Die Australische Zeitung in Adelaide war eine Wochenzeitung in deutscher Sprache und erschien ab 1875 bis 1916.

Abschließend gesagt überrascht es nicht, dass wir über die relativ wenigen, leicht anzusprechenden Massengütern aus Australien wesentlich mehr wissen, als über die stark gemischte Palette an Handelswaren, die von Deutschland (oder Europa) nach Australien geliefert wurde.

Wenn wir die oben genannten Zahlen aus dem Jahr 1908 mit Statistiken aus dem Jahr 1905 vergleichen (z. B. Deutsch- Australischer Handelsbericht, Australische Zeitung, Adelaide, Mi 12. Jun 1907, S. 10), sehen wir, dass die Handelsbeziehungen zwischen Deutschland und Australien in diesen drei Jahren stark angewachsen sind.

Bis zum Ausbruch des Ersten Weltkrieges hat das Volumen des Warenaustausches noch weiter zugenommen, was sich in häufigeren Fahrten, mehr Schiffen und zunehmend größeren Ladekapazitäten widerspiegelte.

Plauen laces, The Colosseum, Melbourne
Plauener Spitze in einer Anzeige des Bekleidungsgeschäftes „The Colosseum“ in Melbourne, Leader, Melbourne, Sa 13. April 1912, Quelle: National Library of Australia, trove.nla.gov.au

laterna magica
Ein „Trendspielzeug“ der damaligen Zeit: Laterna Magicas; Auszug aus dem Katalog des Fürther Spielwaren-Unternehmens Ullmann und Engelmann 1902; der vollständige Katalog auf https://optical-toys.com

distances Europe Australia in nautical miles

Die weiten Reisen des Dampfschiffes „Fürth“

54000 Kilometer in fünf Monaten

Titelbild: Entfernungstabelle Linie 2 aus: Handbuch of the Deutsch-Australische Dampfschiffs-Gesellschaft, Hamburg, for Australia and New Zealand, 1914; State Library of New South Wales, Sydney

Vor der kommenden Feriensaison zeige ich Ihnen heute eine Entfernungstabelle der Deutsch-Australischen Dampfschiffs-Gesellschaft (DADG) aus dem Jahr 1914.

Sie kennen diese Art von Tabellen vielleicht noch aus dem Pränavizän, also dem Erdzeitalter vor der Erfindung des Navigationsgerätes, als ein Autoatlas zur Standardausrüstung für die automobile Urlaubsreise gehörte.

Mein betagtes Exemplar von der Kraftstofffirma mit der Muschel weist beispielsweise für die Reise von Hammerfest nach Malaga stolze 5533 Straßenkilometer aus.

Mit ungleich größeren Entfernungen rechnete die DADG in ihren Entfernungstabellen.

Die Tabelle der DADG aus dem Jahr 1914

Wie es sich für eine Reederei gehört, sind alle Entfernungen in Seemeilen (= nautische Meilen) angegeben, das heißt, für eine Angabe in Kilometern muss jeder Wert mit 1,852 multipliziert werden (1 Seemeile entspricht 1852 Meter).

Die Gesamtdistanz einer gut fünfmonatigen Rundreise von Hamburg nach Hamburg, in der Tabelle 29245 Seemeilen, entspricht also gut 54000 Kilometern. Die Strecke Hammerfest-Malaga würde dagegen, in Seemeilen ausgedrückt, auf 2988 Seemeilen zusammenschrumpfen.

Zugegebenermaßen habe ich die umfangreichste Tabelle mit den weitesten Entfernungen herausgesucht (Linie 2 der DADG), aber die anderen Übersichten stehen diesem Tableau nicht viel nach.

Warum der Text in Englisch ist, habe ich hier erklärt: Die Flotte der Deutsch-Australischen Dampfschiffs-Gesellschaft 1914

distances Europe Australia in nautical miles

Entfernungstabelle Linie 2 aus: Handbuch of the Deutsch-Australische Dampfschiffs-Gesellschaft, Hamburg, for Australia and New Zealand, 1914; State Library of New South Wales, Sydney

Die Häfen der Linie 2

Von links nach rechts sind die Häfen in der Reihenfolge angegeben, wie sie auf der Linie 2 der Reederei angelaufen wurden: von Europa über Südafrika nach Australien. Sydney war die „Endhaltestelle“. Von dort ging es zurück über Süd- und Westaustralien, also Port Adelaide und Fremantle nach Batavia (Jakarta).

Anmerkung: In Klammern habe ich die heute gültigen Namen der Städte gesetzt.

Die weiteren Häfen auf Java waren Samarang (Semarang), Soerabaya (Surabaya) und Tjilatjap (Cilacap). Anschließend liefen die Schiffe in die beiden britischen Besitzungen, die Strait Settlements Singapur und Penang auf der Malayischen Halbinsel und von dort an die indische Malabarküste nach Cochin (Kochi). Zu Cochin siehe: Das Dampfschiff „Fürth“ an der indischen Malabarküste

Suez (Sues) und Port Said schließlich sind die beiden Endpunkte des Suezkanals, bevor Marseille der erste europäische Hafen auf der Rückreise war (in der Tabelle wird die englische Schreibweise Marseilles verwendet).

Durch den Umweg über Südostasien wuchs die Entfernung zwischen Sydney und Hamburg auf 15335 Seemeilen an. Auf der Hinreise waren es dagegen „nur“ 13910 Seemeilen, obwohl die Reise um den Afrikanischen Kontinent herumlief.

Eine andere Tabelle (Linie 1) weist für die direkte Rückreise von Sydney über Colombo nach Hamburg eine Entfernung von 12790 Seemeilen aus (siehe Abbildung).

Distances in nautical miles, Europe, Australia

Entfernungstabelle Linie 1 aus: Handbuch of the Deutsch-Australische Dampfschiffs-Gesellschaft, Hamburg, for Australia and New Zealand, 1914; State Library of New South Wales, Sydney

Nah und fern

Die kürzeste Entfernung in der Tabelle ist die von Suez nach Port Said mit 87 Seemeilen, was der Länge des Suezkanals zur damaligen Zeit entspricht (genau waren es 87,7 Seemeilen oder 162,5 Kilometer).

Die weitesten Distanzen, die das Schiff zwischen zwei Häfen ohne Landberührung zurücklegte, waren die Strecke Antwerpen – Kapstadt (6250 Seemeilen) und East London (Südafrika) nach Fremantle (Westaustralien, 4320 Seemeilen).

In Zeit ausgedrückt dauerte die Reise von Antwerpen nach Kapstadt etwa 3 ½ Wochen, die von East London nach Fremantle rund 2 ½.

Es kam aber auch vor, dass die Strecke Antwerpen – Fremantle (oder Melbourne) nonstop zurückgelegt wurde. Die Mannschaften blieben dann sechs Wochen oder mehr ohne Landberührung (und ohne Nachrichten, wenn keine drahtlose Telegrafie an Bord war – heute unvorstellbar!).

United Tyser Line

Interessant finde ich auch die Tabelle der United Tyser Line, einer Gemeinschaftslinie aus DADG, DDG Hansa (Bremen) und der Tyser Line Ltd. (London). Von New York nach Sydney (über Südafrika) legten die Frachtdampfer eine Strecke von 14010 Seemeilen, knapp 26000 Kilometer zurück. Nicht in der Tabelle verzeichnet ist Durban in Südafrika, ein Hafen der zwischen New York und Fremantle zur Aufnahme von Bunkerkohlen angelaufen wurde.

United Tyser Line, distances

Entfernungstabelle United Tyser Line aus: Handbuch of the Deutsch-Australische Dampfschiffs-Gesellschaft, Hamburg, for Australia and New Zealand, 1914; State Library of New South Wales, Sydney

Zurückgelegte Gesamtdistanz

Für das Dampfschiff „Fürth“ habe ich versucht, die zurückgelegten Seemeilen abzuschätzen, die das Schiff von der Jungfernfahrt im August 1907 bis zum Ersten Weltkrieg bei der Festsetzung in Colombo (August 1914) zurückgelegt hat.

Allein sechsmal bediente das Schiff die in der Entfernungstabelle angegebene Linie 2.

Bei insgesamt fünfzehn durchgeführten Reisen komme ich an Hand der Entfernungstabellen und mit zusätzlicher Ergänzung einiger Strecken durch die Internetseite searoutes.com auf etwa 425 000 Seemeilen oder 787 000 Kilometer.

Zurück zu eingangs erwähnter Strecke: die Distanz von Hammerfest nach Malaga hätte das Schiff in den sieben Jahren insgesamt mehr als 142-mal zurückgelegt.

Anders ausgedrückt hat die „Fürth“ in dieser Zeit die Erde über neunzehnmal umrundet.

Auf das Kalenderjahr gerechnet gibt das eine Fahrdistanz des Dampfschiffes „Fürth“ von 61 000 Seemeilen oder 112 000 Kilometern.

Bei einer angenommenen Durchschnittsgeschwindigkeit von 10,5 Knoten dürfte das Schiff im Schnitt somit rund 242 Tage pro Jahr auf See gewesen sein.

Wenn man bedenkt, dass das Be- und Entladen vor Erfindung des Containers eine aufwändige Angelegenheit war, ist das eine gute Auslastung.

steam ship Furth, 10th travel to Australia

Beispiel für eine Linienfahrt der „Fürth“ auf der Linie 2 der Deutsch-Australischen Dampfschiffs-Gesellschaft; eigene Tabelle; jedes Datum ist durch mindestens eine Zeitungsmeldung belegt

Zuverlässige Dampfmaschine

Die Maschinisten der „Fürth“ müssen gute Arbeit geleistet haben, denn in den sieben Jahren ist kein einziger Maschinenschaden dokumentiert, zumindest keiner, der eine lange Verzögerung bedeutet hätte und eine Meldung in den damaligen Tageszeitungen wert gewesen wäre.

SS Great Britain Bristol, engine room

SS Great Britain, Maschinenraum, Bristol (England), eigene Aufnahme Februar 2019

Allgemeine Gültigkeit

Die vorgestellten Werte dürften ein Durchschnitt gewesen sein, der für alle anderen Schiffe der Reederei ebenfalls Gültigkeit hat. Die Höchstgeschwindigkeit der Schiffe lag sehr einheitlich zwischen 11,5 und 12,5 Knoten (21,30 -23,15 km/h).

Mit einer Maschinenleistung von 2200 PS lag die „Fürth“ zu Beginn des Jahres 1914 bereits am unteren Ende der Skala aller eingesetzten Schiffe, neuere Frachtdampfer ähnlicher Baugröße hatten bereits 3100 PS, die großen Schiffe bis zu 4500 PS.

Auch alle anderen Frachtschiffe der großen deutschen Reedereien im Überseeverkehr (HAPAG, Norddeutscher Lloyd, DDG Hansa oder Hamburg Süd) dürften um das 1910 auf ähnliche Werte gekommen sein.

Für Kombi- oder Passagierschiffe galten andere Werte, diese Schiffe waren deutlich schneller unterwegs und konnten dementsprechend größere Distanzen bei gleicher Fahrzeit zurücklegen.

shipping review 1912

Shipping Review, Daily Commercial and Shipping News, Sydney 31.12.1912

Von der Tageszeitung zum Live-Tracking

Vor dem Ersten Weltkrieg waren Tageszeitungen für ein breites Publikum die einzigen Nachrichtenquellen, um zu erfahren, wo sich ein Schiff gerade aufhielt, beziehungsweise am Tag oder an den Tagen zuvor aufgehalten hatte. In den Zeitungen der großen Hafenstädte nahmen diese Meldungen durchaus eine ganze oder sogar mehrere Seiten ein. Zwei Beispiele sind abgebildet.

Heute können Sie den weltweiten Schiffverkehr live von zu Hause aus mitverfolgen. Wenn Sie zum Beispiel Apps oder Homepages von MarineTraffic oder ShipFinder ansehen, bekommen Sie einen Eindruck vom globalen Schiffsverkehr.

Schiffsmeldungen Tageszeitung 1913, Beispiel

Suchbild: In welchem Hafen ist die „Fürth“ am 6. November 1913 angekommen? Schiffsmeldungen, Ausschnitt, De Maasbode, Rotterdam, 7. Nov 1913 (Abendblatt, 2. Ausgabe)

German Australian Line 1890 advertisement

Aus der Anfangszeit der Deutsch-Australischen Dampfschiffs-Gesellschaft

Titelbild: Anzeige der Deutsch-Australischen Dampfschiffs-Gesellschaft, Hamburg in The Australian Handbook (incorporating New Zealand, Fiji, and New Guinea) and Shippers’ and Importers’ Directory for 1890; Gordon & Gotch London, 1890; https://nla.gov.au/nla.obj-2954237316/view?sectionId=nla.obj-2956050287&partId=nla.obj-2954262336#page/n24/mode/1up

Auf dem Zwischendeck nach Australien

Die abgebildete Anzeige der Deutsch-Australischen Dampfschiffs-Gesellschaft (DADG) stammt aus der Frühzeit der Reederei. Sie erschien im Handbuch für Australien in der Ausgabe des Jahres 1890.

Im Sommer zuvor, genau am 24. Juli 1889 hatte die junge Reederei ihre Fahrten nach Australien aufgenommen. Mit sieben Dampfschiffen sollten vierwöchentliche Abfahrten von Hamburg und Antwerpen nach Adelaide, Melbourne und Sydney gewährleistet werden.

Nach einigen Anfangsschwierigkeiten, auf die wir gleich noch zurückkommen werden, gelang es der DADG eine feste Größe im Australienverkehr zu werden und ihre Flotte nach und zu ergänzen und weitere Häfen als direkt angefahrene Fahrtziele aufzunehmen.

Passagierfahrt

In den ersten Jahren hatte die DADG neben dem Frachtverkehr auch sogenannte Zwischendeckspassagiere als Zielgruppe, denen eine günstige Fahrt nach Australien angeboten wurde.

Der Personenkreis, die im Zwischendeck reisten, bestand in der Regel aus Auswanderern, die eine möglichst preiswerte Überfahrt und keinen Komfort suchten beziehungsweise diesen sich auch nicht leisten konnten.

Carrying only steerage passengers, berthed in the poop; fitted with all modern appliances, electric light, bath-rooms; also special arrangements for proper ventilation, &c.

Separate compartments for females and families.

Für die Rückreise von Australien wurde das Zwischendeck umgerüstet und für Fracht genutzt.

Fahrpreise

In der Anzeige wird die Schiffspassage von London mit einem Preis von dreizehn Pfund und dreizehn Schillingen beworben. Das war ein attraktiver und konkurrenzfähiger Tarif.

Zum Vergleich: Eine Fahrt mit der renommierten Peninsular & Oriental Line von London nach Melbourne lag bei etwa £ 55-70 in der ersten Klasse, £ 30-37 in der zweiten Klasse und im Zwischendeck bei £ 18-22.

Andere Reedereien boten die Überfahrt nach Melbourne im Zwischendeck für zirka £ 14-16 an, sowohl auf Dampf- als auch auf Segelschiffen.
Quelle: Handbook to the Colony of Victoria, Henry Heylyn Hayter, Melbourne, 1891, National Library of Australia.

steerage passengers on a steamer about 1905

Zwischendeckspassagiere an Deck eines Dampfschiffes um 1905; Quelle: Library of Congress; https://www.loc.gov/resource/cph.3b06393/

Under Contract with the Belgian Government

In der Anzeige stellt die DADG heraus, dass sie einen Vertrag mit der belgischen Regierung hatte. Die junge Reederei warb so bei ihren potentiellen Kunden um Vertrauen. Dahinter standen jedoch andere Beweggründe:

“Um in Antwerpen festen Fuß zu fassen und auch leichter einen guten Ladeplatz am Scheldekai zu erhalten, erschien es empfehlenswert, mit der belgischen Regierung zu einer Vereinbarung zu kommen, dabei möglichst auch eine Ermäßigung der hohen Antwerpener Kosten zu erreichen.“
Quelle: Harms (1933)

Sieben Schiffe

Bei einer Reisezeit von zirka fünf Monaten und einer notwendigen Liegezeit im Heimathafen Hamburg war eine Anzahl von sieben Schiffen notwendig, um vierwöchentliche Abfahrten zu garantieren.

Dazu hatte man die Schiffe, die nach deutschen Industriestädten benannt wurden, bei deutschen und britischen Werften bestellt:

„Barmen“ (Armstrong Mitchell, Newcastle upon Tyne)
„Chemnitz“ (Alexander Stephen and Sons Ltd., Glasgow)
„Elberfeld“ (Armstrong Mitchell, Newcastle upon Tyne)
„Erlangen“ (Blohm & Voss, Hamburg)
„Essen“ (Flensburger Schiffbau Gesellschaft)
„Solingen“ (Reiherstiegwerft, Hamburg)
„Sommerfeld“ (Charles Connell and Company, Glasgow)

Die Fertigstellung der Schiffe erfolgte zwischen Juni und Dezember 1889. Sie hatten alle eine Tragfähigkeit von etwa 3500 Bruttoregistertonnen und machten 10 – 10,5 Knoten maximale Fahrt. Zur Unterstützung ihrer Dampfmaschinen waren alle Schiffe noch mit Schonerbesegelung ausgestattet, die die Dampfer vor allem auf den langen Fahrten durch den Indischen Ozean unterstützen sollten.

In der Anfangszeit ging die Fahrtroute durch den Suezkanal. Ab 1891 wurde auf der Hinfahrt die Route um das Kap gewählt, um die hohen Kanalgebühren zu sparen. Siehe dazu auch: Der Suezkanal-Messbrief des Dampfschiffes „Fürth“

Dampfschiff Elberfeld 1889

Dampfschiff „Elberfeld“, das erste Schiff der DADG wurde von Armstrong Mitchell & Co. in Newcastle upon Tyne (Nordostengland) gebaut und am 24. Juni 1889 an die Reederei abgeliefert; Quelle: Deutsch-Australische Dampfschiffs-Gesellschaft, Hamburg, Otto Harms, 1933

Misslungene Jungfernfahrt

Allerdings hatte die junge Reederei mit einigen ihrer Schiffe wenig Glück und die erste Fahrt ging gleich richtig daneben:

Ursprünglich war die erste fahrplanmäßige Abfahrt mit dem Dampfer „Elberfeld“ von Hamburg am 29. Mai 1889 vorgesehen und angekündigt worden. Das Datum war dann auf den 26. Juni und später nochmals auf den 24. Juli verschoben worden, da das Schiff nicht rechtzeitig fertig geworden war. Der Dampfer war nicht wirklich ausgelastet, brachte der Reederei aber eine erste gute Einnahme.

„Elberfeld“ „erhielt 1730 Tonnen Maß- und 1619 Tonnen Schwergut, 30 Auswanderer und besegelte damit rund M 114.000,- Fracht- und Fahrgelder. Etwa 11 bis 12 000 Kubikfuß Raum waren frei geblieben.“ (Harms, 1933)

Auf der Fahrt selbst gab es weitere Verzögerungen:

„Elberfeld“ verließ Antwerpen am 1. August 1889, „brach nach einigen Tagen alle Schraubenflügel und wurde in Lissabon eingeschleppt.“ (gleiche Quelle)

Der Dampfer „City of Edinburgh” der City-Line war dem unglücklichen Schiff der DADG zu Hilfe gekommen. Zudem konnte der Schaden in Lissabon nicht repariert werden, weshalb die Reederei in Liverpool den leistungsfähigen Schlepper „Blackcock“ engagierte, der „Elberfeld“ nach Cardiff brachte.

Damit nicht genug:

„Nach Ueberführung nach Cardiff, wo neue Flügel aufgesetzt worden waren, brach auf der Weiterreise wieder ein Flügel und ab Port Said mußte mit verminderter Kraft gefahren werden. Zeitverlust 40 Tage.“ (gleiche Quelle)

Statt 10 Knoten machte das Schiff durch den Indischen Ozean nur noch 8 Knoten, so dass die Ankunft in Melbourne erst am 24. Oktober 1889 um 10 Uhr vormittags erfolgte.
Quelle: The Sydney Morning Herald vom 25. Oktober 1889, trove.nla.gov.au

Damit war „Elberfeld“ lange drei Monate unterwegs gewesen.

Dampfschiff Solingen (1) 1889

Dampfschiff „Solingen“, Bleistiftzeichnung von Allan C. Green; Quelle: State Library Victoria, Melbourne, Ref. H92.299/79; gemeinfrei

Weitere Verzögerungen

Auch die zweite Abfahrt konnte nicht wie angekündigt am 21. August erfolgen. Wieder gab es beim Schiff Lieferverzögerungen, so dass die zweite Abfahrt dann erst am 18. September 1889 mit dem Schiff „Essen“ erfolgte. Diese Reise verlief gut, die Ankunft in Adelaide war am 15. November 1889.

Anschließend konnte der Fahrplan regelmäßiger bedient werden, wenngleich sich einige der geplanten Abfahrten um wenige Tage verzögerten.

Schwere Anfangszeit

In der Folgezeit entwickelte sich der Australienverkehr der DADG gut, jedoch sollten einige Rückschläge die Anfangsjahre der Reederei bestimmen.

„Erlangen“, zur Jungfernfahrt am 16. Oktober 1889 aufgebrochen, ging bereits am 20. August 1894 verloren, nachdem der Schraubendampfer auf der Rückreise von Australien in der Inselgruppe der Malediven auf ein Riff gelaufen war und verloren gegeben werden musste.

„Elberfeld“ und „Barmen“ erwiesen sich von den Betriebskosten auf den langen Fahrten so ungünstig, dass sie ebenfalls im Jahr 1894 wieder abgegeben wurden. Sie waren danach bei der HAPAG auf der vergleichsweise kurzen Atlantikfahrt als „Hercynia“ und „Bolivia“ im Einsatz.

Alle drei Schiffe wurden von der DADG durch Neubauten ersetzt.

Ende des Passagiergeschäfts

Während die DADG mit dem Frachtgeschäft gute Einnahmen erzielte, blieb das Passagiergeschäft hinter den Erwartungen zurück:

Im ersten Geschäftsjahre ging es am besten. Die 13 Schiffe erzielten einen Durchschnitt von 91 Fahrgästen, im zweiten 68, im dritten 54. Die Poop der Dampfer ist kaum je voll ausgenutzt gewesen und die Höchstzahl war 155.
Quelle: Harms (1933)

Dabei hatte man sich einen erfahrenen Partner ins Boot geholt:

„Für die Werbung von Auswanderern von England wurde die Firma Smith, Sundius & Co. in London zu General-Agenten ernannt.“
Quelle: Harms (1933)

Smith, Sundius & Co. war eine bekannte Auswandereragentur, die unter anderem auch für die Hamburg-Amerikanische Packetfahrt-Actien-Gesellschaft (HAPAG) tätig war. Das Unternehmen hatte Büros in London, Plymouth und Southampton.

steerage passengers about 1910

Zwischendeckspassagiere auf dem Vordeck von „Friedrich der Große“; Quelle: Library of Congress; https://www.loc.gov/resource/ggbain.27110/

1894 beschloss die DADG, die Passagierfahrt aufzugeben.

Zum einen waren die Auswandererzahlen nach Australien rückläufig, zum anderen hatte man sich durch übertriebene Sparsamkeit einen schlechten Ruf erworben, der die Auslastung der Schiffe durch Fahrgäste zusätzlich zurückgehen ließ.

Der Schiffshistoriker Schmelzkopf fand dafür klare Worte:

„Was jedoch in Hamburg einmalig war, war die miserable Verpflegung, die selbst den Passagieren geboten wurde. So wurde – man sprach auch in Hamburg noch weitgehend englisch – aus „German-Austral-Line“ schnell „German-Austerity-Line“ (Deutsche Armuts-Linie), die Schiffe als „poor mens ships“ und die Kapitäne als Geizkragen schlimmster Sorte verrufen.“
Schmelzkopf (1984), Deutsch-Australische Dampfschiffs-Gesellschaft Hamburg 1888-1926; Cuxhaven (Eigenverlag).

Ab 1894 konzentrierte sich die DADG auf das Frachtgeschäft. Eine erfolgreiche Strategie, die die Hamburger bis 1914 bis zur fünftgrößten deutschen Reederei machte.

Überlegen Sie, wer die größten vier Reedereien waren! Die Auflösung steht unter der Abbildung des Plakates.

German Australian Line, poster, 1891/1892

Plakat der Deutsch-Australischen Dampfschiffs-Gesellschaft aus dem Jahr 1891 oder 1892, eigene Sammlung

Der erste Platz unter den deutschen Reedereien gehörte unangefochten der HAPAG, der zweite ebenso souverän dem Norddeutschen Lloyd in Bremen. Dahinter kam die DDG Hansa in Bremen und auf Platz vier Hamburg-Süd. Die Zahlen dazu finden Sie hier:
Die Flotte der Deutsch-Australischen Dampfschiffs-Gesellschaft 1914

durban 1919 kursk

Abschiebung aus Australien – Ein Tagebuchbericht (Teil 2 von 2)

Titelbild: Landgang der Gefangenen und Gefangene an Bord der „Kursk“ in Durban, Juni 1919, Fotograf Karl Lehmann, National Library of Australia, trove.nla.gov.au

Die Fahrt Friedrich Meiers auf der „Kursk“
(Teil 2: Von Durban nach Hause)

Der Artikel stellt den zweiten Teil des Tagebuches des Schiffsingenieurs Friedrich Meier vor, in dem er seine Fahrt auf dem Dampfschiff „Kursk“ dokumentiert.

Zum ersten Teil des Tagebuches geht es hier:
Abschiebung aus Australien – Ein Tagebuchbericht

Meier schildert darin die lange Zeit des Wartens im australischen Lager Holsworthy nach Ende des Ersten Weltkrieges, bis die Transportschiffe endlich organisiert waren, die die Deustchen nach Hause bringen sollten. Weiters berichtete er über die Reisevorbereitungen und schließlich über den Transport auf der „Kursk“ von Sydney nach Durban (Südafrika).

Auf der Reise durch den stürmischen Südatlantik war an Bord unter den dicht gedrängt Reisenden die Spanische Grippe ausgebrochen und hatte 20 Todesopfer gefordert. 18 von ihnen wurden dem Meer übergeben, zwei, die kurz nach der Ankunft in Durban gestorben waren, wurden dort beerdigt.

Jetzt übergebe ich das Wort wieder an Friedrich Meier, der uns berichtet, wie der weitere Aufenthalt der „Kursk“ in Durban verlaufen ist:

Am 24.6. verholte der Dampfer an den Kohlenpier an der Südseite des Hafens (Bluff Wharf). Morgens und nachmittags wurden wir unter Bewachung an Land geführt.

Am folgenden Tage, den 25.6.19 wurde das Schiff mit Formalin ausgeräuchert. Während dieser Zeit wurden wir ½ Std. weit um die Landzunge Bluff Point herum an den Meeresstrand geführt, wo wir von 9 a.m. bis 4 ½ p.m. verblieben. Als Mittagessen erhielt jeder ein paar belegte Brötchen mit. Am 26.6. wurden wir nochmals an Land geführt. Die Verheirateten mit ihren Frauen u. Kindern wurden an beiden Tagen nach Salisbury Island, einer Insel im Hafen, gebracht. 20 Schwerkranke wurden an Land in ein Isolier-Hospital gebracht. Es waren Teschner, Arpe, Capt. Möller, Eckhoff, Brinke (Prinke?), Bähr, Elmenhorst, E. Meier, Simon, Großholz, Giese, Hartraht, Karcher, Lahrmann, Lemke, Lorentschk, Drews, Traub, Grundig, von Pavel. Von diesen starb später noch Teschner.

Es waren also 19 Deutsche und 1 Australier der Grippe zum Opfer gefallen. 20 Kranke mußten wir in Durban zurücklassen, von denen einer starb.

durban june 1919 bluff point beach

Deutsche Gefangene am Strand beim Bluff Point in Durban am 25. Juni 1919; Fotograf Karl Lehmann, National Library of Australia, trove.nla.gov.au, Referenz PIC/13631/433 LOC Album 1146

Die übrigen wurden mit dem 7 Wochen später kommenden 3. Transporter „Trasosmontes“ (Bülow) in die Heimat geschafft. Die Ärzte an Bord waren auch krank geworden und blieben in Durban zurück, ebenso eine Anzahl austral. Soldaten von der Wache.

Anmerkung: „Bülow“ war ein Schiff des Norddeutschen Lloyd Bremen, das bei Ausbruch des Krieges im noch neutralen Portugal Schutz gesucht hatte und dann nach der Kriegserklärung Deutschlands am 9. März 1916 an Portugal von diesem übernommen wurde und den neuen Namen „Tras-os-Montes“ erhielt. Zu diesem Thema siehe: Das Dampfschiff „Fürth“ in Lissabon

Wir bekamen für die weitere Reise einen Arzt aus Südafrika mit.

Am Sonnabend, den 28.6.1919, um 830 a.m. verließen wir den Hafen von Durban.

Am 30.6. passierten wir Kapstadt.

Während des weiteren Verlaufs der Reise traten keine Grippe-Erkrankungen mehr auf.

Am 15. Juli passierten wir Teneriffa (Santa Cruz 630 a.m.). Am 18.7. um 400 p.m. waren wir querab von Kap Finisterre.

Heimkehrer ohne Gepäck

Als wir einige Tage von Sydney fort waren, stellte es sich heraus, daß nicht alles Gepäck mitgekommen war. Zwei Eisenbahnwagen hatte man einfach zurückgelassen u. zwar voll mit Freigepäck (84 lbs).

Es wurde drahtlos angefragt und von Durban aus telegraphiert, schließlich erhielten wir die Nachricht daß das Gepäck sofort nachgeschickt werden solle, wenn 250 £ Sterling in Fracht an Bord eingezahlt würden, was wir natürlich nicht konnten. In Plymouth erhielten wir jedoch ein Telegramm, daß dies Gepäck am 9.7.19 mit dem „Trasosmontes“ abgeschickt worden sei.

Das Essen an Bord war ziemlich knapp, es gab engl. Rationen. Wer sich nichts aus der Kantine zukaufen konnte, mußte regelrecht hungern.

Am 19.7., 900 p.m. passierten wir Ushant und am Sonntag den 20. Juli 1919, 830 a.m. liefen wir in den Hafen von Plymouth ein.

Anmerkung: Ushant ist der englische Name der französischen Bretagne-Insel l’île d’Ouessant.

Ushant, creach lighthouse 1883

Phare de Créac’h auf der bretonischen Insel Ouessant, 1883, Quelle : commons.wikimedia, Datei : Phare du Creac’h d’Ouessant (10968814023).jpg

Nachmittags um 400 verließen wir Plymouth, am folgenden Morgen um 1030 waren wir auf der Höhe von Dover, und am Dienstag, den 22. Juli 1919 um 700 Uhr morgens waren wir in Rotterdam.

Durch Sammlungen an Bord hatten wir im Laufe der Reise folgende Gelder aufgebracht und verausgabt: für Backschaft (Essgeschirr aufwaschen, Zwischendecks, Waschhäuser und Latrinen reinigen) 265 £ Sterling. Für die Krankenpflege und -kost: 147 £ Sterling.

Die Waschgelegenheit an Bord war den Verhältnissen entsprechend knapp. Morgens war das Frischwasser von 6 1/2 – 8 und nachmittags von 4 bis 5 Uhr angestellt, sodaß sich kaum alle waschen konnten. Zeugwäsche durfte man nur Donnerstags machen.

Während der Reise wurden oft Bootsmanöver veranstaltet und in der Gefahrzone (europäische Gewässer) waren die Boote stets ausgeschwungen u. klar zum Niederlassen. Die letzten 4 Tage mußte jeder seinen Rettungsgürtel stets bei sich haben, wegen der Minengefahr.

Im engl. Kanal wurden zwei der ausgelieferten deutschen U-boote an uns vorübergeschleppt, ein Anblick, der uns sehr nahe ging (U 9 und U 79).

Wir sahen auch eine Anzahl der ausgelieferten deutschen Handelsschiffe, welche die Flagge des Völkerbundes, blau-weiß-blau, führten.

Willochra, Rotterdam, 1919

Zeitungsartikel über die Ankunft der „Willochra“ und die erwartete Ankunft der „Kursk“ in Rotterdam; De Maasbode, 18. Juli 1919, S. 3; http://www.delpher.nl

Von Rotterdam nach Hause

Am 22. Juli 1919 in Rotterdam angekommen, gingen wir um 10 Uhr morgens von Bord und erhielten in einer Auswandererhalle Mittagessen. Nachher bekamen wir noch Kaffee u. Brot für die Reise und nachmittags um 320 Uhr fuhren wir mittels Sonderzuges ab über Utrecht, Arnhem, Zevenaar und Elten nach Wesel, wo wir um 1045 anlangten. Unterwegs erhielten wir an verschiedenen Stationen Brötchen, Kaffee, Zigarren u. Zigaretten u. Blumen und die Holländer zeigten sich sehr freundlich. In Zevenaar verließ uns die holländische Bewachung und wir waren wieder frei, nachdem wir 5 Jahre in Gefangenschaft geschmachtet hatten. Was für ein Gefühl das war, läßt sich kaum beschreiben.

In Wesel wurden wir mit Musik empfangen und marschierten unter ihrem Voranschritt nach der Clevertor-Kaserne. Dort erhielten wir Essen und Schlafgelegenheit umsonst, wer Geld hatte, konnte auch in der Stadt im Hotel wohnen.

Hier in Wesel sollten wir warten, bis unser Gepäck aus Rotterdam ankommt und dann mit Extrazügen weiterfahren.

Am 24. Juli kam unser Gepäck an, wir mußten es selbst ausladen und wieder einladen in den für Bremen bestimmten Wagen.

In Wesel erhielten wir vom Nordd. Lloyd einen Vorschuß von 300 M. Das engl. und austral. Geld konnten wir einwechseln zum Kurse von 65 M für 1 £ Sterling.da

Am 24.7., abends 845 Uhr verließen wir Wesel mit dem für Bremen und Hamburg bestimmten Sonderzuge. Nachts um 2 erhielten wir in Osnabrück belegte Butterbrote und Kaffee. Am 25.7., morgens 705 kamen wir in Bremen an, wo wir festlich empfangen wurden. Wir erhielten Brot u. Wurst u. Kaffee, sowie Zigarren, Blumen usw.

Mit dem 800 Zuge fuhr ich dann weiter nach Geestemünde.

Am 25. Juli 1919 war ich wieder zuhause in Lehe, Rutenbergstr 25 I.

Anmerkung: Geestemünde und Lehe waren 1919 eigenständige Städte. Durch ihre Vereinigung im Jahr 1924 entstand Wesermünde, das spätere Bremerhaven (ab 1947).

Bremerhaven, Stadtplan, 1901

Bremerhaven um 1901, Bibliograph. Institut, Leipzig; Quelle: https://de.wikipedia.org/wiki/Datei:Unterweserorte_um_1901.jpg

In den 1920er Jahren

Nach seiner Rückkehr kam Friedrich Meier gut durch die schwierigen Nachkriegsjahre. Sein Enkel erinnert sich. Die Abkürzung NDL steht für den Norddeutschen Lloyd in Bremen.

„In der Zeit nach der Ankunft ist es meinem Opa eigentlich relativ gut gegangen. Er wurde im August 1919 vom NDL entlassen und war dann bis Anfang Oktober 1919 arbeitslos. Da er vom NDL aber im August 1919 noch für 6 Monate Heuer ausbezahlt bekam konnte er die Zeit finanziell ganz gut überstehen. Ab Oktober konnte er dann für 6 Monate auf dem finnischen Dampfer Norge als Maschinist anheuern, der Lebensmittel von Kopenhagen nach Swinemünde bringen sollte. Dieses Schiff und seine drei Schwesterschiffe, alles ehemalige Minensuchboote, wurde aber schon nach kurzer Zeit nach Chile verkauft, so dass nach 6 Monaten wieder Schluss war.

Ab 1920 besuchte mein Großvater dann für zwei Semester die Schiffsingenieurschule in Bremerhaven, die er erfolgreich abschloss. Im Jahr 1920 stellte mein Großvater auch einen Antrag auf Entschädigung beim Bund der Auslandsdeutschen für die Kosten während der Internierung in Australien, die Anfang 1921 bewilligt wurde (1500 Mark plus Zinsen).

Direkt im Anschluss an die Schule bekam er 1921 wieder eine Anstellung beim NDL im Vorkalkulationsbüro. Ab Sommer 1922 übernahm er dann den Oelprüfraum. Diese Anstellung behielt er bis 1926, da der Oelprüfraum des NDL aufgrund von Sparmaßnahmen geschlossen wurde. Bekam aber die Möglichkeit in den fahrenden Dienst zu wechseln, was er zum 1.3.1926 tat. Von da an fuhr er bis Ende der 20iger Jahre als 4. und dann 3. Ingenieur auf den Dampfern Crefeld, Stuttgart, Derfflinger und Columbus.“

Columbus NDL um 1926

Dampfer „Columbus“, Norddeutscher Lloyd Bremen, um 1926; Quelle: Bundesarchiv_Bild_102-00912A,_Dampfer_“Columbus“.jpg über commons.wikimedia.org

Weitere Blogartikel über den Schiffsingenieur Friedrich Meier:

Gestatten: Meier, Friedrich Meier  mit seinem kompletten Lebenslauf

Friedrich Meiers Tagebücher in australischer Gefangenschaft:

1. Gefangenschaft in Melbourne, Meier konnte sich auf Ehrenwort (parole) frei in der Stadt bewegen: In australischer Gefangenschaft

2. Gefangenschaft im Langwarrin Internment Camp (Bundesstaat Victoria) von März bis August 1915: Deutsche Seeleute im Langwarrin Internment Camp

3. Überstellung in das Lager Hol(d)sworthy (Liverpool) bei Sydney (August bis Dezember 1915): Gefangen in Australien – das Liverpool Internment Camp

4. Friedrich Meier im Lager Trial Bay (Dezember 1915 bis Mai 1918):
Trial Bay Camp – Gefängnis am Strand (Teil 1 von 2)
und Das Trial Bay Internierungslager in New South Wales/Australien (Teil 2 von 2)

5. Zurück im Liverpool Internment Camp (Mai 1918 bis Mai 1919):
Im Lazarett – Tagebuch einer Operation im Jahr 1918 und
Tagebuch Friedrich Meier: Die letzten Monate im Holsworthy Internment Camp (NSW, Australien)

sowie: Der Schiffsoffizier Friedrich Meier – ein Nachtrag zu den Tagebucheinträgen

Copyright-Hinweis

Friedrich Meier starb am 7. November 1974 in Bremerhaven. Auf seinem Tagebuch ist daher ein Copyright, das bis Ende des Jahres 2044 fortbesteht.

Die Veröffentlichung der Tagebuchauszüge hier im Blog erfolgt mit freundlicher Genehmigung seiner Familie. Dafür auch an dieser Stelle herzlichen Dank.

Über die Aufnahmen Karl Lehmanns

Karl Lehmann, von dem einige Fotografien dieses Artikels stammen, war ein Kollege Friedrich Meiers. Lehmann war dritter Offizier auf dem Dampfer „Greifswald“ des NDL, der 1914 in Fremantle (Westaustralien) beschlagnahmt worden war. Von dem Hobbyfotografen stammen auch etwa 300 Aufnahmen des Gefangenenlagers auf der Insel Rottnest (Westaustralien). Siehe dazu den Artikel: https://frachtdampferfuerth.com/2021/01/30/rottnest-island-camp/

Kaiser Bill

Kaiser Bill

Titelbild: Der säbelschwingende Deutsche Kaiser („Kaiser Bill“) überzieht Europa mit Krieg; Karikatur aus der Boulevardzeitung Truth, Perth, 5. September 1914

Spott für den Kaiser und antideutsche Stimmung in Australien

Insgesamt waren zwischen 1788 und 1900 über 1 Millionen Menschen nach Australien gekommen. Die große Mehrheit von ihnen kam von den Britischen Inseln. Die anderen Europäer zusammen machten nicht mehr als etwa zehn Prozent der neuen Siedler aus.

Im Jahr 1900 stellten die Deutschen von diesen „anderen Europäern“ die größte Einwanderergruppe und im Jahr 1914 sollen etwa 100.000 Deutschstämmige in Australien gelebt haben. Zu diesem Zeitpunkt betrug die Gesamtbevölkerung Australiens etwa fünf Millionen Menschen.

Das respektvolle Miteinander zwischen der Mehrheit aus Australiern, die aus England, Irland und Schottland nach Australien gekommen waren und der deutschen Minderheit endete mit dem Ausbruch des Ersten Weltkrieges.

Australier deutschstämmiger Herkunft wurden zu Feinden (enemy aliens) erklärt und deutsche Schulen und Vereine geschlossen.

Australische Zeitung Adelaide

Australische Zeitung, Titel der letzten Ausgabe vom 15. März 1916; Quelle: National Library of Australia, trove.nla.gov.au

Verbannung der deutschen Sprache

Die deutsche Sprache wurde aus dem Unterricht staatlicher Schulen verbannt und auch die Australische Zeitung in Adelaide musste ihr Erscheinen mit ihrer letzten Ausgabe vom 15. März 1916 einstellen.

Das hatte der australische Minister für Landesverteidigung per Dekret beschlossen:

An unsere Leser!

„Befehl nach Paragraph 28 B der Kriegs-Vorsichtsmaßregeln 1915.

Da es nach meinem Dafürhalten im Interesse der öffentlichen Sicherheit und der Verteidigung der Commonwealth notwendig ist, die Veröffentlichung des als „Australische Zeitung“ bekannten Blattes zu verbieten, die oder ein Teil von welcher, in der deutschen Sprache gedruckt und die in Adelaide von Basedow, Eimer & Co. herausgegeben wird:
Verbiete ich, George Foster Pearce, Minister für Landesverteidigung hiermit die Veröffentlichung der genannten Zeitung nach dem kommenden 15. März, solange solche oder ein wesentlicher Teil derselben in der deutschen Sprache gedruckt wird.

Datiert, diesen elften Tag des Februar 1916.
Gezeichnet: G. F. Pearce,
Minister für Landesverteidigung.

An Herren Basedow, Eimer & Co.,
Office der „Australischen Zeitung“,
Adelaide, Südauftralien.“

Obiger Befehl spricht für sich selbst, und nehmen wir also mit tiefstem Bedauern hiermit Abschied von unseren Lesern. Gebe Gott, daß der Friede bald kommen möge, wann wir hoffen, allen Abonnenten ihre Zeitung wieder zustellen zu dürfen.
Basedow, Eimer & Co.

Australische Zeitung Adelaide

Australische Zeitung, Artikel „An unsere Leser“, letzte Ausgabe vom 15. März 1916; Quelle: National Library of Australia, trove.nla.gov.au

Wirtschaftsleben

Viele australische Unternehmen ohne deutsche oder deutschstämmige Beteiligung nutzen die Gunst der Stunde, ihre unliebsamen Konkurrenten zu diffamieren oder anzuschwärzen. Das ging durch alle Industriezweige.

Eine Branche, die traditionell viele Deutsche beschäftigt, ist das Brauereiwesen und so bewarb das Unternehmen Tucker & Co. in Sydney sein Foster’s Lager gegen die Konkurrenz mit folgender Anzeige:

Fosters advertisement 1915

Anzeige Foster’s Lagerbier in The Mirror of Australia, Sydney, So 17. Okt. 1915, S. 8; Advertising; Quelle: National Library of Australia; trove.nla.gov.au

Ortsbezeichnungen

Auch deutsche Ortsbezeichnungen wurden vielfach ersetzt. Insgesamt gab es während des Ersten Weltkrieges über 80 Umbenennungen. So erhielt der vielleicht bekannteste „deutsche“ Ort Hahndorf in Südaustralien den Namen Ambleside, den der bis in das Jahr 1935 trug, bevor er den alten Namen zurückerhielt.

Spottgedichte

Vor diesem Hintergrund änderte sich auch der Ton in den australischen Medien gegenüber dem Deutschen Reich, vor allem die Boulevardzeitungen schossen sich auf Kaiser Wilhelm II. ein und „The German Emperor“ oder „Emperor William of Germany“ erhielt stattdessen jetzt immer öfter den Spottnamen „Kaiser Bill“ (Billy ist eine Form von William, also Wilhelm). Ein Spitzname, der sich auch in anderen englischsprachigen Ländern immer größerer Beliebtheit erfreute.

Karikaturen von und Spottgedichte über „Kaiser Bill“ wurden vielfach abgedruckt und viele Zeitungen ermunterten auch ihre Leser, Spottgedichte einzusenden.

Hier ein Auszug aus dem Spottgedicht, das die Titelabbildung begleitete:


He’s posed indeed in manner grand,
And threatened Europe day by day,
He is a sort of firebrand
That must be squashed and brushed away:
The German nation is all right,
They’ve men just like the rest of us,
And with them we don’t want to fight
With cannon, gun, or blunderbuss;
It’s Kaiser Bill, as here you see,
Who’s causing all the gory strife,
And makes enlist both you and me,
And leave our kiddies and our wife.

Aus: Truth, Perth, 5. September 1914

Das Boulevardblatt Truth war der westaustralische Ableger einer auch in Sydney, Melbourne und Adelaide veröffentlichten Zeitung und erschien 1903 bis 1931.

Normalisierung der Beziehungen

Nach dem Ersten Weltkrieg sollte es lange dauern, bis die Vorbehalte gegen Deutsche und Deutschland wieder abgebaut wurden. Erst Mitte der 1920er Jahre hatte sich das Verhältnis zwischen Deutschen und Australiern normalisiert.

Die Rückbenennung ursprünglich deutscher Ortsnamen nahm mehr Zeit in Anspruch. Hahndorf hatte seinen Namen 1935 zurückerhalten. Bei einigen anderen allerdings dauerte die Wiederbenennung bis in die 1970er oder gar 1980er Jahre.

fruit shipping in australia about 1913

Obst aus Übersee

Über die Anfänge des Fruchtimports

Titelbild: Verladen von Frucht in Australien, Ansichtskarte der Deutsch-Australischen Dampfschiffs-Gesellschaft aus dem Jahr 1913, ungelaufen, eigene Sammlung

Äpfel, Birnen und Bananen

Der Transport von frischen Früchten über weite Strecken wurde im großen Maßstab erst durch die Entwicklung der Kühltechnik möglich. Parallel dazu musste der Transport schnell und verlässlich erfolgen. Eigenschaften, die erstmals die Dampfschifffahrt garantieren konnte.

In Deutschland wurde 1903 bei Blohm & Voss in Hamburg der erste HAPAG-Dampfer zum Kühlschiff umgebaut. Es war das Passagier- und Frachtschiff „Sibiria“.

Dann dauerte es allerdings weitere neun Jahre, bis der erste Neubau eines Kühlschiffes von einer deutschen Werft in Dienst gestellt wurde: ebenfalls ein HAPAG-Schiff, die „Carl Schurz“.

Andere Schiffe verfügten zu diesem Zeitpunkt zwar auch schon über Kühlräume, es handelte sich aber um Einbauten, die nur jeweils einen Teil des Laderaums umfassten (siehe unten).

Carl Schurz Kühlschiff

Das Fruchtschiff „Changuinola“ ex „Karl (Carl) Schurz“ der HAPAG, Baujahr 1912, Aufnahme aus dem Jahr 1914; http://www.naval-history.net/PhotoWW1-08amcChanguinola1PS.JPG

Anmerkung: Das Schiff hieß zunächst „Karl Schurz“. Carl Schurz, nach dem das Schiff benannt worden war, schreibt sich jedoch mit „C“. Im Jahr 1913 erfolgte dann die Korrektur.

Deutsch-Australische Dampfschiffs-Gesellschaft (DADG)

Das erste Schiff der DADG, das über eine Kühlanlage verfügte, war die 1905 in Dienst gestellte „Oberhausen“. Es sollten bei der DADG bis 1914 sechs weitere Schiffe mit Kühleinrichtungen folgen.

Es waren jedoch keine echten Kühlschiffe; sondern nur ein Teil des Laderaums verfügte über Kühlung.

Einerseits wollte die DADG zwar Kapazitäten für Fruchtverschiffer zur Verfügung stellen, andererseits war der Einbau der Kühlungen mit einem Verlust an Frachtraum verbunden. Außerdem war der Einbau recht kostenintensiv. Erschwerend kam hinzu, dass Frucht und Fleisch unterschiedliche Einrichtungen der Kühlräume verlangten.

So nahmen die Kühlräume jeweils nur einen Teil des Laderaums ein:

Für das Schiff „Adelaide“ ist die Größe des Kühlraums beispielsweise mit 100 000 Kubikfuß angegeben, was 1000 Bruttoregistertonnen entspricht. Bei einer Tonnage von insgesamt 5898 BRT waren also etwa 17 % des Laderaums gekühlt.

Adelaide ship 1911 German Australian Line

Der Frachtdampfer „Adelaide“ (1911), gebaut von der Flensburger Schiffbau-Gesellschaft, Aufnahme aus den Jahren 1911-1914; © R. Schmelzkopf, Deutsch-Australische Dampfschiffs-Gesellschaft, Hamburg 1888 – 1926, S. 30, Eigenverlag (Strandgut), Cuxhaven 1984.

Deichtormarkt und Fruchthof

Parallel zum Aufbau der Kühlschifffahrt wurden in Hamburg die Kapazitäten für den Umschlag an Frucht erhöht: Ab 1911 entstand ein neuer Großmarkt (Deichtormarkt). Im selben Jahr wurde das Kontorhaus Fruchthof am Oberhafen eröffnet.

Die Anlagen für die Fruchtzufuhr am Zentralmarkt.
Wie an der Ecke der Spalding- und Amsinckstraße in einem mächtigen Neubau die Zentralstelle für den Blumenhandel geschaffen ist, so wurde auch an der Ausmündung der Oberhafenstraße in die Bankstraße in dem Kontorhaus Fruchthof eine solche Zentralstelle für den Fruchthandel geschaffen.


Hamburger Anzeiger vom 21. Juli 1911

Nach der gleichen Quelle wurde auch eine neue Kaimauer an der Oberhafenstraße angelegt, der Schienenanschluss verbessert und ein Fruchtschuppen errichtet.

Port Adelaide about 1910 export of apples

Kontrolle und Verpackung von Äpfeln, Port Adelaide, Aufnahme um 1910; State Library of South Australia, Ref. B 22739

Äpfel und Birnen

Die DADG transportierte aus Australien Äpfel (und Birnen) nach Niederländisch-Indien und nach Europa. Auf den kurzen Transportwegen nach Niederländisch-Indien erfolgte das auch ungekühlt. Nach Europa hingegen war der Transport auf Schiffe mit Kühleinrichtung beschränkt.

Harms (1933) schreibt über den Erfolg der australischen Fruchtexporte:

„Die gute Stimmung hielt an, die australischen Fruchtverschiffer waren von Einrichtungen im Fruchtschuppen und der Art der Auktionen sehr befriedigt; sie ermöglichte ihnen genau zu verfolgen, welche Preise die einzelnen Sorten und Sendungen erzielten und gewannen damit nicht nur einen guten Ueberblick über die Geschmacksrichtung, sondern auch eine Kontrolle über die Preise ihrer eigenen Sendungen.“

Heute würde man das Marketinganalyse nennen. Im Prinzip gab es das auch schon vor über hundert Jahren, ohne dass der moderne Begriff dafür verwendet worden wäre.

Weiter heißt es bei Harms zu den Obstimporten:

„Das Geschäft entwickelte sich gut und Hamburg begann nicht nur das Inland und Hinterland, sondern auch viele nordische und Ostseehäfen mit zu versorgen. Im Mai 1910 sind rund 32 000 Kisten Aepfel und Birnen an einem Tage zu guten Preisen verkauft worden.“

Diese Lieferungen von der Südhalbkugel machten damit Äpfel und Birnen auch zu einer Jahreszeit verfügbar, in denen es vor Ort kein Angebot geben konnte, die Apfelernte ist schließlich erst im Spätsommer/Herbst.

apple packaging and grading about 1910

Lange Tische mit Äpfeln in einem Schuppen in Südaustralien, ev. beim Sortieren und Verpacken, Aufnahme ca. 1910; Quelle: Library of South Australia, Ref. [PRG 280/1/43/259]

Die erfreuliche Marktentwicklung veranlasste die DADG zu weiteren Investitionen und 1911 wurden zwei weitere Frachtdampfer mit über 100000 Kubikfuß (2830 m3) großen Kühlräumen in den Verkehr gebracht und ein dritter war bestellt:

„Die ersten beiden großen Dampfer („Adelaide“ und „Melbourne“) brachten volle Ladungen Frucht heran und an einem Tage sind 50 000 Kisten umgesetzt worden; ein Ereignis in diesem Geschäft.“

Vor dem Ersten Weltkrieg hatte die DADG auf sieben Schiffen eine Kühlraumkapazität von 700 000 engl. Kubikfuß für Frucht und für 725 000 engl. Kubikfuß für Fleisch (Harms 1933).

inspecting fruit 1912 melbourne

Kontrolle von Äpfeln für den Export, Staatliches Kühlhaus in Melbourne; National Museum Australia, https://collectionsearch.nma.gov.au/icons/images/kaui2/index.html#/home?usr=CE

Bananen

Andere Reedereien brachten Äpfel aus den USA sowie Zitrusfrüchte und Trauben aus Italien und Spanien nach Hamburg. Erste Bananenimporte stammten von den Kanarischen Inseln.

Mit Entwicklung der Kühlschiffe war der Weg frei für den Import von exotischen Früchten aus der Karibik und Mittelamerika, allen voran der Banane. Für deren Transport waren spezielle Schiffe konzipiert worden, die sogenannten „Bananendampfer“.

„Die Kultur der Banane ist zwar uralt, aber der Anbau zum Zweck der Ausfuhr in nordische Länder bedeutet eine Errungenschaft, die erst durch die Verbesserung der Verkehrsmittel neuester Zeit möglich war.“
Die Banane, Altonaer Nachrichten/Hamburger Neueste Zeitung, 24. Sep. 1913, S. 5

transporting bananas about 1918

Lastwagen mit Bananen der National Fruit Company (USA), 1918, Quelle: Library of Congress; https://www.loc.gov/resource/npcc.33409/

In Deutschland hatte die Banane ihren Siegeszug auf dem Fruchtmarkt im Jahr 1902 begonnen. Die ersten Stauden sollen allerdings nur schlecht abverkauft worden sein. Bald aber wurde die Banane eine Erfolgsgeschichte (zumindest aus europäischer und nordamerikanischer Sicht).

Die Anfänge des Imports waren noch bescheiden: 1911 kamen 745000 Bananenstauden aus Mittel- und Südamerika nach Deutschland, 1913 waren es 2 258 800.

Zu dieser frühen Zeit wurden Bananen noch in Stauden (Büschels) gezählt, bevor die Statistiken später wie für andere Güter auch auf Tonnen umgestellt wurden.

Angaben nach: Die PackEISwaffel: Von Gletschern, Schnee und Speiseeis, C. Reinke-Kunze: Springer Verlag Basel (1996); abgerufen über books.google.fr

Die Vorzüge der Banane wurden zwar schnell erkannt, jedoch war die Frucht vor dem Ersten Weltkrieg noch ein Luxusgut:

„Die Banane übertrifft an Nährwert andere Obstarten recht erheblich. Es ist daher nur zu wünschen, daß unsere Handelsgesellschaften es ermöglichen, den Preis noch weiter zu ermäßigen und die Banane zu einem den weitesten Volkskreisen zugänglichen Nahrungs- und Genußmittel zu machen.“
Die Banane, Altonaer Nachrichten/Hamburger Neueste Zeitung, 24. Sep. 1913, S. 5

santos 1914 bananas

Verladung von Bananen auf ein Frachtschiff, Santos, Brasilien, Stereoaufnahme 1914; Quelle: Library of Congress; https://www.loc.gov/resource/stereo.1s17571/

Unternehmensgründungen

Die neuen Marktchancen, die sich aus dem Fruchtimport ergaben, spiegelten sich in zahlreichen Firmengründungen wider.

Eine davon war die Elders & Fyffes Fruit Company mbH in Hamburg:

Bananen-Import.
Kürzlich ist in Hamburg die Elders & Fyffes Fruit Company m. b. H. mit einem nominellen Kapital von 500 000 Mk. eingetragen worden. Dies Unternehmen bildet einen Teil des großen amerikanischen Bananentrusts, der ‚United Fruit Company‘ in Boston, deren europäische Interessen von der Firma Elders & Fyffes Ltd. in London geleitet werden. Das amerikanische Unternehmen ist das größte dieser Art in der ganzen Welt. Sein Kapital beträgt 175 000 000 Mark. Ueber 100 Dampfer sind in seinem Dienst, und der Trust besitzt 181 786 Hektar Land, abgesehen von ausgedehnten Pachtungen in Westindien und Mittelamerika. Zur Bewirtschaftung seiner Bananen- und Obstplantagen sind 600 Kilometer Eisenbahn und 270 Kilometer Trambahn in Betrieb, und die Zahl der Pferde, Ochsen und Maultiere beträgt 21 657. Für das deutsche Geschäft werden jetzt vorläufig drei Dampfer gebaut, von denen jeder 70 000 Bananenbündel faßt; die Schiffe machen 15 Knoten, und es wird ein regelmäßiger vierzehntägiger Dienst stattfinden. Der Sitz des deutschen Geschäfts wird Hamburg sein, wo die notwendigen Bureau- und Lagerräume bereits gemietet sind.
Hamburger Anzeiger, 24. Nov. 1911; europeana.eu

Fyffes & Son. in London hatte 1888 begonnen, Bananen von den Kanarischen Inseln zu importieren.

1901 wurde dann durch Entwicklung von Kühlschiffen der Import von Bananen aus Westindien möglich und die Dampfschifffahrtsgesellschaft Elder Dempster Company Ltd. stieg in das Geschäft ein. Die neue Gesellschaft erhielt den Namen Elders & Fyffes.

elders and fyffes 1917

Elders & Fyffes Ltd., Anzeige aus dem Jahrbuch für Telefon und drahtlose Telegraphie 1917; Quelle: https://www.gracesguide.co.uk/Elders_and_Fyffes

1910 kam die Gesellschaft unter die Kontrolle der amerikanischen United Fruit Company, behielt aber ihre eigene Identität.

Die übermächtige United Fruit Company griff massiv in die Politik der Herkunftsländer in Mittelamerika ein. Der bis heute bekannte Begriff der Bananenrepubliken entstand daraus in den 1930er Jahren.

1969 wurde aus Elders & Fyffes die Fyffes Group.

Heute (2022) ist das Unternehmen ein weltweit führender Importeur tropischer Früchte und einer der größten Bananenimporteure Europas. Der Pro-Kopf-Verbrauch an Bananen in Deutschland liegt aktuell etwa bei 12 Kilogramm pro Jahr.

Nachdem ich keine esse, muss also irgendjemand anderer deutlich mehr verdrücken. Sie vielleicht?

Bananendampfer

„Golfito“, ein typischer weißer Bananendampfer von Elders & Fyffes, Aufnahme von 1950; Quelle: Grace’s Guide to British Industrial History; https://www.gracesguide.co.uk/File:Im1950v189-p064.jpg

Über Kühleinrichtungen auf DADG-Schiffen siehe auch den Blogartikel:
Hatte die Fürth eine Kühlanlage?

New Farm Wharf Brisbane 1912 - 1913

Grüße aus Brisbane

Titelbild: Frachtdampfer „Düsseldorf“ an der New-Farm-Wharf in Brisbane, Postkarte der Deutsch-Australischen Dampfschiffs-Gesellschaft, Hamburg, undatiert und ungelaufen, Aufnahme aus den Jahren 1912/1913; eigene Sammlung

Im Zeitalter Eduards VII.

Heute gibt es im Blog ein paar schöne historische Aufnahmen aus Brisbane, der drittgrößten Stadt Australiens.

Den Anfang macht eine Fotografie des Frachtdampfers „Düsseldorf“ an der New-Farm-Wharf.

Die „Düsseldorf“ war 1912 in Dienst gestellt worden. Über das Schiff hatte ich im Zusammenhang mit dem Aufnahmelager für gestrandete Deutsche in Barcelona berichtet. Hier war es kurz vor Ausbruch des Ersten Weltkrieges am 23. Juli 1914 angekommen und verblieb bis Kriegsende dort.

Hier geht es zum Artikel: Gestrandet in Barcelona

Die New Farm Wharf in Brisbane war 1912 ausgebaut worden und bot dem Überseeverkehr eine bessere Infrastruktur mit direktem Bahnanschluss.

NEW FARM WHARF.
ADDITIONAL IMPROVEMENTS.

Situated at the terminus of one of the tram services, the New Farm Wharf, recently constructed at considerable cost, has been well alvanized by vessels of various lines calling at Brisbane. The wharf is conveniently situated for the overseas trade, railway communication being obtained by the Bulimba branch line, two sets of rails running the entire length of the wharf in front of the commodious cargo sheds, while at the rear of the wool stores there is another set of rails, which allows wool to be transferred from railway trucks direct to the stores. The whole of the work in connection with the property is not yet completed, and it is only quite recently that a 6ft alvanized iron fence with massive gates was put up. At the present time the new wharf has a quay line of 800ft., but the demands made by shipping have been so great that the owners of the property, it is understood, have decided to extend the wharf to a total length of 1000ft. A feature in connection with the distribution of cargo from the wharf is the running of big motor lorries, seven of these vehicles being at present in use.
The Brisbane Courier, 30. Aug 1912, S. 6

South Brisbane Reach, about 1906

Kohlenanleger am South Brisbane Reach am Brisbane River; Postkarte, gelaufen im September 1906 von Wooloomin, einem Vorort von Brisbane nach Manchester, eigene Sammlung.

South Brisbane Reach

Ein anderes Schiff der Deutsch-Australischen Dampfschiff-Gesellschaft findet sich auf einer Postkarte des Kohlenanlegers im Brisbane River. Es ist einer der typischen „Zweischornsteiner“ der Meißen-Klasse.

Insgesamt zwölf Schiffe liefen nach diesem Baumuster bei der Flensburger Schiffbau-Gesellschaft vom Stapel: „Meißen“, „Elbing“, „Bielefeld“, „Varzin“, „Harburg“, „Itzehoe“, „Magdeburg“, „Kiel“, „Duisburg“, „Laeisz“, „Apolda“, „Rostock“ (in der Reihenfolge ihrer Inbetriebnahme).

Die Postkarte ist im September 1906 gelaufen, das Bild also älter (nach 1900) und zu diesem Zeitpunkt waren noch alle „Zweischornsteiner“ für die DADG in Fahrt. Es bleibt daher offen, um welches der Schiffe es sich handelt.

Eine etwa fünfzehn Jahre ältere Aufnahme zeigt eine ganz ähnliche Perspektive des gleichen Anlegers. Viel verändert hatte sich seitdem nicht.

North Quay

Mit der nächsten Aufnahme begeben wir uns ins Stadtzentrum von Brisbane, Ecke North Quay und Victoria Bridge.

Brisbane Victoria Bridge and North Quay

North Quay und Milton Reach, Brisbane, am linken Bildrand ist die Victoria Bridge zu sehen; Postkarte, gelaufen (Poststempel unleserlich), ca. 1900 – 1914, eigene Sammlung.

Die Victoria Bridge aus dem Jahr 1897 war die zweite permanente Brücke an dieser Stelle. Die erste eiserne Brücke aus dem Jahr 1874 war bei der großen Überflutung Brisbanes im Jahr 1893 zerstört worden.

Die Brücke hatte zwei getrennte Fahrbahnen und auf den Seiten jeweils einen Fußweg. Sie musste erst 1969 einer leistungsfähigeren Brücke Platz machen.

Unten rechts im Bild das New Olympia Theater mit West’s Pictures. Hier konnten die Einwohner Brisbanes regelmäßig neue Filme bestaunen.

Die Zeit der elektrischen Straßenbahnen in Brisbane fällt übrigens genau mit der Lebensdauer der abgebildeten Victoria Bridge zusammen. Erste elektrische Trams fuhren 1897 und die letzten wurden im Jahr 1969 aus dem Verkehr gezogen.

Heute ist an dieser Stelle ein vielspuriger Verkehrsknotenpunkt. Den Charme, den der Platz im Zeitalter Eduards VII. innehatte, wird man vergebens suchen.

Victoria Bridge Brisbane

Brisbane, Victoria Bridge, 1906; Quelle: John Oxley Library über https://commons.wikimedia.org/wiki/File:BrisbaneCombinationTramVictoriaBridge1906.jpg

Nachtrag – Das Dampfschiff „Fürth“ in Brisbane

Der Frachtdampfer „Fürth“, ein Schiff der Deutsch-Australischen Dampfschiffs-Gesellschaft Hamburg, war auf seinen Australienreisen dreimal in Brisbane:

Das erste Mal auf der elften Australienfahrt vom 26. – 29. Mai 1912, dann direkt wieder auf der 12. Fahrt vom 22. – 24. November 1912 und ein letztes Mal auf der 15. und letzten Fahrt vom 5. bis 10. Juli 1914.

Von der letzten Fahrt ist das Logbuch erhalten. Die Einträge zu Brisbane finden Sie hier:

Die „Fürth“ in Brisbane (Tagebuch, Folge 14)

Wool train Sydney 1901

Der Weg der Wolle

Titelbild: Vollbeladener Zug mit Wollballen in Sydney, Postkarte der Deutsch-Australischen Dampfschiffs-Gesellschaft, 1913, ungelaufen, eigene Sammlung

Eindrucksvolle Bilder vom Wolltransport

Der Transport von Wolle von Australien nach Kontinentaleuropa gehörte zum Kerngeschäft der Deutsch-Australischen Dampfschiffs-Gesellschaft (DADG).

So wurden im Geschäftsjahr 1908/1909 allein von dieser Reederei 196.847 Ballen Wolle von australischen Häfen nach Europa transportiert. Als zweite deutsche Reederei hatte der Norddeutsche Lloyd Bremen fast das gleiche Frachtaufkommen. Mit 190.954 Ballen lag die transportierte Menge nur geringfügig darunter.

Damit hatten die beiden deutschen Reedereien über 30 % Marktanteil am Gesamtvolumen des Wolltransports von Australien nach Europa.

Um die Zahl von 196.000 Ballen Wolle besser einordnen zu können: Das Dampfschiff „Fürth“ hatte im November/Dezember 1912 eine Einzelladung von etwa 13.500 Ballen mit etwas Beifracht nach Antwerpen und Hamburg transportiert:
Ein Nilpferd und viel Wolle

Das Hauptaugenmerk der DADG lag immer darauf, während der Wollsaison genügend Raum für diese Heimfahrten nach Europa zu haben, auch wenn dafür Schiffe unter Ballast oder mit wenig Fracht nach Australien geschickt werden mussten.

„Wir sind aber immer darauf bedacht gewesen, reichlich Schiffsraum hinauszulegen, um in der Wollezeit besonderen Anforderungen genügen zu können. So hatten wir schon 1908 außer den in der regelmäßigen Fahrt befindlichen Schiffen folgende Nebendampfer für die Wollezeit zur Verfügung:
im September 1 Dampfer
im Oktober 2 Dampfer
im November 4 Dampfer
im Dezember 1 Dampfer
im Januar 2 Dampfer“
Quelle: Deutsch-Australische Dampfschiffs-Gesellschaft, Hamburg, Otto Harms (1933), Schröder und Jeve, Hamburg.

In dem Ansichtskartenheft der DADG sind dementsprechend gleich mehrere Ansichtskarten dem Wollgeschäft gewidmet.

Die Herden

Die Darstellung des Wollgeschäfts beginnt mit einer geradezu idyllischen Szenerie: Eine sehr überschaubare Schafherde grast in einer offenen Parklandschaft mit saftigen Wiesen am Rande einer kleinen Wasserfläche. Hinter der Herde sehen wir einige berittene Hirten.

sheep NSW

Schafherde in New South Wales, Australien, Postkarte der Deutsch-Australischen Dampfschiffs-Gesellschaft, 1913, ungelaufen, eigene Sammlung

Pferdekutschen

Die zweite Karte aus dem „Wollzyklus“ zeigt drei hoch beladene Gespanne, die von jeweils zehn Pferden gezogen werden. Solche Zehnspänner dürften auch zu Zeiten, als das Pferd noch das Haupttransportmittel war, ein seltener Anblick gewesen sein. Nach Informationen der Karte ging die Fahrt von den Farmen zu den Bahnstationen.

wool transport with carriages

Transport von Wolle von der Farm zum Bahnhof, Postkarte der Deutsch-Australischen Dampfschiffs-Gesellschaft, 1913, ungelaufen, eigene Sammlung

Weniger spektakulär ist dieser „gemütliche“ Woll-Transport in Hahndorf, einem bekannten Ort deutscher Siedler in Südaustralien.

Cartering Wool, Hahndorf, 1901

Mit Wolle beladenes Fuhrwerk in Hahndorf bei Adelaide; Hahndorf ist eine der ältesten deutschen Siedlungen Australiens, Aufnahme 1901, © State Library of Sout Australia, B-18258.

Per Bahn

Von den Eisenbahnstationen auf dem Land erfolgte dann der Transport per Bahn nach Sydney. Hier ein Detail mit posierendem Bahnpersonal aus der Titelabbildung dieses Blogartikels.

wool train sydney 1901

Vollbeladener Zug mit Wollballen in Sydney, Ausschnitt mit posierendem Bahnpersonal, Postkarte der Deutsch-Australischen Dampfschiffs-Gesellschaft, 1913, ungelaufen, eigene Sammlung

Laut der Pyrmont History Group (siehe unten), die das gleiche Foto auf ihrer Internetseite zeigt, datiert das Foto bereits aus dem Jahr 1901.

Muster und Auktionen

In Sydney angekommen, wurden die Ballen zu Verkaufslosen ähnlicher Qualität zusammengefasst. Dann wurden Muster genommen und die Wolle auf ihre Merkmale getestet.

Im Anschluss erfolgte und erfolgt auch noch heute der Verkauf über Auktionen.

wool samples

Musterraum für Wolle, Postkarte der Deutsch-Australischen Dampfschiffs-Gesellschaft, 1913, ungelaufen, eigene Sammlung

Verschiffung

Für die anschließende Verschiffung der Ballen bedeutet der Verkauf auf Auktionen, dass jeder einzelne Ballen identifizierbar sein muss:

„Bei Wolle muß jeder einzelne Ballen nach Marke und Gegenmarke und Nummer ausgesucht werden.“ (Zitat: Otto Harms, Deutsch-Australische Dampfschiffs-Gesellschaft, 1933)

Die folgende Karte zeigt die Verladung von Wolle im Hafen von Sydney.

Sydney verladen der wolle

Verladen der Wolle in Sydney auf einen der typischen „Zweischornsteiner“ der Reederei, Postkarte der Deutsch-Australischen Dampfschiffs-Gesellschaft, 1913, ungelaufen, eigene Sammlung

Aus dieser Karte noch ein Detail:
Ein Ladungskontrolleur („Tallymann“, unten Mitte) beaufsichtigt das Laden der Wolle. Auf dem Welldeck des Schiffes (dort wo die Bordwand niedriger ist) posieren drei Personen. An der Schiffswand ist ein Schild zur Orientierung für die Verlader angebracht (Deutsch-Australische Dampfschiff-Gesellschaft).

Sydney verladen der wolle_detail

Detail aus der Aufnahme von oben

Ausführlicher habe ich den Wollhandel in Australien in diesem Artikel vorgestellt:
Wolle und Wollhandel in Australien um 1910

Lagerhäuser für Wolle

Viele historische Aufnahmen und Informationen über den Wollhandel in Sydney finden Sie auch bei der Pyrmont History Group auf der Seite Wool Stores.

Pyrmont war ein Industrieviertel Sydneys.

Demnach wurden ab den 1880er Jahren bis in die 1930er Jahre auf der Halbinsel Pyrmont zwanzig Lagerhäuser für Wolle mit einer Fläche von über 40 Hektar errichtet, die rund ein Drittel der Halbinsel einnahmen. Erst in den 1970er Jahren verschwanden die alten Lager und die Lagerung der Wolle wurde nach Liverpool in das Hinterland Sydneys verlagert.

Die Wollballen hatten ein Standardformat von etwa 120 cm x 76 cm x 76 cm, davon wurden je vier übereinandergestapelt. Fenster und Glasdächer spendeten Licht, damit die Wolle von den Käufern beurteilt werden konnte (siehe dazu auch die Postkarte „Musterraum für Wolle“ oben).

In den größten Lagerhäusern Pyrmonts konnten bis über 50.000 Wollballen gelagert werden.

Großbrand bei Goldbrough, Mort und Co.

Das in der Wolle enthaltene Wollfett oder Wollwachs (Lanolin) macht Wolle wasser- und schmutzabweisend. Es ist aber auch leicht entzündlich. Zahlreiche Lagerhäuser in Pyrmont fielen deshalb immer wieder Brandkatastrophen zum Opfer.

Ein Großbrand ereignete sich bei Goldbrough, Mort und Co. am 25. September 1935.

Nach Ausbruch des Feuers waren in kurzer Zeit zwanzig Löschzüge und 230 Feuerwehrmänner vor Ort. Das Feuer wurde jedoch durch Winde derartig angefacht, dass das Lagerhaus Nr. 1 nicht gerettet werden konnte und vollständig abbrannte.

Die Hitzeentwicklung war so groß, dass selbst in 100 Metern Entfernung abgestellte Bahnwagons mit Weizen sich entzündeten.

Ein Übergreifen des Brandes auf zwei benachbarte Lagerhäuser konnten die Feuerwehren verhindern.

wolle goldsbrough fire 1935

Umbau der Lagerhäuser

Neben den Lagerhäusern für Wolle war Pyrmont Standort anderer Industrien: Gießereien, Werften, Schlachthöfe und Zuckerraffinerien. Außerdem wurde in einigen Brüchen Sandstein in großer Menge gewonnen.

Ab den 1970er Jahren begann sich das Gesicht Pyrmonts grundlegend zu wandeln und einige der ehemaligen Wolllager wurden zu Apartmenthäusern und Bürokomplexen umgebaut.

Aus dem geschäftigen, aber oft gemiedenen Industriestandort wurde nach und nach eines der beliebtesten Viertel Sydneys, dass heute durch sein pulsierendes Leben bei Einheimischen und Touristen gleichermaßen beliebt ist.

Mehr über die Geschichte Pyrmonts erfahren Sie hier: https://pyrmonthistory.net.au/

Hutholmen Frederikstad, 1913, steamer "Java"

Postkarten der Deutsch-Australischen Dampfschiffs-Gesellschaft

Das Dampfschiff „Java“ in Frederikstad

Titelbild: Frederiksstad, Norwegen, Dampfschiff „Java“, Postkarte der DADG (ungelaufen), Juli 1913, eigene Sammlung.

Ansichtskartenhefte

Letztes Jahr konnte ich ein schönes Los mit Ansichtskarten der Deutsch-Australischen Dampfschiffs-Gesellschaft (DADG) erwerben, die ich nach und nach hier vorstellen möchte.

Zu jeder der Ansichtskarten wird es historische Informationen sowie weiteres Bildmaterial geben, die ich rund um die Abbildung recherchiert habe.

Wie die Perforation am linken Rand verrät, sind die Karten einem Heftchen entnommen. Dieses wurde von der Reederei herausgegeben. Es muss mindestens 24 Karten enthalten haben, vielleicht auch mehr. Heute liegen mir immerhin 23 davon vor.

Anmerkung: Bis heute sind mir nur 24 Motive bekannt, weitere konnte ich auf den verschiedenen Verkaufsplattformen noch nicht entdecken.

Ansichtskarten waren das „Instagram der Kaiserzeit“ und Kartenheftchen waren damals schwer in Mode. Man findet die herausgelösten Karten häufig in Antiquariaten. Zumindest Karten, die von den großen, auch Passagiere befördernden Schifffahrtsgesellschaften publiziert wurden, wie zum Beispiel dem Norddeutschen Lloyd, aber auch von niederländischen oder französischen Linien. Für eine reine Frachtschiffreederei wie die DADG waren die Kartenhefte eher ungewöhnlich.

Der Druck der Karten erfolgte im Offsetdruck, sie haben nicht die Brillanz der damals oft noch im Lichtdruck hergestellten Ansichtskarten. SIEHE: Der Strandhöft im Jahr 1905

Frederikstad, 1920-1940, harbour and industry

Fredrikstad, Industrieanlagen und Hafen, 1920-1940; National Library of Norway, public domain; Quelle: https://commons.wikimedia.org/wiki/File:2386._Fredrikstad_-_no-nb_digifoto_20150916_00095_bldsa_PK06315.jpg

Juli 1913

Datieren lässt ich das Kartenheft recht gut mit zwei Karten. Eine Aufnahme vom Australiakai in Hamburg ist auch im Buch von Otto Harms über die Deutsch-Australische Dampfschiffs-Gesellschaft wiedergegeben und dort mit dem 26. Juli 1913 beschriftet (auf den Kartenrückseiten selbst befinden sich leider keine Angaben außer dem Wort „Postkarte“).
Otto Harms, Deutsch-Australische Dampfschiffs-Gesellschaft, Hamburg, Schröder & Jeve (1933).

Das in der Titelabbildung wiedergegebene Schiff „Java“ wurde ebenfalls im Juli 1913 für die Reederei in Dienst gestellt und bediente auf der Jungfernfahrt die Skandinavien-Linie. Laut Zeitungsmeldungen war das Schiff in der zweiten Julihälfte zum Laden in Fredrikstad. Diese Aufnahme kann also definitiv nicht vorher entstanden sein.

Die DADG feierte im September 1913 ihr 25-jähriges Bestehen. SIEHE: 25 Jahre Deutsch-Australische Dampfschiffs-Gesellschaft

Ich gehe heute davon aus, dass das Kartenheft zu dieser Gelegenheit in Auftrag gegeben wurde.

Frederikstad about 1920 - 1930

Fredrikstad, Stadtansicht zwischen 1920-1930; National Library of Norway; Quelle: https://commons.wikimedia.org/wiki/File:1344._Fredrikstad._-_no-nb_digifoto_20150807_00186_bldsa_PK06344.jpg

Hutholmen

Die Stelle, an der das Foto mit dem Dampschiff „Java“ in Frederikstad aufgenommen wurde, lässt sich genau lokalisieren.

Es ist im Fjord Vesterelva vor der Insel Hutholmen. Das kleine massive Huth Fort mit den drei bogenförmigen Öffnungen ist auf dem Foto links neben dem Schiff gut erkennbar.

Die Stadt selbst ist auf der Aufnahme (Titelbild dieses Blogartikels) nicht zu erkennen, sie liegt im Bilderhintergrund rechts. Zu sehen ist lediglich eine Industrieanlage am linken Flussufer mit einem rauchenden Kamin.

Eventuell handelt es sich um eines der Sägewerke, die sich an beiden Ufern befanden, wie zum Beispiel das Unternehmen Fredrikstad Dampsag og Høvleri.

Fort Hut, Hutholmen, Frederikstad, Norway

Fort Hut(h) auf Huth(h)olmen, Festungsanlage von 1797; Quelle: Fredrikstad Museum, Arne Stangebyes samlinger, https://lokalhistoriewiki.no/wiki/Fil:Huth.jpg

Holzexporte

Frederikstad war der wichtigste Hafen Norwegens für Holzexporte: 1913 gingen von hier 50,5 % des gesamten Exportvolumens ins Ausland.

This is no doubt the most promising sawmill center in Norway, because it is located at the mouth of the most important floating river and right in the center of a manufacturing district …
Quelle: Forest Resources, Lumber Industry and Lumber Export Trade of Norway, US Department of Commerce, Special Agents Series No. 211, A. H. Oxholm, 1922, abgerufen über books.google.de

Für gehobeltes Holz war Australien nach Großbritannien der zweitwichtigste Exportmarkt. Ich finde das auf Grund der weiten Distanz Australiens schon überraschend:

Australia is the second largest market for Norwegian planed lumber and has been a growing market for a number of years. During normal conditions Australia takes 30 to 35 per cent of the export of planed stock from Norway.
(gleiche Quelle)

Holzverarbeitung, Frederikstad, um 1880

Frederikstad, Holzindustrie, Aufnahme von Henrik Sigvard Scheel zwischen 1870-1890; Quelle: https://commons.wikimedia.org/wiki/File:Fredrikstad,_%C3%98stfold_-_Riksantikvaren-T015_01_0194.jpg

Die Schuten zum Beladen der Schiffe, wie sie rechts und links des Dampfschiffes „Java“ zu sehen sind, hatten das Aussehen von kleinen schwimmenden Hütten, da sie mit Dach und Wänden ausgestattet waren, um das Holz vor Niederschlägen zu schützen. Sie wurden bei Bedarf zu den zu beladenden Schiffen geschleppt.

Die Ladegeschwindigkeit für das Holz wird mit 160 – 400 Tausend Fuß in zehn Stunden angegeben. Bei Regenfällen wurde der Ladevorgang allerdings unterbrochen.

The steamers may take on board from 160 to 400 thousand feet in 10 hours, according to the local conditions in each district.
(gleiche Quelle)

Die besondere Form der Schuten zeigt auch eine Aufnahme, die während des Ersten Weltkrieges entstanden sein dürfte, da das zu beladende Schiff einen Tarnanstrich („dazzle camouflage“/„razzle dazzle“) hat.

loading timber at frederikstad, WW1

Laden von Holz in Frederikstad, Quelle: Forest Resources, Lumber Industry and Lumber Export Trade of Norway, US Department of Commerce, Special Agents Series No. 211, A. H. Oxholm, 1922, abgerufen über books.google.de

Frederikstad

Frederikstad (auch Frederiksstad) liegt in Südostnorwegen (Østfold) an der Bahnstrecke von Christiana (Oslo) nach Gothenburg (Göteburg); im Jahr 1900 hatte die kleine Stadt 14.553 Einwohner (Quelle: Encyclopedia Britannica, Ausgabe 1911).

Die Holzindustrie entstand durch die geografische Lage der Stadt an der Mündung des Flusses Glomma, dem mit 600 Km längsten Fluss Norwegens. Über den Fluss konnten die Baumstämme zu den Sägewerken transportiert werden.

Neben der Holzindustrie war Frederikstad auch Zentrum für die Produktion von Ziegelsteinen sowie für den Schiffbau. Der Hafen wurde im Winter durch Eisbrecher eisfrei gehalten.

Das Dampfschiff „Java“

Auf der Jungfernfahrt des Dampfschiffes „Java“, die im Juli 1913 begann, wurde nach Gothenburg und Frederikstad nur noch ein kurzer Zwischenhalt in Emden eingelegt.

Von dort ging es unter Führung von Kapitän T. Bahr in nur 39 Tagen bis nach Melbourne, wo das Schiff am 9. September 1913 eintraf. Auf der Fahrt machte die „Java“ im Durchschnitt 13,3 Knoten; ein erstaunlicher Wert für das Frachtschiff mit einer Ladekapazität von rund 11.900 Tonnen.

Der Journalist von „The Age“, Melbourne lobte es in der Ausgabe am 10. September 1913 überschwänglich:

She is one of the most up to date cargo vessels that has visited the port …

Die “Java” war das erste Schiff, das die DADG vor dem Ersten Weltkrieg beim Bremer Vulkan bauen ließ (Bau-Nr. 565). Das ist etwas überraschend, denn der Bremer Vulkan war vor dem Ersten Weltkrieg die größte deutsche Werft für den zivilen Schiffbau.

Bei Kriegsausbruch war die „Java“ eines der wenigen Schiffe der DADG, die in Deutschland lagen. Sie musste dann 1919 nach Frankreich abgeliefert werden, wo sie für die Regierung in Fahrt war, bevor sie 1920 an die Cie. des Messageries Maritimes in Marseille verkauft und in „Min“ umbenannt wurde.

1942 wurde die „Min“, exJava in Biserta (Bizerte/Tunesien) vom Deutschen Reich beschlagnahmt und an die italienische Regierung verchartert. Unter dem neuen Namen „Conegliano“ sank die exJava am 6. Juni 1943 bei Olbia (Sardinien) nach einem Bombentreffer. Das Schiff wurde 1949 im Maddalena-Archipel versenkt. Dort liegt das Wrack heute noch in etwa 20 Meter Tiefe und ist ein Tauchziel.

Weitere Informationen: https://wrecksite.eu/wreck.aspx?151420

Frederiksstad Tilskuer

Anzeige der Firma Andersen in der Tageszeitung Frederiksstad Tilskuer vom 20. April 1911, Seite 3

Das Dampfschiff „Fürth“ in Frederikstad

Das Dampfschiff „Fürth“ war im April 1911 in Frederikstad und hatte ebenfalls Holz für Australien geladen. Siehe dazu die Blogartikel

Die „Fürth“ in Skandinavien

und

Die Barwon-Papiermühle in Fyansford, Geelong

Andersen & Co. Frederiksstad

Anzeige des Maklers Andersen & Co. in Frederiksstad (Norwegen) für die Abfahrt des Dampfschiffes „Fürth“ im April 1911 nach Australien, Zeitung Kysten, 30. März 1911, Seite 3, Quelle: National Library of Norway

Holsworthy riots 1916

Die Verbrechen der Schwarzen Hand

Bandenkriminalität und Selbstjustiz im Gefangenenlager Holsworthy (Liverpool/NSW Wales/Australien)

Holsworthy war während des Ersten Weltkrieges das größte Gefangenlager in Australien, in dem Angehörige feindlicher Nationen (enemy aliens) festgehalten wurden. Die große Mehrheit unter ihnen waren Deutsche.

Auch Mannschaftsmitglieder des Dampfschiffes „Fürth“ waren darunter. Sie waren nach ihrer Festsetzung in Ceylon im Herbst 1915 nach Australien transportiert worden, nachdem die Briten die Internierungslager in ihren Besitzungen in Süd- und Südostasien geschlossen hatten und die Gefangenen in Australien konzentrierten.

Von den Besatzungen der Handelsschiffe kamen die Offiziere nach Trial Bay und die Mannschaften nach Holsworthy.

Allerdings wurde das Lager Trial Bay im Jahr 1918 geschlossen und auch diese Internierten wurden dann im Lager Holsworthy untergebracht, allerdings in verschiedenen Lagerbereichen, zwischen denen jeder Kontakt bei Strafe verboten war.

Holsworthy riots 1916

Holsworthy Internment Camp, Aufnahme vor den Unruhen vom 19. April 1916; Quelle: Australian War Memorial Collection, Accession No. H11699A; awm.gov.au

„dessen Namen wir nur nannten, indem wir uns gleichzeitig innerlich bekreuzigten“

Unter allen australischen Gefangenenlagern im Ersten Weltkrieg hatte Holsworthy, das oft auch nach der nahen Stadt Liverpool (Großraum Sydney, New South Wales) einfach Liverpool genannt wurde, den schlechtesten Ruf. Hier wurden bis zu über 5000 Personen gefangen gehalten.

Das Lager war überfüllt und die sanitären Einrichtungen ungenügend. Hitze (tagsüber), Kälte (nachts), Wind, Staub, Langeweile, Ungewissheit und Meinungsverschiedenheiten führten zur sogenannten Stacheldrahtkrankheit (barbed wire disease), ein Ausdruck, den der Schweizer Mediziner Adolf Lukas Vischer prägte.

Hinzu kamen in Holsworthy Aufstände wegen mangelhafter Essensrationen und Übergriffe von Wachsoldaten.

Einen entscheidenden Anteil an der schlechten Reputation von Holsworthy hatten darüber hinaus Vorkommnisse von November 1915 bis April 1916, einer Zeit, in der die lagerinterne Verbrecherbande der Schwarzen Hand viele Gefangene drangsalierte.

Wie schlecht der Ruf des Lagers Holsworthy war, lässt sich am besten an einem Zitat des Augenzeugen Otto Wortmann verdeutlichen.

Wortmann war Pflanzer in Rabaul (Deutsch-Neuguinea) gewesen, wurde dort nach Ausbruch des Ersten Weltkrieges von australischen Truppen gefangengesetzt und anschließend in das Lager Trial-Bay überstellt. Dieses Lager wurde im Mai 1918 geschlossen, eine Entscheidung, die für die Gefangenen plötzlich und unerwartet kam. Danach ging es für Wortmann und alle anderen nach Holsworthy.

Wortmann schrieb dazu in sein Tagebuch:

„… Unser schönes, idyllisch faules, langweiliges Lager in Trial-Bay wurde jäh aufgehoben, und ohne eine Ahnung zu haben sausten wir nachts im Zuge – nach 2 Jahren wiedermal Eisenbahn! – sausten wir also gerade aus nach dem Platze, den wir alle fürchteten, dessen Namen wir nur nannten, indem wir uns gleichzeitig innerlich bekreuzigten, nach dem Platze, mit dem uns unsere Gastgeber oft drohten, wie man kleinen ungezogenen Kindern mit dem „schwarzen Manne“ droht – na also nach Liverpool. …“
Quelle: Otto Wortmann internment camp papers, 28 August 1917 – 8 September 1918, State Library New South Wales, Call no. MLMSS 261/Box 6/Item 51; https://archival.sl.nsw.gov.au/Details/archive/110348980

Holsworthy riots 1916

Holsworthy Internment Camp, Aufnahme vor den Unruhen vom 19. April 1916; Quelle: Australian War Memorial Collection, Accession No. H11700A; awm.gov.au

Die Aufnahme zeigt auch, wie dicht die langen schmalen Hütten im Lager Holsworthy beieinanderstanden. Ebenfalls sieht man, dass sie auf einer Seite offen waren. An dieser offenen Seite war lediglich eine Plane befestigt.

 

Die Schwarze Hand

Der Name “Schwarze Hand” war nicht neu. Andere politisch und kriminell motivierte Gruppen trugen diesen Namen, wie zum Beispiel ein serbischer Geheimbund zu Beginn des 20. Jahrhunderts. Ein Zusammenhang zu der Bande in Holsworthy bestand jedoch nicht.

Als Rädelsführer der Schwarzen Hand gilt ein gewisser Hans Portman(n), zweiunddreißigjähriger Seemann deutscher Abstammung aus Melbourne, der zunächst in Langwarrin bei Melbourne interniert war und dann im Oktober 1915 nach Holsworthy überstellt wurde.

Ihm gelang es, andere Mitgefangene für seine Sache zu gewinnen, andere Gefangene um Geld, Wertgegenstände oder Dienste zu erpressen und nach und nach die Kontrolle über das Lager Holsworthy zu erhalten. Vor allem wohlhabendere Mitgefangene wurden wiederholt bedroht, geschlagen und ausgebeutet.

Das Lagerkomitee, ein aus Gefangenen zusammengesetztes Gremium, das die internen Aktivitäten des Lagers steuerte, schien nichts gegen die Machenschaften der Schwarzen Hand zu unternehmen. Eventuell war es selbst von der Schwarzen Hand unterwandert. Demzufolge sah sich auch die australische Armee nicht genötigt, einzugreifen.

So konnte die Schwarze Hand ungestört ihre kriminellen Handlungen bis in den April 1916 fortsetzen.

Holsworthy riots 1916

Holsworthy Internment Camp, Aufnahme von den Unruhen des 19. April 1916; Quelle: Australian War Memorial Collection, Accession No. P00595.059; Quelle: awm.gov.au

Der Aufstand

Am 19. April 1916 kam es dann zu einem Aufstand im Lager Holsworthy, bei dem der Anführer der Schwarzen Hand, Hans Portmann, getötet wurde. Er wurde anschließend von Lagerinsassen über das Haupttor nach außen geworfen.

In der Folge durchsuchten die Internierten das Lager nach weiteren Mitgliedern der Schwarzen Hand. Die australischen Wachsoldaten griffen nicht ein. Colonel Sands, der Kommandant begründete seine Passivität später. Der Aufstand hätte zwar gestoppt werden können, dies wäre jedoch nicht verhältnismäßig gewesen, weil dabei eine große Zahl Gefangener ums Leben gekommen wäre.

‘by shooting a great number of prisoners, which would not have been justified as the Germans intentions, although brutal, were to rid themselves of this criminal element in the camp’.
Zitat nach „The Enemy at Home” des Migration Heritage Centre;  https://www.migrationheritage.nsw.gov.au/exhibition/enemyathome/holsworthy-internment-camp/index.html

Weitere Mitglieder der Schwarzen Hand wurden bei dieser Durchsuchung des Lagers von anderen Lagerinsassen aufgegriffen, verwundet und ihre Körper wie zuvor der Portmanns über das Tor des Haupteingangs nach außen geworfen. Wachen brachten die Verletzten anschließend in das Krankenhaus des Camps.

Später wurden noch vierzehn weitere Mitglieder der Schwarzen Hand gefangen gesetzt und ins Camp-Gefängnis gesteckt.

Holsworthy riots 1916

Holsworthy Internment Camp, nach den „Schwarze Hand“-Unruhen vom 19. April 1916, Wachen und Offiziere untersuchen einen der verwundeten Gefangenen, Quelle: Australian War Memorial Collection, Accession No. P00595.086; awm.gov.au

Das Gerichtsverfahren

Eine gerichtliche Untersuchung verlief anschließend ergebnislos. Sie kam nur zu dem Schluss, dass Portmann an Verletzungen starb, die ihm von einer oder mehreren unbekannten Personen zugefügt wurden. Einen Vorsatz unterstellte der Untersuchungsrichter dieser Person/diesen Personen jedoch nicht:

„I feel no difficulty in coming to the conclusion that there was no intention on the part of the Germans to kill Portmann, and all that was intended was to give him a severe trashing.”

Zahlreiche Zeugenbefragungen waren zuvor ohne Ergebnis geblieben, was allerdings nicht weiter verwundert.

Zu Portmann selbst sagt der Untersuchungsrichter:

“The deceased was a man of no character, and was one of a secret society called “The Black Hand”, which was composed of the very worst men in the camp, who seem to have joined together in blackmailing and terrifying their fellow Germans, who were either rich or influential, or physically weak. Hans Portmann was one of them.”
Beide Zitate nach Western Mail, Perth, 9. Juni 1916, S. 16; „The Black Hand“.

Nach den Aussagen des Untersuchungsrichters hatte, wenn ich seine Worte richtig interpretiere, Portmann seine gerechte Strafe erhalten.

Das Gerichtsverfahren war damit abgeschlossen. Im Lager Holsworthy war wieder Ruhe eingekehrt.

Die letzten Gefangenen konnten Holsworthy erst im Frühsommer 1920 verlassen.

Holsworthy riots 1916

Holsworthy Internment Camp, nach den „Schwarze Hand“-Unruhen vom 19. April 1916, Quelle: Australian War Memorial Collection, Accession No. P00595.087; awm.gov.au

Mehr über das Lager Holsworthy

Mehr Informationen und Bilder über Holsworthy gibt es in diesen Blogartikeln:

Gefangen in Australien – das Liverpool Internment Camp

Im Lazarett – Tagebuch einer Operation im Jahr 1918

Tagebuch Friedrich Meier: Die letzten Monate im Holsworthy Internment Camp (NSW, Australien)

Anmerkung: In den Tagebucheinträgen Friedrich Meiers kommt die „Schwarze Hand“ nicht vor. Er hatte Holsworthy am 4. Dezember 1915 in Richtung Trial Bay verlassen können und war erst im Mai 1918 dorthin zurückgekehrt.