Schlagwort-Archive: Dampfschiff Fürth

Suezkanal Messbrief Fürth

Der Suezkanal-Messbrief des Dampfschiffes „Fürth“

Originaldokumente aus Hamburg

Das Protokoll über die Suez-Vermessung

Den Schiffs-Messbrief der „Fürth“ habe ich im Blog bereits ausführlich vorgestellt. Siehe dazu: Die Vermessung der „Fürth“. Durch die nachträgliche Änderung des Vermessungsergebnisses ist er glücklicherweise erhalten geblieben.

Die für die Vermessung des Schiffes und die Ausstellung des Messbriefes zuständige Behörde war im Deutschen Kaiserreich das Kaiserliche Schiffs-Vermessungsamt in Berlin. Der Messbrief selbst wurde dann an die Schiffsregisterbehörde in Hamburg gesandt, die daraufhin das Schiffszertifikat ausstellte: Das Schiffszertifikat der „Fürth“

Eine Woche später, am 21. August 1907, sandte das Kaiserliche Schiffs-Vermessungsamt erneut einen Brief nach Hamburg.

Der Inhalt: Das Protokoll über die Suez-Vermessung des Dampfers „Fürth“ für die Fahrt durch den Suezkanal.

Kaiserliches Schiffsvermessungsamt Berlin, Dampfer Fürth

Schreiben des Kaiserlichen Schiffsvermessungsamtes vom 21. August 1907, © Staatsarchiv Hamburg, Schiffsregisterakte Schraubendampfer Fürth, Registernr. 3656, Ref. 231-4_3005

Der Suezkanal (Sueskanal)

Der Suezkanal wurde am 17. November 1869 eröffnet und veränderte den weltweiten Schiffsverkehr bis zum heutigen Tag.

Die Nutzung des Kanals durch den internationalen Schiffsverkehr wurde dann im Jahr 1888 in der Konvention von Konstantinopel völkerrechtlich reglementiert. Bereits zuvor war ebenfalls in Konstantinopel eine internationale Kommission zusammengetreten, um die Gebühren für die Durchfahrt festzusetzen.

Nachdem alle Nationen gleich behandelt werden mussten, es aber durchaus Abweichungen in den Vermessungspraktiken der einzelnen Länder gab, wurde eine eigene Vermessungsgrundlage geschaffen, was bis heute Bestand hat. Das für den Suezkanal gültige Vermessungsergebnis wurde dann in einem „Schiffsmessbrief für die Kanalfahrt“ dokumentiert. International spricht man vom „Suez Canal Special Tonnage Certificate“.

Anmerkung: Heute ist die Rechtschreibung im Deutschen korrekterweise „Sueskanal“. Zur Zeit des Dampfschiffes „Fürth“ erfolgte die Schreibung in allen Dokumenten mit „z“, also Suezkanal. Hier im Blog folge ich dieser damals üblichen Schreibweise mit „z“, wie sie in den hier gezeigten Originaldokumenten verwendet wurde und wie sie heute nach wie vor im Englischen oder Französischen üblich ist.

Der Suez-Messbrief

Anders als beim Schiffsmessbrief, der von der Vermessungsbehörde in Berlin ausgestellt wurde, wurde der Suez-Messbrief der „Fürth“ von der „Deputation für Handel und Schiffahrt“ in Hamburg erstellt und am 24. August 1907 unterzeichnet. Die Behörde bescheinigte darin der Reederei die Vermessungsergebnisse „auf Grund stattgehabter Vermessung in Gemäßheit der von der internationalen Kommission zur Regelung der Abgaben auf dem Suezkanal angenommenen Regeln“.

Suez-Messbrief der Fürth

Schiffsmessbrief für die Kanalfahrt der „Fürth“, Version vom 24.08.1907, oberer Teil des Dokuments; © Staatsarchiv Hamburg, Schiffsregisterakte Schraubendampfer Fürth, Registernr. 3656, Ref. 231-4_3005

Der Bruttoraumgehalt der „Fürth“ wird auf dem Suezkanalbrief mit 5445 Registertonnen angegeben. Davon abzugsfähig sind dann Räume für Mannschaft und Navigation sowie Maschinenräume. Zusätzlich werden 75 % des vermessenen Maschinenraums für die Kohlenbunker in Abzug gebracht. Dieser prozentuale Abschlag für die Treibstoffe („Treibkraftabzug“) wird in der Schiffsvermessung als sogenannte „Donauregel“ bezeichnet. Das Endergebnis der Vermessung war dann ein Nettoraumgehalt von 4087 Registertonnen.

Dieser erste Messbrief für die Kanalfahrt scheint also geradeso noch rechtzeitig fertig geworden zu sein, denn der Tag der Ausstellung (24.08.1907) ist identisch mit dem Abfahrtsdatum der „Fürth“ zu ihrer Jungfernfahrt: Eine Jungfernfahrt mit Verspätung.

Suez-Messbrief des Dampfschiffes Fürth

Schiffsmessbrief für die Kanalfahrt der „Fürth“, Version vom 24.08.1907, unterer Teil des Dokuments; © Staatsarchiv Hamburg, Schiffsregisterakte Schraubendampfer Fürth, Registernr. 3656, Ref. 231-4_3005

Der zweite Suez-Messbrief

Da der deutsche Schiffs-Messbrief der „Fürth“ nachträglich berichtigt wurde (siehe: Die Vermessung der „Fürth“), gibt es auch vom Suez-Messbrief der „Fürth“ eine zweite, korrigierte Fassung.

Mit Schreiben vom 6. Februar 1908 an die Schiffsregisterbehörde sandte die Deutsch-Australische Dampfschiffs-Gesellschaft (DADG) den ersten Suez-Messbrief mit der Bitte um Berichtigung an die Behörde zurück:

„Ir. Nr. 165 VI
Im Besitze der geehrten gestrigen Mitteilung erlauben wir uns, der Behörde beiliegend den Suezkanal-Meßbrief für D. „Fürth“ zu behändigen und zugleich ergebenst zu bemerken, daß der deutsche Meßbrief bereits vom Kaiserlichen Schiffsvermessungsamt berichtigt worden ist.
Hochachtungsvoll und ergebenst
Deutsch-Australische Dampfschiffs-Gesellschaft
Harms“

Anm.: „behändigen“ war ein damals übliches Verb im Sinne von „übergeben“
Deutsch-Australische Dampfschiffs-Gesellschaft Hamburg

Schreiben der DADG vom 6.2.1908 © Staatsarchiv Hamburg, Schiffsregisterakte Schraubendampfer Fürth, Registernr. 3656, Ref. 231-4_3005

Am 26. Januar 1908 war die „Fürth“ von der Jungfernfahrt nach Hamburg zurückgekommen und der Original-Messbrief konnte erst zu diesem Zeitpunkt an die Behörde geschickt werden. In einer Verfügung der Behörde vom 14. Februar 1908 an die Reederei heißt es dann unter Punkt 4: Berichtigung des Suezkanalmessbriefes

Auch diesmal war der Briefverkehr „just-in-time“, denn am 15. Februar 1908 sollte die „Fürth“ zu ihrer zweiten Australienfahrt aufbrechen und wie üblich auf der Heimreise durch den Suezkanal fahren: Eisbären für Adelaide.

Von dieser zweiten Version des Suezmessbriefes der „Fürth“ liegt kein Exemplar im Staatsarchiv Hamburg vor, so dass ich über die Änderung des Nettoraumgehaltes in dieser Messbriefversion keine Angaben machen kann. Die Geschichte ist damit jedoch noch nicht zu Ende.

Eine zweite Berichtigung im Jahr 1910

Ein weiteres Schreiben, das im Staatsarchiv Hamburg erhalten geblieben ist, ist datiert vom 7. November 1910, also über 2 ½ Jahre später. Erneut sandte das Kaiserliche Schiffsvermessungsamt in Berlin ein Protokoll über die Vermessung des Dampfers „Fürth“ zur Ausfertigung eines Messbriefes für die Fahrt durch den Suezkanal nach Hamburg an die Deputation für Handel, Schiffahrt und Gewerbe.

Nachdem ich keine Angabe über Änderungen der Vermessungsregeln aus dem Jahr 1910 finden konnte, gehe ich davon aus, dass die bestehende Reglementierung neu interpretiert und ausgelegt wurde. Jeder, der sich mit Schiffsvermessung beschäftigt, weiß von dieser Interpretationsfähigkeit zu berichten. Der Wikipedia-Artikel zum Thema bietet dazu einen interessanten Einstieg.

Der jüngste vorliegende Schiffsmessbrief für die Kanalfahrt ist datiert vom 9. November 1910 und weist jetzt einen Nettoraumgehalt von 3967 Registertonnen auf, also 120 Registertonnen weniger.

Das neue Ergebnis kam im Wesentlichen durch die Neuberechnung der Aufbauten zustande.

Es bleibt die Frage offen, ob die „Fürth“ diesen neuen Messbrief für die Kanalfahrt bereits in Hamburg an Bord hatte, denn das Schiff hatte den Hafen einen Tag vorher, am 8. November 1910, zur nächsten Australienfahrt verlassen (Pfeffer aus Tellicherry). Eventuell wurde er auf dem Landweg nach Rotterdam oder Antwerpen nachgesandt, doch das ist reine Spekulation.

Suezkanal Messbrief Fürth

Suezkanal-Messbrief der „Fürth“ mit geändertem Nettoraumgehalt, Version von 9. November 1910 © Staatsarchiv Hamburg, Schiffsregisterakte Schraubendampfer Fürth, Registernr. 3656, Ref. 231-4_3005

Die Kanalgebühren für den Suezkanal

Eine Vorstellung über die Kanalgebühren gibt uns Otto Harms, der Direktor der DADG in seinem Buch über die Reederei (1933):

„Die Gesamtausgaben für diese Gebühren zum Satze von 6 ¼ Frs. beliefen sich im ersten Vierteljahr 1914 auf über 740000 Frs., wobei hervorzuheben ist, daß es sich mit Ausnahme der Linie 5 nur um heimkehrende Schiffe handelt, welche die Ausreisen um Südafrika gemacht hatten.“

Die 6 ¼ Franc beziehen sich auf die Nettoregistertonne pro Durchfahrt, so dass von Januar bis März 1914 Schiffe der DADG mit einem Raumgehalt von 118400 Nettoregistertonnen durch den Suezkanal fuhren. Bei überschlagsweise gerechneten 5400 Nettoregistertonnen pro Schiff ergäbe dies 22 Kanalfahrten alleine für die ersten drei Monate 1914.

Anm.: Die „Fürth“ zählte 1914 bereits zu den kleineren Schiffen, daher habe ich einen wesentlich höheren Durchschnittswert von 5400 Registertonnen für die Tonnage angesetzt.
Die Kanalgebühren waren 1890 noch 9,5 Frs. gewesen und wurden nach und nach gesenkt, nach Ansicht der Reeder aber (natürlich) immer noch viel zu hoch.

Eine stattliche Summe

Umgerechnet entsprachen die 740 000 Frs. vor dem Ersten Weltkrieg einer Summe von etwa 600 000 Mark (Wechselkurs 1 Franc = 0,81 Mark).

Für das Dampfschiff „Fürth“ (3967 Registertonnen) wurde also 1914 der Betrag von 24800 Franc für eine Durchfahrt fällig, also rund 20.000 Mark. Die „Fürth“ erreichte Suez am 18. März 1914 und durchfuhr anschließend den Kanal in Richtung Mittelmeer (SIEHE: Endlich nach Hause!).

Die stattlichen Kanalgebühren waren der Grund, dass die Reederei den Kanal fast ausschließlich für die Heimfahrten benutzte und die ausgehende Linienfahrt nach Australien und Ostasien über Südafrika durchführte.

Der Schwedenausweis

Der Suezkanal war nicht das einzige Fahrtgebiet, für das die „Fürth“ ein besonderes Dokument an Bord haben musste.

Für den Verkehr in den schwedischen Häfen war der Schwedenausweis notwendig. Dort, genauer gesagt in Gothenburg war die „Fürth“ auf ihrer neunten Fahrt (SIEHE: Die „Fürth“ in Skandinavien).

Der folgende Satz mag einen Eindruck davon geben, wie kleinlich die unterschiedlichen Vermessungsbestimmungen ausgestaltet wurden:

„Nach ihm [dem Schwedenausweis] sind alle freistehenden Niedergangshäuser, selbst wenn sie verschließbar sind, aber zu abzugsfähigen Räumen führen, von der Vermessung frei.“

Deshalb heißt es auch in der gleichen Quelle:

„Es ist dringend zu wünschen, daß die Schiffsvermessung durch internationale Vereinbarung so weit vereinfacht und vereinheitlicht wird, daß jedes Schiff nur einen Meßbrief zu führen braucht, der in allen Staaten und Kanälen anerkannt wird.“
Handbuch für die Schiffsführung, J. Müller, J. Krauß, M. Berger, 3. Ausg., Springer, 1938, abgerufen über books.google.fr am 10.07.2019

Der Suezkanal, als auch der Panamakanal haben bis heute (2019) ihre eigenen Vermessungsregeln und Messbriefe. Der Schwedenausweis wurde nach dem Zweiten Weltkrieg abgeschafft.

Hinweis: Erstveröffentlichung dieses Artikels am 20. Juli 2019.

C. B. Saegert, master

Kapitän C. B. Saegert – eine Würdigung

Fünf Jahre Kapitän der „Fürth“

Kapitän C. B. Saegert war Kapitän der Deutsch-Australischen Dampfschiffs-Gesellschaft und verantwortlicher Schiffsführer des Dampfschiffes „Fürth“ vom Tag seiner Probefahrt am 17. August 1907. Kapitän C. B. Saegert hatte die Verantwortung für das Schiff bis Ende August 1912. In dieser Zeit unternahm er als Kapitän der „Fürth“ elf Reisen nach Australien und Niederländisch-Indien.

Obwohl er also fünf Jahre „der Alte“ war, wie die Besatzung ihren Kapitän oft nannte, konnte ich bis heute nur wenige Informationen über ihn finden. Diese spärlichen Informationen stelle ich hier zusammen und hoffe, sie mit Hilfe von eventuellen Nachfahren eines Tages noch ergänzen zu können.

C. B. Saegert, master

Anzeige der DADG vom 30. August 1898 in den Hamburger Nachrichten mit Kapitän Saegert auf dem Dampfer „Sommerfeld“

Ein Glücksfall

Soviel kann ich sagen: Kapitän C. B. Saegert war für das Dampfschiff „Fürth“ ein Glücksfall: Er war zum Zeitpunkt der Übernahme der „Fürth“ bereits ein erfahrener Kapitän. Er hatte bis ins Jahr 1900 die Verantwortung für das Schiff „Sommerfeld“. Am 21. August 1900 übernahm er die Leitung des Dampfers „Bergedorf“, dem Dampfer, der lange nach seiner Zeit als Kapitän am 4. April 1911 an der Südspitze Indiens havarierte und verloren ging: Der Untergang des Dampfers „Bergedorf“ .

„Bergedorf“, Saegert, nach abgehaltener Probefahrt 21. ds. Nachm. von Middlesbrough nach Hamburg.
Schiffsnachrichten in Altonaer Nachrichten / Hamburger neueste Zeitung, 23. August 1900, S. 3

Nicht nur hatte er also lange Erfahrung in der Schiffsführung, sondern er kannte die Fahrtrouten und die angelaufenen Häfen bereits ausgesprochen gut.

The new German-Australian liner Furth, launched on 20th July last, and since described in detail, was taken to a river berth, on arrival yesterday. She is under command of Captain C. B. Saegert who is well known at this port.
The Age, Melbourne, Do 24. Okt 1907, S. 6, SHIPPING INTELLIGENCE.

Aus einer von Kapitän C. B. Saegert am 21. März 1909 unterzeichneten Mannschaftsliste wissen wir, dass er an diesem Tag 56 Jahre alt war. Er ist also 1852 oder 1853 geboren.

Master C. B. Saegert, 56 years old, March 21, 1909

Kapitän C. B. Saegert, Unterschrift mit Altersangabe auf der Meldeliste für die Hafenpolizei in Syndey am 21. März 1909

Keine besonderen Vorkommnisse

Während seiner Zeit als Kapitän, gab es keinen schweren Zwischenfall auf dem Schiff, zumindest keinen, der in der damaligen Presse erschienen wäre. Das gleiche gilt für Unfälle, die allesamt sehr glimpflich abliefen. Das Auflaufen auf Grund am 30. August 1909 im Hafen von Melbourne muss sicher dem Lotsen angelastet werden, das Schiff nahm außerdem keinen Schaden: Suche nach der Waratah. Einen zweiten Zwischenfall gab es in Geelong, als das Schiff beim Andocken vom Wind gegen die Hafenmole gedrückt wurde, aber auch hier waren keine Schäden zu verzeichnen: Die „Fürth“ in Skandinavien.

Im Sommer 1910 hätte Kapitän C. B. Saegert eigentlich ein neues Schiff übernehmen sollen, was aber aus uns unbekannten Gründen dann nicht hatte sein sollen, da der neue für die „Fürth“ ausersehene Kandidat Wienecke das Schiff nicht übernahm: Ein neuer Kapitaen?

Die weiteren Stationen

Am 21. September 1912 verließ das Schiff „Düsseldorf“ (9625 Tonnen Tragfähigkeit) den Hafen Hamburg zu seiner zweiten Fahrt. Kapitän war jetzt C. B. Saegert, der von der „Fürth“ (7010 Tonnen Tragfähigkeit) auf das neuere und größere Schiff gewechselt war.

Sonderbar daran ist, dass die erste Fahrt der „Düsseldorf“ von dem ebenfalls sehr erfahrenen Kapitän der Deutsch-Australischen Dampfschiffs-Gesellschaft, J. Schuldt durchgeführt wurde. Nach nur einer Fahrt mit der „Düsseldorf“ übernahm er bereits wieder ein anderes (und kleineres) Schiff, und zwar die „alte“ Plauen, ein Schwesterschiff der „Fürth“, Baujahr 1907.

Warum? Das weiß ich nicht. Noch in Australien war Kapitän J. Schuldt (nach außen) voll des Lobes über die „Düsseldorf“ gewesen:

“…Regarding the seefaring qualities of the Dusseldorf, Captain J. Schuldt is enthusiastic He reports that the voyage passed, off without remarkable incident, but states that the bunker coal provided at a South African port where the vessel called en route was very poor. Otherwise she would have arrived earlier, although the run across was accomplished in excellent time, as it was.”
Newcastle Morning Herald and Miners‘ Advocate, Mi 29. Mai 1912, S. 4, NEW GERMAN LINER DUSSELDORF.

Das Dampfschiff „Ulm“

Aber auch Kapitän C. B. Saegert blieb nicht lange auf der „Düsseldorf“. Bereits im Jahr 1914 wechselte auch er wieder zurück auf ein kleineres Schiff, die „Ulm“.

Die neuen Australdampfer Freiberg und Ulm. Die Deutsch-Australische Dampfschiffs-Gesellschaft stellt, wie schon von uns mitgeteilt, im Laufe dieses Monats zwei neue Dampfer, Freiberg und Ulm, in Dienst, von denen der erstere, auf Tecklenborgs Werft in Geestemünde erbaut, am 11. April seine Probefahrt machte und seit dem 13. April hier schon in Ladung liegt. Der 9600 Tons große Dampfer ist mit einer dreifachen Expansions-Heißdampfmaschine von 4000 Pferdestärken ausgerüstet, die dem Dampfer auf der Probefahrt eine Geschwindigkeit von 14,6 Seemeilen in der Stunde verlieh. —Der zweite Dampfer, Ulm, auf der Neptunwerft in Rostock erbaut, ist etwa 1000 Tons kleiner als der Dampfer Freiberg. Der Dampfer macht am 18. April seine Probefahrt und geht im Anschluß an diese direkt nach Gothenburg weiter. Der Dampfer erhält dort eine Teilladung nach Australien, die er in Frederikstad kompletteren wird. Von Frederikstad tritt der Dampfer die erste Reise an. Führer des
Dampfers Freiberg ist Kapitän I. Renz, und die Führung des Dampfers Ulm erhält Kapitän Saegert, bisheriger Führer des derselben Reederei gehörenden Dampfers Düsseldorf.
Hamburger Anzeiger, 17. April 1914, S. 5

Von Skandinavien aus steuerte die „Ulm“ Emden an, den letzten deutschen Hafen, den Kapitän C. B. Saegert vor dem Ersten Weltkrieg anlaufen sollte:

Ulm, ss., 4,700 tons, Capt. Saegert, left Emden May 7. Due June 17. Messrs. Strelitz Bros.,
agents, The West Australian, Perth, Do 28. Mai 1914, S. 6, SHIPPING

Emden, Germany, mole, postcard 1922

Die Mole in Emden, Postkarte, 1922, Quelle: http://www.zeno.org/Ansichtskarten

Eine sehr lange Reise

Die erste Reise mit der “Ulm” sollte die einzige bleiben und viel, viel länger dauern als vorhergesehen (über 5 Jahre).

Die „Ulm“ kam am 22. Juli 1914 in Newcastle N.S.W. (Australien) an, um dort Kohlen für Amboina, Makassar und Java zu laden. Am 2. August 1914 ist das Schiff von Newcastle abgegangen, ohne auf volle Ladung zu warten und erreichte am 20. August 1914 Banjoewangi.
Quelle: Otto Harms, Deutsch-Australische Dampfschiffs-Gesellschaft (1933).

Anm.: Banjoewangi heißt heute Banyuwangi und liegt am östlichen Ende der Insel Java, gegenüber der Insel Bali. – Die vorgezogene Abfahrt von Newcastle war von der Reederei wegen des drohenden Eintritts Großbritanniens in den Krieg angeordnet worden, der dann am Abend des 4. August 1914 (GMT) erfolgte (in Australien bereits der 5. August 1914).

Amboina/Ambon (Molukken – Ost-Indonesien)

Während des Ersten Weltkriegs lag das Schiff „Ulm“ spätestens ab September 1914 im Hafen von Amboina (Ambon), einer kleinen Insel gleichen Namens im östlichen Indonesien. An Bord natürlich auch der Kapitän: C. B. Saegert.

Siehe dazu: Die „Ulm“ in Ambon (Teil 1 von 2) und Die „Ulm“ in Ambon (Teil 2 von 2)

Ambon/Amboina port

Blick vom Strand auf den Hafen von Amboina, 1922, Quelle: Collectie Nationaal Museum van Wereldculturen, Amsterdam, Inventarnr. TM-33000958

Im Jahr 1915 und 1916 spenden Kapitän C. B. Saegert sowie einige andere Besatzungsmitglieder für die Kriegshilfe:

47. Gabenverzeichnis der Hamburger Kriegshilfe
(Die Aufrufe der Hamburgischen Kriegshilfe und des Roten Kreuzes werden in der Sonntagsausgabe veröffentlicht.)
Deutsche Bank, … Deutsch-Austral.-Dampfsch.-Ges., Dampfer „Ulm“, Kapitän C. B. Saegert 50, 2. Steuermann P. Hoffmeister 170, 4. Steuermann R. Bloese 50, 4. Maschinist L. Reichard 50
Hamburger Anzeiger, Fr 2. Juli 1915, S. 11

Gabenverzeichnis der Hamburgischen Kriegshilfe
Deutsche Bank: … Kapitän C. B. Saegert u. Maschinisten-Anwärter C. Heesch vom D. „Ulm“, z. Zt. Amboina,
Niederländisch-Indien, durch Deutsch-Austral. Dampfsch.-Ges. 80.(Neue Hamburger Zeitung, 2. Juni 1916,Seite 4)

Außerdem liegt mir eine von Kapitän C. B. Saegert unterschriebene Original-Abrechnung für den Schiffskoch Wilhelm Holst vom 27. März 1917 vor, ebenfalls ausgestellt in Amboina (auf dieses Dokument komme ich noch einmal zurück).

C. B. Saegert, master

Kapitän C. B. Saegert, Originalunterschrift auf einem Dokument des Jahres 1917, eigene Sammlung

Drei Todesfälle

Eine weitere Spur des ersten Kapitäns der „Fürth“ habe ich im Jahr 1922 gefunden, die allerdings Ereignisse aus den Jahren 1914 bis 1916 betrifft:

Das Seeamt zu Hamburg verhandelte am Mittwoch den 1. November 1922 drei Todesfälle, die sich auf dem Dampfer „Ulm“ unter der Leitung von Kapitän C. B. Saegert zugetragen hatten.

Der zeitlich erste Fall ereignete sich am 7. September 1914 im Hafen von Sawai, womit wir auch den Aufenthaltsort des Schiffes für diesen Tag kennen. Zu den beiden anderen Todesfällen kam es dann im Jahr 1916 im Hafen von Ambon.

Anm. Sawai liegt im Norden der Insel Pulau Seram, weniger als eine halbe Tagesreise von Ambon.

Die Namen der Verunglückten: Der Leichtmatrose Franz Carl Gustav Paul Kötteritzsch, ertrunken beim Bewegen eines Beibootes im Hafen von Sawai (7. September 1914); der dritte Offizier Hugo Max Hornuff am 2. Juni 1916 durch Sturz in den Unterraum des Schiffes und der Matrose Fritz Heinemann genannt Woebbekind, am 10. April 1916 ebenfalls durch Sturz in den Unterraum. Alle drei Todefälle wurden bei der Verhandlung des Seeamtes als Unglücksfälle eingestuft, an denen niemanden ein Verschulden trifft.
Quelle: Hamburgischer Correspondent und neue hamburgische Börsen-Halle, 02. November 1922 , S. 27

Ob Kapitän C. B. Saegert allerdings bei der Verhandlung im Jahr 1922 selbst anwesend war, ist nicht dokumentiert.

Letzte Informationen

Eine (für den Moment) letzte Spur von Kapitän C. B. Saegert gibt es im Frühjahr 1919 in einer Zeitungsmeldung über eine Meuterei auf dem Schiff „Ulm“ (De Preanger-bode, 12. Apr 1919).

Danach konnte ich bislang keinen Hinweis mehr auf Kapitän C. B. Saegert finden.

Er muss theoretisch noch bis zum 30. August 1919 in Ambon gewesen sein, dem Tag, als die „Ulm“ fast ein Jahr nach Kriegsende an die Briten übergeben wurde, wie die Zeitung Bataviaasch nieuwsblad am 29. August 1919 berichtete:

Amboina, 29 Aug. (Aneta). De schepen-overgavs.
De heden overgegeven schepen ,Manila“ en ,Teo Pao“ voeren de Statenbondvlag met in den top de Britsche kleuren. De overgave van de ,Ulm“ heeft Zaterdag plaats.
Bataviaasch nieuwsblad, 29-08-1919

Erst dann kann er zusammen mit der verbliebenen Mannschaft das Schiff verlassen haben und hat wahrscheinlich auf schnellstem Weg versucht, über Makassar und Batavia nach Deutschland zurückzukommen. Er war zu diesem Zeitpunkt bereits 66 oder 67 Jahre alt und dürfte seinem Ruhestand in der Heimat sehnsüchtig entgegengesehen haben.

Allerdings kamen im Herbst 1919 sehr viele Kriegs- und Zivilgefangene aus aller Welt nach Deutschland zurück, ein einzelner Kapitän ist in dieser großen Zahl an Heimkehrern nur schwer auszumachen…

Kapitän Claus Berthold Saegert aus Stralsund?

Laut der Transkription eines Dokumentes der Hafenbehörde in Sydney vom 22. Januar 1902 beim Eintreffen des Dampfers „Bergedorf“ steht die Abkürzung der Vornamen für Claus Berthold Saegert, damals 49 Jahre alt und als Wohnort wurde in der Meldung für die Hafenpolizei Stralsund angegeben. Im Scan des Originals (www.marinersandships.com.au) sind diese Angaben allerdings nicht zu lesen, vielleicht wurden sie auf der Außenseite des Dokumentes gemacht, die nicht eingescannt wurde. Aber immerhin eine Spur…

Stralsund port, about 1900

Führt uns die Spur nach Stralsund?
Stralsund vom Hafen mit Dampfer Altefähr, Postkarte, um 1900, Quelle: http://www.zeno.org/Ansichtskarten

Für alle sachdienlichen Hinweise, die dazu dienen, das Profil von Kapitän C. B. Saegert zu vervollständigen, vorab herzlichsten Dank!

Erstveröffentlichung dieses Artikels: 17. November 2018

SMS Emden, Tsingtau, China, 1914

SMS „Emden“ versenkt die „Diplomat“

Gefürchtet und geachtet

Die kurze Geschichte einer weltberühmten Kaperfahrt

Ich habe lange überlegt, ob ich zu SMS „Emden“ einen Artikel machen soll, da es wirklich genug Literatur und Verfilmungen über das wahrscheinlich bekannteste Schiff des Ersten Weltkrieges gibt.

Nachdem aber Kapitän R. J. Thomson, der die „Fürth“ mit seiner Mannschaft von Colombo nach London überführte, mit seinem Schiff „Diplomat“ vorher von der SMS „Emden“ versenkt wurde, besteht ein direkter Bezugspunkt zu der Geschichte des Frachtdampfers „Fürth“.

Auf das Zusammentreffen von SMS „Emden“ mit der „Diplomat“ werde ich deshalb genauer eingehen und dazu auf britische Quellen zurückgreifen.

SMS steht übrigens für Seiner Majestät Schiff, eine Bezeichnung, die im Deutschen Kaiserreich und in Österreich-Ungarn verwendet wurde.

Kleiner Kreuzer Emden

Seitenriss der baugleichen Kleinen Kreuzer „Dresden“ und „Emden“, Quelle: commons.wikimedia.org/wiki/File:Kleiner_Kreuzer_Emden.png

Das Schiff

Gebaut wurde SMS „Emden“ auf der Kaiserlichen Werft in Danzig von 1906 bis 1908. Der Stapellauf war 10 Monate nach der „Fürth“ im Mai 1908. Mit einer Länge von 118 Metern war es genau so lang wie der Frachtdampfer „Fürth“, allerdings zwei Meter schlanker (13,5 m statt 15,5 m) und hatte auch weniger Tiefgang.

Die Motorisierung des Kleinen Kreuzers war natürlich wesentlich kraftvoller als bei einem Handelsschiff: 16350 PS beschleunigten das Schiff auf etwa 24 Knoten („Fürth“ 2200 PS und 12 kn). Die Besatzung war fast zehnmal so stark (361 Mann). Die Baukosten beliefen sich auf etwa 6 Millionen Mark.

Alle weiteren Angaben, wie zum Beispiel zur Bewaffnung finden Sie auf vielen marine-historischen Seiten, so dass ich darauf verzichte diese hier zu reproduzieren.

SMS „Emden“ in den ersten Kriegsmonaten

Bei Beginn des Ersten Weltkriegs war SMS „Emden“ in Tsingtau im Deutschen Pachtgebiet Kiautschou, das 1898 vom Kaiserreich China an das Deutsche Kaiserreich verpachtet worden war. Hier im Blog hatte ich kurz über Tsingtau berichtet, da der auf der „Fürth“ kurze Zeit gefangen gehaltene Physikprofessor Erich Hupka dort eine Professur antreten sollte: Wie ein bekannter deutscher Physikprofessor auf die „Fürth“ kam

Von Tsingtau aus startete SMS „Emden“ unter Leitung von Karl von Müller ihre Fahrt in den östlichen Indischen Ozean. Das Schiff nutzte seine hohe Geschwindigkeit und wechselte innerhalb seines Fahrgebietes rasch die Position: Niederländisch-Indien, Golf von Bengalen, das Seegebiet um Ceylon, die Malediven und Lakkadiven gehörten zum Operationsgebiet.

Einmal lief SMS „Emden“ sogar Diego Garcia im entlegenen Chacos-Archipel an. Dies war in der Zeit vom 4. – 9. Oktober 1914. Auf diesen wirklich sehr abgelegenen Inseln war die Nachricht vom Kriegsausbruch selbst zwei Monate später noch nicht angekommen und SMS „Emden“ stattete den Inseln einen „Höflichkeitsbesuch“ ab, wurde zuvorkommend empfangen und konnte sich hier versorgen.

SMS "Emden"

SMS „Emden“, Quelle: commons.wikimedia.org/wiki/File:Bundesarchiv_DVM_10_Bild-23-61-13,_Kleiner_Kreuzer_%22SMS_Emden_I%22.jpg

In der kurzen Zeit von August bis November 1914 brachte SMS „Emden“ 24 Handelsschiffe auf, die entweder versenkt wurden oder SMS „Emden“ als Versorgungsschiffe (vor allem für Bunkerkohlen und als Gefangenenunterkünfte) dienten. Des Weiteren wurden Tanklager in Madras in Brand gesetzt und der Schiffsverkehr im Indischen Ozean erheblich gestört. Bei einem Überraschungsangriff auf den Hafen Penang wurde sowohl ein russisches als auch ein französisches Kriegsschiff versenkt.

Eine häufig zu findende Schlagzeile in britischen Medien zu dieser Zeit war folglich „THE EMDEN AGAIN“.

SMS „Emden“ benötigte für ihre schnelle Kaperfahrten eine Unmenge Kohle. Insgesamt legte das Schiff in drei Monaten rund 30.000 Seemeilen (56.000 Km) zurück (Quelle: naval-encyclopedia.com). Ein Beispiel, wie sich SMS „Emden“ mit Bunkerkohle versorgte, erläutert dieser Artikel:

HOW THE EMDEN GETS COAL
A cablegram from Colombo to the Tatem Steam Navigation Company, received last evening at Cardiff, states that the captain and crew of the steamer Exford, captured by the German cruiser Emden about ten days ago off the Malabar coast, have safely reached Colombo. The captors, it was stated, intimated that after taking the cargo of 7,000 tons of steam coal from the Exford she would be sunk. At the time of capture she was bound to a Far East port.
Sheffield Evening Telegraph, Fr 30. Okt. 1914

Die Versenkung der „Diplomat“ durch SMS „Emden“

Zu den von SMS „Emden“ versenkten Handelsschiffen gehörte das große Schiff „Diplomat“ der englischen T & J Harrison Line. Die Geschichte dieser Reederei finden Sie hier: Ein Logbuch der „Fürth” in Liverpool

Die Mannschaft dieses Schiffes sollte dann über Kalkutta Ceylon erreichen und die im Hafen von Colombo liegende „Fürth“ nach London bringen. Der Kapitän der „Diplomat“ war R. J. Thomson: Kapitän R. J. Thomson überführt das Dampfschiff „Fürth“ von Ceylon nach England

Zur Versenkung der „Diplomat“  unten stehend ein Artikel der Times, den ich hier nach einer Wiedergabe in der Zeitung Western Times, Exeter, vom Freitag, den 16. Oktober 1914 zitiere.

Ich habe den Artikel zum besseren Verständnis zwischendurch kommentiert. Der englische Text selbst ist unverändert.

THE „EMDEN“
Her Daring Raid on Merchantmen
IN BAY OF BENGAL
(“Times” War Special)

Calcutta, Sept. 17th.

The raid of the German cruiser “Emden“ in the Bay of Bengal in the course of which she came within seventy miles of the mouth the Hooghly and sank five British merchants is so remarkable that the story of passengers on the „Diplomat“ will be read with interest.

The Harrison liner “Diplomat”, bound for Liverpool, left Calcutta on Friday, dropped her pilot at the Sandheads on Saturday, and fell in with the “Emden” at noon on Sunday. When her officers saw in the distance a cruiser, attended by three other vessels, they at once concluded that it was a British warship convoying troopships.

Die „Diplomat“ kam also aus Kalkutta, dem heutigen Kolkata. Der Hafen von Kalkutta liegt am Fluß Hugli (engl. Hooghly) etwa 120 Kilometer landeinwärts. Ein- und auslaufende Schiffe nahmen deshalb für die lange Flusspassage einen Lotsen an Bord.

The Bay of Bengal had been declared safe by the Naval Authorities, and for weeks ships had been leaving and coming into the Hooghly. Presently the behaviour of three of attendant vessels attracted attention. They seemed to have halted. The “Emden“ then steamed towards the “Diplomat,“ hoisted her ensign, and fired a shot to stop the merchant vessel. The Emden then put off a boat full armed men, who came on board the „Diplomat.“ The boarding officer examined the ship’s papers, and announced that she was to be sunk. All arms on board were taken away, and the captain of the „Diplomat “ was ordered ,to lower the ship’s boats and remove the passengers and crew. All were allowed to remove their personal effects, and every courtesy was shown.

High seas were running, and to take away boxes was impossible. The German officers were extremely courteous, and apologised for sinking the vessel. Boats were directed to the „Kabinga“, the merchant ship already captured by the „Emden,“ and board this vessel the captives from the „Diplomat“ saw the „Emden“ fire five shots. The bows of the „Diplomat“ were submerged, and she floated vertically, stem uppermost, and then made a final plunge.

Auch andere Quellen berichten, dass die Besatzungen und Passagiere gekaperter Schiffe sehr höflich behandelt wurden (zumindest in den ersten Kriegsmonaten). Die „Kabinga“ diente SMS „Emden“ als Versorgungs- und Gefangenenschiff. Das in Newcastle gebaute Schiff war für die Ellerman & Bucknall Steamship Co Ltd, London in Fahrt und hatte sehr ähnliche Dimensionen wie die „Fürth“. Siehe: http://www.tynebuiltships.co.uk/K-Ships/kabinga1907.html. Am 14. September 1914 konnte die „Kabinga“ die Gefangenen in Kalkutta an Land bringen.

The officers of the „Emden“ said she had been seven weeks at sea, and had intercepted every message sent by merchantmen and the pilot brig „Fraser“ and knew what ships to expect. The accuracy of their information was shown by their readiness to capture the “Trabboch“ from Hooghly. The “Emden” lay like a lizard, then made a sudden side movement, and darted towards the doomed vessel. The „Emden“ supposed have come from Kiao Chao and to have escaped the pursuit of the Japanese war vessels by running into the Bay. It was by pure luck that five other vessels coming down the escaped destruction.

Die „Trabboch“ war für die Kyle Transport Co Ltd., Liverpool in Ballast auf dem Weg nach Kalkutta. http://www.clydeships.co.uk/view.php?a1PageSize=100&a1Page=182&ref=13674&vessel=TRABBOCH.

The “ Emden“ detained the Italian vessel „Loredano“ but released her. The „Loredano“ meeting the „City of Rangoon“, signalled that the enemy was about. The latter’s captain turned and signalled to Calcutta and Simla. Two transports were saved the same way.

Die „Loredano“ war ein Schiff der Società Veneziana di Navigazione a Vapore aus Venedig (http://www.tynebuiltships.co.uk/P-Ships/portcaroline1905.html). Italien war zu diesem Zeitpunkt noch neutral, es trat erst am 23. Mai 1915 in den Ersten Weltkrieg ein.

SMS Emden, Tsingtau, China, 1914

S.M.S.“Emden“ im Hafen von Tsingtau, Frühjahr 1914, Quelle: commons.wikimedia.org/wiki/File:Bundesarchiv_Bild_137-001329,_Tsingtau,_SMS_%22Emden%22_I_im_Hafen.jpg

Der 9. November 1914

Am 9. November 1914 zerstörte SMS „Emden“ eine Funk- und Kabelstation auf Direction Island, die zu den Cocos-Islands gehört. Die Inselgruppe liegt etwa auf halben Weg zwischen Australien und Ceylon. Die Funker auf Direction Island konnten jedoch vor der Zerstörung einen Notruf absetzen und das in der Nähe befindliche Schiff HMAS „Sydney“ machte sich auf den Weg.

Anm.: HMAS steht für Her Majesty’s Australian Ship

Es kam zu einem Gefecht, bei dem die größere, schnellere und stärker bewaffnete HMAS „Sydney“ im Vorteil war und SMS „Emden“ zerstören konnte. Das Verhältnis der gefallenen Seeleute spiegelt diese Überlegenheit wider: 134 getöteten Seeleute von SMS „Emden“ stehen vier Gefallene der HMAS „Sydney“ gegenüber.

Dem 50 Mann starken Landungstrupp von SMS „Emden“, der die Funkstation zerstört hatte, gelang unter Leitung von Hellmuth von Mücke die Flucht mit dem bei Direction Island liegenden Schoner „Ayesha“. Die Soldaten konnten mit der „Ayesha“, die in einem sehr schlechten Zustand war, das niederländische Padang erreichen, erhielten aber nur eine Erlaubnis, sich dort innerhalb von 24 Stunden zu versorgen und mussten dann erneut ablegen. Nach zwei Wochen trafen sie auf das deutsche Schiff „Choising“ des Norddeutschen Lloyd, mit dem sie die jemenitische Küste bei Hodeida erreichten. Mit zwei kleinen Dauen kamen die Männer zunächst auf dem Seeweg weiter durch das Rote Meer und dann auf dem Landweg nach Al-Ula, wo sie bereits erwartet wurden und mit dem Zug weiterreisen konnten.

Diese abenteuerliche Rückkehr der Landungseinheit ins Deutsche Reich verstärkte noch einmal den Mythos von SMS „Emden“, nicht nur im Deutschen Kaiserreich, sondern auch im British Empire.

Die überlebende Schiffsbesatzung von SMS „Emden“ wurde nach Asien gebracht und dort interniert.

HMAS Sydney

Der Leichte Kreuzer HMAS „Sydney“; HMAS steht für „Her Majesty’s Australian Ship“, Quelle: commons.wikimedia.org/wiki/File:British_Ships_of_the_First_World_War_Q21817.jpg

Internierung auf Ceylon

Acht britische und 46 deutsche Verletzte kamen in das Militärkrankenhaus nach Colombo, wo nach Angaben des Sri Lanka College of Military Medicine alle Eingelieferten genesen konnten. Die deutschen Seeleute wurden anschließend in das Camp Diyatalawa gebracht.

“On 14th November 1914, 8 British and 46 German casualties from the naval action off Cocos Island between the Australian ship Sydney and the famous German cruiser Emden, were landed in Colombo and transferred to the military hospital. All of them recovered. The Germans were then interned in a prisoner of war camp at Diyatalawa, the medical supervision of which fell on the doctors of the Ceylon Volunteer Medical Corps.”
Quelle: Sri Lanka College of Military Medicine, slcomm.lk/cool_timeline/history/

Im Camp Diyatalawa hat sich zu dieser Zeit auch Professor Erich Hupka befunden, der einige Tage auf der „Fürth“ im Hafen von Colombo gefangen gehalten worden war: Wie ein bekannter deutscher Physikprofessor auf die „Fürth“ kam

Außerdem war auch die Familie Freudenberg in Diyatalawa interniert, nachdem ihr Unternehmen in Zwangsverwaltung genommen worden war. Freudenberg & Co. in Colombo

Auch Besatzungsmitglieder der „Fürth“, die zuerst im Camp Ragama untergebracht waren, könnten später im Camp Diyatalawa mit Besatzungsmitgliedern der SMS „Emden“ in Kontakt gekommen sein. Zum Camp RagamaDas Lager Ragama auf Ceylon

Die Woche, Deutsche Kriegsgefangene auf Ceylon

Deutsche Kriegsgefangene auf Ceylon, darunter auch Seeleute der „Emden“, DIE WOCHE, Heft 14, 04. März 1915, © http://dlibra.bibliotekaelblaska.pl/dlibra/publication?id=31234&tab=3

In späterer Zeit

1916 wurde ein neues Schiff auf Befehl Kaiser Wilhelm II. wieder SMS „Emden“ benannt (weitere Schiffe danach erhielten ebenfalls den Namen „Emden“).

Eine der 10,5 cm Bordkanonen von SMS „Emden“ steht noch heute auf einem Denkmal in Sydney (Whitlam Square).

Das Wrack von SMS „Emden“ auf North Keeling Island ist ein durch den Australia’s Historic Shipwrecks Act von 1976 geschützter Ort.

Wer mehr über SMS „Emden“ erfahren möchte, dem empfehle ich die Internetseite der Bordgemeinschaft der Emdenfahrer http://www.bgef.de/index.php.

Auf der Internetseite der Bordgemeinschaft der Emdenfahrer finden Sie auch einen Link zu einem sehr eindringlichen und lesenswerten Dokument. Es ist der Bericht des leitenden Bordarztes der HMAS „Sydney“, Dr. Leonhard Darby, an seinen Vorgesetzten über die Ereignisse am 9./10. November 1914 bei den Cocos Inseln. Sachlich und nüchtern beschreibt Darby darin, wie er die Verwundeten versorgt hat und unter welchen Bedingungen er auf der HMAS „Sydney“ arbeitete (in englischer Sprache): http://www.gwpda.org/medical/darby/darby.htm

Dieser Beitrag wurde zuerst veröffentlicht am 16. November 2019.

SMS Emden, Cocos Islands, 1914

Wrack von SMS „Emden“, Cocos Inseln, Indischer Ozean, Aufnahme von 1914, Quelle: State Library of South Australia, Ref [PRG 280/1/12/59]

logbook German-Australian Liner Furth 1914

Das Schiffstagebuch der „Fürth“

Ein Glücksfall

Im Fall des Dampfschiffes „Fürth“ haben wir das seltene Glück, dass sich ein Schiffstagebuch (Logbuch) bis ins einundzwanzigste Jahrhundert erhalten hat. Es befindet sich im Merseyside Maritime Museum in Liverpool. Wie es dort hingekommen ist, erfahren Sie hier: Ein Logbuch der „Fürth” in Liverpool

Bildnachweis Titelbild: Titelseite des Logbuchs der „Fürth“, Beginn 21. April 1914; mit freundlicher Genehmigung des National Museums Liverpool (Merseyside Maritime Museum), Ref. B/HAR/11/4/1

Über den Maritime & Historical Research Service Books, Boxes and Boats hatte ich Fotos vom Logbuch erhalten. Der Service bietet nicht nur Recherchedienste an, sondern hat auch eine sehr informative Webseite, die sich ausgezeichnet als Ausgangspunkt für eigene Recherchen zum Thema Schifffahrt eignet: http://www.maritimearchives.co.uk/

Mithilfe des Logbuchs können wir die letzte Australienfahrt der „Fürth“ bis ins Detail nachverfolgen. Aus anderer Perspektive, nämlich rekonstruiert aus Zeitungsmeldungen des Jahres 1914, hatte ich hier berichtet: Unvollendete Fahrt

Das Logbuch enthält sehr viel interessante Details über die Seefahrt zu Beginn des 20. Jahrhunderts, die ich zum besseren Verständnis mit reichlich zusätzlichen Informationen aufbereitet habe:
Reisevorbereitungen vor der Abfahrt, das Bunkern, Laden und Löschen in den Häfen, die Anbordnahme von Hafen- und Seelotsen, Routinearbeiten an Bord, vorschriftsmäßige Überprüfungen, Navigation, Reise- und Liegezeiten, Wetterbedingungen, zurückgelegte Seemeilen, Probleme mit Mannschaftsmitgliedern, Desertionen und vieles mehr geben einen direkten Einblick in das Leben an Bord der „Fürth“ und der Handelsmarine im Allgemeinen.

Bis heute ist mir nur die Existenz eines weiteren Logbuches eines Schiffes der Deutsch-Australischen Dampfschiffs-Gesellschaft bekannt. Es ist das Logbuch des Dampfers „Neumünster“, einem Schwesterschiff der „Fürth“, ebenfalls aus dem Jahr 1914: siehe Schwesterschiffe der „Fürth“: Die „Neumünster“ und Aus dem Logbuch des Schiffes „Neumünster“

Informationen auf der Titelseite des Logbuchs (Titelabbildung)

Neben dem Schiffsnamen „Fürth“, sind der Heimathafen, das Unterscheidungssignal (siehe dazu Das Unterscheidungssignal der „Fürth“), der Kapitän W. Richter und gleich zweimal der Name der Reederei angegeben sowie deren Hausflagge abgebildet.

Im unteren Teil der Seite steht der folgende Text:

Dieses Schiffstagebuch enthält 184 mit fortlaufenden Seitenzahlen versehene Seiten, von denen jede für einen bürgerlichen Tag bestimmt ist. Vorgeheftet sind: 1. Zusammenstellung der Vorschriften über die Führung und Behandlung des Schiffstagebuchs (Tagebuchverordnung vom 21. März 1904 § 6); 2. Anweisung in betreff der Beurkundung von Geburten und Sterbefällen auf Seeschiffen während der Reise nebst Musterbeispielen für solche Beurkundungen (Reichsgesetzblatt 1875 S. 23 ff.). Am Schlusse sind Formulare zum Geburtenregister und zum Sterberegister angehängt.

Das Schiffstagebuch ist begonnen am 21. April 1914
und beendet am [kein Eintrag]

Anmerkung: Heraushebungen wie im Originaldokument

Der bürgerliche Tag

Der bürgerliche Tag ist nach einem Handbuch der Seefahrtskunde wie folgt definiert:

„Der bürgerliche Tag, für die Geschäfte und Verhältnisse des gewöhnlichen Lebens und Verkehrs, beginnt um Mitternacht, und endet in der nächsten Mitternacht, und wird in zwei gleiche Hälften, jede zu 12h, eingetheilt; die erstere heißt Vormittag, gewöhnlich mit V.M. oder auch mit A.M. (ante meridiem) bezeichnet; die zweite Hälfte heißt Nachmittag, mit N.M. oder P.M. (post meridiem) bezeichnet.“
Quelle: Handbuch der praktischen Seefahrtskunde, Erster Band, Eduard Bobrik, Verlagsbureau, Leipzig, 1848 (abgerufen über books.google.fr)

Damit ist der bürgerliche Tag ein für uns heute „ganz normaler“ Tag. Eine Abgrenzung des Begriffes besteht zum astronomischen Tag und zum seemännischen Tag, die beide am Mittag beginnen.

Vormittag und Nachmittag

In den Schiffsmeldungen der Tageszeitungen wurden regelmäßig die Begriffe vm. bzw. nm. verwendet (siehe dazu die Routenpläne bei den Australienfahrten der „Fürth“). vm entspricht also 0-12 Uhr und ist nicht mit unserer heutigen Verwendung des Wortes Vormittag zu verwechseln. Entsprechendes gilt für nm. oder Nachmittag.

Kapitän Walter Richter verwendet in seinen Aufzeichnungen eine Zeitzählung von 1 bis 12 mit den Begriffen am und pm, wie wir es in der Definition oben finden oder wie wir das aus dem Englischen kennen. 0.50 pm entspricht also 12.50 Uhr nach unseren heutigen Gewohnheiten.

Zeitlicher Umfang des Logbuchs

Der erste Eintrag im Schiffstagebuch der „Fürth“ ist – wie auf dem Titelblatt angegeben – vom 21. April 1914. Der letzte Eintrag von Kapitän W. Richter ist am 11. August 1914 in Colombo gemacht worden.

Anschließend klafft (leider) eine Lücke von über 2 Monaten (12. August bis 22. Oktober 1914).

Das Logbuch wird dann am 23. Oktober 1914 von Kapitän R. J. Thomson wieder aufgenommen, sein letzter Eintrag ist vom 30. November 1914 siehe dazu: Kapitän R. J. Thomson überführt das Dampfschiff „Fürth“ von Ceylon nach England

Copyright

Auf dem Logbuch ist ein © Copyright, das nach dem Zeitpunkt des Todes des Verfassers für 70 Jahre fortbesteht. Der erste Teil des Logbuches ist von Kapitän Richter, aber in großen Teilen auch von seinem ersten Offizier.

Kapitän Richter starb am 19. Februar 1917, somit sind die 70 Jahre Urheberrecht lange abgelaufen. Jedoch ist mir für den ersten Offizier R. Hoffmann das Todesdatum nicht bekannt. Ich weise deshalb darauf pflichtgemäß darauf hin, dass deshalb noch ein © Copyright auf dem Logbuch bestehen könnte.

Über alle Hinweise zu dem 1. Offizier R. Hoffmann bedanke ich mich herzlichst im Voraus. Bislang kann ich nur als Hinweis geben, dass er für diese Fahrt neu auf die „Fürth“ gekommen und im Sommer 1914 32 Jahre alt war: siehe Drei Mannschaftslisten der „Fürth“ aus dem Jahr 1914

cover logbook Furth 1914

Einband des Logbuchs der „Fürth“, Wiedergabe in Falschfarben, um die Lesbarkeit der Schrift zu erhöhen, mit freundlicher Genehmigung des National Museums Liverpool (Merseyside Maritime Museum), Ref. B/HAR/11/4/1

Der Einband des Logbuches

Auf dem Leineneinband des Logbuches stehen handschriftlich in großen Buchstaben die folgenden Texte:

S/S Fürth
15te Reise

Das Wort ‚Reise‘ ist in Kurrentschrift wiedergegeben, das Schriftbild entspricht den Einträgen im Innenteil. Diese Beschriftung kommt also sehr wahrscheinlich von Kapitän Richter oder dem ersten Offizier.

Die Reederei hatte die Reisen der Schiffe durchnummeriert. Intuitiv habe ich das bei den Australienfahrten der „Fürth“ von Anfang an ebenfalls getan und die Fahrten 1 bis 14 genannt (siehe Australienfahrten). Die Abweichung um eine Reise ergibt sich aus der Fahrt Nummer 13, die ich als eine Fahrt gezählt habe, die von der Reederei offenbar jedoch in zwei Fahrten aufgeteilt wurde, was sehr nachvollziehbar ist, dauerte sie doch vom 15. Februar 1913 bis zum 7. April 1914, also etwa 14 Monate. Eine logische Teilung ergibt sich nach der Rückkehr der „Fürth“ nach Europa in Newcastle-on-Tyne.

Damit wäre die 13. Fahrt nach Zählung der Reederei wahrscheinlich vom 15. Februar 1913 bis 2. Juli 1913 und die 14. Fahrt vom 16. Juli 1913 bis 7. April 1914.

Spätere Ergänzungen

Zu einem offensichtlich späteren Zeitpunkt wurde in großen Zahlen 1914 auf den Titel über die bestehenden Einträge geschrieben.

Eine weitere Eintragung auf dem Titel ist die Zahl „1.“ in der oberen rechten Ecke. Darunter stehen ebenfalls in schwarzer Schreibschrift die Großbuchstaben G.H. Die Bedeutung dieses Eintrages kann ich nicht deuten, eventuell stammt sie von einem Archivar.

Einleitende Seiten im Innenteil

Das Logbuch enthält vor den eigentlichen Einträgen einige vorgedruckte Seiten. Darin werden die folgenden Punkte behandelt:

Rückseite der Titelseite

Die Seite enthält die Skala der Windstärke nach Beaufort von 0 – 12, Beauforts Bezeichung des Wetters, das heißt 17 Kleinbuchstaben, die bestimmten Wettersituationen zuordnet sind sowie eine neunstufige Skala des Seegangs.

logbook steamer Furth, 1914

Logbuch der „Fürth“, Rückseite Titelblatt; mit freundlicher Genehmigung des National Museums Liverpool (Merseyside Maritime Museum), Ref. B/HAR/11/4/1

Sicherheitsvorschriften

Die nächste Seite enthält eine Tabelle mit Eintragungen zu den Sicherheitsvorschriften. Je Zeile gibt es eine Anweisung (z. B. „Überholung der Boote“), den Verweis auf die entsprechende Vorschrift, die Häufigkeit, mit der die Sicherheitskontrollen durchzuführen sind und die vierte Spalt lässt Raum für die Eintragungen, wann die Kontrollen durchgeführt wurden und auf welchen Seiten die entsprechenden Einträge im Logbuch zu finden sind (siehe Abbildung unten).

Vorschriften zur Führung des Schiffstagebuchs

Die Folgeseiten enthalten eine „Zusammenstellung der Vorschriften über die Führung und Behandlung des Schiffstagebuchs“, das heißt welche Eintragungen vor Beginn der Reise, von Tag zu Tag und im eintretenden Fall zu machen sind mit Verweis auf die jeweiligen Gesetze und Verordnungen.

Gefolgt wird dieses Kapitel von der „Anweisung in betreff der Beurkundung von Geburten und Sterbefällen auf Seeschiffen während der Reise“ gefolgt von vier Anlagen mit Musterbeispielen für beide Fälle.

Logbuch Fürth 1914

Logbuchseite mit den Sicherheitsvorschriften; mit freundlicher Genehmigung des National Museums Liverpool (Merseyside Maritime Museum), Ref. B/HAR/11/4/1

Fortsetzung

Die „Fürth“ im Trockendock No. 3 bei Blohm & Voss in Hamburg.

Außerdem werden Sie erfahren, was es mit Rathjens Compositionen auf sich hat.

Tagebuch (2) : Die „Fürth“ im Trockendock

Auf der Startseite des Blogs sind unter der Rubrik „Logbuch“ alle weiteren Logbucheinträge des Dampfschiffes „Fürth“ abrufbar.

Dieser Artikel erschien in einer ersten Fassung am 4. Januar 2020.

bog book Fürth August 10th, 1914

Logbuch der „Fürth“ (18) – Ein plötzliches Ende der Reise

Kaperung vor Ceylon

Bildnachweis Titel: Logbuch der „Fürth“, nummerierte Seite 112 (Ausschnitt), mit freundlicher Genehmigung des National Museums Liverpool (Merseyside Maritime Museum), Ref. B/HAR/11/4/1

 

Abfahrt aus Fremantle

Am Abend des 30. Juli legte die „Fürth“ vom Victoria Quay in Fremantle ab.

 

10.23 Anfang d. Reise, Lotse Williamsen, Schlepper Wyalo

10.50 Lotse von Bord; 11.15 pass. Leuchtboje an B.B. Anfang d. Seereise

SWl. Dünung

 

Zur Erinnerung: Zwei Tage zuvor, am 28. Juli 1914, gab es die Kriegserklärung Österreich-Ungarns an Serbien. Von allen späteren Entwicklungen musste sich die Mannschaft der „Fürth“ überraschen lassen, da das Schiff keine Telefunkenanlage an Bord hatte und sie offenbar auch keinem Schiff begegnete, das über die neuesten Informationen verfügte.

 

Der Schlepper „Wyola“

Der von JT Eltringham & Co Ltd in South Shields (Tyne, Nordengland) gebaute Schlepper Wyola, der der „Fürth“ bei der Ankunft und der Abfahrt assistierte, war 1912 in Dienst gestellt worden:

THE NEW TUG WYOLA.
Further particulars were received yesterday from London in connection with the new tug recently launched for service at Fremantle. The advices state that the tug has a length of 125 ft. by 24ft. 6in. beam, by 13ft. 6in. draught, with triple expansion engines capable of developing 1200 horse-power and driving the vessel at. a speed of 11 1/2 knots. She has also been fitted with a very powerful salvage pump and electric light has been installed stated to be thoroughly up-to-date in all respects, and when she arrives Fremantle will be in the position of having one of the most powerful and efficient tugs in Australia.
Quelle: Daily Commercial News and Shipping List, Sydney, 16. Jul. 1912, S. 4.

Im Ersten Weltkrieg wurde der Schlepper von der Admiralität requiriert und war in Malta im Einsatz. 1920 kehrte er nach Australien zurück und sollte bis in den Januar 1970 (!) Assistenzdienste im Hafen von Fremantle leisten. Diese Anschaffung hatte sich also wahrlich amortisiert!

Alle Daten zu Schiff und Werft sowie viele Bilder aus den unterschiedlichsten Perioden finden Sie auf der informativen Webseite TYNE TUGS AND TUG BUILDERS: http://www.tynetugs.co.uk/wyola1912.html

Victoria Quay, Fremantle, approximately 1907, State Library of Western Australia, 129205PD

Das Victoria Quay in Fremantle, West-Australien, ungefähr 1907, Quelle: State Library of Western Australia, Nr. 129205PD

Auf hoher See

Die folgenden Tage wurden für Routinearbeiten an Bord genutzt. Der 2. und der 9. August enthalten keine Arbeitseinträge, es waren Sonntage und damit nach der Seemannsordnung freie Tage für die Decksmannschaft. SIEHE: Von Lissabon nach Kapstadt: Das Logbuch der „Fürth“ (8)

31. Juli 1914

 

Malten Brücke und Kartenhausdeck

 

Am 31. Juli 1914 gab sich auch der blinde Passagier August Kast zu erkennen, der sich in Fremantle unbemerkt an Bord geschlichen hatte. SIEHE: Dampfschiff „Fürth“: Tagebuch-Spezial – Deserteure, Einschleicher und wechselndes Personal

 

Die Routinearbeiten wurden an den Folgetagen fortgesetzt:

Matrosen Logis, Closett u. Waschraum wurde gewaschen u. gestrichen.

Luken zur Ventilation geöffnet

Klopfen u. Stechen am Achterdeck

Die Korkwesten und Rettungsringe wurden überholt und die Tragfähigkeit geprüft. Alles in Ordnung lt. Vorschr. d. S.B.G.

Klopfen Rost am Achterdeck

Das Handruder wurde eingeschaltet und probiert. Alles in Ordnung.

Klopfen Rost an Achterdeck, versehen Vorwantschrauben u. besserten Farbe aus

Klopfen u. Stechen an Vordeck. Besserten Farbe aus und teerten und malten das stehende Gut

Anmerkungen:

Die Überprüfungen der Korkwesten/Rettungsringe am 4. August 1914 sowie des Handruders am 5. August wurden in die Tabelle mit den Sicherheitsvorschriften am Anfang des Schiffstagebuchs eingetragen. SIEHE: Das Schiffstagebuch der „Fürth“ – eine Einleitung

Das stehende Gut (Stag) bezeichnet Tauwerk, das zur Abspannung eingesetzt wird, zum Beispiel, um die beiden Masten zu stabilisieren.

Wantschrauben sind Spannschrauben, die die Wanten, also die Abspannungen der Masten, fixieren.

Inzwischen hatte sich die weltpolitische Lage grundlegend geändert:

The Sun, Sydney, Titel, August 5th, 1914

Titelseite der Zeitung „The Sun“, Sydney vom 5. August 1914

 

Etmale

Auf der Fahrt von Fremantle nach Colombo machte die „Fürth“ gute Fahrt. Am größten war das sogenannte Etmal, also die zwischen zwei Mittagen zurückgelegte Distanz, vom 8. auf den 9. August 1914, es betrug 313 Seemeilen, was einer Durchschnittsfahrt von 13,04 Knoten entspricht! Es sollte auf dieser, im vorliegenden Logbuch dokumentierten Reise, die einzige Marke über 300 Seemeilen bleiben. Für die Verhältnisse der „Fürth“ ein sehr guter Wert.

Ein Etmal von 456 Seemeilen

Eine Referenzmarke für ein besonders hohes Etmal hatte das englische Segelschiff „Champion of the Sea“ bereits im Jahr 1854 gesetzt. Der schlanke Klipper schaffte auf der Jungfernfahrt von Liverpool nach Melbourne ein größtes Etmal von 456 Seemeilen (nach anderen Angaben auch 465 sm). Die gesamte Strecke legte das Schiff dabei in erstaunlichen 75 Tagen zurück, was auf späteren Fahrten nach Australien von der „Champion of the Sea“ jedoch nicht mehr erreicht wurde.

“It may be remarked that the passage of the Champion of the Sea has been eminently successful, having in 24 hours logged 456 miles, and having beaten every ship that sailed for weeks before her…”
Quelle: London Evening Standard, Mo 19. März 1855 in britishnewspaperarchive.co.uk

Diese Rekordmarke eines Segelschiffes soll fast 130 Jahre gehalten haben. Selbst der größte und schnellste sogenannte Flying P-Liner der Hamburger Reederei Laeisz, das Fünfmastschiff „Preußen“, das 1902 in Dienst gestellt wurde, schaffte als größtes Etmal „nur“ 426 sm.

Das „Blaue Band“

In der Dampfschifffahrt sprach man weniger über Etmale, sondern über das berühmte „Blaue Band“. Diese begehrte Trophäe erhielt dasjenige Schiff, welches mit bezahlenden Passagieren an Bord am schnellsten von Europa nach New York oder umgekehrt fuhr. Es war ein prestigeträchtiger Konkurrenzkampf britischer und deutscher Reedereien.

1897 war es das Schiff „Kaiser Wilhelm der Große“ (Norddeutscher Lloyd (NDL), Bremen), drei Jahre später die „Deutschland“ (von „Gottes eigener Reederei“, der Hapag), 1902 die „Kronprinz Wilhelm“ und 1904 die „Kaiser Wilhelm II.“ (beide NDL, Bremen), die das „Blaue Band“ für sich beanspruchten.

Anmerkung: „Gottes eigene Reederei“ war in Seefahrerkreisen ein gängiger Spitzname für die Hapag, die unter der Führung von Alfred Ballin zur größten Reederei der Welt aufgestiegen war.

Die Briten ließen sich aber nicht lumpen und ab 1907 („Lusitania“) und 1909 („Mauretania“) war die begehrte Auszeichnung wieder in Großbritannien und es sollte bis 1929 dauern, bis die deutschen Reedereien wieder für einige Zeit die Nase vorn hatten („Bremen“ und „Europa“, Norddeutscher Lloyd).

Im Jahr 1914, dem Jahr, von dem dieser Blogartikel berichtet, hatte die Rekordmarke der „Mauretania“ Bestand, die auf der Rekordüberquerung von Europa nach New York im September 1909 eine Durchschnittsfahrt von 26,06 Knoten machte, was auf 24 Stunden gerechnet einen Schnitt von 625 Seemeilen macht.

Die Höchstgeschwindigkeit der „Mauretania“ lag bei 28 Knoten. Dazu war eine Maschinenleistung von etwa 57.000 KW erforderlich. Der Kohlenverbrauch dafür lag bei etwa 840 bis 1000 Tonnen – täglich!

Zum Vergleich: Die „Fürth“ hatte in den Roaring Forties einen ungewöhnlich hohen Tagesverbrauch an Kohlen: 47,5 Tonnen. SIEHE: Tagebuch (11): Die „Fürth“ in den Roaring Forties

Karl Lehmann 1914 Wellen in der Nordsee

Lehmann, Karl. 1914, Rolling swell in the North Sea, 1914 , viewed 2 janvier 2020 http://nla.gov.au/nla.obj-151910123

10. August 1914

Zurück zu bescheideneren Zahlen.

Die letzten Routinearbeiten an Bord der „Fürth“ wurden am Vormittag des 10. August 1914 durchgeführt:

 

Reinigten Raum III. Bilgen und Brausen wurden überholt, in Ordnung.
Versehen Vorwantschrauben

10. August 1914, Mittag:

Errreichte Breite: 5° 25’N; Breite n. astr. Beobachtung: 5° 32’N

Erreichte Länge: 80°46’O; Länge n. astr. Beobachtung: 80° 50’O

ab 0 h Mittag fahren mit 2 Kesseln.

 

10. August 1914, 14.30 Uhr – Kaperung der „Fürth“

Die Kaperung der „Fürth“ am Nachmittag des 10. August ist im Logbuch wie folgt dokumentiert:

2.30 p.m.
wurden von einem englischen Kriegsschiff angehalten, wurden aufgefordert beizudrehen, was mit einigen scharfen Schüssen bekräftigt wurde. Br 5° 38’N Lg 80°40‘ Ost Dondra Head N 13°W. Es kam ein Boot mit Besatzung u. einem Ofz. an Bord, welcher erklärte, daß Krieg zwischen Deutschland u. England ausgebrochen sei. Ich wurde gezwungen mich den Befehlen des Ofz. zu fügen u. mich der Führung des Kriegsschiffes zu unter werfen. Fürth sollte nach Colombo gebracht werden.
R. Hoffmann I. Offz., W. Richter (Unterschriften)

Anmerkungen:

Die „Fürth“ war zu diesem Zeitpunkt bereits in Sichtweite der Insel Ceylon gekommen. Das belegt die im Logbuch notierte Peilung von Dondra Head in Nord 13 Grad West.

Das 49 Meter hohe Dondra Head Lighthouse steht am südlichsten Punkt Ceylons. Es ist seit März 1890 in Betrieb. Bemerkenswert: Das Baumaterial für den Leuchtturm wurde allesamt aus Großbritannien herangeschafft.

Der Originaleintrag aus dem Logbuch ist im Titelbild dieses Beitrags abgebildet.

 

HMS Espiegle

HMS Espiegle, gebaut 1900 als kombiniertes Segel-/Dampfschiff; das Schiff wurde jedoch nie mit Segeln ausgerüstet: Quelle: http://ww1blog.osborneink.com/?p=1921 (downgeloaded am 20.12.2017), The Great War Blog, Your world was born in blood and fire 100 years ago today

 

Die letzten Einträge (10./11. August 1914)

Die Einträge auf nummerierten Seite 113 des Logbuches stammen von verschiedenen Personen.

Der erste ist von Lieutenant Mark Singleton, Chief Mate (erster Offizier) auf der HMS „Espiègle“, der die Übernahme der „Fürth“ im Logbuch bestätigt.

This is to certify that acting under instructions of Commander Ls. (?) Nunn. of H.M.S. “Espiègle” I boarded this 10th day of August 1914 the S.S. “Fürth” of Hamburg at 2.45 p.m. in Lat. 5.39N, Long. 80.39E. I scanned (?) the ship + papers + cargo + found them to tally. There is nothing to show that she has acting in Government Interests. There were 20 despatches on board. There were 20 complaints.
Mark Singleton, Lieutenant R.N.
H.M.S. “Espiègle“

Hier der Text in meiner Übersetzung:

Hiermit wird bestätigt, dass ich unter Befehl des Commanders Nunn der HMS „Espiègle“, am 10. August 1914 um 14.45 Uhr bei Breite 5°39‘ N und Länge 80°39‘ Ost an Bord der SS „Fürth“ gegangen bin. Ich habe das Schiff, die Papiere und die Ladung überflogen und fand sie übereinstimmend. Nichts deutet darauf hin, dass sie im Auftrag der Regierung unterwegs war. Es waren 20 Soldaten an Bord. Es gab 20 Beschwerden.
Mark Singleton, Lieutenant R.N.
H.M.S. “Espiègle“

log book Furth August 1914

Logbuch der „Fürth“, nummerierte Seite 113 (Ausschnitt), mit freundlicher Genehmigung des National Museums Liverpool (Merseyside Maritime Museum), Ref. B/HAR/11/4/1

 

Lieutenant-Commander Mark Singleton

Mark Singleton wurde am 24. Juni 1887 in Somerset geboren. 1909 wurde er zum Lieutenant befördert, im Juli 1914 war er Chief Mate auf der HMS „Espiègle“ und bereits im Dezember des gleichen Jahres erhielt er das Kommando des Kanonenbootes „Shaitan“. Mit diesem war er erfolgreich an einer Operation bei Amara (Irak) beteiligt und wurde dafür mit dem Orden für hervorragenden Dienst (Distinguished Service Order) ausgezeichnet. 1917 wurde er zum Lieutenant-Commander befördert und war Schiffsführer der Zerstörer „Patrician“ und „Splendid“.

Im März 1922 wurde er abgelöst, im April 1922 von einem Kriegsgericht wegen Alkoholmissbrauchs verurteilt und im Dezember 1923 wegen mangelnden Sehvermögens für dienstuntauglich erklärt. Singleton starb 1952.

Quelle: http://www.dreadnoughtproject.org/tfs/index.php/Mark_Singleton

Die gleiche Quelle gibt Auskunft über Wilfried Nunn, dem Commander der HMS „Espiègle“, der es in der Navy bis zum Rang eines Vize-Admirals schaffte: http://www.dreadnoughtproject.org/tfs/index.php/Wilfrid_Nunn

 

Ein (noch) unbekannter Verfasser

Der zweite Eintrag erfolgte in anderer Schrift in blauer Tinte. Er ist datiert auf den 11. August 1914, 8.30 Uhr. Die Unterschrift kann ich nicht entziffern/zuordnen. Für Hinweise, um wen es sich handeln könnte und welche Funktion diese Person in Colombo innehatte, im Voraus herzlichen Dank.

Taken over by me on behalf of the Marshall of the Prize Court Colombo

log book Furth 1914

Logbuch der „Fürth“, nummerierte Seite 113 (Ausschnitt), mit freundlicher Genehmigung des National Museums Liverpool (Merseyside Maritime Museum), Ref. B/HAR/11/4/1

[Unterschrift]

August 11.1914
8.30 am
Colombo Harbour

Nachträgliche Anmerkung vom 10.06.2020 zur Unterschrift in blau:
Die beiden ersten Buchstaben der Unterschrift sind die Initialen der Vornamen:
H. E. Newnham (Hubert Ernest Newnham, 1886-1970) war Landing Surveyor des Zolls in Colombo; er ging auch an Bord der Schiffe „Trifels“ und „Steinturm“ der DDG Hansa (Quelle: The Singapore Free Press and Mercantile Advertiser, 20. Aug 1914, S. 13, German Steamers Detained at Colombo; eresources.nlb.gov.sg)
Laut Wikipedia war Hubert Ernest Newnham Principal Collector of Customs und Chairman of the Colombo Port Commission, von 1924-1931 war er Bürgermeister von Colombo.

 

 

log book Furth August 11th, 1914

Logbuch der „Fürth“, nummerierte Seite 113 (Ausschnitt), mit freundlicher Genehmigung des National Museums Liverpool (Merseyside Maritime Museum), Ref. B/HAR/11/4/1

 

Das vorläufige Ende des Logbuchs

Die letzten Einträge im Schiffstagebuch sind dann wieder in der gewohnten Kurrentschrift. Demnach handelt es sich bei der Person mit der unleserlichen Unterschrift um einen „englischen Marineoffizier“:

 

Fahren nach Anleitung des die Führung übernommenen engl. Marine Offz.

11./8.14

6 h am ankerten auf Untersuchungsankerplatz.

7.35 am Anker auf, die engl. Kriegsflagge wurde gehißt

dampften in den Hafen.

7.55 am B.B. Anker.

8 h Doktorvisite

8.15 Schiff fest an Bojen. Ende d. Reise

Tiefgang v. 20‘8“; h. 22‘6“

 

Damit endet das Logbuch der „Fürth“ unter der Leitung von Kapitän Richter.

 

White Ensign

Die englische Kriegsflagge, die „White Ensign“ von der HMY Alberta (königliche Yacht). Quelle: Royal Museums Greenwich, https://collections.rmg.co.uk/collections/objects/801.html

 

Die Fortsetzung der Geschichte

Über die weitere Geschichte der „Fürth“, ihrer Mannschaft und der Fracht habe ich hier im Blog bereits berichtet. Die Rekonstruktion beruht auf zwei Zeitungsartikeln. Es sind zwei ausführliche Interviews, zum einen mit Kapitän Richter und zum anderen mit zwei Maschinisten bei der Rückkehr der Seeleute in Hamburg.

Die Berichte über den Aufenthalt in Colombo finden Sie hier:

Die „Fürth“ in Colombo: 11. bis 18. August 1914

Gefangenschaft auf Ceylon – Mannschaftsmitglieder der „Fürth“ berichten

Wie ein bekannter deutscher Physikprofessor auf die „Fürth“ kam

 

Von Colombo nach London

Zu einem späteren Zeitpunkt werde ich noch über die Logbucheinträge auf der Fahrt der „Fürth“ von Colombo nach Tilbury (London) berichten.

Die Reise selbst habe ich hier beschrieben: Kapitän R. J. Thomson überführt das Dampfschiff „Fürth“ von Ceylon nach England

 

Colombo Ceylon 1907

Colombo 1907: Queen Street, mit Leuchtturm, Quelle: New York Public Library’s Digital Library, digital ID e75f4360-c5d2-012f-ef16-58d385a7bc34

Margaret Brock

Die „Fürth“ in Adelaide: Logbuch (16), Juli 1914

An der australischen Südküste nach Adelaide

Am Morgen des 22. Juli 1914 war die „Fürth“ in Melbourne zu ihrer Fahrt nach Adelaide aufgebrochen. Bis zum Abend verlief die Route bis Cape Otway, das die „Fürth“ schon auf der Reise von Südafrika nach Melbourne passiert hatte. Siehe dazu: Tagebuch (12): Die „Fürth“ in Melbourne

Bei Cape Otway änderte sich der Kurs von Südwest auf Nordwest und die „Fürth“ lief die australische Südküste entlang nach Adelaide.

23. Juli 1914

 

1.43 C. Nelson F. N 44° W

2.10           “          N 33° W

3.11            “         N 12° O 9 sml ab

Bewegte See

5.7 Cap Nelson F. Pos. N 70° O i.d. Kimm

Stark bewegte See

7.33 C. Northumberland Pos. N 5° W 4 Str.

8.38                “               quer Pos. N 40° O ½ sml ab

9.52 Carpenter Rck Pos. N 40° O 6.5 sml ab

Stark bewegte See

12 h 0 m Cap Martin Pos. N 6° W i.d. Kimm

 

Anmerkungen:

Cap Nelson befindet sich 13 Kilometer südlich der Stadt Portland (Victoria). Das Gelände des seit 1884 bestehenden weißen Leuchtturms mit roter Haube wird von einem langen 1,75 Meter hohen Bruchsteinwall umgeben, der den Wärter vor den starken Winden schützen sollte.

Cape Nelson about 1910

Kap Nelson, Postkarte, ca. 1910-1919; Quelle: State Library Victoria ID H90.160/290

 

Der mit einer Petroleumlampe betriebene Leuchtturm von Cape Northumberland wurde 1882 erbaut; er ersetzte einen 1859 gebauten Turm, der zu nahe an die Abbruchkante gekommen war.

Cape Northumberland about 1910

Cape Northumberland, Foto, ca. 1910 ; Quelle : State Library of South Australia, ID B 2011

 

Carpenter Rocks ist eine Kleinstadt in Südaustralien. 2,5 Kilometer außerhalb befindet sich dort seit 1883 das Cape Banks Lighthouse.

Kap Martin liegt bei Beachport, es hatte 1914 noch kein Leuchtfeuer (installiert 1960).

 

0.18 Cap Martin N 8° O ; 0.46 dass. N 53° O Pos. 5 sml ab

2.39 Robe Isl. N 9°O ; 3.8 dass. N53° O Pos. 5 sml ab

Mäßig bewegte See

4.0 Robe Isl. S 64° O u. Margarete Brok N 13° O

4.30 Margarete Brok quer 7 sml ab Pos. N 48° O

5.15                 ‘’                   4 Str. Pos. S 87° O

Mäßig bewegte See

11.15 Willoughby Pos. N 36° W i./d. Kimm

12.0              ‘’        Pos. N 41° W

 

Robe ist eine Kleinstadt an der südaustralischen „Limestone Coast“. Der Tagebuch-Zusatz „Isl.“ für Island ist allerdings nicht korrekt.

Margaret Brock ist ein Felsriff, auf dem das Cape Jaffa Lighthouse steht. Der Name geht auf eine 1852 an dieser Stelle gesunkene Bark gleichen Namens zurück.

Margaret Brock

Cape Jaffa Lighthouse mit Anleger, um 1910, das Felsriff Margaret Brock ist im Vordergrund gut zu sehen; Quelle: State Library of South Australia, ID B-2016

 

Willoughby ist eine Kleinstadt am Ostende von Kangaroo Island, an der Landspitze steht das Cape Willoughby Lighthouse, der älteste Leuchtturm Südaustraliens (1852). Er leitet Schiffe durch die Backstairs Passage zwischen Kangaroo Island und dem Festland.

Cape Willoughby

Cape Willoughby Lighthouse, Foto, um 1910; State Library of South Australia, ID B23578

 

24. Juli 1914

0.55 Willoughby Pos. N 56° W; 1.8 dass. Pos. N 75° W u. St Alba N 50°W

1.21                 “           Pos. S 61° W St Alban N 70° W u. C. Cadts N 56° W

2.11 Jervis F. Pos. N 15° O; dass. N 60° O 3 sml ab

Leicht bewegte See.

5.45 Wong a Shl. Pos. N 43° O i./d. Kimm.

5.50 ½ Kraft Ende d. Seereise.

6.55 Lotse Thomsen an Bord. 8.15 Schiff fest an Schuppen 3 Outer Harbour

Tiefgang b. Ankunft 21‘0“ v.; 22‘3“ h. Mitte 21‘7 ½“

Anmerkungen:

Cape Jervis liegt auf der Fleurieu Halbinsel gegenüber von Kangaroo Island. Seit 1871 gibt es dort einen Leuchtturm (ersetzt 1972), der Schiffe durch die gefährliche Backstairs Passage leitet.

Saint Albans ist ein Kap auf Kangaroo Island unweit von Willoughby.

Wonga Shoal war ein Leuchtfeuer im Meer vor Adelaide. Es existierte nur von 1901 bis 1912, als es von einem Segelschiff gerammt und zerstört wurde. Eventuell wurden 1914 die Überreste der Struktur gepeilt, in Betrieb war das Feuer nicht mehr.

Adelaide harbour, about 1910

Der Hafen von Adelaide, ca. 1910, State Library of South Australia, Originalbeschreibung: Port Adelaide: ocean steamers wharf in the foreground, looking south west across the Port River. Birkenhead wharf on the other side is in course of construction. Referenz Nr. [B 2156].

Outer Harbour

Eigentlich war Adelaide als Hafen auf der Route der „Fürth“ nicht vorgesehen, auch sollte das Schiff zuerst nicht im Outer Harbour sondern in Semaphore anlegen:

The Fuerth’s Brief Visit.
To complete loading, the German-Australian steamer Fuerth signalled her appearance at the Semaphore yesterday morning from Brisbane. Contrary to expectations, she went to the Outer Harbour, but her stay was only of short duration. Having loaded a small quantity of cargo for Antwerp and Hamburg, she left in the afternoon.
Daily Herald, Adelaide, Sa 25. Jul 1914, S. 6, NAUTICAL NOTES

Semaphore ist ein Stadtteil von Adelaide und liegt südlich vom Outer Harbour, hier gab und gibt es eine Pier, die von Schiffen der DADG ebenfalls genutzt wurde, wenn nicht der Inner Harbour angelaufen wurde. Durch die Eröffnung von Outer Harbour verlor der Anleger in Semaphore allerdings nach und nach an Bedeutung.

Adelaide Outer Harbour liegt etwa 22 Kilometer außerhalb des Stadtzentrums am Nordende der Lefevre Halbinsel. Die Anleger wurden zu Beginn des 20. Jahrhundert errichtet (Eröffnung am 16. Januar 1908), es gab 275 Meter Kaianlagen.

Der Outer Harbour ersparte die Fahrt durch den Adelaide River zum Inner Harbour und ermöglichte auch größeren Schiffen das Anlegen. Auch für kurze Zwischenstopps, wie im Fall des Dampfschiffes „Fürth“ im Juli 1914 war der Outer Harbour die bessere Wahl.

Die Gesamt-Reisezeit der „Fürth“ von Melbourne nach Adelaide betrug gut 2 Tage für 510 Seemeilen.

Anfang d. Reise 22./7.14 7 h am
Ende d. Reise 24./7.14 8.15 am
Dauer d. Reise 2 Tage 1 h 15 m
Rev. Zt. Melbourne 5 h 32 m
Rev. Zt. Adelaide 2 h 25 m = 7 h 57 m
Dauer d. Seereise 1 Tag 17 h 18 m
Zeit Untersch. + 0 h 30 m
wahre Dauer d. Seereise 1 Tag 17 h 48 m

Gesamtdistanz 510 sml
Rev. Dist. Melb. 48 sml
Rev. Dist. Adelaide 11 sml = 59 sml
Seedistanz 451 sml

Durchschnittsfahrt 10.8 kn

Laden

45 Minuten nachdem das Schiff fest am Kai lag begann das Beladen:

Laden von 9 h am bis 12 h m mit 2 Gängen

Laden von 12 h m bis 12.15 pm mit 1 Gang

12.15 pm Schiff fertig

Mannschaft machte das Schiff seeklar

Hafenzeit 0 Tage 5 Std. 12 m

Tiefgang bei Abgang v. 21‘0“; h. 22‘3“ Tank 3 lenz

 

Unter der wenigen in Adelaide aufgenommenen Ladung befand sich auch ein schönes Musikinstrument: Ein Blüthner-Konzertflügel an Bord der „Fürth“

Bootsmanöver

Die kurze Liegezeit in Adelaide wurde von Kapitän Richter dazu genutzt, ein Bootmanöver durchzuführen

Machten Bootsmanöver:

sämtliche Rettungsboote wurden ausgeschwungen, die B.B. Boote zu Wasser gelassen, bemannt u. die Mannschaft im Rudern unterrichtet. Alles in Ordnung.

Der Eintrag erfolgte in roter Farbe.

Bootsmanöver 24. Juli 1914

Logbuch der „Fürth“, nummerierte Seite 94 (Ausschnitt), mit freundlicher Genehmigung des National Museums Liverpool (Merseyside Maritime Museum), Ref. B/HAR/11/4/1

 

George Wills & Co. in Adelaide

Der Agent der Deutsch-Australischen Dampfschiffs-Gesellschaft (DADG) in Adelaide war George Wills & Co., ein Tochterunternehmen des Textilgroßhändlers und -importeurs G. & R. Wills & Co. Ltd.

Das Textilunternehmen war eines der ältesten Unternehmen in Adelaide (gegr. 1849) und hatte Niederlassungen in Broken Hill, Perth, Fremantle und Kalgoorlie. 1859 wurde auch eine Einkaufs-Niederlassung in London gegründet.

Wills and Co Adelaide

Das 1852 gebaute Gebäude der Fa. G. & R. Wills in der Rundle Street No. 80. um 1880. Quelle: State Library of South Australia, BRG 304/1/2

 

Wie andere führende Unternehmen hatte auch G. & R. Wills & Co. Ltd seinen Sitz in der zentralen Rundell Street. Dort waren auch zwei hier bereits vorgestellte Firmen, das Kaufhaus Jas. Marshall & Co.: siehe Die Fuerth in australischer Werbung und das Musikgeschäft Allen’s Ein Blüthner-Konzertflügel an Bord der „Fürth“

Deutlich imposanter ist die Fabrik und das Lagerhaus im Stadtteil North Terrace. Dieses Gebäude existiert noch. Zurzeit wird geplant, auf den Altbau einen Hochhausturm mit Studentenwohnungen aufzusetzen: https://www.saplanningcommission.sa.gov.au/__data/assets/pdf_file/0010/585064/2.2.4_203_North_Terrace_203-205_North_Terrace_Adelaide_-_Report_and_Attachments.pdf (Achtung: sehr große Datei mit langer Ladezeit).

Wills and Co North Terrace Adelaide

Lagerhaus und Fabrik der Fa. G. & R. Wills & Co, City Acre 21, North Terrace, Adelaide, errichtet 1853, erweitert Mitte der 1870er. Quelle: State Library of South Australia, BRG 304/1/4

 

1914 wurde dann gleich daneben ein repräsentativer Firmensitz gebaut:

 

Wills and Co, Adelaide

Firmensitz von G. & R. Wills & Co., Ecke Gawler Place/Fisher Place, Adelaide, gebaut 1914, Foto von 1935; Quelle: State Library of South Australia, BRG 304/1/5

 

1946 wurde G. & R. Wills eine Aktiengesellschaft und in den 80er Jahren ist das Unternehmen an Investoren verkauft worden:

“It was taken over by Industrial Equity ca. 1983, then on sold to Southern Farmers which was taken over by Independent Holdings Ltd ca.1989.” Quelle: State Library of South Australia

 

Nächste Woche im Blog

Die Fahrt der „Fürth“ nach Westaustralien und der Aufenthalt im Hafen von Fremantle.

Außerdem: Die beeindruckende Karriere zweier Hamburger in Australien: Paul und Richard Strelitz, die „Strelitz Brothers“, Agenten der Deutsch-Australischen Dampfschiffs-Gesellschaft in Fremantle.

Es erwartet Sie eine sehr ausführliche Beschreibung der Lebensläufe der beiden Brüder und es ist mit Hilfe von Originaldokumenten sehr schön dokumentiert, wie einer der beiden die „Naturalisation“, also die Annahme der Staatsbürgerschaft beantragt hat.

 

Copyright-Hinweis

Auf dem Logbuch ist ein © Copyright, das nach dem Zeitpunkt des Todes des Verfassers für 70 Jahre fortbesteht. Der erste Teil des Logbuches ist von Kapitän Richter, aber in großen Teilen auch von seinem ersten Offizier.

Kapitän Richter starb am 19. Februar 1917, somit sind die 70 Jahre lange abgelaufen. Jedoch ist mir für den ersten Offizier R. Hoffmann das Todesdatum nicht bekannt. Ich weise deshalb pflichtgemäß darauf hin, dass deshalb noch ein © Copyright auf dem Logbuch bestehen könnte.

Über alle Hinweise zu dem 1. Offizier R. Hoffmann bedanke ich mich herzlichst im Voraus. Bislang kann ich nur als Hinweis geben, dass er für diese Fahrt neu auf die „Fürth“ gekommen und im Sommer 1914 32 Jahre alt war: siehe Drei Mannschaftslisten der „Fürth“ aus dem Jahr 1914

Den ersten Beitrag zum Tagebuch finden Sie im Januar 2020: Das Schiffstagebuch der „Fürth“ – eine Einleitung

 

Darling Harbour, Pyrmont, about 1900

Tagebuch der „Fürth“ (15): In australischen Gewässern

Von Brisbane über Sydney zurück nach Melbourne

 

Nachweis Titelbild: Darling Harbour, Sydney, im Vordergrund Hafenanlagen von Pyrmont, rechts die Pyrmont Bridge, um 1900; Quelle: Powerhouse Museum from Sydney über https://commons.wikimedia.org/wiki/File:Darling_Harbour,_1900.jpg

 

Rückfahrt nach Sydney

Auf der Rückfahrt nach Sydney passierte die „Fürth“ im Wesentlichen die gleichen Landmarken wie auf der Hinfahrt. SIEHE: Die „Fürth“ in Brisbane (Tagebuch, Folge 14)

Am 11. Juli 1914 erfolgte am Vormittag eine Sicherheitsmaßnahme:

 

sämtliche Bilgen wurden aufgenommen u. gereinigt; die Speigaten u. Brausen geklart.

 

Diese Arbeiten wurden auch in die Tabelle mit den Sicherheitsmaßnahmen in der Einleitung des Tagebuches eingetragen, obwohl es keine Vorschrift war. SIEHE: Das Schiffstagebuch der „Fürth“ – eine Einleitung

 

Pyrmont

Beim Eintreffen in Sydney am 12. Juli 1914 machte die „Fürth“ zunächst nicht, wie gewohnt, in Woolloomooloo fest, sondern am Getreidespeicher in Pyrmont und dies am Nachmittag des 12. Juli 1914 um 17.10 Uhr.

Steuerten nach Landmarken

3.30 pass. North Hd. Ende der Seereise

3.50 Lotse Lucas an Bord. Schlepper Gamecock

5.10 pm Schiff fest am Getreideschuppen Pyrmont

Ende der Reise

Tiefgang v. 11‘1“; h. 14‘1“; Mitte 12‘7“

tug Gamecock, Sydney 1901

Schlepper Gamecock, 1901, dahinter die Yacht Britannia; Quelle: Australian National Maritime Museum on The Commons über commons.wikimedia.org, Tugboat GAMECOCK steaming past 18 footer BRITANNIA, Sydney Harbour (7980961963).jpg

 

Der Stadtteil Pyrmont liegt auf einer Halbinsel westlich von der Innenstadt Sydneys. Zur Zeit der „Fürth“ waren dort viele Kais, Werften, Fabriken und Lagerhäuser.

Die „Fürth“ könnte hier Getreide im Auftrag für Lindley, Walker and Co. geladen haben. Die Firma war einer der größten Weizenhändler Australiens. Der Exportbericht für Sydney weist für die „Fürth“ 4067 Säcke Weizen für Lindley, Walker & Co. mit Zielhafen Malta aus. SIEHE: Unvollendete Fahrt

Brickfiel Hill, Sydney 1910

Sydney, George Street, 1910, Postkarte nach handkoloriertem Foto; Quelle: National Museum Australia, Ref. 1986.0117.4500

Arbeitsverweigerung

Am Tag der Ankunft, dem 12. Juli 1914, gab es einen Zwischenfall an Bord:

Heute gegen 7 h verweigerte der I Stew F. Schwenk mir den I. Offz. R. Hoffmann eine ihm aufgelegte Arbeit Stiefelputzen. Auch einer mehrfachen Aufforderung meinerseits kam Schwenk nicht nach. Ich machte den Kapt. davon Meldung dieses Vorfalls wegen wünsche ich I. Offz. Hoffmann die sofortige Bestrafung des Steward um ähnlich[e] Vorkommnisse zu vermeiden. Schwenk hat sich vergangen im Sinne § 96 u. § 100
§ 96.3 Ungebührliches Betragen gegen Vorgesetzte etc.
§ 100 Ein Schiffsmann, welcher den wiederholten Befehlen etc.
R. Hoffmann (Unterschrift)

Ich stelle wegen obigen Vorganges Strafantrag gegen den Steward Schwenk nach den § d. S.O. Es ist dies d. I Steward bekannt gegeben. W. Richter (Unterschrift)

log book Furth 1914

Logbuch der „Fürth“, nummerierte Seite 83 (Ausschnitt), mit freundlicher Genehmigung des National Museums Liverpool (Merseyside Maritime Museum), Ref. B/HAR/11/4/1

In der Seemannsordnung (Fassung von 1902) heißt es dazu:

§ 96:
„Mit Geldstrafe bis zum Betrag einer Monatsheuer wird ein Schiffsmann bestraft, welcher sich einer gröblichen Verletzung seiner Dienstpflichten schuldig macht.“
Punkt 3: „Ungebührliches Betragen gegen Vorgesetzte, gegen andere Mitglieder der Schiffsmannschaft oder gegen Reisende“

Ein weitaus schwereres Geschütz war § 100:
„Ein Schiffsmann, welcher den wiederholten Befehlen des Kapitäns, eines Schiffsoffiziers oder eines anderen Vorgesetzten den schuldigen Gehorsam verweigert, wird mit Gefängniß bis zu drei Monaten oder mit Geldstrafe bis zu dreihundert Mark bestraft.“

Im Vergleich dazu die Heuer des 1. Stewards F. Schwenk, die bei 75 Mark pro Monat gelegen habe dürfte. (Quelle: Heuer des 1. Stewards auf der Musterrolle des Schiffes „Neumünster“ für das Jahr 1914, State Records Office of Western Australia, Perth, Cons 4230/1.03)

Wie die Sache ausgegangen ist, muss ich Ihnen leider vorenthalten.

Sydney 1917, Pitt Street

Sydney, “The Block”, Pitt Street, 1917; Quelle: National Museum of Australia http://collectionsearch.nma.gov.au/object/31202

Anmerkung: Der Begriff „The Block“ ist wie folgt definiert: „In Sydney, “The Block“ is that portion of the city bounded by King, George, Hunter, and Pitt Streets. It is now really two blocks, but is was all in one till the Government purchased the land for the present Post Office, and then opened a new street from George to Pitt Street.” Edward Ellis Morris, Austral English, Good Press, 2019; abgerufen unter books.google.fr

 

Von Pyrmont nach Woolloomooloo

Am Montag, den 13. Juli wurde geladen und gebunkert. Die Kohlenmenge ist zwar nicht angegeben, aber die Intensität (7 Gänge) und Länge des Bunkerns (20 Stunden) lässt darauf schließen, dass viel Kohle geladen wurde:

Bunkern von 8 am bis 4 am 14./7. mit 7 Gängen

 

Am Dienstagmorgen (14. Juli) wurde die „Fürth“ von Pyrmont nach Woolloomooloo verholt:

6.13 Schiff los, verholten nach Woolloomooloo, Schuppen 1

Schlepper Gamecock, Lotse Wood

7.50 am Schiff fest

 

In Woolloomooloo wurde neben der Ladetätigkeit am Mittwoch, den 15. Juli noch einmal gebunkert:

Bunkern von 6 h pm bis 11 h pm mit 6 Gängen

 

Am Donnerstag wurde dann vor dem Beginn des Ladens um 8 Uhr Morgen offensichtlich eine Deviationsbestimmung durchgeführt: SIEHE dazu Tagebuch der „Fürth“ (7): von Antwerpen nach Lissabon

6 h am bis 7 h am schwaiten ohne Assistenz

7.30 am holten eine Schiffslänge voraus

 

Freitag und Samstag wurde geladen und getrimmt. Der Kohlenbestand bei Abfahrt ist im Tagebuch mit 1580 Tonnen angegeben. Auf der Heimreise lagen noch zwei Kohlenstationen in Häfen, die fest auf dem Routenplan standen und zum Nachbunkern genutzt werden konnten: Colombo/Ceylon und Port Said/Ägypten.

Samstag d. 18. Juli 1914. Zeitweise Regen

Laden u. Trimmen von 1 h am bis 10 h am mit 1 Gang

Trimmen von 10 h am bis 11.30 h am mit 1 Gang. 11.30 am fertig

Anmerkung: Trimmen kann sowohl für das richtige Verstauen der Ladung als auch für die Verteilung der gebunkerten Kohlen stehen.

0 h 0 m Schiff los, Anfang der Reise, Lotse Mary

0 h 40 m Lotse von Bord, Anfang der Seereise

Anmerkung: Null Uhr steht hier für 12 Uhr Mittag (0 h pm)

Woolloomooloo Bay, Sydney 1910

Woolloomooloo Bay, Sydney, Postkarte, teilweise koloriert, gelaufen 1910; Quelle: National Museum of Australia, Ref.: 1986.0117.6471

 

Nach Melbourne

Nach der Passage des Outer South Head bei Sydney kommt die „Fürth“ schnell in grobe See bei Windstärke-6-8 und nimmt Wasser über Bord und Luken. Ab dem Mittag des Folgetages beruhigt sich die Wetterlage und das Schiff erreicht Melbourne am 20. Juli ohne besondere Vorkommnisse.

20. Juli, Nachmittag

3.45 halbe Kraft Ende d. Seereise

4.3 Lotse Easton an Bord

Steuerten nach Lotsenanweisung

4.25 pass. Lonsdale

8.5 Anker mit B.B. Anker und 45 Faden bei Williamstown

Ankerpeilung: Pile Lighthouse Pos. S 46° W u. St.B. Breakwater Hd light Pos N 37° W

Gehen Ankerwache; Ankerlampen aus.

Anmerkungen: „aus“ im Sinne von ausgebracht

Für die Fahrt von Sydney nach Melbourne brauchte die „Fürth“ 5 Stunden und 25 Minuten länger als auf der Hinreise, also 2 Tage 3 Std. 5 Min.; die Durchschnittsfahrt betrug nur 10,3 Knoten (Hinreise 11,5 Knoten).

Victoria Dock, Melbourne, 1911

Einfahrt zum Victoria Dock mit dem Dampfschiff Parthenia, Melbourne, 1911, Quelle: Victoria State Library, Referenz-Nr. H91.325/1880

 

Victoria Dock, Melbourne

Erst am nächsten Tag, dem 21. Juli 1914, geht es ins Victoria Dock.

Ab 4.30 am dichter Nebel; geben Nebelsignale nach Vorschrift.

10.30 am Lotse Blanchard an Bord, Schlepper James Paterson.

10.38 am Anker auf

11.25 Einfahrt zum Kanal frei; Durchfahrt aufwärts

0.30 pm Schiff fest No 17 Victoria Doc. Ende d. Reise. Tiefgang v. 19‘1“; h. 22‘1“; (Mitte) 20‘7“

 

Laden von 1 h pm bis 7 h pm mit 4 Gängen

Laden von 7 h pm bis 1.30 h am 22./7. mit 2 Gängen

1.30 am 22./7. fertig. Wache III. Offz. Wodarz

 

Das Victoria Dock und den Hafen von Melbourne hatte ich bereits vorgestellt:  Tagebuch (12): Die „Fürth“ in Melbourne

Die Liegezeit in Melbourne war 18 Stunden und 30 Minuten. Vor der Abfahrt kontrollierte Kapitän Richter die Bordapotheke:

Die Schiffsapotheke und die Sanitären-Ausrüstungen wurden von mir persönlich überholt vollzählig u. dem Gesetz entsprechend gefunden. W. Richter (Unterschrift)

7 h am Schiff los, Anfang d. Reise. Lotse Blanchard, Schlepper James Paterson

8.5 Lotsenwechsel bei Williamstown. Lotse Robinson an Bord. Nebel, fahren halbe Kraft u. geben Nebelsignale. Ab 8.45 aufklarend, volle Kraft.

0.15 pass. Lonsdale

0.32 Lotse von Bord, Anfang der Seereise.

Yarra River, Victoria Dock, Melbourne, about 1914

Victoria Dock am Fluss Yarra, ca. 1914; Quelle: State Library of South Australia, ID B 28518/246

 

Der Lotse Blanchard und Dorothy Hammerstein

Der Kapitän Henry James Blanchard (1862-1931) wurde in Neuseeland geboren und war später Lotse in Port Phillip Bay. Er wohnte in Williamstown in einem großen Kolonialhaus in Georgianischer Architektur, das Mandalay heißt. So sieht es heute aus: https://www.scene4.com/archivesqv6/2019/oct-2019/1019/jonrendell1019.html

Seine Tochter Dorothy heiratete in zweiter Ehe den amerikanischen Lyriker, Librettisten und Musical-Produzenten Oscar Hammerstein II. Sie machte mit Ihrem Unternehmen Dorothy Hammerstein Inc in den USA als Inneneinrichterin und Dekorateurin Karriere.

 

Demnächst im Blog

Die Fahrt von Melbourne nach Adelaide an der Südküste Australiens mit vielen bemerkenswerten Leuchttürmen in historischen Aufnahmen.

Ein kurzer Aufenthalt im Outer Harbour von Adelaide und das Unternehmen G. Wills & Co., der Vertreter der Deutsch-Australischen Dampfschiffs-Gesellschaft in Adelaide.

 

steamer Monaro, Yarra River, Melbourne, about 1910

Das Dampfschiff „Monaro” und andere Schiffe in den Melbourne Docks um 1910, Quelle: State Library of South Australia, ID B75594

Copyright-Hinweis

Auf dem Logbuch ist ein © Copyright, das nach dem Zeitpunkt des Todes des Verfassers für 70 Jahre fortbesteht. Der erste Teil des Logbuches ist von Kapitän Richter, aber in großen Teilen auch von seinem ersten Offizier.

Kapitän Richter starb am 19. Februar 1917, somit sind die 70 Jahre lange abgelaufen. Jedoch ist mir für den ersten Offizier R. Hoffmann das Todesdatum nicht bekannt. Ich weise deshalb pflichtgemäß darauf hin, dass deshalb noch ein © Copyright auf dem Logbuch bestehen könnte.

Über alle Hinweise zu dem 1. Offizier R. Hoffmann bedanke ich mich herzlichst im Voraus. Bislang kann ich nur als Hinweis geben, dass er für diese Fahrt neu auf die „Fürth“ gekommen und im Sommer 1914 32 Jahre alt war: siehe Drei Mannschaftslisten der „Fürth“ aus dem Jahr 1914

Den ersten Beitrag zum Tagebuch finden Sie hier: Das Schiffstagebuch der „Fürth“ – eine Einleitung

log book Furth 1914

Dampfschiff „Fürth“: Tagebuch-Spezial – Deserteure, Einschleicher und wechselndes Personal

Viel Arbeit für den Kapitän

Mit dem Eintreffen der „Fürth“ in Australien kam das Mannschaftsgefüge gehörig durcheinander.

15 – 25 Prozent Desertionen

Desertieren waren eine gängige, quasi unvermeidliche Praxis und bereitete den Kapitänen (und Reedereien) eine Menge Arbeit und Ärger. Und es waren beileibe keine Einzelfälle:

„Ziffernmäßige Aufgaben, welche wir während der Arbeiterbewegung vor zwei Jahren hierüber von einigen Reedereien erhalten haben, weisen während eines halben Jahres 15 bis 25% der angemusterten Mannschaften als desertiert auf. Das allgemeine Interesse unserer Schiffahrt und unseres Handels fordert dringend, daß solchem Unwesen mit Nachdruck entgegengetreten und Seeleuten, welche keinen Anstand nehmen, die Vertragstreue leichtfertig zu verletzen, die Rechtswidrigkeit und Folgenschwere ihrer Handlungsweise durch empfindliche Strafen, zum Bewußtsein gebracht wird.“
Quelle: Hansa: 47. Jahrgang, Januar 1910, Verschärfung der Bestrafung von Seeleuten wegen Desertion; abgerufen unter: digishelf.de

Das Seemannsamt Hamburg berichtete für das Jahr 1912 über 2427 bekannte Fälle von Desertionen. Den absoluten Spitzenplatz unter den von Desertionen betroffenen Häfen belegte New York (899) vor Philadelphia (229) und Buenos Aires (176). Auf den Plätzen vier bis sechs folgten die australischen Häfen Melbourne (130), Sydney (77) und Adelaide (65 Desertionen).
Quelle: Die Tätigkeit des Hamburger und Bremer Seemannsamtes 1912, HANSA, 50. Jahrgang (1913), S. 249

Die Zahl von 15 % bis 25 % „Abwesenden“ ist für einen ordnungsgemäßen Betriebsablauf in jedem Unternehmen allerdings ein Alptraum.

Eine (nicht repräsentative) Überprüfung der Zahlen

Schauen wir uns den konkreten Fall einer Reise des Dampfschiffes „Fürth“ an. Die „Fürth“ hatte Europa mit 42 Personen inklusive Kapitän Richter verlassen.

Allerdings habe ich kein Dokument, das die Mannschaftsstärke in Hamburg, Antwerpen oder Lissabon belegen würde. Ich greife dazu auf ein Dokument vom 29. Juni 1914 der australischen Hafenbehörde in Sydney zurück, dass bei der Einreise 40 Personen ausweist:

crew list SS Fuerth, Sydney June 29th, 1914

Mannschaftsliste der „Fürth“, Sydney 29. Juni 1914, © State Records Authority of New South Wales; 40 Crewmitglieder, keine Passagiere

Fehlende Mannschaftsmitglieder

Allerdings fehlen zu diesem Zeitpunkt bereits zwei Personen. Dazu das Schiffstagebuch der „Fürth“:

Melbourne, 25. auf 26. Juni 1914:

In der Nacht vom 25./VI. bis 26./VI. desertierten die Trimmer K. F. Paul Jenke (?) u. der Trimmer Fr. Ph. Horning unter Mitnahme ihrer Effekten. Ich stelle Strafantrag gegen obige Schiffsleute wegen Desertion nach den § S.O. W. Richter (Unterschrift)

Horning hatte auf der Fahrt von Algoa Bay nach Melbourne den Maschinen-Assistenten W. Heidepriem tätlich angegriffen, ihn erwartete deswegen eine Strafanzeige: SIEHE: Tagebuch (11): Die „Fürth“ in den Roaring Forties

log book steamer Furth 1914

Logbuch der „Fürth“, nummerierte Seite 69 (Ausschnitt), Desertion der Seeleute Jenke und Horning, mit freundlicher Genehmigung des National Museums Liverpool (Merseyside Maritime Museum), Ref. B/HAR/11/4/1

Sydney

Nach dem Anlaufen von Sydney und damit nach Ausstellung des obenstehenden Dokuments, gab es folgende Veränderungen an Bord:

Mittwoch, 1. Juli 1914.

5.30 pm wurde der Heizer Hunger beim Kesselspülen verbrüht. Siehe Unfall-Journal Seite 1.

In der Nacht vom 1ten Juli auf zweiten Juli desertierten der I. Bootsmann Kurt Kiewitt u. der Mtr. Michel Potschka unter Mitnahme ihrer Effekten, ich stelle wegen Desertion Strafantrag nach den § d. S.O. gegen obige Leute. W. Richter (Unterschrift)

Anmerkungen: Das Unfall-Journal liegt mir nicht vor.

Anmusterungen

Von 42 Personen ab Hamburg fehlten damit schon vier Deserteure und auch der verunfallte Heizer R. Hunger konnte die Fahrt nicht fortsetzen. Kapitän Richter reagierte, indem er fünf neue Mannschaftsmitglieder anheuerte:

Freitag d. 3./VII   Es wurden mit dem heutigen Tag wegen Mangels an Zeit nach den Statuten der Musterrolle folgende Leute angemustert.

Matr. Max Lehmann geb. 7ten Juni 1893 Heubude b. Danzig für Heuer 5 £ p. M. bis Antwerpen
Matr. Wilhelm Kreinacker geb. 6ten Aug. 88 zu Schlewecke b. Harzburg für eine Heuer von 5 £ pr. M. bis Antwerpen
Fireman J. Montegue geb. 3ten Oktober 1878 zu Buffalo N.Y. für eine Heuer von 6 £ pr. Monat Hamburg
Trimmer Ernst Lemburg geb. 13ten Sept. 1890 zu Hamburg für eine Heuer von 4 £ pr. Monat bis Antwerpen
Trimmer Harry Brand 20/Mai 88 Karlsstad Schweden für eine Heuer von 4 £ pr. M. bis Hamburg


Jeder Eintrag ist mit der Unterschrift des jeweiligen Seemanns bestätigt (fast im Bund, daher sehr unleserlich).

Anmerkungen: Der ehemalige Ort Heubude ist heute Stadtteil von Danzig, die richtige Schreibweise der schwedischen Stadt ist Karlstadt, sie liegt am Vänernsee.

log book Furth 1914

Logbuch der „Fürth“, nummerierte Seite 74 (Ausschnitt), mit freundlicher Genehmigung des National Museums Liverpool (Merseyside Maritime Museum), Ref. B/HAR/11/4/1

 

Weitere Desertionen

Allerdings konnte Kapitän Richter gar nicht so schnell anmustern, wie ihm die Leute wegliefen:

Freitag d. 3/7.14   Schönes Wetter

In der Nacht vom 2ten nach (?) 3ten Juli desertierten Heizer A. Raber u. M. Röder unter Mitnahme ihrer Effekten. Ich stelle gegen obige Leute Strafantrag wegen Desertion nach den § d. S.O. W. Richter (Unterschrift)

Es kamen an Bord: Matr. Lehmann u. Krainacker, Heizer Montegue, Trimmer Lemburg u. Brown

Anmerkung: Brown muss identisch sein mit Brand, der Eintrag im Tagebuch stammt diesmal von einer anderen Person.

Einschleicher, Überschmuggler oder blinde Passagiere

Am 3. Juli 1914 legte die „Fürth“ in Sydney ab und lief nach Brisbane.

Um 8 h meldeten sich die Leute R. Köppe geb. 20/11 88 zu Leipzig u. A. Seiffert geb. 10/12 84 (?, den Geburtsort kann ich nicht entziffern), selbige hatten sich bei Abfahrt des Schiffes verstaut.

Unterschriften: H. Seufert, R. Köppe

Anmerkung: verstaut = versteckt

Laut Tagebuch war das Schiff in Sydney nicht nach blinden Passagieren abgesucht worden. Blinde Passagiere wurden seinerzeit auch als Einschleicher oder Überschmuggler bezeichnet.

Brisbane

Die beiden blinden Passagiere hatten offensichtlich nur ein billiges Transportmittel gesucht, denn in Brisbane verschwanden sie wieder von Bord:

Es desertierten die Einschleicher R. Köppe u. A. Seiffert. W. Richter (Unterschrift)

Das sollten allerdings nicht die einzigen Veränderungen in Brisbane bleiben:

In der Nacht vom 5ten auf 6ten Juli desertierten unter Mitnahme ihrer Effekten Mtr Max Lehmann u. Trimmer Harry Brand. Ich stelle Strafantrag gegen obige Leute wegen Desertion. W. Richter (Unterschrift)

Auch diese beiden hatten also keine lange Lebensdauer an Bord. Die zwei desertierten blinden Passagiere und die beiden desertierten Seeleute finden wir auf einem Dokument der Hafenbehörde Brisbane bei der Ausreise:

Port of Brisbane, list of crew SS Furth, July 10th 1914

Ausreisedokument der Hafenpolizei Brisbane vom 10. Juli 1914 (Ausschnitt); © National Archives of Australia, Barcode 20359771

Ich hatte zunächst an der Identität des Dokumentes gezweifelt, da es nicht von Kapitän Richter unterschrieben ist und keiner der vier Namen mit dem Dokument aus Sydney übereinstimmt. Dank des Tagebuchs ist die Sache nun aufgeklärt.

 

Zwischenfazit bei der zweiten Ankunft in Sydney

Halten wir fest:

In Melbourne desertierten Jenke, und Horning, so dass 40 Personen in Sydney ankommen.

Dort gibt es zwei mal zwei Desertionen (Kiewitt, Potschka und Raber, Röder) und einen Mann weniger wegen eines Arbeitsunfalls (Heizer Hunger).

Zwei blinde Passagiere kommen in Sydney an Bord (Köppe, Seufert; die wir außen vorlassen können, da sie so schnell verschwunden wie sie aufgetaucht sind).

Fünf Seeleute werden angemustert: Lehmann, Kreinacker, Montegue, Lemburg, Brand

In Brisbane desertieren zwei von den Neuanmusterungen; bleibt eine Mannschaftsstärke von 38 Personen

Zurück in Sydney

In Sydney, eintreffend am 13. Juli 1914 hat Kapitän Richter das folgende Dokument an die Hafenbehörde weitergegeben, welches diese 38 Personen auflistet (37 + Kapitän):

crew list, SS Fuerth, Sydney July 13th, 1914, shipping master's office

Einreisedokument der „Fürth“, Hafenpolizei Sydney, 13. Juli 1914, © State Records Authority of New South Wales, via Mariners and Ships in Australian Waters (marinersandships.com.au)

Anmerkung: Im Dokument der Hafenbehörde Sydney bei Ankunft am 13. Juli 1914 ist für die Trimmer Lemburg und Podsionek als Geburtsort Schweden eingetragen. Das Schiffstagebuch weist für den angemusterten Lemburg aber Hamburg als Geburtsort aus.

Anmusterungen und eine Abmusterung

In Sydney gab es dann folgende Veränderungen:

Sydney, 14. Juli

Es kamen an Bord: Matr. Eskell Hellstern, Trimmer John Lieno

Anmerkung: Wahrscheinlich ist die Schreibweise Leino statt Lieno richtig (s. u.). Leino ist ein finnischer Familiennname.

Sydney, 17. Juli

Es kam an Bord Joe Narion

Anmerkung: Schon am 14. Juli gab es einen Eintrag, dass Joe Narion mit den beiden anderen neuen Mannschaftsmitgliedern an Bord gekommen war, dieser wurde allerdings wieder durchgestrichen. Bei diesem Eintrag ist die Funktion Trimmer mit dem Namen angegeben.

Sydney, 18. Juli – Maschinen-Assistent Heidepriem

Mit dem heutigen Tag wird der Assistent H. Heidepriem geb. 7 Marz 96 Sande b/ Bergedorf von D.S. Fürth abgemustert, selbiger verzichtet auf alle Ansprüche auf Schiff u. Rhederei. Es geschieht dies an Bord, weil keine Zeit mehr vorhanden ist.
W. Richter und Wilhelm Heidepriem (Unterschriften)

log book steam ship Furth 1914

Logbuch der „Fürth“, nummerierte Seite 86 (Ausschnitt), mit freundlicher Genehmigung des National Museums Liverpool (Merseyside Maritime Museum), Ref. B/HAR/11/4/1

Anmerkung: Heidepriem hatte sich offensichtlich ein neues Schiff ausgesucht. Es war die „Oberhausen“ der Deutsch-Australischen Dampfschiffs-Gesellschaft. Er sollte bei Kriegsausbruch in Tasmanien interniert werden. Darüber habe ich an dieser Stelle berichtet: Die Kaperung der „Fürth“. Neu ist die Information, dass er in Sande bei Bergedorf geboren wurde und zwar am 7. März 1896.

Siehe dazu auch: https://geschimagazin.wordpress.com/2014/07/14/die-mannschaft-der-ss-oberhausen-im-ersten-weltkrieg/

Die drei Anmusterungen sind im Tagebuch festgehalten

Es wurden wegen Mangels an Zeit hiermit folgende Leute nach den Statuten der Musterrolle angemustert

Trimmer Joe Narion geb. Glasgow 20.5.88 vom 17. Juli Heuer 4 £ pr. Monat nach Antwerpen
Trimmer John Leino geb. Nystadt 28.5.88 vom 15. Juli Heuer 4 £ pr. Monat nach Antwerpen
Mtr. Eskell Hellstern geb. 25./I. 1889 Nystadt/Finnland vom 14. Juli Heuer 5 £ pr. Monat nach Hamburg

Unterschriften W. Richter und Seeleute

Weitere Personalwechsel in Melbourne

Wieder war eine der Anmusterungen nicht erfolgreich:

Melbourne, 21. Juli

Trimmer Joh. Narion desertierte am 21. Juli unter Mitnahme seiner Effekten. Ich stelle gegen obigen Strafantrag nach den § S.O. wegen Desertion. W. Richter (Unterschrift)

Weitere Desertionen

Bei so vielen „Vorbildern“ waren auch die Schiffsjungen auf den Geschmack gekommen. Die beiden waren gerade einmal 16 und 17 Jahre alt.

In der Nacht vom 21ten auf den 22ten Juli desertierten die Jungen G. Middelborn (?) und P. Junge unter Mitnahme ihrer Effekten. Ich stelle gegen beide Leute Strafantrag nach den § S. O. wegen Desertion. W. Richter (Unterschrift)

Anmerkung: zu den drei Desertionen siehe Titelbild des Beitrages.

Am gleichen Tag erfolgte folgende Anmusterung:

Trimmer Bernhard Mannel geb. 25/I 88 Paderborn Westfalen wird mit dem heutigen Tag d. 21/VII als Trimmer für eine Heuer von 5 £ nach den Statuten der Musterrolle bis Antwerpen angemustert. Es geschieht dies wegen Mangels an Zeit an Bord. W. Richter (Unterschrift)

Adelaide, 24. Juli 1914

Der Trimmer Karl Grundmann geb. 24/Juli 1886 Leutewitz b. Dresden wird mit dem heutigen Tag als Trimmer für eine Heuer von 90 Mark pro Monat nach den Statuten der Musterrolle nach Antwerpen angemustert, es geschieht dies an Bord wegen Mangel an Zeit.

Karl Grundmann, W. Richter (Unterschriften)

log book, steamer Furth, Adelaide 1914

Logbuch der „Fürth“, nummerierte Seite 94 (Ausschnitt), mit freundlicher Genehmigung des National Museums Liverpool (Merseyside Maritime Museum), Ref. B/HAR/11/4/1

 

Auf der Fahrt von Adelaide nach Fremantle (25. Juli)

Der neue Trimmer John Leino war als Trimmer offensichtlich nicht zu gebrauchen. Er wurde zum Matrosen zu verringerter Heuer umfunktioniert:

Trimmer John Leino wird mit dem heutigen Tag zum Matrosen gemacht u. bezieht eine Heuer von 3 £ pr. Monat. J. Leino (Unterschrift)

Dieser Fall war auch in der Seemannsordnung von 1902 (§ 43) vorgesehen:

Stellt sich nach Antritt der Reise heraus, daß der Schiffsmann zu dem Dienste, zu welchem er sich verheuert hat, untauglich ist, so ist der Kapitän befugt, ihn im Range herabzusetzen und seine Heuer verhältnismäßig zu verringern.

Fremantle

Fremantle sollte der letzte australische Hafen sein, bevor die „Fürth“ nach Colombo lief. Das Schiff wurde deshalb nach blinden Passagieren abgesucht (30. Juli):

Deck u. Räume wurden nach Einschleichern abgesucht, niemand gefunden

Die Suche mag zwar sorgfältig gewesen sein, aber nicht sorgfältig genug. Am Abend des 31. Juli gab sich der blinde Passagier zu erkennen:

7 h pm meldete sich Aug Kast geb. 24/10 81 in Heidesheim, Baden, selbiger hatte sich in Fremantle eingeschlichen und bis jetzt verstaut gehalten.

August Kast macht Ärger

Der Einschleicher Kast beschäftigte allerdings die ganze Decksmannschaft:

5. August

Der Einschleicher August Kast, war nicht zu finden
nach mehrstündlicher Durchsuchung des Schiffes durch die ganze Decksmannschaft, wurde er gegen 7 h am in No. II links durch den II. Bootsmann gefunden, woselbst er sich zwischen die Mehlsäcke verstaut hatte.

Damit nicht genug:

7. August

Der Einschleicher August Kast hatte sich wiederum versteckt, nach mehrstündlicher Durchsuchung des Schiffes wurde er in den Festen Bunkern verstaut gefunden.

Ich kann mir gut vorstellen, dass der Einschleicher Kast nach der Festsetzung in Colombo und später im Lager Ragama nicht viele Freunde hatte.

Personen an Bord der „Fürth“ bei der Ankunft in Ceylon

Aus den Dokumenten der Zollbehörden in Sydney und Brisbane sowie dem Schiffstagebuch lassen sich die bei Kaperung der „Fürth“ vor Ceylon befindlichen Personen wie folgt rekonstruieren:

Decksmannschaft

  1. Wilhelm Friedrich Richter (ca. 44 Jahre, Kapitän)
    2. R. Hoffmann (32 J., Erster Offizier)
    3. H. Nagel (33 J., Zweiter Offizier)
    4. H. Wodarz (25 J., Dritter Offizier)
    5. Th. Christiansen (22 J., Vierter Offizier)
    6. R. Jelinck ( 25 J., Zimmermann)
    7. A. Schütze (ev. Schutze, 32 J., Bootsmann)
    8. J. Prend (ev. Prenor, 25 J; Vollmatrose)
    9. R. Neumann (30 J., Vollmatrose)
    10. L. Wendland(t) (19 J., Vollmatrose)
    11. G. Bauer (ev. Bromer/Brauer, 24 J., Vollmatrose)
    12. O. Wimmer (28 J., Vollmatrose)
    13. Wilhelm Kreinacker (25 J., geb. 6.8.88 in Schlewecke b. Harzburg, Vollmatrose)
    14. G. Pfennig (35 J., Matrose)
    15. A. Leppik (22 J., Matrose)
    16. H. Albrecht (50 J., Koch)
    17. W. Schürer (26 J., Zweitkoch)
    18. F. Schwenk (21 J., Erster Steward)
    19. C. oder K. Werner (19 J., Zweiter Steward)
    20. Eskell Hellstern (26 J., geb. 25.1.1889 Nystadt/Finnland, Matrose)

 

Maschinenmannschaft

  1. W. Collier (33 J., 1. Ingenieur)
    22. J. Willkens (30 J., 2. Ingenieur)
    23. A. Herrde (34 J., 3. Ingenieur)
    24. G. Conrad (oder Konrad, 21 J., 4. Ingenieur)
    25. J. Ernst (23 J., Maschinenassistent)
    26. H. Steinborn (?, 24 J., Heizer)
    27. O./A. Widemann (?, 36 J., Heizer)
    28. F. Brensfedt (ev. Brugstedt o. ä., 31 J., Heizer)
    29. L. Uschkur (42 J., Heizer)
    30. A. Roßow (30 J., Heizer)
    31. J. Handt (46 J., Heizer)
    32. H. Möller (39 J., Heizer)
    33. J. Montegue (35 J., geb. 3.10.1878 in Buffalo N.Y./USA; Heizer)
    34. Ernst Lemburg (23 J., geb. 13.9.1890 in Hamburg, Trimmer)
    35. E. Podsionek (27 J., Trimmer)
    36. H. Manruen (21 J., Trimmer)
    37. John Leino (25 J., geb. 28.5.88 in Nystadt/Finnland, Trimmer, ab 25. Juli Matrose)
    38. Bernhard Mannel, 26 J., geb. 25.1.88 in Paderborn, Trimmer)
    39. Karl Grundmann (27 J., geb. 24.7.1886 in Leutewitz b. Dresden, Trimmer)

Außerdem:

  1. August Kast (38 J., geb. 24/10 81 in Heidesheim, Baden, Blinder Passagier)

 

Nicht mehr an Bord:

F. Paul Jenke (?) Trimmer (desertiert in Melbourne 25./26. Juni)

Fr. Ph. Horning, Trimmer (desertiert in Melbourne 25./26. Juni)

Kurt Kiewitt, 1. Bootsmann (desertiert in Sydney 1./2. Juli)

Michel Potschka, Matrose (desertiert in Sydney 1./2. Juli)

A. Raber, Heizer (desertiert in Sydney 2./3. Juli)

M. Röder, Heizer (desertiert in Sydney 2./3. Juli)

Joe Narion, Trimmer (angem. am 17. Juli in Sydney, desertiert am 21. Juli in Melbourne)

G. Middelborn, Schiffsjunge (desertiert in Melbourne 21./22. Juli)

P. Junge, Schiffsjunge (desertiert in Melbourne 21./22. Juli)

R. Hunger, Heizer (Arbeitsunfall in Sydney)

Wilhelm Heidepriem, Abmusterung in Sydney; Anmusterung auf der „Oberhausen“

Harry Brandt (3. Juli 14 angemustert; 5. auf 6. Juli 14 desertiert)

Max Lehmann (3. Juli 14 angemustert; 5. auf 6. Juli 14 desertiert)

Resumee

Von der ursprünglichen Mannschaft (43 Personen) fehlten also 8 Personen durch Desertion (18,6 %); der Heizer R. Hunger durch einen Arbeitsunfall und der Assistent Wilhelm Heidepriem hatte abgemustert. Das macht dann schon 23,3 %!

Insgesamt 10 Seeleute wurden neu angemustert, von denen allerdings 3 sehr schnell verschwunden waren (30 % Desertionen).

Damit kommen wir zurück auf die anfangs genannte Zahl von 15 – 25 % an Desertionen, die mir – und vielleicht auch Ihnen – zu Beginn reichlich hoch vorkam. Inzwischen können wir jedoch festhalten, dass die „Fürth“ damit durchaus im damals üblichen Mittel lag und wir für den konkreten Fall dieser Fahrt des Dampfschiffes „Fürth“ im Jahr 1914, die im Artikel der Zeitschrift HANSA genannten Zahlen (s. o.) bestätigen können.

In Colombo

Für das weitere Schicksal der Seeleute war ihre Nationalität entscheidend:

Leino, Hellstern (Finnland) und Montegue (USA) konnten sicher in Colombo wieder direkt neu anmustern, während allen deutschen Mannschaftsmitglieder und der deutsche Einschleicher zunächst an Bord bleiben mussten und dann zum Großteil im Lager Ragama interniert wurden.

Siehe dazu: Die Fürth in Colombo und Gefangenschaft auf Ceylon – Mannschaftsmitglieder der „Fürth“ berichten

Titelbild:

Logbuch der „Fürth“, nummerierte Seite 90 (Ausschnitt), mit freundlicher Genehmigung des National Museums Liverpool (Merseyside Maritime Museum), Ref. B/HAR/11/4/1

Copyright-Hinweis

Auf dem Logbuch ist ein © Copyright, das nach dem Zeitpunkt des Todes des Verfassers für 70 Jahre fortbesteht. Der erste Teil des Logbuches ist von Kapitän Richter, aber in großen Teilen auch von seinem ersten Offizier.

Kapitän Richter starb am 19. Februar 1917, somit sind die 70 Jahre lange abgelaufen. Jedoch ist mir für den ersten Offizier R. Hoffmann das Todesdatum nicht bekannt. Ich weise deshalb pflichtgemäß darauf hin, dass deshalb noch ein © Copyright auf dem Logbuch bestehen könnte.

Über alle Hinweise zu dem 1. Offizier R. Hoffmann bedanke ich mich herzlichst im Voraus. Bislang kann ich nur als Hinweis geben, dass er für diese Fahrt neu auf die „Fürth“ gekommen und im Sommer 1914 32 Jahre alt war: siehe Drei Mannschaftslisten der „Fürth“ aus dem Jahr 1914

 

Die ersten Folgen des Logbuchs der „Fürth“ finden Sie im Blog ab Januar 2020.

Swanston Street, Melbourne

Tagebuch (12): Die „Fürth“ in Melbourne

Das Victoria Dock und James Service & Co

Nach den schwierigen Wetterbedingungen in den „Roaring Forties“ (Tagebuch (11): Die „Fürth“ in den Roaring Forties) hatte die „Fürth“ am 22. Juni 1914 eine ruhige Anfahrt auf Melbourne.

Die Weiterfahrt von 27. bis 29. Juni 1914 entlang der australischen Küste nach Sydney sollte ebenfalls bei guten Bedingungen erfolgen.

Die Temperaturen wurden jetzt wieder angenehmer: Herrschten bei der stürmischen Fahrt durch den Indischen Ozean meist Temperaturen zwischen 8-12 °C, lagen sie in Melbourne und Sydney bei Werten um die 15-20°C; es war Winter auf der Südhalbkugel.

Anm.: Der Tagebucheintrag bei der Abfahrt am 27. Juni 1914 gibt erstaunlich hohe 26 °C an. Dieser Wert ist allerdings ein Ausreißer; The Herald gibt für diesen Tag Temperaturen zwischen 41 °F und 60°F an (5- 15,6 °C). Nach einer kalten Nacht folgte ein „fine day with mild temperatures and northerly winds“ (The Herald, 27. Juni 1914, S. 16, COLD NIGHT EXPECTED).

Ideale Bedingungen also, um sich den Hafen der damaligen Hauptstadt des Commonwealth of Australia näher anzusehen und dem Agenten der Deutsch-Australischen Dampfschiffs-Gesellschaft, der Firma James Service & Co. einen Besuch abzustatten.

Anmerkung: Melbourne war seit 1901 Hauptstadt des Commonwealth of Australia und blieb es bis 1927. Canberra wurde erst mit der Einweihung des Provisional Parliament House am 9. Mai 1927 Hauptstadt.

Zum Abschluss des Blogartikels dann noch einige Bilder der schönen Küste und ihrer Leuchttürme im Südosten Australiens. Leuchtturm-Fans empfehle ich dazu auch die Webseite https://lighthouses.org.au/

Cape Otway with lighthouse 1901

Cape Otway Lighthouse, Aufnahme vom 31. Jan 1901; Quelle: State Library Victoria, ID H41158.

Anfahrt auf Melbourne

22. Juni 1914, Mitternacht. Aus dem Tagebuch:

 

12 h Cape Otway F. Pos. N 43° 0

1.4 h C. Otway F. Pos. N 24° O

2 h         “            Pos. N 21° W

Ruhige See

5.23 Eagle Nest F. p. K. N 53° W Cap Schank p. K. N 57° O

Anmerkungen:

Das Cape Otway Lighthouse ist ein ehemaliger Leuchtturm auf Cape Otway, der von 1848 bis 1994 in Betrieb war. Cape Otway liegt ca. 200 Kilometer im Südwesten von Melbourne.

Der Leuchtturm Eagle Nest Point (seit 1891), auch Split Point Lighthouse oder The White Queen genannt, liegt im Ort Aireys Inlet etwa 100 Kilometer südwestlich von Melbourne.

Cape Schanck Lighthouse auf der Mornington Halbinsel am westlichen Ende der Bass-Straße existiert seit 1859. Die Kliffs, auf denen sich der Leuchtturm befindet, sind 80 Meter hoch.

Split Point lighthouse (Eagle Nest Point) 1917

Split Point Lighthouse, 1917, Id 5395157, © Commonwealth of Australia (National Archives of Australia) 2019; Creative Commons Attribution 3.0 Australia Licence

7.8 ½ Kr. Ende d. Seereise

7.25 Lotse Paterson an Bord

Steuerten nach Peilungen

7.45 pass. Lonsdale

Beim Losdrehen der B.B. Ankerspillkompresse brach die Spindel der Bremse

11.45 – 11.56 Doktor Visite bei Williamstown. Lotse M. Terran an Bord.

Schlepper James Patterson

1 h 14 min Ende d. Reise

Schiff fest an Schuppen 23. Tiefgang v. 17‘0‘‘; h. 19‘7‘‘
Mitte 18‘ 3 ½“

 

Anmerkungen:

Lonsdale liegt am westlichen Eingang in die große Bucht von Port Philip.

Das Ankerspill (=die Ankerwinde) dient zum Fieren oder Hieven der Ankerkette; mit der Bremse wird die Ausrauschgeschwindigkeit der Kette reguliert. Über eine Reparatur ist im Tagebuch kein Eintrag gemacht worden.

 

tug James Paterson 1902

Der Schlepper James Paterson mit seinem markanten Doppelschornstein, Aufnahme ca. 1905-1915, Quelle: State Library Victoria, ID H83.288/19

Weitere Infos über den Schlepper: http://www.tynetugs.co.uk/jamespaterson1902.html

Die Fahrt der „Fürth“ durch den Indischen Ozean

Ab Port Elizabeth hatte die „Fürth“ 5442 Seemeilen zurückgelegt und über 21 Tage gebraucht:

Gesamt Distanz 5492 sml
Rev. Dist. Algoa Bay 0 sml
Rev. Dist. Melbourne 50 sml
Seedistanz 5442 sml

Durchschnittsfahrt 10.7 kn

Anfang d. Seereise 1./6.14 4h 15 m pm
Ende d. Seereise 23./6.14 7h 8m am
Dauer d. Seereise 21 Tage 14 h 53 m
Zt. Untersch. 8 h 0 m
wahre Dauer d. Seereise 21 Tage 6 h 53 m
stoppten 9./6.14 0 h 40 m
Seereise b. voll. Fahrt 21 Tage 6 h 13 m

Kohlenbestand bei Ankunft: 59 Tons

Der Kohlenbestand bei Ankunft war also wirklich sehr niedrig! Auf der Fahrt durch den Indischen Ozean waren die Kohlen so knapp geworden, dass Kapitän Richter einen Schiffsrat einberief und daraufhin die Fahrt stark gedrosselt wurde SIEHE: Tagebuch (11): Die „Fürth“ in den Roaring Forties.

 

Der Hafen von Melbourne

Der Hafen von Melbourne lag am Unterlauf des Yarra River, vier Meilen flussaufwärts. Der Zugang für größere Schiffe wurde durch den Aushub des Coode Canal (1886-1892) geschaffen, der eine große Flussschleife des Yarra River abkürzte und verbreiterte.

Zu dieser Zeit (1887-1892) entstand auch das Victoria Dock, ein 37,6 Hektar großes Hafenbecken mit 8,5 – 9,5 Metern Wassertiefe, dass die großen Schiffe der damaligen Zeit aufnehmen konnte und dass von Kaianlagen inklusive Kaischuppen umgeben war. Bei der Eröffnung 1892 war das Victoria Dock eines der größten Hafenbecken weltweit:

“At the time of its opening in 1892, Victoria Dock was the second largest single dock in the world and by 1950 it was handling over two millions tons of cargo annually; in the mid 1980s this figure had increased to 20 million revenue tons annually. The dock features several large cargo sheds, the earliest of which date from 1913.” Quelle: https://vhd.heritagecouncil.vic.gov.au/places/3705

Der australische Bundesstaat Victoria erhielt seine Einfuhren zu 90 % über dieses Dock:

“By 1908, Victroia Dock was handling ninety per cent of Victoria’s imports…”

Quelle: Victoria Harbour Docklands, Conservation Management Plan, Places Victoria & City of Melbourne, June 2012, https://s3.ap-southeast-2.amazonaws.com/hdp.au.prod.app.com-participate.files/8614/1221/3715/Victoria_Harbour_Conservation_Management_Plan_CMP.pdf

Auch die „Fürth“ hat nur einmal in einem anderen Hafen Victorias angelegt und zwar in Geelong, als das Schiff mit einer großen Fracht Holz aus Skandinavien nach Australien segelte: Die Barwon-Papiermühle in Fyansford, Geelong

Yarra river, Melbourne, 1914

Der Fluss Yarra in Richtung Melbourne, um 1914; Quelle: State Library of South Australia, ID B 28518/247

Lagerschuppen

Den im Tagebuch angegebenen Lagerschuppen 23 konnte ich nicht lokalisieren. Allerdings existieren einige wenige dieser alten Lagerschuppen („cargo sheds“) noch heute. Hier wird allerdings, wie in vielen anderen historischen Hafenvierteln auch, längst mehr Geld ausgegeben, als verdient. Wir hatten das unlängst am Beispiel des Schuppens 52 in Hamburg gesehen. SIEHE: Tagebuch der „Fürth“ (3) – Bunkern und Laden im Hamburger Hafen

Mehr über die Hafenschuppen in Melbourne finden Sie hier: https://vhd.heritagecouncil.vic.gov.au/places/5590.

Hier die Tagebucheinträge der „Fürth“ im Victoriadock vom 23. bis 27. Juni:

 

Dienstag, d. 23. Juni 1914. Schönes Wetter.

Löschen von 4 h pm bis 7 pm mit 3 Gängen.

Wache IV. Offz. Christiansen

 

Mittwoch d. 24. Juni 1914. Schönes Wetter.

Löschen von 7 ½ am bis 5 pm mit 5 Gängen

Mannschaft bei Schornstein u. Masten malen.

Wache III. Offz. Wodarz

 

Donnerstag d. 25. Juni 1914; Schönes Wetter

Löschen von 7 ½ am bis 5 pm mit 5 Gängen

Löschen von 5 pm bis 11 pm mit 1 Gang

Bunkern von 10 am bis 4 pm mit 1 Gang

Mannschaft außenbords

Wache II. Offz. Nagel

In der Nacht vom 25./VI. bis 26./VI. desertierten die Trimmer K. F. Paul Jenke (?) u. der Trimmer Fr. Ph. Horning unter Mitnahme ihrer Effekten. Ich stelle Strafantrag gegen obige Schiffsleute wegen Desertion nach den § S.O. W. Richter (Unterschrift)

Anmerkung: Auf Desertionen, Personalwechsel und Einschleicher gehe ich nächste Woche in einem „Tagebuch-Spezial“ gesondert ein. Seien Sie gespannt – es verspricht ein komplexer und interessanter Blogartikel zu werden!

Yarra River, Victoria Dock, Melbourne, about 1914

Victoria Dock am Fluss Yarra, ca. 1914; Quelle: State Library of South Australia, ID B 28518/246

 

Freitag d. 26. Juni 1914; Schönes Wetter

Löschen v. 7 ½ h am bis 10 h am mit 4 Gängen

Löschen v. 10 h am bis 4 h pm mit 2 Gängen

Löschen v. 4 h pm bis 5 h pm mit 3 Gängen

Löschen v. 5 h pm bis 7 h pm mit 1 Gang

Laden v. 10 am bis 4 h pm mit 1 Gang

Bunkern v. 7 ½ h am bis 10 h am mit 1 Gang (130 Tons)

Wache IV. Offz. Christiansen. Mannschaft außenbords

 

Sonnabend d. 27. Juni 1914. Schönes Wetter

Löschen von 7 ½ h am bis 9 ½ h mit 2 Gängen

Laden von 7 ½ h am bis 9 ½ h mit 1 Gang

Laden von 9 ½ h bis 11 h am mit 2 Gängen

11 h fertig. Stauten Ladung fest u. machten das Schiff seeklar.

Tank 1, 2, 3, 8, 9 u. 10 voll

Tiefgang v. 15‘10‘‘; h. 17‘11‘‘; Mitte 16’10 ½“

Liegezeit Melbourne 4 Tage 0 h 11 m

Laden in Melbourne

Interessant ist die Tatsache, dass in Melbourne auch Ladung aufgenommen wurde. Inneraustralische Fracht kann es nicht gewesen sein, da sich die Deutsch-Australische Dampfschiffs-Gesellschaft (DADG) sonst mächtigen Ärger von den australischen Reedern eingehandelt hätte. Eventuell waren es Umladungen aus Tasmanien für den Export.

 

Little Collins Street, Melbourne 1915

Little Collins Street, Melbourne, Aufnahme von 1915; Quelle: State Library of South Australia, ID PRG 280/1/8/57

 

James Service & Co. – Agent der DADG in Melbourne

Das Unternehmen James Service & Co geht auf den gebürtigen Schotten James Service zurück. Er lebte seit 1853 in Melbourne, und bereits ein Jahr später gründete er sein eigenes Import- und Großhandelsunternehmen.

Neben seiner Tätigkeit als Geschäftsmann war James Service auch Kolonialpolitiker und kurzzeitig sogar Premier of Victoria (März – August 1880).

Das Geschäft entwickelte sich zu einer führenden Geschäftsadresse in Melbourne. James Service & Co. war nicht nur Agent der DADG, sondern auch der Standard Oil Co., New York und dem Londoner Hersteller für Streichhölzer, Bryant and May, der 1910 eine Produktion in Melbourne aufnahm. Der schöne Industriebau der Streichholzfabrik existiert noch heute. Siehe dazu die Seite des Heritage Councils of Victoria https://vhd.heritagecouncil.vic.gov.au/places/975.

Im Jahr 1900 hatte James Service & Co. einen großen Tee-Importeur gekauft und etablierte die bekannte Teemarke ROBUR im australischen Markt.

ROBUR tea, Melbourne

Anzeige der Teemarke ROBUR, The Age, Melbourne, 20. Nov 1914, S. 6, Quelle: National Library of Australia

Ein Ereignis im gesellschaftlichen Leben Melbournes waren die jährlich veranstalteten Firmen-Picknicks mit großem Sportprogramm, Musik und Tanz für Mitarbeiter und Freunde, an dem 1913 rund 500 Personen teilnahmen:

„Nearly 500 people accepted the invitation of the firm, who paid all the expenses attached to the outing.” (The Argus, Melbourne, 10. März 1913, S. 5; Trade Picnics.

Auch das Geschäft als Agent der DADG muss gut gelaufen sein, denn es wurde im Juli 1913 angekündigt, die Frequenz der Linien in Melbourne zu erhöhen:

AUSTRALIA AND GERMANY.
INCREASING TRADE.

Melbourne, July 25.
Messrs. James, Service & Co. agents for the German-Australian Steamship Company, have been advised that in view of the rapidly expanding trade between Germany and Australia, it has been found necessary to increase the regular sailings from Hamburg to Melbourne, via Antwerp, Lisbon, and South Africa, by one steamer per month, thus giving three departures per month from these ports instead of two as hitherto. Steamers of No. 4 line, which have hitherto omitted Melbourne as a port of, discharge, will, in future, regularly call here, and after the discharge of cargo, will proceed to Hamburg, via Torres Straits, calling at Macassar and Java, thus, establishing a regular monthly connection with these eastern ports. …
Quelle: The Advertiser, Adelaide, 28. Jul 1913, S. 17

Information über James Service & Co. aus: Australian Dictionary of Biography, http://adb.anu.edu.au/biography/service-james-4561

Von Melbourne ging die Fahrt der „Fürth“ weiter nach Sydney entlang der australischen Küste.

 

Von Melbourne nach Sydney

1.25 Anfang d. Reise, Lotse Jeason,
Schlepper James Patterson

2.37 Lotsenwechsel bei Williamstown
Lotse Rose an Bord.

5.20 pass. Lonsdale, 5.30 Lotse von Bord, Anfang d. Seereise

6.3 C. Schank p. Komp. S 80° O in 4 Str.
6.55 C. Schank p. Komp. N 55° O 4 ½ sml ab ; ./. 15

10.45 Cap Liptrap p. K. N 72° O
11.30 Cap Liptrap p. K. N 27° O 9 sml ab ./. 72

 

Anm.: Cape Liptrap Lighthouse auf der gleichnamigen Halbinsel wurde 1913 als erster automatisch betriebener Leuchtturm Australiens errichtet. Der heutige Leuchtturm ist aus dem Jahr 1951.

Bass Strait

Die Fahrt von Melbourne nach Sydney führte die „Fürth“ zuerst durch die Bass-Straße. Die Seekarte veranschaulicht, warum die Meerenge bei den Seefahrern gefürchtet war. Eine Nordwest-Südost verlaufende Meeresschwelle weist zahlreiche Inseln und Untiefen aus.

Bass Strait 1898 Eastern entry

Bass Strait zwischen dem australischen Festland und Tasmanien, Seekarte von 1898; oben links die Felsküste von Wilsons Promontory, rechts im Bild Flinders Island und Barren Island, im Bild unten die tasmanische Nordküste; Quelle: https://commons.wikimedia.org/wiki/File:Bass_Strait_1898_nautical_chart.jpg

 

28. Juni 1914

0.37 Citadel Pos. N 76° O, 1.5 dasselbe N 31° O 5 sml

2.7 South East Pt. N 22° O. 2.15 dass. N 28° W 1.5 sml

3.13 Cliffp. Isl. N 17° O; 3.46 dass. N 28° W u. South East Pt. S 67° W

ruhige See

SWl. Dünung. Leicht bewegte See.

2.25 C. Everard N 11° O; 3.12 dass. N 34° W 9 sml ab

Ruhige See

5.58 Gabo Isl. Pos. N 34° O 4 sml ab u. Green Pt. N 13° O

7.33 Green Pt. p. K. N 55° W 4 Str.

7.57 Green Pt. p. K. S 80° W quer 4 ¾ sml ab

ruhige See

12h Montagne Isl. p. K. N 35° W

Anmerkungen: 

Citadel Island und South East Point liegen in Wilsons Promontory, einer Halbinsel, die den südlichsten Punkt des australischen Festlandes markiert.

Cape Everard heißt heute Point Hicks und liegt in East Gippsland im Südosten von Victoria. Die Region gehört zu der von den verheerenden Waldbränden 2019/2020 am stärksten betroffenen Gebieten.

Green Cape Lighthouse ist der südlichste Leuchtturm in New South Wales und leuchtet seit 1883.

Montague Island ist eine kleine Insel, die seit 1881 über einen Leuchtturm verfügt und heute Teil des Montague Island Nature Reserve ist.

Wilson's Promontory, no date

Große Felsen am Wilson’s Promontory, als Maßstab sind einige Personen in der Mitte des unteren Bildrandes zu sehen, Foto ohne Jahresangabe, Quelle: State Library Victoria, ID H2013.223/68

Montague Island, New South Wales 1905

Häuser der Leuchtturmwärter und der Leuchtturm auf Montague Island; 1905, Keepers quarters and lighthouse, Montague Island , viewed 9 janvier 2020 http://nla.gov.au/nla.obj-148972830

29. Juni 1914

0.58 Montague Isl. N 35° W, 1.58 dass. S 60° W

Ruhige See

6.15 C. Perpendicular p. K. N 22° W

Leicht bewegte See

12 h Wollongan p. K. S 68° W

 Anmerkung:

Das Point Perpendicular Light liegt am Eingang der Jervis Bay und Wollongong ist eine Industriestadt an der australischen Ostküste 90 Kilometer südlich von Sydney.

Cape Perpendicular, 1917

Point Perpendicular, New South Wales, 1917, Item Barcode 4746691; © Commonwealth of Australia (National Archives of Australia) 2019; Creative Commons Attribution 3.0 Australia Licence

3.10 Ende d. Seereise

3.21 Lotse Andersen an Bord. Schlepper Gamescock

Steuerten nach Peilungen

4.45 Ende d. Reise, Schiff fest am Schuppen 4 Wooloomooloo

Tiefgang v. 15‘11‘‘; h. 17‘3‘‘; Mitte 16‘7‘‘

Anfang d. Seereise 27./6.14 5.30 pm
Ende d. Seereise 29./6.14 3.10 pm
Dauer d. Seereise 1 Tag 21 h 40 m

Durchschnittsfahrt 11.5 sml

Gesamtdist. 570 sml
Rev. Dist. Melb. 41 sml
Rev. Dist. Sydney 5 sml
Seedistanz 524 sml

Wache IV. Offz. Christiansen

Demnächst im Tagebuch

Nach dem „Tagebuch-Spezial“ über Deserteure, Personalwechsel und blinde Passagiere nächste Woche und einem Artikel über das Dampfschiff „Ulm“ mit Kapitän Saegert in vierzehn Tagen, geht es in drei Wochen weiter mit der „Fürth“ in Sydney.

In Sydney befand sich die Generalvertretung der Deutsch-Australischen Dampfschiffs-Gesellschaft für Australien, eine eigene Niederlassung der Reederei mit deutschen Geschäftsführern. Zusätzlich zu diesem Büro hatte die Reederei in Sydney eine Tochtergesellschaft für Stauer-Dienstleistungen gegründet.

 

Titelbild: Melbourne, Swanston Street, undatierte Aufnahme;
Quelle: State Library Victoria, ID H2013.223/40

elb mouth 1910

Tagebuch der „Fürth“ (5): von Hamburg nach Antwerpen

Küstenfahrt mit vielen Peilungen

Am 25. April 1914 um 19.05 Uhr legte die „Fürth“ vom Australiakai im Hamburger India-Hafen ab. Assistiert von den Schleppern „Emil“ und „Johanna“ und dem Hafenlotsen Kraeft ging es durch den Hamburger Hafen. Um 19.30 Uhr wurde der Hafenlotse von einem Seelotsen abgelöst, der die Steueranweisungen die Elbe flussabwärts bis hinter Cuxhaven gab.

Bildnachweis Titelbild:

Karte der Elbmündung aus Baedeker „Northern Germany as far as the Bavarian and Austrian Frontiers; Handbook for Travellers“ by Karl Baedeker. Fifteenth Revised Edition. Leipzig, Karl Baedeker; New York, Charles Scribner’s Sons 1910; Quelle: commons.wikimedia.org ; Map elbe mouth 1910.jpg; „Courtesy of the University of Texas Libraries, The University of Texas at Austin.“ http://www.lib.utexas.edu/maps/map_sites/hist_sites.html

Ganz oben links im Bild: die Insel Helgoland; direkt über dem 54sten Breitengrad befinden sich die Eintragungen für die beiden Feuerschiffe Elbe I und Elbe II (siehe unten)

1914 den 26ten April

Tagebuch des deutschen Schiffes Fürth auf der Reise von Hamburg nach Antwerpen

 

Steuern auf Lotsenweisung

1.22                pass. Cuxhaven

1.50                Elbe 5

2.18                Elbe 4

2.22                Lotse von Bord

2.38                pass. Elbe 3

2.55                Elbe 2

3.20                pass. Elbe 1 an B.B. ½ sml ab.
Anfang der Seereise. Bewegte See.

Wind NNW, Stärke 4, bew., Barometer 777,7, 15,8 Grad

 

Anmerkungen:

Elbe 5 bis Elbe 1: ehemalige Feuerschiffe an der Elbmündung; Elbe 1 war die äußerste Station im Nordwesten.

Informationen zu den Elbe-Feuerschiffen und ihre detaillierte Geschichte finden Sie auf der schönen Seite www.baken-net.de. Das letzte Feuerschiff Elbe 1 war bis 1988 bemannt und wurde erst dann durch ein unbemanntes Schiff ersetzt. Heute ist dieses letzte bemannte Elbe 1 Schiff „Bürgermeister O’swald II“ ein Museumsschiff und wird durch einen Verein betreut: Den Blog des Vereins finden Sie hier: https://www.elbe-1.de/

Kapitän Richter machte zu Beginn einer Fahrt stets zwei Eintragungen: „Schiff los“ und/oder „Anfang der Reise“ beim Ablegen des Schiffes im Hafen und anschließend „Anfang der Seereise“ in dem Moment, in dem das Schiff das Fluss-/Hafenrevier verließ und auf offener See fuhr.

Der deutschen Küste entlang

Bis zum Mittag wurden weitere markante Punkte an der deutschen Küste passiert:

4.15                Helgoland F. Pos. N 8°W pass.

4.20                Weser F.S. 4 str. an B.B. Bewegte See.

4.42                Weser F.S. quer Pos. S 8° O 4 sml ab.

6.37                Norderney F.S. Pos. S 8° O ¾ sml ab.

 

11.2                Borkum Riff F.S. Pos. S 4° O ½ sml ab. Bewegte See.

 

Anmerkung

ab steht für querab und bezeichnet den Moment, in dem das beschriebene Seezeichen passiert wurde (90° Winkel zur Fahrtrichtung).

Heligoland 1910

Die Insel Helgoland im Jahr 1910, Quelle: https://commons.wikimedia.org/wiki/File:Map_helgoland_1910.jpg

 

Die Logbucheintragungen am Mittag

Am Mittag des 26. April 1914 finden sich folgende Eintragungen im Schiffstagebuch:

Breite nach Peilung: 53° 44‘ N und Länge nach Peilung: 5° 48‘ O, der Stand des Chronometers und die Reisezeit: O Tage 16 h 55 min in See.

Zu den täglichen Eintragungen zur Mittagszeit gehörte auch die zurückgelegte Distanz, wobei zwischen Revierdistanz (Rev. D.) und Seedistanz (See D.) unterschieden wurde. Die Revierdistanz auf der Elbe war in diesem Fall 76 Seemeilen, also vom Ablegen in Hamburg bis zum Passieren des Feuerschiffs Elbe 1. Die Seedistanz, also die Fahrt auf dem offenen Meer, betrug 90 Seemeilen, zusammen 166 Seemeilen.

log book Furth 1914

Schiffstagebuch der „Fürth“, nummerierte Seite 6, Ausschnitt, mit freundlicher Genehmigung des National Museums Liverpool (Merseyside Maritime Museum), Ref. B/HAR/11/4/1

Unterschrieben sind die Eintragungen von Kapitän W. Richter und dem Steuermann (1. Offizier/Chief Mate) R. Hoffmann.

In den Niederlanden

Am Nachmittag folgen Eintragungen von der niederländischen Küste:

1.10       Ameland F.T. Pos. S 23° O 12 sml ab

2.5         Brandari Pos. S 11° O
Ameland Pos. S 57 ° O

Anmerkung: Beide Positionen sind im Logbuch in anderer Reihenfolge eingetragen worden, dieser Eintrag wurde dann mit zwei Pfeilen korrigiert

3.10       Terschelling F. S. an B.B. nahe bei

Bootsrolle, Feuerrolle und sonstige Bekanntmachungen (?) wurden ausgehängt

6.15 ? Haaks F.S. Pos. S24W

6.46 Haaks F.S. an B.B. pass. 0,7 sml ab

Anmerkungen:

Ameland und Terschelling gehören zu den Westfriesischen Inseln,

Brandari (= eigentlich Brandaris) ist ein Leuchtturm auf Terschelling

F.T. Feuerturm (Leuchtturm), F.S. Feuerschiff

(?) unleserliche oder unklare Stelle im Text

Brandaris, Terschelling, Leuchtturm

Der Leuchtturm Brandaris auf Terschelling ist der älteste Leuchtturm der Niederlande, der heutige Turm ist aus dem Jahr 1594. Gemälde des niederländischen Malers Carl August Breitenstein (1864-1921) Quelle: commons.wikimedia.org/wiki/File:Carl_August_Breitenstein_-_De_Brandaris_op_Terschelling_-_0394_-_Rijksmuseum_Twenthe.jpg

 

Bootsrolle und Feuerrolle

Die Boots- und die Feuerrolle gehörten zu den Sicherheits- und Rettungsvorschriften an Bord:

„Die gesamte Schiffsbesatzung ist nach einer Bootsrolle auf die Boote und Klappboote ein- zuteilen, und an jedem Boot müssen die Nummern der dafür bestimmten Leute angeschlagen sein. Offiziere und Unteroffiziere sind auf die Boote gleichmäßig zu verteilen.“ (§ 54 Einteilung der Besatzung, Auszug aus dem Gesetz über das Auswanderungswesen; Quelle: Hilfsbuch für den Schiffsbau: https://link.springer.com/content/pdf/bbm%3A978-3-642-50701-4%2F1.pdf)

„Feuerrolle: beschreibt genau festgelegte Übungen für die Besatzung zur Bekämpfung der Gefahren auf See. Jeder Mann hat dabei bestimmte Aufgaben an bestimmten Stellen zu erfüllen. Die Feuerrolle ist Teil der Schiffsrolle, die wiederum der Dienstplan und die Wacheinteilung der gesamten Besatzung eines Schiffes in See ist.“
Quelle: http://www.grosse-seefahrt.de/lexikon/Feuerrolle/

Zu den sonstigen vorgeschriebenen Aushängen auf den Schiffen gehörten die Seemannsordnung und die Unfallverhütungsvorschriften der See-Berufsgenossenschaft.

Die DADG hatte zusätzliche Bekanntmachungen über die Handhabung der persönlichen Gegenstände, die Überstunden, des Landurlaubs, einen Aushang für Beschwerden über Beköstigung und das Rauchen an Deck (Quelle: Schiffstagebuch „Neumünster“, nummerierte Seite 3, State Archives of Western Australia).

Weiter ging die Fahrt die niederländische Küste entlang:

10.13 ? Scheveningen Pos. S 39° O u. Ymuiden N ?

11.10 bis 11.30  nahmen Seelotsen Koosmann an Bord

11.30     wieder volle Kraft

Anmerkungen:

Ymuiden (IJmuiden) liegt am Nordseekanal, hier ist die Schleuse für den Zugang zum Hafen Amsterdam

Schevenigen gehört zu Den Haag

Der Seelotse kam für die Passage an den Rheinmündungsarmen Waal und Lek an Bord.

 

27. April 1914

Die erste Eintragung für den 27. April 1914 ist dann das Passieren der Insel Schouwen kurz vor 2 Uhr nachts:

 

1.47 pass. Schouwen Bk F.S. an St.B. ¼ sml ab

2.45 pass Steenbark Boje an B.B. ¼ sml ab

 

Bei Vlissingen kam ein Lotse für die Fahrt auf der Schelde an Bord:

 

Steuerten nach Lotsenanweisung

Ende der Seereise

4.35 pass. Vlissingen, Lotse Vymmels an Bord

6.00 pass. Termuzen

7.15 Ankerten mit St.B. Anker und 40 Faden Kette im Mittelgatt

Tiefgang v. 16‘2‘‘, h. 18‘11‘‘

10.15 am Anker auf

0.57 pm ankerten unterhalb Antwerpen mit St.B. Anker und 30 Faden Kette

Wache 1 Offz. u. 1 Mann Wache

Die Schiffsapotheke u. die Sanitären-Ausrüstungen (?) wurden von mir persönlich überholt u. vollzählig u. den Gesetzen entsprechend gefunden. W. Richter (Unterschrift)

 

Anmerkungen:

Schouwen: Schouwen-Duiveland ist eine niederländische Insel

Vlissingen: Niederländische Stadt an der Mündung der Westerschelde

1 Faden (nautischer Faden) entspricht 6 Fuß oder 1,8288 m.

Die Überholung der Arzneimittel hatte nach der Bekanntmachung betr. Krankenfürsorge auf Kauffahrteischiffen, § 16 alle drei Monate durch den Kapitän zu erfolgen. Nach § 15 der gleichen Bekanntmachung waren sie zusätzlich einmal im Jahr durch einen Arzt zu überholen.

Eine erneute Kontrolle der Bordapotheke durch Kapitän Richter erfolgte am 22. Juli 1914 im Hafen von Melbourne.

 

Mittags, den 27. April 1914

Über die zurückgelegte Distanz gibt es zwei Einträge

166 Seemeilen (Distanz vom Vortag) + See Dist. 178 sm + Rev. Dist. 48 sm: Total 392 sm

Die angegebene Revierdistanz von 48 Seemeilen betrifft die Fahrt auf der Schelde.

Zuträglich gibt diese Eintragung:

Rev. Dist. Elbe 76 sml
Rev. Dist. Schelde 48 sml = 124 sml
Seedistanz 268 sml

Durch die langen Distanzen auf Elbe und Schelde war die Durchschnittsfahrt nur 10,6 Knoten.

Zu Buch gebracht wurde zu diesem Zeitpunkt auch die Fahrtzeit mit diesen Einträgen:

Anfg. d. Seereise 26/4 3.20 am
Ende d. Seereise 27/4 4.35 am
Dauer der Seereise 1 Tag 1 h 15 m
Zeitunterschied + 0 h 19 min
Übernahme des Lotsen – 0 h 20 min
wahre Dauer d. Seereise 1 Tag 1 h 14 min

 

Nächste Woche im Blog

Die „Fürth“ lag also ab 12.57 Uhr in der Schelde auf Reede. Der nächste Tag, der 28. April 1914, sollte für die Besatzung sehr früh beginnen, zwei Schlepper kamen um 3.20 Uhr früh und brachten die „Fürth“ an den Scheldekai Quai St. Michel.

Dort begann um 7 Uhr das Löschen von Ladung und zeitgleich die Aufnahme von neuer Ladung und Bunkerkohlen. Es wartete viel Ladung am Kai, denn der Ladevorgang sollte von Dienstag bis Samstag andauern.

Außerdem: ein Bootsmanöver, ein Missgeschick beim Laden, eine schlafende Wache, Informationen zum Hafen Antwerpen und zur Firma Eiffe & Co., dem Makler der Deutsch-Australischen Dampfschiffs-Gesellschaft in Antwerpen.

 

Copyright-Hinweis

Auf dem Logbuch ist ein © Copyright, das nach dem Zeitpunkt des Todes des Verfassers für 70 Jahre fortbesteht. Der erste Teil des Logbuches ist von Kapitän Richter, aber in großen Teilen auch von seinem ersten Offizier.

Kapitän Richter starb am 19. Februar 1917, somit sind die 70 Jahre lange abgelaufen. Jedoch ist mir für den ersten Offizier R. Hoffmann das Todesdatum nicht bekannt. Ich weise deshalb pflichtgemäß darauf hin, dass deshalb noch ein © Copyright auf dem Logbuch bestehen könnte.

Über alle Hinweise zu dem 1. Offizier R. Hoffmann bedanke ich mich herzlichst im Voraus. Bislang kann ich nur als Hinweis geben, dass er für diese Fahrt neu auf die „Fürth“ gekommen und im Sommer 1914 32 Jahre alt war: siehe Drei Mannschaftslisten der „Fürth“ aus dem Jahr 1914

Die ersten folgen des Logbuchs der „Fürth“ finden Sie im Januar 2020.