Archiv der Kategorie: Andere Schiffe

Dampfschiff "Plauen"

Schwesterschiffe der „Fürth“: die „Plauen“

Plauener Spitze in alle Welt

Dieser Blogartikel fasst die Geschichte eines der Schwesterschiffe der „Fürth“ zusammen, des Dampfschiffs „Plauen“.

Vor einiger Zeit hatte ich hier im Blog bereits die „Reichenbach“ vorgestellt. Bei diesem Schiff fehlt derzeit noch der Beleg, nach welcher Stadt Reichenbach das Schiff benannt wurde: Reichenbach im Vogtland oder Reichenbach am Eulengebirge. Siehe dazu: Schwesterschiffe der „Fürth“: Die „Reichenbach“

Im Fall der „Plauen“ ist diese Frage eindeutig zu beantworten.

Die Stadt Plauen

Die Stadt Plauen hatte wie viele andere Industriestädte ihre Blütezeit vor dem Ersten Weltkrieg. Bei meinen Recherchen habe ich zu meiner Überraschung festgestellt, dass die Stadt 1912 über 125.000 Einwohner hatte! Und wer hätte gedacht, dass die Vereinigten Staaten damals sogar ein Konsulat in Plauen unterhielten.

Bekanntestes Exportprodukt der Stadt war die Plauener Spitze („Plauen-laces“ im Englischen). Plauener Spitze war auch in Australien ein Begriff und sicher ein gutes Argument für die Benennung eines Schiffes der Deutsch-Australischen Dampfschiffs-Gesellschaft (DADG) nach der Stadt Plauen.

Plauen laces, The Colosseum, Melbourne

Anzeige des Bekleidungsgeschäftes „The Colosseum“ in Melbourne, Leader, Melbourne, Sa 13. April 1912, Quelle: National Library of Australia, trove.nla.gov.au

 

Das Schiff „Plauen“

Bestellt wurde die „Plauen“ von der DADG bei der Flensburger Schiffsbau-Gesellschaft im Januar 1906, die Kiellegung erfolgte jedoch erst mit einiger Verzögerung am 22. September 1906.

Nach 201 Bautagen lief die „Plauen“ am 4. März 1907 vom Stapel:

Stapellauf
Am Montag mittag fand auf der Schiffswerft zu Flensburg der Stapellauf eines der für die Deutsch-australische Dampfschiffahrtsgesellschaft in Hamburg erbauten Dampfers statt. Er erhielt in der Taufe durch Fräulein Oeberg-Helsingborg den Namen „Plauen“. Die Tragfähigkeit des Schiffes beträgt 7000 Tons.
Altonaer Nachrichten, Mittwoch 6. März 1907, Nr. 109, Morgen-Ausgabe, S. 3

Jetzt stellt sich natürlich die Frage „Wer war Fräulein Oeberg-Helsingborg?“ Eine junge Dame aus Plauen, aus Flensburg oder noch weiter aus dem Norden?

Am 9. April 1907 absolvierte die „Plauen“ ihre Probefahrt in der Flensburger Börde und erreichte den Heimathafen Hamburg am Freitag, den 12. April 1907. Als Schiffsführer ernannte die DADG Kapitän Hellerich,  der dann im Dezember 1912 das neue, deutlich größere Schiff „Australia“ übernahm: siehe Bordkonzert in Port Pirie

Die Indienststellung erfolgte damit nur vier Monate vor der „Fürth“. Insgesamt sollte die DADG im Jahr 1907 sechs neue Schiffe in den Verkehr bringen, wobei fünf davon in Flensburg gebaut wurden, nur eins in England bei Swan, Hunter & Wigham in Newcastle.

Die Baukosten für die „Plauen“ lagen bei 1.255.000 Mark, damit war das Dampfschiff 17.000 Mark günstiger als die „Fürth“. Die Größe der „Plauen“ wurde mit 4187 Bruttoregistertonnen angegeben („Fürth“ 4229 BRT), die Schiffsvermessung hatte also ein etwas kleineres Raummaß ergeben. Der Aufbau, die Außenmaße und die Motorisierung waren identisch mit denen der „Fürth“, wie es sich für Schwesterschiffe gehört. SIEHE dazu: Bau, Stapellauf und Probefahrt der „Fürth“

SS Plauen, German Australian Line

Das Dampfschiff „Plauen“, © R. Schmelzkopf, Deutsch-Australische Dampfschiffs-Gesellschaft, Hamburg, 1888 – 1926, Cuxhaven 1984, Abbildung aus der Sammlung A. Kludas

Australienfahrten

Ende April 1907 verließ die „Plauen“ Hamburg zu ihrer Jungfernfahrt nach Australien. Fast sollte das neue Schiff nicht von dieser Reise zurückkehren. Am 3. September 1907 kollidierte die „Plauen“ auf der Heimreise vor der portugiesischen Küste in dichtem Nebel mit dem finnischen Frachter „Hektos“, einem Schiff des Finska Lloyd.

Bei dem Zusammenstoß wurde die Steuerbordseite aufgerissen und der Raum 2 lief voll Wasser. Nur die Schotten verhinderten einen Untergang der „Plauen“, die noch den Hafen Vigo erreichte und dort notdürftig repariert wurde. Nach der Rückkehr nach Hamburg erfolgt dann die eigentliche Reparatur. Die „Hektos“ war ebenfalls beschädigt, konnte ihre Reise nach Gibraltar aber fortsetzen.

Anm.: Details und Fotos zum Schiff „Hektos“ finden Sie auf der finnischen Website Äänimeri, auf der Sie alles über die finnische Handelsschifffahrt erfahren können: https://www.aanimeri.fi/piwigo/index.php?/category/154.

 

German Australian Line, Furth, Plauen

Die Schiffe „Fürth“ und „Plauen“ in einer Anzeige der DADG vom 23. August 1907 in der Zeitung Hamburgischer Correspondent und neue hamburgische Börsen-Halle (Ausschnitt), die „Plauen“ konnte die Fahrt Nr. 50 aufgrund der Havarie jedoch nicht durchführen und wurde durch ein anderes Schiff ersetzt.

Die „Plauen“ verließ Hamburg nach der Reparatur erst im November 1907 wieder in Richtung Australien und blieb für die DADG bis zum Ausbruch des Ersten Weltkriegs in Fahrt. Als eines von nur neun Schiffen der Reederei war die „Plauen“ bei Kriegsausbruch „in der Heimat“ (Zitat Otto Harms), genauer gesagt im Hamburger Hafen.

Von der Kaiserlichen Marine war die „Plauen“ als Reserve-Sperrbrecher vorgesehen, wurde aber nicht eingesetzt. Nach dem Krieg musste die „Plauen“ dann als Reparationsleistung an Großbritannien abgegeben werden und war zunächst im Eigentum der britischen Krone, des Shipping Controller, der britischen Verwaltungsbehörde für die Handelsschifffahrt. Bereedert wurde das Schiff in dieser Zeit von Watts, Watts & Co. London.

Anm.: Informationen zu Watts, Watts & Co. unter http://www.mariners-list.com

„City of Milan“ und „Ganda“

1921 wurde die „Plauen” an die Ellerman City Line, einem der Unternehmen der Ellerman Gruppe verkauft und in „City of Milan“ umbenannt. Es war eine Angewohnheit der Reederei, ihre Schiffe „City of …“ zu benennen.

Offenbar war die „City of Milan“ aber auch für andere Schifffahrtsunternehmen der Ellerman Gruppe unterwegs, wie die Ellerman‘s Wilson Line Ltd.

Die Ellerman City Line aber auch die Ellerman‘s Wilson Line Ltd. fuhren im Linienverkehr zwischen Großbritannien und Britisch Indien. Am 18. August 1921 erreichte die „City of Milan“ beispielsweise die englische Hafenstadt Hull ankommend aus Kalkutta (Hull Daily Mail vom 19. Aug 1921). Weitere Reisen nach Britisch Indien sind in den Schiffsmeldungen der englischen Tagespresse dokumentiert, diese habe ich aber nicht weiter verfolgt.

City of Naples, Ellerman's Hall Line

Die „City of Naples“, ein anderes Schiff der „City of …“ Schiffe der Ellerman Line; Quelle: State Library of Queensland; https://commons.wikimedia.org/wiki/File:StateLibQld_1_125023_City_of_Naples_(ship).jpg

Von England nach Portugal

Im Jahr 1930 wurde die „City of Milan“, exPlauen erneut verkauft, diesmal an die Cia. Colonial de Navegacao (CCN) in Portugal, die das Schiff in „Ganda“ umbenannte.

Die Reederei wurde 1922 in der Stadt Lobito im damals portugiesischen Angola gegründet und bediente den Passagier- und Frachtverkehr zwischen Portugal, Angola und Portugiesisch-Ostafrika. Im zweiten Weltkrieg erfuhr das Geschäft einigen Aufschwung, da Portugal neutral war und portugiesische Reeder viele transatlantische Transporte übernahmen.

Anm.: Die Reederei hatte zu unterschiedlichen Zeiten insgesamt drei Schiffe „Ganda“ benannt, die Plauen war das zweite der drei Schiffe mit dem Namen Ganda (Ganda II: 1907 – 1941).

Die exPlauen war fortan zwischen Lissabon, Loanda (heute: Luanda) und Lourenço Marques (das heutige Maputo in Mosambik) unterwegs.

Tragisches Ende

Im Juni 1941 fuhr die „Ganda“ erneut von Lissabon nach Afrika, an Bord waren 72 Personen.

Das neutrale Handelsschiff wurde am 20. Juni 1941 um 16.15 Uhr von einem Torpedo des deutschen U-Boots U123 unter der Führung von Reinhard Hardegen getroffen.

Nachdem Besatzung und Passagiere die „Ganda“ verlassen hatten, wurde ein zweites Torpedo abgefeuert, um das Schiff zu versenken. Da die „Ganda“ jedoch immer noch nicht sank, feuerte das aufgetauchte U-Boot Maschinengewehrsalven und versenkte das Schiff endgültig.

26 Überlebende wurden von dem Fischtrawler „Fave“ aus Porto vor der marokkanischen Küste aufgegriffen und nach Lissabon gebracht, darunter Kapitän Paião, drei Passagiere und 22 Besatzungsmitglieder.

41 weitere Schiffbrüchige befanden sich zu dieser Zeit noch auf einem zweiten Rettungsboot, das erst am dritten Tag von dem Schiff „Ventura Gonzales“ entdeckt wurde und die Überlebenden nach Huelva (Spanien) brachte.

5 Personen verloren bei dem Angriff ihr Leben: zwei Passagiere und drei Besatzungsmitglieder.

Als die deutsche U-Boot-Besatzung die Überlebenden ausfragen wollte, erkannte sie ihren Irrtum, ein neutrales Schiff versenkt zu haben und verließ den Ort des Geschehens.

Auf Anweisung des Befehlshabers der U-Boote (BdU), zu diesem Zeitpunkt Konteradmiral Dönitz, wurde das Logbuch des U-Boots nachträglich geändert.

Ganda, exCityofMilan, exPlauen

Die „Ganda“, exCityofMilan, exPlauen; © https://uboat.net/allies/merchants/ship/997.html

Fortgesetzte Tradition

Die Übernahme von Patenschaften für Schiffe ist heute weitgehend in Vergessenheit geraten, nicht jedoch in Plauen!

So übernahm die Stadt Plauen im Jahr 2013 die Patenschaft für eine Einfahrbesatzung des Unterseebootes U36 der Deutschen Marine.

Warum es kein ganzes Schiff wurde und weitere Einzelheiten zu der Patenschaft erfahren Sie hier: https://www.spitzenstadt.de/plauen/1-startseite/plauen-tauft-u-boot-in-kiel-.html

Über 100 Jahre nach der Patenschaft für das Dampfschiff „Plauen“ hat die Stadt Plauen also einen würdigen Nachfolger gefunden.

Ich wünsche eine allzeit gute und sichere Fahrt!

 

Bildnachweis zum Titel:
Das Dampfschiff „Plauen“, © National Library of Australia (State Library of New South Wales), Reference code 456726

 

Quellen dieses Artikels:
Otto Harms, Deutsch-Australische Dampfschiffs-Gesellschaft, Hamburg 1933.
Reinhart Schmelzkopf, Deutsch-Australische Dampfschiffs-Gesellschaft, Hamburg, 1888 – 1926, Cuxhaven 1984
Die Internetseiten theshipslist.com, wrecksite.eu, uboat.net, mariners-list.com und aanimeri.fi
Der Blog naviosenavegadores.blogspot.com zu den Ereignissen am 20. Juni 1941 (in portugiesischer Sprache)
Deutsche, britische und australische Zeitungsartikel aus der European Library (theeuropeanlibrary.org.), dem britischen Zeitungsarchiv (britishnewspaperarchive.co.uk ) und der australischen Nationalbibliothek (https://trove.nla.gov.au/).

Eine Fortsetzung dieses Artikels finden Sie hier:

Das Schwesterschiff „Plauen“ – ein Nachtrag

Neumunster, German-Australian Line, August 1914

Schwesterschiffe der „Fürth“: Die „Neumünster“

Endstation Fremantle (Westaustralien)

Dieser Blogartikel fasst die Geschichte eines der Schwesterschiffe der „Fürth“ zusammen, dem Dampfschiff „Neumünster“.

Er setzt damit die Reihe fort, die mit der „Reichenbach“ begonnen wurde (Schwesterschiffe der „Fürth“: Die „Reichenbach“ ) und mit der „Plauen“ weitergeführt wurde (Schwesterschiffe der „Fürth“: die „Plauen“ ).

Die Geschichte jedes dieser Schwesterschiffe hat interessante Details zu bieten. Bei der „Neumünster“ ist bemerkenswert, wie viele Originaldokumente von diesem Schiff noch erhalten sind.

Aber beginnen wir mit dem Bau des Schiffes „Neumünster“.

Bildnachweis Titelbild: Das Dampfschiff “Neumünster” im Hafen von Fremantle, Zeitungssausschnitt (Western Mail, 21. Aug 1914), Quelle: National Library of Australia (trove.nla.gov.au)

Das Schiff

Die Bestellung der „Neumünster“ erfolgte nur einen Tag, nachdem die „Plauen“ bestellt worden war, nämlich am 1. Februar 1906. Der Baubeginn erfolgte dann mit einiger Verzögerung am 11. Oktober 1906, der Stapellauf am 16. April 1907 und die Lieferung an die Reederei am 18. Mai 1907. (Alle Angaben nach Deutsch-Australische Dampfschiffs-Gesellschaft, Otto Harms, Hamburg, 1933.)

Der Bau erfolgte damit zeitlich sehr synchron mit dem der „Plauen“, lediglich einen Monat nach hinten versetzt und auch dem der „Fürth“, die im Zeitplan drei Monate nach der „Neumünster“ lag. Erstaunlich finde ich die Tatsache, dass jedes dieser knapp 120 Meter langen Schiffe in einer Bauzeit von nur rund 200 Arbeitstagen fertiggestellt werden konnte. Das zeugt von einem hohen Organisationsgrad der Flensburger Schiffsbau-Gesellschaft.

Für die Maße und die Motorisierung des Schiffes verweise ich auf den Artikel der „Fürth“: Bau, Stapellauf und Probefahrt der „Fürth“ . Hier gibt es auch für die Neumünster nichts Neues. Lediglich das Vermessungsergebnis sei hier genannt, da dieses für jedes Schiff trotz gleicher Baupläne unterschiedlich ausfällt: Die „Neumünster“ hatte 4224 Bruttoregistertonnen („Fürth“ 4229). Der Baupreis war mit 1,255 Millionen Mark identisch mit dem der „Plauen“ und 17 tausend Mark unter dem der „Fürth“.

Neumünster in Norwegen

Das Schiff „Neumünster“ in Norwegen, © Reinhart Schmelzkopf, Deutsch-Australische Dampfschiffs-Gesellschaft, Hamburg, 1984.

Die Stadt Neumünster

Das kleine Städtchen Neumünster in Schleswig-Holstein hatte im 19. Jahrhundert die typische Entwicklung einer Industriestadt genommen. Durch die Textilindustrie wuchs die Stadt von 1867 als sie gerade einmal 9.000 Einwohner hatte auf 35.000 Einwohner im Jahr 1910. Zu diesem Zeitpunkt prägten Betriebe wie die Tuchfabrik Christian Friedrich Köster oder die Lederfabrik Emil Köster AG das Stadtbild; Neumünster wurde Holsteins „Manchester“ (Quelle: vimu.info).

Schafwolle war Australiens wichtigstes Exportprodukt und auch Tierhäute, Schaffelle und Gerbstoffe wurden in großer Zahl nach Europa exportiert, sicher auch über den Hamburger Hafen nach Neumünster. Zu den deutschen Importen australischer Produkte: Australische Exporte nach Deutschland

Aber auch in entgegengesetzter Richtung könnten Geschäftsbeziehungen zwischen Unternehmen aus Neumünster und Australien bestanden haben, waren doch Kleidung und Textilien die wichtigsten Exporte des Deutschen Reichs nach Australien. Deutsche Exporte nach Australien

Mehr über die Industriegeschichte Neumünsters erfahren Sie in dem kleinen Prospekt der Stadt Neumünster „Route der Industriekultur, Neumünster, 25 Stationen der Industriegeschichte“, abrufbar auf der Seite metropolregion.hamburg.de

Neumünster Schleswig-Holstein 1895

Ansicht von Neumünster, 1895, Quelle: https://commons.wikimedia.org/wiki/File:Wd_b187.JPG

Auf Australienfahrt

Wie alle Schiffe der Deutsch-Australischen Dampfschiffs-Gesellschaft (DADG) bediente die „Neumünster“ bis zum Ausbruch des Ersten Weltkrieges die Linien der Reederei nach Australien und Niederländisch Indien.

Entscheidend für das weitere Schicksal des einzelnen Schiffes war die geografische Position Ende Juli/Anfang August 1914 beim Ausbruch des Ersten Weltkrieges. Wie alle Schiffe der Kleinserie war auch die „Neumünster“ noch nicht mit einer Telegrafenanlage ausgestattet und musste sich daher von den politischen Entwicklungen im nächsten Hafen überraschen lassen.

Die „Neumünster“ hatte Hamburg am 30. Juni und Antwerpen am 4. Juli 1914 verlassen und war für den 14. August 1914 in Fremantle an der Westküste Australiens angekündigt. Danach sollte die „Neumünster“ die südaustralischen Hafenstädte Adelaide und Port Pirie anlaufen.

Anm.: Normalerweise waren die Schiffe der DADG auf ihrer Reise zwischen Europa und Australien (mindestens) einen Hafen in der Kapkolonie bzw. Südafrikanischen Union angelaufen. Das war bei dieser Reise nicht der Fall. Die „Neumünster“ hatte den Bedarf an Bunkerkohle für die ganze Fahrt nach Australien in Europa gedeckt. Oft waren die Schiffe bei der Ausreise nach Australien nicht voll beladen, so dass genug Platz für Bunkerkohle vorhanden war.

Am 16. August 1914 um 6.30 Uhr wurde die „Neumünster“ unter Führung von Kapitän Carl Herrmann vor der australischen Westküste in der Nähe von Rottnest Island von dem Kreuzer HMAS „Pioneer“ gestoppt und anschließend in den Hafen von Fremantle gebracht.

Die Mannschaft wurde auf Rottnest Island interniert.

Gerichtsverhandlung

Gegen die Beschlagnahmung der „Neumünster“ wurde von Kapitän Herrmann im Namen der Deutsch-Australischen Dampfschiffs-Gesellschaft Einspruch erhoben. Es ging darum, ob die „Neumünster“ eine rechtmäßige Prise (“prize“) war oder ob sie nur festgehalten werden konnte (“detention“). Zentraler Streitpunkt war die Frage, ob die Kaperung noch auf hoher See stattfand, oder ob sich das Schiff zum Zeitpunkt der Kaperung bereits im Hafengebiet von Fremantle befand. Details dazu unter anderem in: The Daily News, Perth, Fr. 4. Dez. 1914, S. 8, THE NEUMUNSTER (Quelle: trove.nla.gov.au).

Das Urteil fiel dann erwartungsgemäß aus: Die „Neumünster“ wurde in der Urteilsverkündung am 22. Dezember 1914 als rechtmäßige Prise anerkannt. Auch dazu gibt es mehrere Zeitungsartikel, unter anderem sehr ausführlich in The West Australian, Perth, Mi 23. Dez 1914, S. 7-8, PRIZE COURT (Quelle: trove.nla.gov.au).

Unabhängig von der Gerichtsentscheidung war die „Neumünster“ bereits ab Ende Oktober wieder auf See und brachte eine Woll-Lieferung nach England.

Cooee, Neumünster

„Cooee“, exNeumünster; Quelle: © Maritime Museum of Tasmania, https://ehive.com/collections/3906/objects/620489/cooee

„C3“, „Cooee“ und „Bomarsund“

Ab Januar erhielt das Schiff den provisorischen Namen „C3“, bevor es später in „Cooee“ umgetauft wurde. Es blieb bis Ende 1925 im Verkehr zwischen Australien und England.

Im Januar 1926 wurde die „Cooee“, ex-Neumünster für £ 190.000 an die Fa. A/B Naxos Prince des finnischen Reeders und Geschäftsmanns Robert Mattson in Helsinki verkauft und umbenannt in „Bomarsund“.

Anm.: Quelle für den Verkaufspreis: Daily Mercury, Mackay (Queensland), Mo 18. Jan 1926, S. 5, COMMONWEALTH SHIPS)

Mehr Informationen über die „Bomarsund“, ex-Neumünster sowie Bilder finden Sie auf der sehr informativen Webseite über die finnische Schifffahrt Äänimeri: https://www.aanimeri.fi/piwigo/index.php?/category/89

Im Oktober 1935 wurde die „Bomarsund“ zum Abbruch an die Fa. Van Heyghen ins belgische Gent verkauft.

Falls Sie mal ein altes Schiff los werden wollen: Van Heyghen Recycling gibt als Teil der belgischen Galloo-Gruppe noch heute. Schiffe werden im Hafen von Gent abgewrackt und der Schrott anschließend verkauft.

Spannende Originaldokumente

Zu den eingangs erwähnten Originaldokumenten: Der Festsetzung des Schiffes in Fremantle ist es zu verdanken, dass zahlreiche Schiffsdokumente im nahegelegenen Perth erhalten geblieben sind (heute ist Fremantle Teil des Ballungsraumes Perth).

Man ist dort sehr sorgfältig mit den Unterlagen der beschlagnahmten Schiffe umgegangen, da die Beschlagnahmungen jeweils Gerichtsprozesse nach sich zogen. Neben Dokumenten der „Neumünster“ sind auch zahlreiche Unterlagen der ebenfalls im August 1914 beschlagnahmten Schiffe „Greifswald“ und „Thüringen“ des Norddeutschen Lloyd (Bremen), archiviert worden.

Von der „Thüringen“ liegt sogar ein alter Schlüssel im Archiv: http://sro.wa.gov.au/blogs/key-prize-war-ww1-wa

Der Schlüssel und all diese historisch sehr interessanten Papiere finden sich im State Records Office of Western Australia in Perth. Für das Schiff „Neumünster“ sind das

– das Schiffszertifikat
– der Messbrief
– die Musterrolle
– ein Gesundheitspass vom Britischen Generalkonsulat in Antwerpen
– ein Gesundheitspass vom Generalkonsulat der Niederlande in Antwerpen
– eine Bescheinigung vom Hafenarzt in Hamburg
– ein „Sailing und Arrival Code“ der Deutsch-Australischen Dampfschiffs-Gesellschaft für telegrafische Nachrichten
– eine Bescheinigung von Lloyd’s Register, ausgestellt in Rotterdam
– eine Liste der Schiffs-Vorräte für den australischen Zoll (Getränke & Lebensmittel; Öle, Lacke etc.)
– eine Inventarliste der Schiffsausstattung
– das Logbuch (Schiffstagebuch, ab 20. Juni 1914)

Logbuch Neumünster 1914, log book

Schiffstagebuch der „Neumünster“, Juni bis August 1914, © State Records Office of Western Australia, Perth, Cons. 4230/1.2

Hanau steam ship 1907 in Sydney

Schwesterschiffe der „Fürth“: die „Hanau“

… und Anekdoten aus dem Leben des Trampschiffes „Ribera“, ex-Hanau

Bildnachweis Titel:
Mannschaftsliste der “Hanau” auf der Jungfernfahrt in Sydney am 23. Dezember 1907; Quelle: Mariners and Ships in Australian Waters;
http://marinersandships.com.au/1907/12/media/134han.jpg

Die „Hanau“ war das letzte Schiff der sogenannten „Hagen-Klasse“, welches die Flensburger Schiffbau Gesellschaft an die Deutsch-Australische Dampfschiffs-Gesellschaft (DADG) in Hamburg ablieferte.

Ab 1921 hieß das Schiff dann „Ribera“, soweit zur Erklärung des Titels.

Die Namen anderer Schwesterschiffe der „Fürth“ und Links zu deren Beschreibung finden Sie am Ende des Blog-Artikels.

Die neue „Hanau“

Die Bestellung des Dampfschiffes „Hanau“ bei der Flensburger Schiffbau-Gesellschaft erfolgte am 21. Dezember 1906, die Kiellegung am 18. April 1907 und nach nur 184 Tagen Bauzeit wurde das Schiff am 19. Oktober 1907 an den Auftraggeber, die Deutsch-Australische Dampfschiffs-Gesellschaft (DADG) übergeben. Der Stapellauf war vier Wochen vorher, am 24. September 1907, erfolgt.

Die Baukosten betrugen 1,285 Millionen Mark. Die „Hanau“ hatte 4213 Brutto-Registertonnen und eine Tragfähigkeit von 7010 Tonnen. (alle Angaben: Otto Harms, Deutsch-Australische Dampfschiffs-Gesellschaft, Hamburg, Schröder & Jeve, Hamburg 1933)

Hier nochmal die Maße der Baureihe, also auch der „Hanau“: Länge 389 Fuß (118,6 Meter), Breite 50‘10“ (15,5 Meter), Seitentiefe 27‘9“ (8,5 Meter).

Angetrieben wurde das Schiff von einer Dreifach-Expansions-Dampfmaschine mit 2200 ind. PS; die Höchstgeschwindigkeit war etwa 11 ¾ Knoten.

Zu den technischen Daten siehe auch den Eintrag des baugleichen Schiffes „Fürth“ in Lloyd’s Register: Die „Fürth“ in Lloyd’s Register

Die Jungfernfahrt der „Hanau“

Die Ankündigungen in den australischen Medien für das neue Schiff „Hanau“ fielen recht knapp aus. Kein Wunder, denn innerhalb eines Jahres hatten die Journalisten jetzt zum sechsten Mal ein genau gleich aussehendes neues Schiff der Reederei zu sehen bekommen.

A 7000-ton cargo steamship, built at Flensburg for the German-Australian Steamship Co., was launched on 24th September. The vessel, according to advices, was named the Hanau.
The Age, Melbourne, 6. Nov. 1907, S. 6, SHIPPING INTELLIGENCE

THE HANAU.
A cable received last week states that the new steamer Hanau left Hamburg on the 23rd instant on her maiden voyage to Melbourne, Sydney and Townsville. The Hanau is said to be similar to the Furth, now at Sydney and is fitted with all the latest appliances for the rapid handling of cargo.
Newcastle Morning Herald and Miners‘ Advocate, Di 29. Okt 1907, S. 4

Die Leitung des Schiffes hatte Kapitän Prohn übernommen, der den Schiffstyp bestens kannte, er war zuvor Kapitän des Dampfschiffes „Hagen“ gewesen.

Die Zusammensetzung der Besatzung (40 Mann) auf der Jungfernfahrt bei der Ankunft in Sydney ist aus der Titelabbildung ersichtlich.

Die „Hanau“ war in den ersten Jahren aber nicht nur in Fahrt für die Deutsch-Australische Dampfschiffs-Gesellschaft, sondern auch für die

United Tyser Line

und zwar beispielsweise in der zweiten Jahreshälfte 1908:

Hier bediente die „Hanau“ eine Linienfahrt dieser Gemeinschaftslinie, die von New York aus Fahrten nach Australien anbot.

United Tyser Line

Artikel über die Linie New York – Australien in der Zeitschrift Hansa, März 1907

Die DADG hatte wie die DDG Hansa, Bremen 25 % Anteile und die Tyser Line Ltd. in London 50 %. Das bedeutete, dass die DADG alle 12 Wochen ein Schiff auf dieser Linie zu stellen hatte.

The United Tyser Line’s steamer Hanau showed up at Fremantle last evening from New York, and after being passed by the Port Health Officer, she came into the river to a berth at the wharf. She is discharging 350 tons of general cargo and 1250 cases of kerosene. She will leave for the Eastern States either to-night or early to-morrow forenoon.
The Evening Mail, Fremantle, 30. Nov. 1908, S. 2

Regelmäßiges Ladegut ab New York war Petroleum (amerikanisch: kerosene), es bestand ein Vertrag mit der Fa. Standard Oil für regelmäßige Lieferungen nach Niederländisch-Indien und nach Australien. SIEHE: Im Auftrag Rockefellers

Ein Unfall im Jahr 1911

Im Frühjahr 1911 wurde die „Hanau“ vermutlich von einem unter Wasser treibenden Wrack oder Wrackteil leicht aufgerissen, so dass das Schiff in Kapstadt im Trockendock repariert werden musste. Das Seeamt Hamburg sprach später den Kapitän von Schuld frei, da laut Seekarte an dieser Stelle das Wasser eine Tiefe von 90 Faden habe (Quelle: Newcastle Morning Herald and Miners‘ Advocate, Mo 27. Nov 1911, S. 4).

MISHAP TO THE HANAU.
A cable received by the Sydney Marine Underwriters and Salvage Association stated that the German-Australian liner Hanau, which put into Table Bay some days ago, struck some unknown object. The diver reported damage to the bottom. The vessel would have to be docked. She would have to discharge part cargo to dry dock.
Newcastle Morning Herald and Miners‘ Advocate, Sa 6. Mai 1911, S. 4

Gestrandet und Feuer an Bord

Im Jahr 1912 sollte es schlimmer kommen:

STEAMER HANAUS BAD LUCK.

The German-Australian Company’s steamer Hanau, which went ashore at Kalakalou, Greece, on September 24 and refloated after 500 tons of bunkers and sulphur and 400 tons of cargo had been jettisoned, has according to a cable received this morning by the Sydney Marine Underwriters‘ Association, had a fire on board. The discovery was made in the after hold, but the cable adds, the fire is now extinguished. The Hanau is bound to Australian ports, from Hamburg.

Anmerkung: Kalakalou heißt eigentlich Katakolon und liegt an der Küste des Peloponnes.

Die Fruchtfahrt der DADG

Regelmäßige Blogleser werden sich fragen, was die „Hanau“ in Griechenland zu suchen hatte. Es ist das erste Mal, dass Griechenland als Fahrtziel im Blog erwähnt wird. Normalerweise liefen alle Fahrten der DADG nach Australien über Südafrika. Deshalb hier eine kurze Erklärung, zumal das Dampfschiff „Fürth“ auf dieser Route nie eingesetzt wurde.

„Ein Geschäft besonderer Art war die Fruchtfahrt von Griechenland und Smyrna. Es handelte sich dabei hauptsächlich um Korinthen von Griechenland für die Plumpuddings zu Weihnachten in Australien.“ (Deutsch-Australische Dampfschiffs-Gesellschaft, Hamburg, Otto Harms, 1933, Schröder & Jeve)

Typische „Fruchthäfen“, die angelaufen wurden waren im östlichen Mittelmeer nach Harms: Patras und Katakolon (Griechenland), Smyrna (Izmir) und Bourla (Urla, beide Türkei). Die „Fruchtschiffe“ liefen vom östlichen Mittelmeer praktischerweise dann durch den Suez-Kanal in Richtung Australien:

HANAU LEAVES SUEZ.
Cable advices state that the G-.A. Company’s first fruit steamer for the season, the s.s. Hanau, left Suez on the 11st inst. for Australia, in continuation of her passage from Mediterranean ports.
Daily Commercial News and Shipping List, Sydney, Di 15. Okt 1912, S. 4

German Australian Line 1912

Anzeige der Deutsch-Australischen Dampfschiffs-Gesellschaft, Generalvertretung Sydney am 21. Nov. 1912 in der Zeitung Daily Commercial News and Shipping List, Sydney

Antwerpen, im Sommer 1914

Die „Hanau“ verließ Hamburg am 25. Juli 1914 zu einer nächsten Australienfahrt und befand sich Anfang August im Hafen von Antwerpen an dem festen Liegeplatz der Deutsch-Australischen Dampfschiffs-Gesellschaft (Hangar 18/19) am Quai St. Michel.

Am 4. August 1914 überfiel Deutsche Reich das neutrale Belgien.

„Am 6. August wurden Kapitän und Besatzung von Bord gewiesen und das Schiff ist beschlagnahmt. Nachdem Antwerpen von den Deutschen besetzt worden, haben wir auf Veranlassung der deutschen Regierung wieder Besitz genommen.“ (Quelle: Harms, 1933).

Im Jahr 1919, nach dem Waffenstillstand vom 11. November 1918, wurde die „Hanau“ an The British Shipping Controller nach Großbritannien abgegeben (R. Schmelzkopf, Deutsch-Australische Dampfschiffs-Gesellschaft, Hamburg 1888 – 1926, S. 30, Eigenverlag (Strandgut), Cuxhaven 1984).

Der Shipping Controller war 1916 von der britischen Regierung gegründet worden mit der Aufgabe, die Handelsmarine zu organisieren, um die Versorgung der Streitkräfte und der Bevölkerung während des Ersten Weltkriegs sicherzustellen. Nach dem Krieg verwaltete der Shipping Controller auch die an Großbritannien abgegebenen Schiffe.

Im Rahmen der Auflösung der Behörde im Jahr 1921 wurden alle Schiffe verkauft.

Die „Hanau“ ging für einen Kaufpreis von £35.500 an die Reederei Bolton & Co., die das Schiff in „Ribera“ umbenannte (Quelle: siehe unten)

Hanau Germany 1919

Hanau a. Main, Marktplatz, 1919, Quelle: zeno.org; http://www.zeno.org/nid/20000613886

Bolton Steam Shipping Co. Ltd., London

Die Reederei Bolton geht zurück auf das Jahr 1885 und wurde von Frederick Bolton zusammen mit Louis T. Bartholomew als Trampschiffreederei gegründet (alle Informationen zur Reederei nach theshipslist.com).

Trampschiffe sind im Gegensatz zu Linienschiffen ohne Fahrplan unterwegs. Oder wie es die Fa. ACS auf ihrer Internetseite ausdrückt: „Trampschiffe sind die Vagabunden der Meere, sie sind nicht in einem Linienplan eingebunden und eilen dorthin, wo die nächste Fracht zu bunkern ist.“
Zitat von: https://www.spedition-transporte.de/logistik-glossar/trampschiffe.html

Die Firma Bolton wurde im Kriegsjahr 1917 freiwillig liquidiert und im November 1921 erweckte Louis Hamilton die Reederei mit vier Schiffen zu neuem Leben. Eines der Schiffe war die „Hanau“, die er für besagte Kaufsumme vom Shipping Controller erwarb.

Eine Eigenheit der Reederei Bolton war es, alle Schiffsnamen mit „R“ beginnen zu lassen und so erhielt die „Hanau“ den Namen „Ribera“. Genauer gesagt war es bereits das dritte Schiff mit diesem Namen, zwei weitere sollten zu späteren Zeitpunkten folgen.

Falls Sie also die „Ribera“ recherchieren wollen, müssen Sie darauf achten, dass es sich um das Schiff handelt, dass von 1921 – 1931 im Eigentum der Reederei Bolton war, 1907 in Flensburg gebaut wurde und eine Tonnage von 4221 BRT hatte. Noch komplizierter wird die Angelegenheit dadurch, dass auch die DADG im Jahr 1921 ein zweites Schiff mit dem Namen „Hanau“ in Fahrt nahm, die „Hanau“ II.

Hanau Germany

Hanau, Altstädter Markt nach N/NNO, 1900 – 1930; Quelle: commons.wikimedia.org; https://commons.wikimedia.org/wiki

Das Trampschiff „Ribera“

Ab 1921 war also die „Ribera“ ex-Hanau, auf allen Weltmeeren unterwegs.

Dabei scheint es so, dass die Reederei Bolton von dem Vertrag der DADG mit der Standard Oil in den USA Kenntnis hatte, denn in den 20-er Jahren übernahm diese Reederei zumindest in einigen Fällen die Transporte von Petroleum in Kanistern von New York nach Australien.

Bringing case oil, the steamer Ribera sailed from New York on August 26 for Brisbane, Newcastle and Sydney.
Daily Commercial News and Shipping List, Sydney, Fr. 9 Sept. 1921, S. 4

Später ging die „Ribera“ ex-Hanau von British India (Karachi) über Australien mit einer Ladung Weizen nach Callao (Peru).

Passed Rottnest.

7.10 p.m. Ribera, s.s., 4,221 tons, Captain Hurford, from Karachi to Port Adelaide.
The West Australian, Perth, Di 17. Jan 1922

VESSELS INWARD AND OUTWARD BOUND TO AND FROM AUSTRALASIAN PORTS.

Ribera, s, 4221, Hurford, Adel Feb 1 to Callao, v Ncstle 10
Daily Commercial News and Shipping List (Sydney, NSW : 1891 – 1954)  jeu. 4 mai 1922  Page 7

 

Die „Ribera“, ex-Hanau – Anekdoten aus dem Leben eines Trampschiffes

Im Sommer 1926 erkannte ein Journalist im Hafen von Fremantle in Westaustralien in der „Ribera“ die ehemalige „Hanau“ wieder, interessierte sich für ihre Vergangenheit und sprach mit dem vierten Maschinisten (der einzige, den er finden konnte, der bereits länger an Bord der „Ribera“ war).

Danach setzte er den Artikel in seine Zeitung, The Daily News, die in Perth erschien und das bis in das Jahr 1990 hinein tat.

Der Titel seines Artikels

FORMER ‘BLACK GERMAN’
RIBERA’S EVENTFUL VOYAGE
THYPHOID-STRICKEN SHIP

“The Black Germans” war der Spitzname der DADG in Australien, die großen schwarzen Schiffe der Hamburger Reederei wurden in Australien oft so genannt.

Ich gebe den Artikel auszugsweise in eigener Übersetzung wieder (soweit er die „Ribera“ betrifft), das Original finden Sie auf der Seite der National Library of Australia (The Daily News, Perth, Mi 23. Juni 1926; trove.nla.gov.au).

„In den friedlichen Tagen vor dem Krieg, als das deutsche Eindringen in den weltweiten Transport schleichend erweitert wurde, war das schwarze deutsche Dampfschiff Hanau in Fremantle und anderen großen Häfen Australiens bekannt. Ich wage zu behaupten, dass jedoch wenige in dem britischen Dampfschiff „Ribera“, das vor einigen Tagen Öl in Kanistern am westlichen Ende des Victoria Quays in Fremantle entladen hat, das ehemalige deutsche Handelsschiff Hanau erkannt haben. Ein Türschild auf Deutsch über einer Offizierskabine und die Plakette der Werft, die aussagt, dass das Schiff von der Flensburger Schiffbau-Gesellschaft 1907 gebaut wurde (ebenfalls auf Deutsch), regten einen Zeitungsmann an, Nachforschungen über die Geschichte des Schiffs anzustellen.“

Einleitend heißt es in dem Artikel weiter:

„Diese ergaben, dass die Ribera (damals die Hanau) eines der Handelsschiffe war, die von den Deutschen unter den Vertragsbedingungen von Versailles an die Briten übergeben worden sind, und dass es von ihren jetzigen Eigentümern, der Bolton Steam Shipping Co. aus London gekauft wurde. Von ihrer frühen Geschichte unter dem neuen Eigentümer ist nur wenig bekannt, da die heutigen Offiziere und Besatzungsmitglieder erst seit wenigen Reisen an Bord sind, aber der vierte Maschinist (Herr W. Butchart aus South Shields), der fast seit drei Jahren an Bord ist, kann dafür bürgen, dass der Ribera in dieser Zeit

Aufregende Erlebnisse

widerfahren sind, die für Trampschiffe, die über die Sieben Meere fahren gang und gäbe sind.“

Die Heraushebung als Zwischenüberschrift ist dem Originalartikel in The Daily News nachgestellt.

Danach gibt der Maschinist einige Anekdoten zum Besten, die der Journalist in dem Artikel wiedergibt.

Brand in Barcelona

„Vor etwa zwei Jahren transportierte die Ribera eine volle Ladung Kopra und Tabak, zusammen etwa 6000 Tonnen von Manila in den Philippinischen Inseln nach Europa und wurde nach Barcelona (Spanien) beordert. Kaum dass sie sicher im Hafen lag, brach ein Feuer in der Ladung aus und fünf Tage lang bekämpften Feuerlöschfahrzeuge und Feuerlöschboote die Flammen. Die Ladung war praktisch zerstört, aber der einzige Schaden, der gemäß einer Untersuchung dem Schiffsrumpf zugefügt wurde, war eine leichte Wölbung der eisernen Decks und ihr wurde erlaubt, nach South Shields zu laufen, um dort zu docken.

fire on board, 1910

Brandschäden an einem Dampfschiff (SS „South Africa“), September 1910; Quelle: Searcy Collection, State Library of South Australia, Bildnr.: PRG 280/1/44/17

Als das erledigt und die Reparatur abgeschlossen war, sicherte sich die Ribera eine Fracht nach Santos (Brasilien) und lag dort einige Wochen, um auf einen nächsten Auftrag zu warten. Den gab es schließlich in Lorenzo Marques (Portugiesisch Ostafrika): Laden von Kohle für Singapur.

Der

Aberglaube der Seeleute

gegen eine Abfahrt am Freitag und die verbreitete Ansicht, dass die Zahl 13 Unglück bringt, scheinen einige Unterstützung zu erhalten, wenn man sich die Erfahrungen der Ribera in den nächsten sechs Wochen ansieht. Sie segelte am Freitag, den 13. März 1925 von Santos, kam in Lorenzo Marques am 8. April an und versegelte am Montag, den 13. April 1925 nach Singapur. Nach fünf Tagen auf See erkrankte der Funker und obwohl kein Arzt an Bord war, sprachen die Symptome eindeutig für typhusartiges Fieber und der 1. Offizier und der Steward übernahmen die Aufgabe, nach dem Patienten zu schauen. Am nächsten Tag bekam der Steward die Krankheit und am Tag darauf wurden der Koch und der Kochmaat heimgesucht. Die Krankheit verbreitete sich schnell und drei Heizer und zwei Matrosen kamen bald zur Krankenliste hinzu. Ein Sonnensegel wurde über die hintere Luke gespannt und diejenigen unter den Heizern und Matrosen, die nicht betroffen waren, wurden nach hinten gebracht. Der Schmierer war das nächste Opfer. Die Kranken ließen das

Schiff so unterbesetzt,

vor allem im Heizraum, dass die Maschinisten, wenn sie selbst keinen Dienst hatten, im Heizraum Extraschichten fahren mussten, assistiert von den Matrosen. Weil der Koch und der Kochmaat krank waren, wurde der Schiffsjunge verdonnert, in der Kombüse zu arbeiten und da der Funker darniederlag, konnte keine Nachricht über die Notlage des Schiffes versendet werden.

Am 26., acht Tage nach dem ersten Fall, starb der Koch und um nicht die Empfindlichkeiten der verbleibenden Patienten, die noch in der Lage waren zu registrieren, was vor sich ging, auf sich zu ziehen, entschied der Kapitän, das Schiff nicht für das Seebegräbnis zu stoppen, sondern verlangsamte lediglich die Fahrt und las selbst die Traueransprache. Drei Tage später starb auch der Kochmaat und es wurde ähnlich verfahren.

An diesem Tag infizierte sich auch der

Einzige Passagier

ein Major Hussey, mit dem Fieber und wurde der Krankenliste hinzugefügt und musste ebenfalls von den bereits überarbeiteten Krankenpflegern versorgt werden. Der Funker erholte sich ausreichend, um eine Nachricht abzusetzen. Diese bat um medizinische Unterstützung, aber unglücklicherweise fiel „medizinische“ weg und die Nachricht wurde als SOS-Signal von einem Schiff in Seenot interpretiert. Die Neuigkeit verbreitete große Angst in South Shields, wo ein Großteil der Mannschaft zuhause war und eine Zeitung, die am 1. Mai über die Ankunft des Schiffes in Colombo berichtete, sorgte für große Erleichterung. Der Kapitän hatte entschieden, diesen Hafen anzulaufen, da er keine erhoffte Hilfe von passierenden Schiffen erhalten hatte.

In Colombo wurden die Erkrankten ins Krankenhaus gebracht und Singalesen und Malayen als Ersatz an Bord geholt. Diese erwiesen sich komplett nutzlos und so mussten die Maschinisten erneut im Heizraum Dienst schieben, bis Singapur erreicht war. Die Malaien wurden ausbezahlt und Chinesen angeheuert und das ergibt die

Nächste Geschichte

Von Singapur lief die Ribera nach Manila und dann nach Newport News in den USA. Dort lieferten sich die Chinesen unter sich eine Schlägerei und wurden für eine Woche ins Gefängnis gesteckt, bis das Schiff bereit zum Ablegen war. New Orleans war der nächste Hafen und dort desertieren die Chinesen alle miteinander. Als die Ribera ihren Heimathafen, South Shields erreichte, kam der Schmierer, der in Colombo im Krankenhaus zurückgelassen wurde, an Bord und fragte, ob er seinen Job zurückhaben könne. Er bekam ihn und hat ihn noch immer.

Übersetzung aus: The Daily News, Perth, Mi 23. Juni 1926

Seemannsgarn oder Realität?

Bevor Sie jetzt sagen, dass der vierte Maschinist, Mister W. Butchart, dem Journalisten wahrscheinlich nur Seemannsgarn erzählt hat, präsentiere ich Ihnen zu den beiden ersten Geschichten hier die Quellen aus der Tagespresse:

Zunächst das Feuer in Barcelona:

INCENDIO EN EL VAPOR “RIBERA”
Cargamento de tabaco, destruido
Barcelona 30. – A primera hora de la noche se declaró un formidable incendio en el vapor “Ribera”, que acababa de fondear procedente de Filipinas, con cargamento de tabaco para diersas fábricas de España. El fuego se propagó rapidamente a la carga, perdiéndose totalmente la que habia almacenado e, la bodega numero 1.
Aunque los bomberos trabajan, realizando esfuerzos heroicos, continúa el incendio.
El sargento de bomberos José Bosch fue retirado con sintomas de asfixia.
El Imparcial, Madrid, 31. Aug 1924, S. 2 (hemerotecadigital.bne.es); ähnliche Meldung in: El Siglo futuro, Diario Católico, Madrid vom 1. Sept. 1924, S. 2

Die ansteckende Krankheit an Bord:

Stricken Steamer
The steamer Ribera (ex Hanau), bound from Delagoa Bay to Singapore, called unexpectedly at Colombo on Saturday with eight members of its crew of 31 down with malignant malaria while two others had died. — „Sun“ Special.
The Sun, Sydney, 4. Mai 1925, S. 9, CABLE BREVITIES

Ein Opfer der Weltwirtschaftskrise

Wie viele andere Schiffe, fiel auch die „Ribera“ ex-Hanau der Weltwirtschaftskrise, die ab 1929 die Welt erschütterte, zum Opfer. Dem Dampfschiff „Fürth“ sollte es nicht anders ergehen, was ich hier im Blog noch ausführlich darlegen werde.

Interessant ist, dass wir bei der „Hanau“ den Preis kennen, den die italienischen Schrotthändler bereit waren, für das aufgelegte Schiff noch zu bezahlen: £ 2.800.

Außerdem bemerkenswert finde ich es, dass ich in den australischen Medien fündig geworden bin, was das Schicksal eines deutschen Linienschiffes angeht.

Während sich in Deutschland für das Schicksal der Schiffe der Deutsch-Australischen Dampfschiffs-Gesellschaft offenbar niemand mehr interessierte, verfolgten zumindest einige Menschen am anderen Ende der Welt sehr aufmerksam ihre Geschichte bis zum Ende.

NEWS OF VESSELS
The steamer Ribera, of 4,221 tons, which was built and engined by the Flensburger Shipyard Company in 1907, and which was owned by the Bolton Steam Shipping Company, has been sold to Italian Shipbreakers for £2,800. As the Hanau, this vessel was well known in the Australian trade before the war and during the sale of ex-enemy vessels after the Armistice she realised about £35.500. When she was purchased for scrapping she had been idle since early in 1930.

The West Australian, Perth, Mi 18. Mai 1932, S. 11, SHIPPING.

Ribera, ex-Hanau, Lloyd's Register 1931

Lloyd’s Register, Ausgabe 1931-32; Quelle: Southampton City Library, https://plimsoll.southampton.gov.uk/shipdata/pdfs/31/31b1016.pdf

Weitere Schwesterschiffe der „Fürth“

Schwesterschiffe der „Fürth“: Die „Reichenbach“

Schwesterschiffe der „Fürth“: die „Plauen“ und Das Schwesterschiff „Plauen“ – ein Nachtrag

Schwesterschiffe der „Fürth“: Die „Neumünster“

Schwesterschiffe der „Fürth“: der Frachtdampfer „Osnabrück“

Die „Hagen“: Schwesterschiff der „Fürth“ (Kurzbeitrag); ein ausführlicher Beitrag zum Schiff „Hagen“ folgt.

Schlussbemerkung:

Von dem Schiff „Hanau“ (1907) habe ich keine Abbildung gefunden. Mir bekannte Fotografien zeigen alle die „Hanau“ II (1921). Beide Schiffe sind recht ähnlich, ein deutlicher Unterschied ist das Brückenhaus, dass bei der „Hanau“ II (1921) ein Deck mehr hatte, schließlich musste der Funker jetzt hier arbeiten und wohnen.

Von dem Schiff „Ribera“ ex-Hanau existieren zwei Fotografien in der State Library of New South Wales in Sydney. Beide Aufnahmen erschienen mit jedoch nicht so interessant, als dass ich an die Bibliothek eine Anfrage zur Veröffentlichung gerichtet hätte, die diese vor einer Publikation verlangt.

Bei Interesse finden Sie die Bilder hier: https://www.sl.nsw.gov.au/

 

Die "Reichenbach" in Burnie, Tasmanien

Schwesterschiffe der „Fürth“: Die „Reichenbach“

Das Titelfoto

Die „Reichenbach“ in Tasmanien

Das Titelfoto zeigt das Dampfschiff „Reichenbach“ in Burnie (Nordküste Tasmaniens) im Jahr 1913. Mein herzlicher Dank geht an das Maritime Museum of Tasmania, dem Inhaber der Bildrechte, mit dessen freundlicher Genehmigung ich das Bild hier Blog zeigen kann. Das Bild ist Teil der Cyril Smith Collection vol. 11., die handschriftliche Bildunterschrift lautet:

S.S. REICHENBACH AT BURNIE – TAS – APRIL 1913
SS. REICHENBACH – OWNER GERMAN AUSTRALIAN LINE
4271 GR. TONS.
BROUGHT CEMENT TO BURNIE FOR BREAKWATER. APRIL 1913

Referenz: © Reichenbach; Smith, Cyril; P_2015-0587(11)Reichenbach, Quelle: https://ehive.com/collections/3906/objects/842355/reichenbach

Anmerkung: die richtige Tonnage der „Reichenbach“ ist 4217 Bruttoregistertonnen, nicht 4271.

Die Reichenbach in Burnie

© Maritime Museum of Tasmania, Cyril Smith Collection vol. 11., https://ehive.com/collections/3906/objects/842355/reichenbach

Das Maritime Museum of Tasmania besitzt noch andere schöne Objekte der Deutsch-Australischen Dampfschiffs-Gesellschaft. Grund dafür ist, dass der Dampfer „Oberhausen“ bei Kriegsausbruch im August 1914 in einem tasmanischen Hafen lag und dort beschlagnahmt wurde. Die Besatzung wurde interniert (SIEHE: https://geschimagazin.wordpress.com/2014/03/23/der-fall-des-dampfschiffes-oberhausen/ ).

Zu den Kuriositäten des Museums gehören unter anderem Eierbecher, Weingläser und Bierfilze aus der Offiziersmesse der SS Oberhausen, jeweils mit Werbeaufdruck der Deutsch-Australischen Dampfschiffs-Gesellschaft (Quelle: https://ehive.com/objects?query=Oberhausen)

Schwesterschiffe in Kleinserie

Die Deutsch-Australische Dampfschiffs-Gesellschaft ließ zwischen 1905 und 1907 bei der Flensburger Schiffsbau-Gesellschaft sieben baugleiche Schiffe der sogenannten „Hagen-Klasse“ bauen. Eine Kleinserienfertigung, die sich für die Reederei in günstigen Anschaffungskosten niederschlug.

Bereits zwischen 1896 und 1901 wurden auf der gleichen Werft neun Dampfer der „Meißen-Klasse“ erstellt und später dann, in den Jahren 1910 bis 1914, sechs Dampfschiffe der „Adelaide-Klasse“.

Die „Reichenbach“

Die „Reichenbach“ wurde im Oktober 1905 von der Reederei bestellt und am 15. Dezember 1906 ausgeliefert. Die Abmessungen waren mit denen der „Fürth“ identisch: Länge 389 Fuß, Breite 50 Fuß 10 Zoll, Seitentiefe 27 Fuß 9 Zoll. Die Baukosten lagen mit 1 218 000 Mark etwas unter denen der „Fürth“ (1 272 000 Mark).

Kleine Unterschiede traten dann bei der Schiffsvermessung zu Tage, kein Schiff war zu 100 % identisch mit einem anderen. So hatte die „Reichenbach“ 4217 Bruttoregistertonnen gegenüber 4229 der „Fürth“.

Namensgebung

Bei der „Reichenbach“ stellt sich die Frage, welche der zahlreichen Städte und Orte dieses Namens Pate für das Schiff stand.

Mein persönlicher Favorit ist Reichenbach im Vogtland. Einen Beleg dafür habe ich nicht, aber einige Anhaltspunkte, die dafürsprechen. Eine Nachfrage beim dortigen Stadtarchiv brachte leider keine Aufklärung.

In der kleinen Stadt Reichenbach im Vogtland (1910 mit über 29.000 Einwohnern) waren um die Jahrhundertwende, also um 1900, zahlreiche Spinnereien und Webereien ansässig, wie zum Beispiel die Woll- und Seidenweberei Schultz & Donner oder die Färbereien und Appreturanstalten Georg Schleber AG (siehe Abbildung). Die Schleber AG hatte bereits 1888 auf der Weltausstellung in Melbourne ihre Waren ausgestellt.

Ein anderes Standbein der Industrie in Reichenbach i. V. war die Papierherstellung. Bekannt ist sicher auch der Ingenieur August Horch, der von 1902 bis 1904 in Reichenbach Autos fertigte, bevor er dann die Herstellung nach Zwickau verlagerte.

Georg Schleber AG Reichenbach

Georg Schleber AG, Werk Reichenbach 1890, Quelle: Von Th. Beer / E. M. Engels Verlag, Leipzig / Verlag Eckart & Pflug, Leipzig – Eckart und Pflug (Hrsg.): Die Groß-Industrie des Königreichs Sachsen in Wort und Bild; https://commons.wikimedia.org/w/index.php?curid=1457230

Zwei weitere Reichenbachs, die für die Namensgebung des Schiffes in Frage kämen, wären Reichenbach im Eulengebirge (1910 über 16.000 Einwohner) oder Reichenbach an der Fils (1900 rund 1500 Einwohner), beides Standorte von Baumwollspinnereien und -webereien.

Oder vielleicht ein ganz anderes Reichenbach, an das ich noch gar nicht gedacht habe?

Aufforderung an alle Reichenbacher

Nun die Aufforderung an alle Reichenbacher, Licht ins Dunkel zu bringen und einen Beleg zu beschaffen, welches Reichenbach denn nun Pate stand. Ich freue mich schon jetzt auf Ihre Hinweise!

Im Australienverkehr

Zurück zum Schiff: Wie die „Fürth“ war auch die Reichenbach im Australienverkehr der Deutsch-Australischen Dampfschiffs-Gesellschaft eingesetzt und bediente verschiedene Routen. Auf dem Titelbild ist eine Zementlieferung nach Tasmanien im April 1913 dokumentiert.

Die "Reichenbach" am Australiakai

Die „Reichenbach“ am Australiakai in Hamburg, das Bild ist ein Ausschnitt aus dem bereits gezeigten Bild „Australia-Dampfer am Kai“, eine Aufnahme vom 25. Juli 1913, Schornstein nachträglich koloriert; © Deutsch-Australische Dampfschiffs-Gesellschaft, Hamburg, Otto Harms, 1933 (Verlag Schröder & Jeve)

Juli 1914

Vor dem Ausbruch des Ersten Weltkrieges war die „Reichenbach“ auf der Linie New York -Java unterwegs (siehe dazu auch: Petroleum für Java). Anschließend wurde sie dann in Südostasien nach Saigon beordert. Dort erhielt die „Reichenbach“ eine Ladung Reismehl für Liverpool, wo sie am 23. Juli 1914 eintraf.

In Liverpool wurde das Löschen der Ladung und das Bunkern von Kohle wegen des drohenden Kriegsausbruchs beschleunigt, so dass die „Reichenbach“ Liverpool am 1. August 1914 wieder verlassen konnte und nördlichen Kurs nahm, um Großbritannien in Richtung Skandinavien zu umfahren.

Zielhafen war Gothenburg (Schweden), wo die „Reichenbach“ Ladung aufnehmen sollte, vermutlich eine Holzlieferung für Australien (SIEHE: Die Barwon-Papiermühle in Fyansford, Geelong). Auf dem Weg dorthin, lief das Schiff am 4. August 1914 Christiansand in Süd-Norwegen an, wo es später interniert wurde.

Am 4. Februar 1915 wurde die „Reichenbach“ in Norwegen verkauft und war für The Bergen Steamship Company / Det Bergenske Dampskibsselskab unter dem neuen Namen „Meteor“ in Fahrt.

Dampfschiff Meteor, exReichenbach

Diese Aufnahme der „Meteor“, ex-„Reichenbach“ von Steuerbord voraus zeigt deutlich die Trennung von Steuer- und Maschinenhaus mit den dazwischenliegenden (kleinen) Ladekränen. © H.Larsson-Feddes samling; http://www.sjohistorie.no/no/skip/19297/

Die letzte Reise

Ende 1916 befand sich die „Meteor“, ex-„Reichenbach“ mit Stückgut auf dem Weg von Philadelphia nach London. Sie hatte Philadelphia am 23. November 1916 verlassen und hatte zunächst eine ruhige, ereignislose Fahrt über den Atlantik.

Am 7. Dezember 1916 wurde das Schiff fünfundzwanzig Seemeilen südwestlich des Bishop’s Rock (Scilly Inseln, Cornwall) von dem deutschen U-Boot UB 29 unter dem Kommando von Erich Platsch aufgegriffen und versenkt. Die Mannschaft konnte das Schiff zuvor in die Rettungsboote verlassen. Später wurden die Männer vom dänischen Schiff „Borneo“ aufgegriffen und nach Falmouth gebracht.

Siehe: www.sjohistorie.no/no/skip/19297/dokumenter

Die „Meteor“ war das letzte Schiff von insgesamt 36, die UB 29 zum Opfer fielen. Am 13. Dezember 1916 wurde UB29 vor Ostende von dem Zerstörer „HMS Landrail“ versenkt.

Im Herbst 2017 erregte UB29 erneut Aufmerksamkeit, da das Wrack erst zu diesem späten Zeitpunkt von Tauchern eindeutig identifiziert werden konnte. Der Fundort wird von der belgischen Regierung geheim gehalten, um die Totenruhe der noch im Schiff befindlichen 23 Soldaten nicht zu stören.

Siehe: https://uboat.net/wwi/boats/?boat=UB+29 und www.youtube.com/watch?v=iEBhNQ_57_0

Quellen zum Text:
Theshipslist.com
sjohistorie.no
The Wrecksite.eu (https://www.wrecksite.eu/wreck.aspx?58869)
R. Schmelzkopf, Deutsch-Australische Dampfschiffs-Gesellschaft, Hamburg, 1888 – 1926, Cuxhaven 1984
Otto Harms, Deutsch-Australische Dampfschiffs-Gesellschaft, Hamburg 1933.

Einen weiteren Beitrag über das Schwesterschiff „Reichenbach“ finden Sie hier:
Die Offiziere der „Reichenbach“ und Kapitän Peters‘ tragisches Ende

Calulu at Urangan, 1929

Schwesterschiffe der „Fürth“: der Frachtdampfer „Osnabrück“

Inklusive der späteren Karriere als „Calulu“ und „Sung Peng“

Bildnachweis Titel: Die „Calulu“, ex-Osnabrück beim Laden von Kohle in Urangan; schöne detailreiche Aufnahme von schräg achtern auf das Maschinenhaus bzw. Bootsdeck, wahrscheinlich vom 13. April 1929; Quelle: State Library of Queensland, Ref.: oai:bishop.slq.qld.gov.au:167443; mehr Informationen zum Bild im Text

Kleinserienfertigung

Das Dampfschiff „Osnabrück“ ist ein weiteres Schwesterschiff der „Fürth“.

Der Bau der „Osnabrück“ erfolgte parallel zu dem des Dampfschiffes „Fürth“, nur mit etwa vier Wochen Verzögerung.

Die Bestellung bei der Flensburger Schiffbau-Gesellschaft erfolgte am 5. Dezember 1906, die Kiellegung am 14. März 1907 und nach nur 188 Tagen Bauzeit wurde das Schiff am 21. September 1907 an den Auftraggeber, die Deutsch-Australische Dampfschiffs-Gesellschaft (DADG) übergeben. Der Stapellauf war genau einen Monat vorher, am 21. August 1907, erfolgt.

Die Baukosten betrugen 1,270 Millionen Mark, die Einstandskosten 1,301 Millionen. Die „Osnabrück“ hatte 4240 Brutto-Registertonnen und eine Tragfähigkeit von genau 7000 Tonnen. (alle Angaben: Otto Harms, Deutsch-Australische Dampfschiffs-Gesellschaft, Hamburg, Schröder & Jeve, Hamburg 1933)

Alle weiteren technischen Daten zum Schiff finden Sie hier: Bau, Stapellauf und Probefahrt der „Fürth“

Advertisement German Australian Steam Ship Co., Hansa, August 1908

Anzeige der Deutsch-Australischen Dampfschiffs-Gesellschaft in der Zeitschrift HANSA vom August 1908, S. 774.

In Fahrt für die DADG

Die Fahrten der „Osnabrück“ in den Jahren 1907-1914 sind mit denen der „Fürth“ sehr vergleichbar. Deshalb liegt der Schwerpunkt dieses Artikels in der Zeit danach. Die Kaiserliche Handelsmarine verlor fast alle ihre Schiffe bei Ausbruch des Ersten Weltkrieges (Die deutsche Handelsmarine beim Ausbruch des Ersten Weltkrieges). Die an andere Staaten abgegebenen Frachtdampfer der DADG hatten anschließend sehr unterschiedliche „Lebensläufe“.

Für die „Osnabrück” ist charakteristisch, dass sie während ihrer gesamten Lebensdauer in Australienfahrt blieb. Auch wenn sie mehrfach die Flagge und den Eigentümer wechselte, wurden stets australische Häfen angelaufen. Das Dampfschiff „Fürth“ hingegen war nach Juli 1914 nie mehr dort.

Die Jungfernfahrt

Die Australier freuten sich über neue Schiffe der DADG, da sie ein kontinuierliches Wachstum der Handelsbeziehungen widerspiegelten. Die Reporter der Tageszeitungen waren stets voll des Lobes über die guten Ausstattungen der Dampfer:

THE G.A.S.S. OSNABRUCK

The latest addition to the fleet of the G.A.S.S. Co. of Hamburg, the Osnabruck, reached Fremantle yesterday morning, at 1.50, from Hamburg via Rotterdam, Antwerp. Mossel Bay, and East London. The steamer which is the thirty-second owned by this Company is one of the finest cargo steamers ever placed in the Australian service. She is 404ft long, 50ft. 10in. beam and 27ft. 9in. depth, while her gross tonnage is 4,240 tons, and her dead-weight capacity 7,000 tons. In her water ballast tanks she carries 1.040 tons, and 600 tons of coal in her bunkers. The engines, triple expansion, are 2,200 horse power. Steam is procured in three double-ended boilers, with forced draught, and when fully loaded a speed of 12 knots is obtainable. She has five hatches, each worked by two winches, besides large store spaces for cargo, et., fore and aft are provided. She is fitted with the electric light throughout.

The Osnabruck is in charge of Captain L. Maier. late of the Company’s Duisburg, who reported a fine passage, the best day’s run being 350 miles, and the average speed across the Indian Ocean was 12 knots. The Osnabruck will discharge 900 tons of general cargo, and sail probably for the Eastern States to-morrow night. The accommodation for the officers is amidships, and very extensive.

The West Australian, Perth, Sa 16. Nov 1907, S. 10, SHIPPING.

Anmerkungen:

G.A.S.S. Co = German Australian Steam Ship Company

Ein Etmal (24-Stunden-Distanz) von 350 Meilen entspricht einer Durchschnittsgeschwindigkeit von 14,6 Knoten. Der Wind hat also ordentlich „geschoben”. Ein so hoher Wert war wirklich außergewöhnlich.

Ein Feuer an Bord und eine Kollision

Aus der Zeit des Frachtschiffes „Osnabrück“ für die DADG kann ich über zwei Ereignisse berichten, die beide aber keinen recht großen Schaden anrichteten.

1909 brach im Roten Meer ein Feuer in einem (Lager-)Raum aus und 1913 kollidierte das Schiff mit einem anderen Dampfer beim Verlassen des Hamburger Hafens:

OSNABRUCK’S CARGO FIRED
The Sydney Marine Underwriters‘ and Salvage Association are in receipt of a cable confirming the report that the steamer Osnabruck is at Suez, and that her cargo has been on fire.
The Star, Sydney, Mi 30. Juni 1909, S. 5

THE OSNABRUCK
It will be recalled that soon after leaving Hamburg on May 17 for Australian ports the well-known German Australian liner Osnabruck had the misfortune to come into collision with a vessel and received some damage. The message announcing the mishap stated that the injury done was above the water-line, so she continued her passage. In due course the Osnabruck reached Antwerp to load addition cargo, and of course repair, and that the work was done expeditiously is evident from the fact that a cable received yesterday stated that she left the Belgian port on the 24th May.
Daily Commercial and Shipping List, Sydney, Di 3. Juni 1913, S. 18

Anmerkung: Das bei der Kollision beteiligte Schiff war der deutsche Dampfer Doris (Zielhafen Danzig). Beide Schiffe wurden oberhalb der Wasserlinie beschädigt und konnten die Fahrt fortsetzen.
Quelle: Scheepvart, 21. Mai 1913, http://www.delpher.nl

SS Osnabruck 1907

Dampfschiff “Osnabrück”, © Reinhart Schmelzkopf, Deutsch-Australische Dampfschiffs-Gesellschaft Hamburg 1888-1926, Strandgut-Publikation, Cuxhaven 1984.

Endstation Sydney

Anfang August 1914 war die „Osnabrück“ im Hafen von Sydney und konnte nicht mehr ausklarieren, da die Zollbehörden am 4. August (einen Tag vor der Kriegserklärung nach australischer Zeit) Anweisungen erhalten hatten, deutsche Schiffe nicht mehr abzufertigen.

„Instructions have been given to the Customs Department that no further clearances are to be given to German vessels.”
The Mercury, Hobart, 5. Aug 1914, S. 5, AUSTRALIA AT WAR.

Neben der “Osnabrück” lagen zu diesem Zeitpunkt noch zwei weitere Schiffe der Deutsch-Australischen Dampfschiffs-Gesellschaft in Sydney: die „Sumatra“ und die „Melbourne“.

Durch eine Verfügung des Prisengerichtes vom 8. Oktober 1914 wurde die Beschlagnahmung und Requisition des Schiffes rechtsgültig. Im November wurde die Entladung vorgenommen, wobei die Beauftragung der Stevedoring and Shipping Co., einer australischen Tochtergesellschaft der Deutsch-Australischen Dampfschiffs-Gesellschaft, durch die australischen Behörden für Empörung sorgte, weil deren Eigentümer alle Deutsche, also „Enemy Aliens“ waren.

Über die Stevedoring and Shipping Co. siehe: Logbuch (13) der „Fürth”: In Sydney

Zu Entscheidungen der Prisengerichte siehe: Das Dampfschiff „Fürth“ wird kondemniert

„C9“

Die „Osnabrück“ war anschließend für die australische Regierung in Fahrt und erhielt den provisorischen Namen „C9“. Unter diesem Kürzel transportierte das Schiff eine große Holzlieferung von Tasmanien nach London:

C9, s.s. (late Osnabruck), 4,240 tons, C.J. Plunkett, for London, via Sydney. Agents M. Jones and Co.

EXPORTS – Februuary 4.

C9, s.s., for London – 300,000ft. timber

The Mercury, Hobart, Fr 5. Feb. 1915, S. 4

Anmerkung: Das ebenfalls in Australien festgesetzte Schiff „Neumünster“ hatte die vorläufige Bezeichnung „C3“ erhalten.

C9, ex-Osnabruck

Die „C9”, später „Calulu”, Aufnahme von 1915, © State Library of Western Australia, Referenz: slwa_b3148312_1, http://purl.slwa.wa.gov.au/slwa_b3148312_1

Die „Calulu”

Im Verlauf des Jahres 1915 erhielt die „Osnabrück“ dann ihren neuen Namen: „Calulu“.

Der Ort Calulu ist eine kleine Gemeinde in Victoria und liegt rund 200 Kilometer östlich von Melbourne.

Typische Frachten waren kriegswichtige Massengüter, wie Kohle (von Australien) und Zucker (nach Australien).

LATEST CHARTERS.
Calulu, s, 4242 tons, Newcastle to Java – coal.
Daily Commercial News and Shipping List, Sydney, Di 21. Sep 1915, S. 4

SUGAR FROM JAVA.
The steamers Carawa, Carina, and Calulu, expected to arrive at Melbourne with cargoes of sugar from Java, will be to the agency of Messrs. W. Crosby and Company.
Daily Commercial News and Shipping List, Sydney, Do 9. Dez 1915, S. 4

Commonwealth Government Line of Steamers

1916 wurde auf Initiative des australischen Premierministers Billy Hughes die Commonwealth Government Line of Steamers gegründet, eine staatseigene Reederei, die unter anderem auch das Management der beschlagnahmten deutschen Schiffe übernahm. Sein Nachfolger Stanley Bruce, ab 1923 im Amt, löste die Staatsgesellschaft wieder auf und verkaufte die Flotte nach und nach an andere Schifffahrtsunternehmen. Weitere Informationen zur Commonwealth Government Line of Steamers: http://www.theshipslist.com/ships/lines/index.htm

Anmerkung: Die „Cooee“, ex-Neumünster (und weitere ehemalige Schiffe der DADG) waren ebenfalls für diese Gesellschaft in Fahrt.

Der Verkauf der „Calulu“ im Jahr 1925

Der Verkauf der „Calulu“, ex-Osnabrück erfolgte im Jahr 1925 an die neugegründete Austral-China Navigation Co. in Sydney, registriert war das Schiff in Hong Kong.

The Austral-China Navigation Co., has been registered in New South Wales with a nominal capital of £50,000 in £1 shares. The company has acquired the steamship Calulu and takes all the interests of Mr. B. B. Wiltshire in the contract of purchase from the Australian Commonwealth Shipping Line, and all his assets and liabilities in connection therewith, and will carry on business as steamship proprietors. First directors: B. B. Wiltshire and Albert Sims. Registered office: Wiltshire Buildings Phillip Street, Sydney.
The Daily Telegraph, Sydney, 10. Sep 1925, S. 8

Das Schiff wurde auf Fahrten zwischen Australien und Hong Kong über Neuguinea und den Philippinen eingesetzt:

The Howard Smith steamer Chronos (4864 tons) has been purchased by the Austral-China Navigation. Company, and in association with the Calulu, is to provide a service of sailings every six weeks between Australian ports and Hongkong, via Rabaul and Manila.
The Maitland Weekly Mercury, Sa 12. Jan 1929, S. 7

Anmerkung: Die Stadt Rabaul liegt auf der Insel Neubritannien (ehemals Neupommern). Von 1909-1914 war Rabaul Sitz des Gouverneurs von Deutsch-Neuguinea.

Calulu at Urangan, 1929

Die „Calulu“ beim Laden von Kohle in Urangan. schöne detailreiche Aufnahme von schräg achtern auf das Maschinenhaus bzw. Bootsdeck, wahrscheinlich vom 13. April 1929; Quelle: State Library of Queensland, Ref.: oai:bishop.slq.qld.gov.au:167443

Zu dem Bild der „Calulu“ in Urangan (siehe auch Titelbild des Beitrags):

Urangan liegt an der Ostküste Australiens ca. 250 Kilometer nördlich von Brisbane (Queensland). Das Anlegen des Schiffes war für Urangan und die angrenzende Region (Burrum District) ein Großereignis. Politik und Wirtschaft erhofften sich durch den Export von Kohle neue Impulse. Entsprechend ausführlich ist auch der Zeitungsartikel (hier lediglich kurze Ausschnitte):

„The Calulu was, in fact, the first vessel to call at the Urangan pier for the purpose of loading coals for about twelve years…”
Maryborough Chronicle, Wide Bay and Burnett Advertiser, Mo 15. April 1929, THE PORT TAKES LIFE.

Mehr Informationen aus dem langen Artikel: Kapitän der „Calulu“ war zu diesem Zeitpunkt Captain Bundred, die Offiziere englisch und die Crew chinesisch. Der erste Maschinist hieß R. Drummond McPherson.

Verladen wurden rund 11 Loren Kohle pro Stunde, insgesamt 130 Loren, wobei es beim Entladen der Loren Probleme mit dem Öffnungsmechanismus gab: „that the release pins on the hoppers occasioned considerable delay“.

Gleichzeitig wurden 16.000 Gallonen Wasser aufgenommen, auch hier lief nicht alles perfekt. Die Crew war am Samstag damit beschäftigt, Beleuchtung für die Arbeit in der Nacht zu installieren, da das Beladen am Sonntag früh um 10 Uhr abgeschlossen sein sollte.

„…the crew also had important work to perform in running wires from the engine room on to the pier to provide electric light for night working.”

Im Jahr 1930 brach ein Feuer an Bord der „Calulu“ aus:

FIRE ON CALULU
The Sydney Marine Underwriters‘ Association received advice yesterday from London that a fire had occurred on the, steamer Calulu at Hongkong. The fire was extinguished, No. 5 hold being flooded.
The Daily Telegraph, Sydney, 11. Jan 1930, S. 3

 

Auflegung in Sydney

Die Unterbrechung der australischen Kohleförderung im Jahr 1929 („Coal Deadlock“) führte zur Auflegung der „Calulu“, ex-Osnabrück im Hafen von Sydney für 18 Monate. Am Ende dieser Zeit wurde sie laut australischen Medien an eine chinesische Reederei abgegeben.

STEAMERS LAID IDLE.

On account of the coal deadlock, the Austral-China Navigation Co., Ltd., has decided to lay up the steamers Calulu and Caburita, which have been carrying coal to the East via Rabaul.
The Sun, Sydney, 20. März 1930, S. 13

CALULU SOLD TO EAST
The steamer Calulu, which has been idle in the harbor since March of last year, has been sold to Chinese buyers.
Formerly the German steamer Osnabruck, she made her last voyages under the British flag for the Austral-China navigation Co. It is probable that she will load a cargo of wheat for Shanghai, and that a Chinese crew will be sent down to man her.
The Daily Telegraph, Sydney, 29. Juli 1931

An diesem Punkt wird die Geschichte der „Calulu“ etwas unübersichtlich: In Lloyd’s Register 1931-32 ist zwar ein neuer chinesischer Eigner eingetragen (Feng Fan Wing S.S. Co), aber wieder durchgestrichen worden und ersetzt durch die Anglo-Danish Shipping Co. (M. L. Justesen, Mgr.) in Kopenhagen.

Calulu, Lloyd's Register 1931-32

„Calulu“, Llyod’s Register, Ausgabe 1931-32; Quelle: https://plimsoll.southampton.gov.uk/shipdata/pdfs/31/31b0203.pdf

Über Lloyd’s Register siehe den Artikel: Die „Fürth“ in Lloyd’s Register

Das beide Angaben nicht unbedingt im Widerspruch stehen, belegt der folgende Artikel nach dem Tod des Reeders Justesen im Dezember 1936. Justesen war zwar Däne, aber er lebte in Schanghai, wo auch sein Unternehmen ansässig war:

SHIPOWNER DIES
Veteran Dane of Shanghai Has Heart Stroke
Mr. M.L. Justesen, long a popular figure on the Shanghai waterfront, succumbed to a heart stroke in Shanghai recently.
As owner of the Anglo-Danish Shipping Company, he was known among shippers and trading executives up and down the China Coast. His office on The French Bund was a favorite gathering place for veteran captains and seamen.

Mr Justesen was a Dane and a native of Jutland. With the exception of a holiday spent in his native country now and then, he spent most of his time in the East which he considered his second home.

Malaya Tribune, 30. Dez 1936, Quelle: https://eresources.nlb.gov.sg/newspapers/Digitised/Article/maltribune19361230-1.2.6

Dass die „Calulu“ in Dänemark registriert war, belegt auch Danmarks Skibsliste aus dem Jahr 1933 (https://mfs.dk/wp-content/uploads/2016/05/1933.pdf). In Fahrt war sie aber zwischen China und Australien.

Calulu ex-Osnabruck, about 1915

„Calulu“, Fotograf Allan C. Green (1878-1954), State Library Victoria, ID H91.325/817

Chinesische oder dänische Flagge?

Nach einer so langen Liegezeit im Hafen musste das Schiff zunächst im Dock generalüberholt werden:

CALULU ENTERS DOCK.
The freighter Calulu, which after a long period of idleness in Port Jackson, was recently sold to the East, will enter Mort’s Dock for overhaul. She will leave shortly for her new port of registration.
The Sydney Morning Herald, 9. Sep 1931, S. 15

Danach wurde die „Calulu“ für Weizen und Kohlelieferungen nach Ostasien eingesetzt.

Im Bericht vom Oktober 1931 hat die „Calulu“ noch eine chinesiche Flagge, ein Jahr später dann die dänische.

S.S. Calulu
AN EX-GERMAN SHIP
An ex-German ship which became the property of the Commonwealth Government and was later sold to a Sydney firm, the s.s. Calulu (4399), which is loading wheat in port, is now sailing the Chinese flag. She had been lying idle in Sydney for 18 months until a few weeks ago when she was bought by a Chinese firm and manned by a crew sent from China, after which she came to Bunbury, after coaling at Port Kembla, for a cargo at wheat. The Calulu was formerly known as the Ossenabruck, and was a prisoner of war.
Captain N. Pennson told our representative yesterday that the Australian exchange rate was the reason why so much wheat for the East had been bought in Australia this season. There was a permanent market for wheat in China, he said, but prior to this season most of the requirements had been bought in the United States. Just at present, however, wheat could be obtained cheaper here than elsewhere.
South Western Tribune, Bunbury, 14. Okt 1931, S. 3

Anmerkung: Bunbury liegt an der australischen Westküste knapp 200 Kilometer südlich von Perth, Port Kembla ist bei Wollongong in New South Wales.

CALULU RETURNING TO AUSTRALIA.
The well-known steamer Calulu, which was sold to Eastern buyers last year and is now under the Danish flag, and has been trading in the Far Eastern ports, has recently been fixed to load a cargo of wheat at Melbourne or Geelong for Shanghai, late December or early January loading. She will be to the agency of the Victorian Wheat Pool.
Daily Commercial News and Shipping List, Sydney, 29. Nov. 1932, S. 4

Calulu, exOsnabruck, about 1920

„Calulu“, Fotograf Allan C. Green (1878-1954), State Library Victoria, ID H91.325/816

Erneuter Verkauf und Umbenennung in „Sung Peng“

In der Ausgabe 1933-34 von Lloyd’s Register ist noch die Anglo-Danish Shipping Co. als Reeder der „Calulu“ verzeichnet, aber bereits mit dem Zusatz Now „Sung Peng“, see No.41545 in Supplement. Dort erscheint dann die Ming Sing S.S. Co. in China als neuer Eigentümer.

Unter diesem neuen Namen erscheint die ex-Osnabrück dann 1934 wieder in den australischen Medien.

Gleich zweimal geriet das Schiff in schwere Stürme vor der australischen Ostküste, beide Mal lief sie dabei nur unter Ballast nach Süden, was das Abwettern der Stürme unangenehmer machte.

TO LOAD AT NEWCASTLE
Sung Peng, ex Calulu.
The steamer Sung Peng, ex the Calulu, is now bound to Newcastle to load a full cargo of coal for the Philippine Islands on behalf of J. & A. Brown – Abermain – Seaham Collieries. The vessel was due at Thursday Island yesterday.
The Sung Peng, which was formerly well-known on the Australian coast as the German-Australia S.S. Co.’s vessel Osnabruck, is a steamer of 4399 tons gross tonnage, built in 1907, and is now owned by the Ming Sing Steam ship Co., of Shanghai.
Daily Commercial News and Shipping List, Sydney, 28. Aug 1934, S. 4

Das Schiff erreichte Newcastle, NSW aufgrund des starken Sturms mit zwei Tagen Verspätung:

SungPeng, ex-Calulu, ExOsnabruck, 1934

„Sung Peng“, Bildreportage aus: Newcastle Morning Herald and Miner’s Advocate, 6. Sept. 1934, S. 5

Ein anderer Zeitungsartikel macht die die Internationalität der Schiffsgeschichte und der Crew zum Thema:

NEW “TOWER OF BABEL”

The nearest approach to a “floating League of Nations” that Newcastle has seen is the Chinese ship Sung Peng.

The ship has a varied career, having been German, Australian and Chinese successively, and her officers consist of a Danish captain, Norwegian chief officer, Russian chief engineer, and Norwegian wirless operator. To complete the mixture, the crew is Chinese and the common language English.

Morning Bulletin, Rockhampton, 2. Okt 1934, S. 2

Dabei übersieht der Artikel, dass die „Sung Peng, ex-Calulu, ex-Osnabrück, auch kurzzeitig die dänische Flagge führte. In dieser Zeit könnte auch der dänische Kapitän an Bord gekommen sein.

Ein halbes Jahr später dann erneut eine Alptraumfahrt:

NIGHTMARE TRIP
CHINESE SHIP BATTERED IN GALE
NEWCASTLE, Friday.
After a nightmare voyage down the coast in the teeth of a 60-mile-an-hour gale, the Chinese steamer Sung Peng entered Nobby’s early this morning.
DELUGED by mountainous seas, the speed of the ship was reduced to two knots an hour, and refuge was sought under the lee of Dangar Island for 24 hours.
The master, Captain Madsen, said it was one of the worst gales ho had experienced off the Australian coast. The vessel was in light trim, and at times the bow was lifted many feet out of the water.
The Sung Peng will load a cargo of coal and return to the Philippine Islands.
The Labor Daily, Sydney, 30. März 1935, S. 4

Anmerkungen: Nobby’s Head ist eine Landzunge an der südlichen Einfahrt zu Newcastle Harbour. Dangar Island muss richtig Danger Island heißen, eine kleine Insel vor der Küste Queenslands.

Sung Peng Sold for Scrap 1937

Sung Peng zum Abbruch verkauft, The Advertiser, Adelaide, 31. Aug 1937, S. 14

Verkauf und Abbruch

Verschiedenen Medien, hier eine Tageszeitung aus Adelaide, berichten 1937 über den Verkauf und Abbruch der „Sung Peng“, ex-Calulu, ex-Osnabrück.

Anmerkung: Das zweite deutsche Schiff, von dem in dem Artikel die Rede ist, ist die „Germania“ (gebaut 1904), ein Schiff der deutschen Jaluit-Gesellschaft, die die deutschen Südseegebiete versorgte. Dieses Schiff war bei Kriegsausbruch im Hafen von Sydney zur Reparatur und ebenso wie die „Osnabrück“ dort festgehalten und kondemniert worden.

In Lloyd’s Register ist die „Sung Peng“ noch bis in die Ausgabe 1939-1940 verzeichnet, erst hier findet sich die Anmerkung Broken up.

Sung Peng 1939, Lloyd's Register

„Sung Peng“, Lloyd’s Register of Ships, 1939-1940, Quelle: https://plimsoll.southampton.gov.uk/shipdata/pdfs/39/39b0855.pdf

Nachtrag

Im Jahr 1935 kam wieder ein Schiff mit dem Namen „Osnabrück“ in Fahrt, es war ein sogenanntes Kombischiff (Fracht und Passagiere) des Norddeutschen Lloyd.

Eine Nachfrage zu dem hier vorgestellten Dampfer „Osnabrück“ (1907) beim Landesarchiv Niedersachsen, Zweigstelle Osnabrück, verlief übrigens negativ. Das Schiff ist dort nicht bekannt.

An alle Leser daher die Frage: Wer könnte die Namensgebung des Schiffes „Osnabrück“ veranlasst haben? Welches Osnabrücker Unternehmen hat zu Beginn des 20. Jahrhunderts nach Australien exportiert und könnte an einer Namensgebung interessiert gewesen sein? Gibt es dafür auch einen Beleg?

Mein Favorit sind die Eisen- u. Stahlwerke AG Osnabrück, diese hatten bereits 1880 auf der Weltausstellung in Melbourne ausgestellt und der Bedarf an Eisen-, Straßen-, Industrie-, Minen-, und Hafenbahnen in Australien war zu dieser Zeit enorm.

Osnabrück, Weltausstellung Melbourne 1880

Weltausstellung Melbourne 1880, Verzeichnis der Aussteller der „Deutschen Abtheilung“, Ausschnitt, Berlin 1880; Quelle: State Library Victoria, Melbourne

Anhang

Hier die Links zu den anderen Schwesterschiffen:

Schwesterschiffe der „Fürth“: Die „Reichenbach“

Schwesterschiffe der „Fürth“: die „Plauen“ und Das Schwesterschiff „Plauen“ – ein Nachtrag

Schwesterschiffe der „Fürth“: Die „Neumünster“

Sowie eine Abbildung der „Hagen“: Die „Hagen“: Schwesterschiff der „Fürth“

Schwesterschiff „Hanau“: Schwesterschiffe der „Fürth“: die „Hanau“

Und schließlich ein weiteres Schwesterschiff, welches jedoch nicht bei der DADG in Fahrt war:  „Elisabeth von Belgien“

 

Hagen, Frachtdampfer, 1909

Schwesterschiffe der „Fürth“: die „Hagen“

Namensgeber der Kleinserie

Titelbild: Dampfschiff „Hagen“, 6990 t, ausgehend auf der Elbe bei Oevelgönne in leichtem Treibeis. Aufnahme vom 13. März 1909; © Otto Harms, Deutsch-Australische Dampfschiffs-Gesellschaft, Hamburg (1933)

Die „Hagen“ war das erste von sechs baugleichen Schiffen, welche die Flensburger Schiffbau-Gesellschaft (FSG) in weniger als einem Jahr an die Deutsch-Australische Dampfschiffs-Gesellschaft, Hamburg (DADG) geliefert hat (November 1906 – Oktober 1907). Otto Harms, der ehemalige Geschäftsführer der DADG, spricht deshalb auch von der „Hagen-Klasse“.
Quelle: Deutsch-Australische Dampfschiffs-Gesellschaft, Hamburg, Otto Harms (1933), Schröder & Jeve, Hamburg.

In dieser Kleinserie folgten nach der „Hagen“ in den darauffolgenden Monaten in chronologischer Reihenfolge: die „Reichenbach“, die „Plauen“, die „Neumünster“, die „Fürth“, die „Osnabrück“ und schließlich die „Hanau“.

Zu jedem der sechs Schwesterschiffe der „Fürth“, dem Hauptthema dieses Blogs, existiert jetzt ein Artikel, der die Geschichte des jeweiligen Schiffes zusammenfasst. Die Links finden Sie am Ende dieses Blogbeitrags.

Allen Schiffen gemein ist, dass sie vergessen wurden. Der Erste Weltkrieg hat ihrer Funktion als Botschafter der namensgebenden Städte nach wenigen Jahren ein Ende gesetzt und schon bald hat sich niemand mehr ihrer erinnert. Das ist bis heute so geblieben. Dieser Blog möchte das ein wenig ändern.

In den zwanziger Jahren brachte die DADG wieder neue Schiffe in Fahrt; von den namensgebenden Städten der sechs Schwesterschiffe wurden lediglich die beiden Städte Hagen und Hanau erneut berücksichtigt, beide im Jahr 1921.

Das Schiff „Hagen“ (1906)

Die Bestellung der „Hagen“ bei der Flensburger Schiffbau-Gesellschaft erfolgte am 21. Oktober 1905, die Kiellegung am 5. Mai 1906 und nach 190 Tagen Bauzeit wurde das Schiff am 11. November 1906 an die DADG übergeben. Der Stapellauf fand einen Monat vorher, am 6. Oktober 1906, statt.

Die Baukosten betrugen 1,158 Millionen Mark. Die „Hagen“ hatte 4210 Brutto-Registertonnen und eine Tragfähigkeit von 6990 Tonnen. (alle Angaben: Otto Harms, Deutsch-Australische Dampfschiffs-Gesellschaft, Hamburg, Schröder & Jeve, Hamburg 1933)

Weitere Details finden Sie in den Beiträgen der baugleichen „Fürth“: SIEHE Bau, Stapellauf und Probefahrt der „Fürth“  sowie Die „Fürth“ in Lloyd’s Register

Jungfernfahrt der „Hagen“

Über die „Jungfernfahrt“ der Hagen gibt ein Artikel in The Advertiser (Adelaide) zusammenfassend Auskunft.

The Hagen, a new steamer, belonging to the German-Australian line, arrived from Hamburg on her maiden voyage on Sunday afternoon. She is a facsimile of the Oberhausen, Solingen, and Linden, which arrived last year, and a splendid vessel of her type. She was built at Flensburg, and launched on October 9. Captain Prohn, who was formerly in charge of the Magdeburg, is in command. He reports having left Hamburg on November 15, Rotterdam on November 18, Antwerp on November 22, East London on December 19, and arrived at Fremantle on January 4. She left the western port on January 8. Throughout the trip there was just enough bad weather to justify Captain Prohn coming to the conclusion that the new vessel is a splendid seaboat. After discharging her cargo she will load for Java ports.
The Advertiser, Adelaide (Australien), 14. Jan 1907, S. 6, SHIPPING NEWS.

Anmerkungen:

Die „Oberhausen“, „Solingen” und „Linden“ war sicher ähnliche Schiffe, aber keineswegs baugleich. Nur die „Linden“ war auch in Flensburg gebaut worden, hatte aber leicht abweichende Abmessungen zur „Hagen“. Die „Oberhausen“ war ein Schiff von Swan, Hunter & Wigham Richardson in Newcastle-on-Tyne und die „Solingen“ (II) ein Frachtdampfer der Neptunwerft in Rostock.

Der Stapellauf der „Hagen“ war nach Harms (1933) der 6. Oktober 1906.

Nach der „Klingenstadt“ Solingen war bereits das zweite Schiff der DADG benannt worden. Die bereits 1889 in Dienst gestellte „Solingen” (I) ging 1904 vor Deutsch-Südwestafrika verloren.

Hagen, crew 1909

Mannschaftsliste der Hagen, Seite 1, Sydney 19. Okt 1909; © State of New South Wales through the State Archives and Records Authority of NSW

Die Überlegenheit der Dampfschifffahrt

Der Zeitungsartikel in The Advertiser berichtet im Folgenden von der Sichtung eines Seglers durch die „Hagen“:

“Captain Prohn, of the Hagen, reports having sighted the barque Loch Rannoch in lat. 35.40 deg. S., long. 126 deg. E, at noon on Friday. She was then right in the steamboat track. The Loch Rannoch, which is coming to Port Adelaide from Glasgow, wished to be reported „all well.“ She is 109 days out, and had been anxiously looked for. This well-known Loch liner should arrive early this week.”

109 Tage von Glasgow nach Adelaide bedeuteten für die Bark, einen Segelschifftyp, etwa dreieinhalb Monate auf See, das Dampfschiff „Hagen“ erreichte Adelaide von Hamburg mit Zwischenstopps in nur zwei Monaten.

Diese langen Fahrten hatten auch zwei weitere Barken hinter sich, eine von Archangelsk (Russland), die 147 Tage unterwegs war und eine ab Glasgow mit 123 Tagen Seereise:

“The strong south winds which blew during Sunday brought to the Semaphore anchorage two barques. One was the Norwegian barque which was here in 1904. She is from Archangel, which port she left on August 19, and was, therefore, 147 days out. The Woodburn, formerly a Glasgow barque, but now under the Russian flag, arrived from Bo’ness (Scotland) with a consignment of superphosphates. Her sailing date was September 12, and she accomplished the passage in 123 days. Both vessels may be expected to enter the harbor within the next day or two.”
(alle Zitate aus der gleichen Quelle)

Die Segelschifffahrt konnte sich in den Folgejahren nur noch für „zeitunkritische“ Frachten behaupten, verlor aber nach und nach endgültig an Bedeutung.

Die folgende Abbildung ist symbolisch dafür: Gestrandete Segelschiffe in Port Elizabeth. Die im Hafen liegenden Dampfschiffe waren in der Lage, den Sturm abzuwettern. SIEHE: Logbuch (10): Die „Fürth“ in Mossel Bay und Port Elizabeth (Südafrika)

Hurricane in Algoa Bay 1902

Port Elizabeth, 30 August and 1 September 1902. Aftermath of a storm in Algoa Bay; Quelle: DRISA-Archiv, Johannesburg; http://atom.drisa.co.za/collections/P_Collection_lo-res/P1143_06.jpg

Verdächtige Umladung auf See – „A Mysterious Cargo“

Im Sommer 1908 erregte eine außergewöhnliche Umladung von Dynamit im Ärmelkanal einige Aufmerksamkeit in der britischen Presse und sogar der Verdacht von Schmuggel kam auf. Der Kapitän der „Hagen“, zu diesem Zeitpunkt F. Parran, erklärt den Vorfall anschließend einem australischen Journalisten:

ARRIVAL OF THE STEAMER HAGEN.
THE GOODWIN SANDS INCIDENT.
EXPLOSIVES SHIPPED ON THE OPEN SEA.

Early yesterday morning the German steamer Hagen arrived from Hamburg, and anchored in Gage Roads. Considerable interest has been evinced in the present voyage of this vessel, owing to an unusual incident which occurred at its commencement. Towards the end of April, it will be remembered, the cables announced that the steamer Hagen had shipped a cargo of German-manufactured explosives while lying off the Goodwin Sands, in the English Channel. The goods, it was stated, were transhipped to the Hagen from a German tug-boat, and the extraordinary nature of the procedure excited much comment in commercial and shipping circles in London. All sorts of conjectures were indulged in as to the destination of the cargo, some journals going so far as to hint that it was contraband.

In view of the explanation volunteered to a representative of the „West Australian“ by Captain Paran, when the matter was brought under his notice yesterday it is surprising that such an incident should have caused so much speculation in English shipping circles.

It appears that when the vessels of the German-Australian line leave Antwerp explosives are transhipped from a lighter just outside the port. On this occasion, however, the lighter was delayed, and Captain Paran was instructed to wait off the Dutch coast for the cargo. A course which is often carried out when lighters are delayed. On arrival off the Dutch coast the weather would not permit of the work being carried out, and as a consequence the Hagen proceeded to seek a sheltered spot off the Goodwin Sands, to await the arrival of a German tug-boat, which brought out the transhipment cargo.

Captain Paran was greatly surprised and amused, that the incident should have received such world-wide attention.
The West Australian, Perth, 5. Jun 1908, S. 5

Anmerkung: Dynamit war eine häufige Fracht der DADG-Schiffe nach Südafrika und Australien. Es kam aus verschiedenen europäischen Produktionsstätten. Siehe dazu auch den Blogartikel: Plakatwerbung

Coolgardie, Strelitz

Dynamit auf einem Ausstellungsstand der Gebrüder Strelitz in der Bergbaustadt Coolgardie, Foto von Hemus and Hall, Coolgardie Pioneer, 22. April 1899, S. 18; Coolgardie war damals nach Perth und Fremantle die drittgrößte Stadt Westaustraliens, heute ist sie als „Ghosttown“ nur noch von touristischem Interesse.

Sommer 1914

Im Sommer 1914 kam die „Hagen“ auf der Linie New-York – Java nach Tjilatjap an die Südküste Javas. Die Insel gehörte das damals zur niederländischen Kolonie Niederländisch-Indien, die folgenden Quellen sind daher niederländische Tageszeitungen.

Het ss. Hagen, van de Deutsch-Australische Dampfschiffs-Gesellschaft vertrok op 3 Juni van Durban komende van New Vork direct naar Tjilatjap en wordt den 21sten a.s. aldaar verwacht.
Het nieuws van den dag voor Nederlandsch-Indië, 13-06-1914

(Die ss. Hagen von der Deutsch-Australischen Dampfschiffs-Gesellschaft verließ Durban am 3. Juni und kam von New Vork direkt nach Tjilitjap und wird dort am 21. erwartet.)

Zu der Linie New York – Java mehr hier: Devoe’s und Sylvan Arrow – Petroleum für Java

Aangekomen:

Duitsch ss. Hagen, gez. Wilm, van Tjilatjap, agt. Maintz & Co.
Het nieuws van den dag voor Nederlandsch-Indië, 27-06-1914

In der Folgezeit war die „Hagen“ in Niederländisch-Indien unterwegs, bis sie vom Ausbruch des Ersten Weltkrieges Ende Juli/Anfang August 1914 überrascht wurde.

VERTROKKEN SCHEPEN.

Duitsch ss. Hagen, gez. Wilm, naar Pekalongan.

Bataviaasch nieuwsblad, 06-07-1914

Anmerkung: Pekalongan ist eine Hafenstadt an der Nordküste Javas.

Anfang August lag die „Hagen“ in Soerabaya (Insel Java), um eine Ladung Zucker aufzunehmen, wurde aber angewiesen, diesen wieder zu entladen.

Het duitsche stoomschip „Hagen“, dat te Soerabaja een lading suiker kad ingenomen, heeft orde gekregen de lading weder telossen.
Sumatra-bode, 4.8.1914

(Das deutsche Dampfschiff ‚Hagen‘, das in Surabaya eine Ladung Zucker aufgenommen hat, wurde beauftragt, die Ladung wieder zu entladen.)

Die „Hagen“ lief anschließend von Soerabaya nach Tandjong Priok, dem Hafen Batavias.

AANGEKOMEN SCHEPEN.

Duitsch ss. Hagen, gez. Wilm, van Soorabaja, agt. Maintz en Co.

Bataviaasch nieuwsblad, 6. Aug 1914

Batavia 1907

Ankunft eines Dampfers im Hafen Tandjong Priok (Batavia), 1907, Stereographische Aufnahme, Tropenmuseum Amsterdam, Inventarnummer TM-60060778, collective.wereldculturen.nl

Eine zusammenfassende Beschreibung von Tandjong Priok liefert ein britisches Handbuch:

„The port of Tandjong Priok is in communication with Batavia by railway and by a canal. The outer harbour is formed by two piers 1,850 metres long; the entrance is 125 m wide, and the depth is 8 metres. The inner harbour has a quay 1,100 metres long and 175 metres wide; the water has a depth of 7.50 metres. There is extensive accommodation for coaling, and in the docks and workshops all kinds of repairs to vessels can be made. The expenses for the construction of the harbour and annexed works amounted to 26½ millions of guilders.”

The Directory & Chronicle for China, Japan, Corea, Indo-China, Straits Settlements, Malay States, Sian, Netherlands India, Borneo, the Philippines; Hongkong Daily Press Office, 1910, 48. Ausgabe

In diesem Hafen sollte die „Hagen“ während des Ersten Weltkrieges bleiben. Noch im August 1914 fand im Kaiserlich Deutschen Generalkonsulat eine Verklarung statt:

Steam ship Hagen, Batavia 1914

Bekanntmachung in der Zeitung Bataviaasch Nieuwsblad, 26. Aug 1914, Quelle: http://www.delpher.nl

Die Verklarung

Was es mit einer Verklarung auf sich hat, erklärt uns das Seerecht:

Paragraph 522
Der Schiffer hat über Unfälle, die sich während der Reise ereignen, sie mögen den Verlust oder die Beschädigung des Schiffes oder der Ladung, das Einlaufen in einen Nothafen oder einen sonstigen Nachteil zur Folge haben, mit Zuziehung aller Personen der Schiffsbesatzung oder einer genügenden Anzahl von ihnen eine Verklarung abzulegen.
Die Verklarung ist ohne Verzug zu bewirken, und zwar…

im Nothafen, sofern in diesem repariert oder gelöscht wird;

„Ihr Zweck ist nicht die Wahrung öffentlicher, sondern diejenige privater Interessen (…), nämlich neben der Entlastung (Verklarung = Reinigung) des Schiffers die Schaffung einer Unterlage für die Regelung der aus einem Seeunfall erwachsenen privatrechtlichen Verhältnisse (…). Sie dient also als eine Art Beweissicherung.“

Das deutsche Seerecht, Kommentar und Materialsammlung, 2. Bd.; Schaps, Abraham, Berlin 1962 (books.google.fr).

Die Verklarung musste im Ausland in einer diplomatischen Vertretung stattfinden (falls vorhanden), deswegen erfolgte die Anzeige vom Kaiserlichen Deutschen Generalkonsulat in Batavia.

Der Begriff der Verklarung führt uns zum nächsten seerechtlichen Fachbegriff: der großen Haverie.

Große Haverie (auch Haverie grosse oder Große Haverei)

Große Havarie liegt dann vor, wenn Schiff und Ladung in gemeinschaftlicher Gefahr sind und vom Schiffskommando vorsätzlich zur Rettung von Schiff und Ladung Maßnahmen getroffen werden, deren Kosten und außerordentliche Opfer im Interesse aller Beteiligten von diesen gemeinschaftlich getragen werden müssen.
Die Praxis des Seefrachtgeschäfts H.-J. Leue, Springer, 1958 (books.google.fr)

Zu einer Großen Haverie gehören neben den Kosten für tatsächliche Beschädigungen an Schiff und Ladung auch die zusätzlich anfallenden Gebühren in einem Nothafen (Liegegebühren, Be- und Entladungskosten), die dann auf alle Ladungseigner umgelegt werden.

Eine anschauliche Einführung in dieses versicherungsrechtlich sehr komplexe Konstrukt bekommen Sie zum Beispiel hier: https://at.kuehne-nagel.com/fileadmin/country_page_structure/EE/Austria/Documents/General_Average_ee_region_de.pdf

Wie hängen nun Verklarung und Große Haverie zusammen? Ich fand diese Darstellung hilfreich:

„Auf der Grundlage des Berichts des Kapitäns (Verklarung) erstellt ein öffentlich bestellter Sachverständiger (Dispacheur) nach Ankunft des Schiffs im Ziel- oder Nothafen ein Dokument (Dispache) über Hergang, Beitragswerte, Kosten und Kostenaufteilung. Da der Reeder den Vergütungsberechtigten gegenüber für die Einbringung der Havarie grosse-Beiträge haftet, hat er ein Pfandrecht an den Gütern. Die endgültige Abrechnung der Havarie grosse-Beiträge kann Jahre dauern; deshalb wird der Ladungsempfänger i.d.R. eine unmittelbare Herausgabe gegen Stellung von Sicherheiten (Havarie grosse-Verpflichtungsschein, Bankgarantie oder Bareinschuss) erwirken.“
Gabler Wirtschaftslexikon, https://wirtschaftslexikon.gabler.de/definition/havarie-35792

Ich versuche, das mal in einfache Worte zu packen:

Diejenigen, die Ladung an Bord hatten und diese in Empfang nehmen wollten, mussten sich anteilig an den erhöhten Liegekosten beteiligen, da die „Hagen“ durch Ausbruch des Krieges viel länger in Batavia lag, als vorgesehen.

Über die Modalitäten informierte eine Anzeige der Fa. Maintz & Co., dem Vertreter der Deutsch-Australischen Dampfschiffs-Gesellschaft (DADG) in Batavia. Sie betraf außer der „Hagen“ auch das Dampfschiff „Freiberg“ der DADG, das auf der Fahrt nach Indramajoe (heute: Indramayu, Nordküste Java) auf ein Riff aufgelaufen war:

Große Haverie, 1914, Batavia

Anzeige der Vertretung der DADG in Batavia, der Fa. Maintz & Co. in Bataviaasch nieuwsblad vom 21. August 1914; http://www.delpher.nl

Anmerkung: W. v. K. = Wetboek van Koophandel (niederländisches Handelsrecht)

International waren das Regelwerk der großen Havarie auf dem Kongress der Gesellschaft für die Reform und Kodifikation des Völkerrechts zu Liverpool im Jahr 1890 überarbeitet worden und als York-Antwerp-Rules 1890 bekannt (siehe in: Theorie und Praxis des Seehandels-Geschäfts, R. Stern, 1903, in Sammlung Kaufmännischer Lehrbücher, Handels-Akademie Leipzig; http://storage.lib.uchicago.edu/pres/2015/pres2015-0761.pdf)

Viele Schiffe der DADG waren beim Ausbruch des Ersten Weltkrieges in Niederländisch-Indien „gestrandet“ und die für den Hafenbetrieb verantwortliche B.O.W. machte deutlich, dass für diese Schiffe die vollen Hafengebühren fällig seien (Quelle: Mitteilung von Maintz & Co. in De Sumatra post, 16. Nov. 1914)

Anmerkung: Die B.O.W. (Burgerlijke Openbare Werken) war in Niederländisch-Indien verantwortlich für den Bau und Unterhalt der Infrastruktur (Bewässerungsanlagen, Straßen, Schienenwege, Brücken, Trinkwasserversorgung, Hafenanlagen).

Lange Jahre in Batavia

Die „Hagen“ und ihre Besatzung mussten fünf lange Jahre in Niederländisch-Indien verbringen. Im August 1919 lag das Dampfschiff noch immer in Tandjong Priok:

Thans liggen nog in de haven van Tandjong Priok de Iselohn (sic), Hagen, Hohenfels en Marie;…
Bataviaasch nieuwsblad, 20. Aug 1919

Die „Iserlohn“ war ebenfalls ein Schiff der DADG und die „Hohenfels“ ein Frachtdampfer der DDG Hansa, Bremen.

Die „Marie“ war ein Sperrbrecher der Kaiserlichen Marine und hatte 1916 die deutschen Truppen in Ostafrika versorgt. Anschließend lief das Schiff nach Batavia und wurde dort von den Behörden interniert.

Über die Zeit der deutschen Besatzungen in Niederländisch-Indien während des Ersten Weltkrieges hatte ich am Beispiel des Schiffes „Ulm“ berichtet: Die „Ulm“ in Ambon (Teil 1 von 2) und Die „Ulm“ in Ambon (Teil 2 von 2)

Batavia Tandjong Priok, no date

Hafen von Tandjong Priok (Batavia), undatiert, Tropenmuseum Amsterdam, Inventarnummer TM-10007988, collective.wereldculturen.nl

Erst im September verließ die „Hagen“ Batavia in Richtung Singapur, jetzt unter der Flagge der Alliierten („onder geallieerde vlag“). Zuvor legte sie noch in Probolinggo/Kraksaan und Semarang an der Nordküste Javas an.

Vertrokken:

– N. I. ss. Hagen, gez. Porter, naar Probolinggo, onder geallieerde vlag.
Het nieuws van den dag voor Nederlandsch-Indië, 20. Sept. 1919

SEMARANG.
Aangekomen :

13 Oct. Geall. ss. Hagen gez. G.L. Porter, van Krakssau, agt. Mc Neill Co.
De locomotief, 13. Okt. 1919

Probolinggo: Hafenstadt an der Nordküste im Osten der Insel Java (ca. 100 Kilometer östlich von Soerabaja). Krakssau (richtig Kraksaan) gehört zu Probolinggo; es dürfte sich um den gleichen Hafen handeln.

15 Oct. Geall. ss. Hagen gez. G.L. Porter naar Singapore agt. Mac Neill en Co.
De locomotief, 16. Okt. 1919

Shipping Controller

Neuer Eigentümer der „Hagen“ war der Shipping Controller, eine Behörde die 1916 von der britischen Regierung gegründet worden war mit der Aufgabe, die Handelsmarine zu organisieren, um die Versorgung der Streitkräfte und der Bevölkerung während des Ersten Weltkriegs sicherzustellen. Die Behörde verwaltete außerdem die von den feindlichen Nationen übernommenen Schiffe.

Bereedert wurde die „Hagen“ in dieser Zeit von der British India Steam Navigation Co., zu diesem Zeitpunkt bereits Teil der Peninsular and Oriental Steam Navigation Company (P&O), eine der weltweit größten Reedereien. (Quelle: BISHIP, biship.com)

Die „Aegeon“, exHagen

Der Shipping Controller wurde im Jahr 1921 aufgelöst und alle Schiffe abgegeben.

Die „Hagen“ wurde an die griechische Regierung verkauft und in „Aegeon“ umbenannt (Schmelzkopf, 1984). Das Schiff fuhr für den griechischen Service of Maritime Transport.

Aus der Zeit als „Aegeon“ habe ich das Schiff nur einmal wiedergefunden, ansonsten bin ich bei Shakespeare gelandet: Aegeon von Syrakus ist eine der Hauptfiguren in der Komödie der Irrungen.

Griechische Quellen würden hier sicher weiterhelfen, genauso wie bei der weiteren Geschichte der ex-Hagen bis zum Abbruch. Die Suche dort überlasse ich jedoch anderen.

Deshalb an dieser Stelle nur ein Schiffsunfall der „Aegeon“ aus dem Jahr 1924 in Portugal:

GEMENGD.

AEGEON. Oporto, 26 Nov. Het Grieksche stoomschip Aegeon is inkomend te Leixoes in aanvaring geweest met het Duitsche stoomschip Steigerwald, van Hamburg naar Buenos Ayres. De Aegeon bekwam schade aan stuurboordsboeg; of de Steigerwald beschadigd werd, is niet bekend.
Nieuwe Rotterdamsche Courant, 29. Nov 1924, http://www.delpher.nl

Übersetzt: Das griechische Dampfschiff „Aegeon“ ist bei seiner Ankunft in Leixoes mit dem deutschen Dampfschiff „Steigerwald“ von Hamburg nach Buenos Aires zusammengestoßen. Die „Aegeon“ wurde am Steuerbordbug beschädigt. Es ist nicht bekannt, ob die „Steigerwald“ beschädigt wurde.

Anmerkungen:

Leixões ist der Seehafen von Porto, er liegt wenige Kilometer nördlich der Stadt am Atlantik.

Die „Steigerwald“ (1921) war ein Schiff der Hamburg-Amerika-Linie im Dienst nach Nord- und Südamerika. Gebaut wurde die „Steigerwald“ auf der Deutschen Werft in Hamburg, sie hatte 4535 BRT bei einer Länge von 119,0 Metern (Quelle: schiffe-maxim.de)

„Michael N.“

Die Geschichte der exHagen bleibt griechisch. Im Jahr 1931 ist die „Aegeon“ an eine Reederei in Piräus übergegangen. Die Ausgabe 1931-32 von Lloyd’s Register nennt als neuen Eigentümer Mrs. I. M. Nicolaou. Als Manager der Reederei ist M. N. Nicolaou eingetragen:

exHagen in Lloyd's Register 1931

Lloyd’s Register, Ausgabe 1931-32; Quelle: Southampton City Library, https://plimsoll.southampton.gov.uk/shipdata/pdfs/31/31b1425.pdf

„Petrakis Nomikos“

Bereits im Jahr darauf erfolgt ein weiterer Verkauf. Die ex-Hagen bleibt in Piräus, neuer Eigentümer ist P. M. Nomikos, der neue Name des Schiffes wird „Petrakis Nomikos“.

ex-Hagen, Lloyds, 1932

Lloyd’s Register, Ausgabe 1932-33; Quelle: Southampton City Library, https://plimsoll.southampton.gov.uk/shipdata/pdfs/32/32b1063.pdf

Im Dezember 1932 taucht die „Petrakis Nomikos“ wieder in Westeuropa auf:

BUITENLANDSCHE SCHEPEN.
Van en naar Nederlandsche havens.

STRATONI V. 3/12 Petrakis Nomikos, Vlaardingen.

Algemeen Handelsblad, 11. Dez 1932

Anmerkung: V. = vertrokken (abgefahren); Stratoni liegt im Nordosten der Halbinsel Chalkidiki (Griechenland).

Am 21. Dezember 1932 ist die „Petrakis Nomikos“ mit Rohphosphat in Vlaardingen bei dem Unternehmen ENCK (Eerste Nederlandse Coöperatieve Kunstmestfabriek) angekommen:

VLAARDINGEN. Aangekomen,

21 December

Grieksch stoomschip Petrakis Nomikos, met ruwe phosphaat, van Stratoni, aan de E.N.C.K.µ

Nieuwe Vlaardingsche courant, 23. Dez 1932

Eine Woche später lief die „Petrakis Nomikos“ nach Rendsburg (Quelle: Algemeen Handelsblad, 30. Dez. 1932) und im März 1933 erreichte die „Petrakis Nomikos“ erneut die Niederlande, diesmal vom Schwarzen Meer (Noworossijsk, Scheepvart, 20. März 1933) bevor sie anschließend nach Narvik versegelte (De Standaard, 20. März 1933).

Die Route vom Schwarzen Meer nach West- und Nordeuropa (Niederlande, Großbritannien, Skandinavien) wurde anschließend häufiger befahren. Die Fracht vom Schwarzen Meer für Nordwesteuropa war Getreide.

Getreide (Weizen) könnte auch im Januar 1935 an Bord gewesen sein, als die „Petrakis Nomikos“ aus Rosario in Rotterdam ankam. Rosario liegt in der LaPlata-Region in Argentinien am Paraná, eine der weltweit wichtigsten Weizen produzierenden Regionen.

Petrakis Nomikos, 1935

Anzeige Scheepvart, 04. Februar 1935, http://www.delpher.nl

Die Anschlussladung waren Kohlen für Piräus (Scheepvart, 20. Feb 1935).

Abbruch

Mit dieser Fahrt verschwindet die „Petrakis Nomikos“ aus den niederländischen Medien und erst im Mai 1936 erscheint eine Meldung über den Verkauf der ex-Hagen für 7650 Britische Pfund:

ZEEVART.

The Union, recently acquired, has been sold to North-East Coast shipbreakers, and the Spilsby has been purchased by British buyers under the scheme and resold to the Hughes Bolckow Shipbreaking Company, Ltd., Blyth, for about £5500, as she lies in the Tyne. Messrs. Hughes Bolckow have also acquired from British buyers the Petrakis Nomikos for about £7650 delivered Blyth, and a British firm has purchased he Weir steamer Dunafric. …
Scheepvart 18. Mai 1936

Die „Petrakis Nomikos“, ex-Michael N., ex-Aegeon, ex-Hagen ist zuletzt in der Ausgabe 1935-36 von Lloyd’s Register verzeichnet (allerdings noch ohne den Zusatz „Broken up“).

Verwirrung um die „Petrakis Nomikos“

Es wurden sowohl unter dem Namen „Aegeon“ als auch unter „Petrakis Nomikos“ wieder Schiffe in Fahrt gebracht, die jedoch nicht mit der ex-Hagen identisch sind.

Bei dem schweren Explosionsunglück des Tankschiffes (!) „Petrakis Nomikos“ in Rotterdam im Oktober 1936 mit vielen Toten kann es sich nicht mehr um die ex-Hagen handeln, auch wenn Pressemitteilungen dies teilweise so wiedergegeben haben (z. B. in Haagsche courant vom 31. Oktober 1936). Eine Abbildung des Hecks des Schiffes in dem Artikel zeigt eindeutig, dass es nicht die ex-Hagen ist. Am auffallensten: der Schornstein ist viel weiter in Richtung Heck des Schiffes, als bei der ex-Hagen).

Andere Schwesterschiffe der „Fürth“

Schwesterschiffe der „Fürth“: Die „Reichenbach“

Schwesterschiffe der „Fürth“: die „Plauen“ und Das Schwesterschiff „Plauen“ – ein Nachtrag

Schwesterschiffe der „Fürth“: Die „Neumünster“

Schwesterschiffe der „Fürth“: der Frachtdampfer „Osnabrück“

Schwesterschiffe der „Fürth“: die „Hanau“

Dazu kommt noch ein baugleiches Schiff, welches jedoch nicht an die DADG geliefert wurde. Siehe dazu: „Elisabeth von Belgien“

Wilhelm Hester, crew member, about 1900

Dampfschiff „Fürth“: In der Kapitänskajüte

So lebte der Schiffsführer

… mit Bildern des Fotografen Wilhelm Hester

 

Nachweis Titelbild:
Mannschaftsmitglied an Bord eines nicht genannten Schiffes um 1900; Kissen mit der Aufschrift „Nur ein Viertelstündchen“, Aufnahme: Wilhelm Hester (in Hamburg geborener amerikanischer Fotograf, 1872-1947) Quelle: commons.wikimedia.org; Man writing at table, interior of unidentified ship, Washington, ca 1900 (HESTER 448).jpeg

Über den Fotografen Wilhelm Hester mehr unten im Text!

 

Zwei Kapitäne

Die „Fürth“ hatte in den sieben Jahren, in denen sie in Fahrt für die Deutsch-Australische Dampfschiffs-Gesellschaft war (1907-1914), zwei Kapitäne, C. B. Saegert und W. Richter.

In diesem Artikel versuche ich zu rekonstruieren, wie sie an Bord untergebracht waren. Dazu greife ich auf zwei Dokumente zurück, die von anderen Schiffen der Reederei erhalten geblieben sind. Zum einen handelt es sich um den Generalplan des Schiffes „Lübeck“, den ich hier im Blog vorgestellt hatte: SIEHE Das Projekt DigiPEER

Aus diesem Plan sind die Größen der Kabinen und ihre großen Einrichtungsgegenstände ersichtlich, wie Kojen, Schränke, Tische, Schreibtische usw.

Zum anderen ist es das Inventarbuch des Schiffes „Neumünster“, welches für das Schwesterschiff der „Fürth“ alle beweglichen Gegenstände auflistet, die sich an Bord befunden haben und somit auch alle Objekte in der Kapitänskajüte. Warum sollte das Inventarbuch für die Schwesterschiffe abweichend gewesen sein? Es gibt keinen Grund dafür.

Dieses hier vorgestellte Inventarbuch können Sie im State Records Office of Western Australia in Perth einsehen; es hat die Archivnummer: Cons. 4230/1.19, Inventory List. Oder Sie lesen regelmäßig diesen Blog. Hier werde ich Ihnen die (meiner Meinung nach) interessantesten Teile des Schiffsinventars nach und nach vorstellen.

inventory book, Neumünster, 1911 - 1914

Inventarbuch des Schiffes „Neumünster“, Einband, Ausschnitt © mit freundlicher Genehmigung des State Records Office of Western Australia, Perth, Cons. 4230/1.19

 

Das Inventarbuch der DADG

 

Die Führung des Inventarbuchs

Dem Inventarbuch vorgeschaltet ist eine „Anweisung zur Führung des Inventarbuches“, in der die Reederei genaue Instruktionen gab, wie damit zu verfahren war. Wir sehen, dass der 1. Offizier des jeweiligen Schiffes damit betraut war und das nicht wenig Arbeit mit der Führung des Buchs verbunden war. Lesen Sie selbst:

„Die Führung des Inventarbuches hat von dem 1. Offiizer zu geschehen; das Buch ist für mehrere Reisen berechnet und wird in zwei Exemplaren an Bord gegeben, wovon eines als „Kladde“ ständig in Händen des 1. Offiziers verbleibt, während das zweite Exemplar als „Reinschrift A“ bei Ankunft in Hamburg der Rhederei einzureichen ist; dieses Buch wird dann für die neue Reise gegen ein drittes Exemplar „Reinschrift B“ ausgewechselt. In Reinschrift B hat dann eine nochmalige Eintragung des vorigen Berichts zu geschehen, was nach der an Bord befindlichen Kladde leicht bewerkstelligt werden kann. Zugleich ist jedoch auch der Bericht für die neue Reise aufzunehmen und ist bei Rückkehr nach Hamburg dann wieder Reinschrift B gegen Reinschrift A einzutauschen und so fort, sodass sich immer eine vollständige Aufzeichnung über die Vorkommnisse und Veränderungen bzgl. Inventar etc. in Händen der Rhederei befindet.
Wir machen darauf aufmerksam, dass alle Eintragungen genau, aber möglichst kurz zu halten sind.
Etwaige nachträgliche Zusätze oder Änderungen dürfen nur mit roter Tinte vorgenommen werden.
Etwa nicht vorgedruckte, aber an Bord vorhandene Inventarstücke sind an gehöriger Stelle im Buche mit allen wissenswerten Einzelheiten einzuschalten.“

Ich kann mir vorstellen, dass die Führung des Inventarbuches nicht zu den Lieblingsaufgaben eines 1. Offiziers gehörte.

Das Inhaltsverzeichnis des Inventarbuches umfasst 56 Positionen, einige davon sehr kurz, andere aber mehrere Seiten lang.

Nicht alle Positionen waren auch auf allen Schiffen vorhanden. Eine, die es logischerweise immer gab, war die Kajüte des Kapitäns. Fangen wir damit an.

Inventory, table of contents, Neumünster, 1911 to 1914

Inventarbuch des Schiffes „Neumünster“, Inhaltsverzeichnis © mit freundlicher Genehmigung des State Records Office of Western Australia, Perth, Cons. 4230/1.19

 

Die Kajüte (Kammer) des Kapitäns

Natürlich hatte der Kapitän eine Kajüte zur Einzelbenutzung (im Inventarbuch wird das Wort Kapitänskammer gebraucht). Dieses Privileg genossen außer ihm nur noch die vier Schiffsoffiziere sowie der erste und der zweite Maschinist. Als einzigem auf dem Schiff war dem Kapitän ein eigenes Badezimmer und sogar ein eigenes WC vergönnt.

Aus dem Plan der „Lübeck“ geht hervor, dass der Kapitän über eine eigene Etage verfügte, auf der sonst nur noch der Sanitätsraum für die Offiziere untergebracht war.

Auf der sieben Jahren älteren „Fürth“ muss die Raumaufteilung jedoch anders gewesen sein, denn sie hatte im Brückenhaus ein Deck und auch ein paar Räume weniger: es gab keinen Telegrafenraum und auch keinen Sanitätsraum für die Offiziere (sondern nur einen einzigen Sanitätsraum für die ganze Besatzung).

Auf der „Lübeck“ hatte die Kapitänskammer geräumige 16,5 m2.

Die Inventarliste listet Gegenstände auf, sagt jedoch nichts über deren Qualität aus.

In dem Artikel über die Probefahrt des Schiffes „Hamm“ im Juni 1910 heißt es über die Einrichtung der Kapitänskajüte immerhin:

„Salon, Kapitäns- und Offizierswohnräume sind elegant eingerichtet.“
Quelle: Hamburgischer Korrespondent und Neue Hamburgische Börsen-Halle, 5. Juni 1910, Seite 6, http://www.europeana.eu

 

Die Einrichtung

Die Kammer verfügte über eine (Schlaf-)Koje zum Ausziehen, die mit einer Matratze „mit Keil und Vergrößerung“ ausgestattet war und außerdem mit einer Schlafrolle.

Weitere Möbelstücke waren ein Tisch (mit Wachstuch und einer Tischdecke), ein „Sopha mit Kissen“, ein Schreibtisch, ein Lehnstuhl, ein Bücher- und zwei Kleiderschränke, ein Spiegel und eine Waschkommode mit Zubehör.

Für die Beheizung der Kammer gab es einen Dampfofen.

Als Beleuchtung verfügte die Kammer über eine Hänge- und eine Stehlampe und einen Leuchter. Als Zubehör gab es einen Streichholzständer.

Vier Fenstergardinen, zwei Bettgardinen, zwei Portieren, ein Satz Wollläufer, ein Teppich und vier Möbelbezüge machten die Kammer wohnlicher.

Für seine Arbeit hatte der Kapitän eine „Copierpresse“, Schreibzeug und einen Blechkasten für Schiffspapiere.

Kopierpresse, Copierpresse, um 1900

Kopierpresse: https://commons.wikimedia.org/wiki/File:Kopierpresse.jpg; This file is licensed under the Creative Commons Attribution-Share Alike 4.0 International, 3.0 Unported, 2.5 Generic, 2.0 Generic and 1.0 Generic license; Wiedergabe in Sepia.

Die Kopierpresse

„(1780 von James Watt erfunden) besteht in ihrer einfachsten und gebräuchlichsten Form aus zwei eisernen Platten, die durch eine Schraube oder durch Hebel und Exzenterscheibe aneinander gepreßt werden.“

„Das zu kopierende Schriftstück legt man auf ein 
Blatt Wachspapier und bedeckt es mit einem gleich großen Blatt ungeleimten Seidenpapiers, das entweder vorher befeuchtet oder mit feuchtem Schirting bedeckt wird; schließlich legt man noch ein Blatt Wachspapier auf und setzt das Ganze dem Druck der Kopierpresse aus. Die Tinte wird durch die Feuchtigkeit etwas erweicht, und es dringt davon so viel durch das Seidenpapier, daß die Schriftzüge auf dessen oberer Seite lesbar werden.“

Auszug eines Artikel über das Kopieren aus: Meyers Großes Konversations-Lexikon, 1905, der vollständige Artikel findet sich hier:
http://www.zeno.org/Meyers-1905/A/Kopieren

 

Die Ausstattung der Kapitänskammer komplettierten eine Wasserflasche und Wassergläser „mit Bort“ sowie ein Spucknapf, ein aus heutiger Sicht eher ungewöhnliches Utensil.

In der Inventarliste der „Neumünster“ sind außerdem ein elektrischer Ventilator, ein Schlüsselbrett, sowie ein Satz Kokosläufer vorgedruckt und auch handschriftlich im Sollbestand vermerkt. Die Abwesenheit dieser Gegenstände ist über die fünf im Buch vermerkten Fahrten stets vermerkt worden, allerdings hatten sie offenbar aber auch niemandem gefehlt, so dass sie nie ergänzt wurden.

Einzig hinter dem Satz Kokosläufer wurde vermerkt, dass sie neu zu beschaffen seien, anscheinend hatte sie der neue Kapitän auf der vierzehnten Fahrt vermisst (nach der dreizehnten Fahrt übernahm Kapitän Herrmann das Schiff von Kapitän Peter Kiel).

Weiter ist der Inventarliste zu entnehmen, dass nach der dreizehnten Fahrt das Wachstuch des Tisches ausgewechselt wurde.

Eine letzte handschriftliche Notiz findet sich hinter dem Spiegel, hierzu heißt es: „neu belegen“. Das würde heute auch keiner mehr tun, soviel zum Thema Nachhaltigkeit.

Wilhelm Hester, crew member, about 1900

Mannschaftsmitglied an Bord eines nicht genannten Schiffes um 1900; Aufnahme: Wilhelm Hester (in Hamburg geborener amerikanischer Fotograf, 1872-1947) Quelle: commons.wikimedia.org; Crew member sitting in interior of unidentified ship, Washington, ca 1900 (HESTER 841).jpeg

 

Das Badezimmer

Die Inventarliste gibt auch Auskunft über das Badezimmer des Kapitäns. Naturgemäß ist die Liste recht kurz. Das kleine Bad (3,25 mauf der „Lübeck“) verfügte über:

eine Badewanne, eine Dusche, eine Bank und einen Spiegel, eine Lampe und einen Waschtisch mit Zubehör sowie einen Garderobenhalter. Die Dusche dürfte über der Wanne gewesen sein, ein eigener Platz war im Schiffsplan nicht dafür vorgesehen.

Im Sollbestand waren außerdem zwei Fenstergardinen vermerkt, die allerdings laut Istbestand nie an Bord waren.

Im Vordruck ist außerdem ein Gräting vorgesehen, also ein begehbarer Gitterrost, der jedoch bereits im Soll-Bestand mit einem Strich versehen ist.

Das WC

Noch kürzer ist die Inventarliste für das „W. C. für Kapitän“: eine Lampe und ein Papierhalter. Punkt. Weder der im Vordruck eingedruckte Gräting, noch die Fenstergardine sind im Soll- und damit auch nicht im Istbestand.

 

Die Offiziere

Laut Inventarliste waren die Kammern der Offiziere ähnlich ausgestattet wie die des Kapitäns, wenn auch mit weniger Gegenständen. Die Hierarchie kann genau abgelesen werden, die Länge der Liste verkürzt sich vom 1. Offizier zum 4. Offizier deutlich.

Hatte der 1. Offizier noch eine Koje zum Ausziehen, waren die Kojen der anderen Offiziere offensichtlich schmäler, da nicht zum Ausziehen.

Die Waschkommode in der Kapitänskammer wurde bei allen Offizieren durch einfachere Waschtische ersetzt.

Hatte man dem Kapitän einen Bücherschrank zugestanden, waren es für den 1. und 2. Offiziere nur noch Bücherbords und für den 3./4. Offizier nichts dergleichen.

In wie weit sich die einzelnen Möbel oder Ausstattungsgegenstände qualitativ unterschieden, geht aus der Inventarliste natürlich nicht hervor.

Auch die Größe der Offizierskammern spiegelte die Hierarchie wieder:
9,6 m2, 8,1 m2, 6,9 m2 und 6,6 m(Schiff „Lübeck“).

Die Offiziere verfügten gemeinsam über ein eigenes Badezimmer und ein eigenes WC. Für das Badezimmer sind die gleichen Einrichtungsgegenstände vermerkt, wie für das Badezimmer des Kapitäns, bis auf den begehbaren Gitterrost (Gräting).

Für das WC der Offiziere ist eine Lampe und ein Papierhalter vermerkt.

Wilhelm Hester, three man, ship's interior, about 1900

Drei Mannschaftsmitglieder an Bord eines nicht genannten Schiffes um 1900; Aufnahme: Wilhelm Hester (in Hamburg geborener amerikanischer Fotograf, 1872-1947) Quelle: commons.wikimedia.org; Three crew members, interior of unidentified ship, Washington, ca 1900 (HESTER 446).jpeg

 

Maschinisten

Ganz ähnlich ausgestattet waren die Kammern des ersten und zweiten Maschinisten.

Der erste Maschinist hatte als einziger neben dem Kapitän das Privileg, einen eigenen Schreibtisch in seiner Kammer zu haben, ansonsten ähnelte die Ausstattung der des ersten Offiziers. Die Kammer hatte auf der „Lübeck“ 8,2 m2. Die Koje des ersten Ingenieurs war wie die des ersten Offiziers und des Kapitäns ebenfalls zum Ausziehen.

Der Kapitän, der 1. Offizier und der 1. Maschinist wurden von der Mannschaft übrigens oft spöttisch die „drei Eisheiligen“ genannt. Warum das so war, kann mir vielleicht ein Leser erklären, der zur See gefahren ist. Danke im Voraus für die Aufklärung!

Ab dem 2. Maschinisten wurde das „Sopha“ durch eine einfachere „Sophabank“ ersetzt, seine Kammer hatte 7,4 m2.

Die 3./4. Maschinisten sowie die beiden Maschinen-Assistenten mussten sich jeweils eine Kammer zu zweit teilen, die gerade einmal 6,6 m2 hatte.

Wilhelm Hester, man, interior of ship, about 1900

Mannschaftsmitglied an Bord eines nicht genannten Schiffes um 1900; Aufnahme: Wilhelm Hester (in Hamburg geborener amerikanischer Fotograf, 1872-1947) Quelle: commons.wikimedia.org; Man writing at desk, interior of unidentified ship, Washington, ca 1900 (HESTER 447).jpeg

 

Wilhelm Hesters außergewöhnliche Fotografien

Wilhelm Hester wurde 1872 in Hamburg geboren und wanderte 1893 an die Nord-Westküste der USA aus. Er gründete in Seattle ein Fotogeschäft, machte Aufnahmen von Schiffen und deren Besatzungsmitgliedern und verkaufte diesen anschließend die Bilder.

Die Vorliebe Hesters waren Segelschiffe, die in diesem Beitrag gezeigten Innenaufnahmen dürften daher eher das Innere von Segelschiffen zeigen. Angaben zu den abgebildeten Schiffen gibt es jedoch nicht.

Über das Leben des Fotografen Wilhelm Hester ist sehr wenig bekannt. Robert A. Weinstein fasste es 1982 in seinem Buch „Four Maritime Photograph Collections: A Guide to Morrison, Hester, Morton-Waters, and Procter Collections“, National Maritime Museum (U.S.) wie folgt zusammen (eigene Übersetzung aus dem Englischen; ich kenne bis dato keine deutsche Darstellung des Lebenslaufs Wilhelm Hesters, Quelle abgerufen über books.google.fr):

Zu wenig ist über Hesters Leben bekannt. Er wurde im Oktober 1872 in Hamburg Mitte geboren. Er und sein Bruder Ernst verließen ihre norddeutsche Heimat und erreichten 1890 die Ostküste Amerikas. 1890-1893 verbrachten sie in Montana; über ihren Aufenthalt dort ist nichts bekannt. Im Herbst 1893 kamen sie in Seattle an. Kurz nach ihrer Ankunft begann Hester mit seinem Bruder Ernst zu fotografieren. Er tat dies bis 1898, als er Seattle für ein Jahr verließ, um am berühmten Klondike in Alaska nach Gold zu suchen. Es scheint, dass er die Fotografie im Jahr 1905 oder 1906 aufgegeben hat, als er 34 Jahre alt war. Vielleicht ist er nur kürzer getreten, aber es gibt wenig Hinweise unter seinen erhalten gebliebenen Fotografien, dass er über diese Zeit hinaus weiter aktiv war.
Er spekulierte in Immobilien in Kings County und machte ordentlich Geld damit. Dann kaufte er ein schönes Haus auf dem Queen Anne Hill in Seattle und lebte dort. Medizinische Hilfe ablehnend, starb er am 25. Februar 1947 im Virginia Mason Krankenhaus in Seattle an einem blutenden Geschwür. Sein Nachlassverwalter, Raymond C. Punette, erinnert sich an ihn in den letzten Lebensjahren als einen „mittelgroßen, dünnen, glattrasierten Mann, sehr starrköpfig, ein wenig sparsam und ein Sammler von Allem bis hin zu einer pathologischen Besessenheit“.

Auch wenn Hester seine Aufnahmen kommerziell vermarktete, wurde den Fotografien, zumindest posthum, künstlerischer Wert zuerkannt.

Sie finden sich heute unter anderem im Getty Museum in Los Angeles oder im San Francisco Maritime National Historical Park.

 

 

 

 

 

Pennsylvania Dampfschiff 1896

Ich wünsche allen Bloglesern ein schönes und gesundes neues Jahr!

Titelbild
Neujahrsgruß in einer Broschüre mit einer Illustration des Postdampfers „Pennsylvania“ und der Routenangabe Hamburg – New York von Lübeck, Oswald (Herstellung) (Fotograf) – Deutsche Fotothek, Germany – Public Domain.
https://www.europeana.eu/de/item/440/item_JVEO65FUQ4XP43M5QCACBCS2NMEPR4XB

Die „Pennsylvania“

Der Reichspostdampfer „Pennsylvania“ lief im September 1896 bei Harland & Wolff in Belfast für die Hamburg-Amerikanische Packetfahrt-Actien-Gesellschaft, kurz HAPAG, vom Stapel und war zu dieser Zeit das weltweit größte Passagier- und Frachtschiff.

In der ersten Klasse konnten 162, in der zweiten Klasse 197 und in der dritten Klasse 2.382 Passagiere an Bord gehen. Damit war die „Pennsylvania“ ein wichtiges Schiff für die Auswanderung nach Amerika.

Wie die Beschriftung der Abbildung angibt, wurde die „Pennsylvania“ auf der Linie Hamburg – New York eingesetzt.

Bei Ausbruch des Ersten Weltkrieges war die „Pennsylvania“ in New York. Nach dem Kriegseintritt der USA im Jahr 1917 wurde sie von den USA beschlagnahmt und kam unter dem Namen „Nansemond“ als Versorgungsschiff in Fahrt.

Nach Kriegsende beförderte die „Pennsylvania“ eine große Menge amerikanischer Soldaten zurück in die USA, wurde dann im Hudson River aufgelegt und 1924 in Baltimore abgebrochen.

Dampfschiff Pennsylvania 1896

Dampfschiff „Pennsylvania“, Aufnahme zwischen 1896-1899, Fotograf John S. Johnston, Public domain, via Wikimedia Commons; https://commons.wikimedia.org/wiki/File:SS_Pennsylvania_(1896).jpg

Australia, Schiff, 1932

Das Schulschiff „Australia“

DADG-Schiffe bei der British India Steam Navigation Company (BI)

Titelbild: Das BI-Schulschiff „Australia“ im Südlichen Ozean 1932, Ölgemälde von Richard D. Crow;
Quelle: https://www.benjidog.co.uk/recollections/Richard%20Crow2.html

Die British India Steam Navigation Company (BI) war eine der bedeutendsten Reedereien in der Geschichte der Seefahrt. Im Laufe der Zeit besaß die BI über 500 Schiffe, weitere 150 fuhren unter ihrem Management.

BI behielt nach dem Kauf durch die Peninsular & Oriental Steam Navigation (P&O) im Jahr 1914 ihre Selbstständigkeit bei. Erst 1971 ging sie dann in der P&O Gruppe auf und die für die Reederei typischen Schiffe mit dem schwarzen Schornstein mit dem schmalen weißen Doppelband verschwanden von den Weltmeeren.

Im Jahr 1920 erreichte die BI-Flotte die stattliche Zahl von 161 Schiffen.

The number of ships in the B.I. fleet reached its peak of 161 in 1920, and, also in that year, B.I. extended its London-Zanzibar service to Beira.
http://www.rakaia.co.uk/assets/british-india-history.pdf

Ausführliche Informationen über die Geschichte der British India Steam Navigation Company finden Sie hier: http://www.biship.com/index.htm

Dass die starke Vormachtstellung der BI auf dem indischen Subkontinent auch mit unsauberen Mitteln verteidigt wurde, ist eine andere Geschichte, auf die ich in einem anderen Blogartikel noch zu sprechen komme.

British India Steam Navigation steam ships in Calcutta

BI-Dampfer auf dem Hugli in Calcutta, um 1890, Photochromdruck; Library of Congress; https://www.loc.gov/item/2017658181/

Elf Schiffe der Deutsch-Australischen Dampfschiffs-Gesellschaft

Unter den im Jahr 1920 gemanagten (bereederten) Schiffen der BI waren elf Schiffe der Deutsch-Australischen Dampfschiffs-Gesellschaft (DADG), die im oder nach dem Ersten Weltkrieg von Großbritannien beschlagnahmt wurden und in das Eigentum der Britischen Krone übergingen. Die verantwortliche Regierungsstelle, The Shipping Controller, überließ diese Schiffe der BI zu Bereederung.

Zehn dieser DADG-Schiffe hatten zu Beginn des Ersten Weltkrieges im neutralen Niederländisch-Indien, dem heutigen Indonesien, Schutz gesucht und waren während des Kriegs dort verblieben.

Darunter war zum Beispiel der Frachtdampfer „Ulm“, dessen Schicksal ich hier im Blog ausführlich dokumentiert habe: SIEHE Die „Ulm“ in Ambon (Teil 1 von 2) und Die „Ulm“ in Ambon (Teil 2 von 2)

Die anderen neun Schiffe waren in alphabetischer Reihenfolge „Freiberg“, „Hagen“, „Iserlohn“, „Lübeck“, „Lüneburg“, „Offenbach“, „Stolberg“, „Sydney“ und „Wismar“.

Die genannten zehn Schiffe hatte die BI nur kurze Zeit unter ihrem Management. In den Jahren 1920/1921 wurden sie von The Shipping Controller an andere Reedereien verkauft.

Zwei der Schiffe gingen sogar nach Deutschland zurück:

„Offenbach“ wurde von der Reederei Kayser in Hamburg gekauft und in „Anna Kayser“ umbenannt. Zur Reederei Kayser siehe den Beitrag: Dampfschiff „Fürth“: Rückzahlung der Vorrechtsanleihe im Jahr 1917

„Freiberg“ wurde von der DADG im Jahr 1923 zurückgekauft und als „Lüneburg“ (II) wieder in Fahrt genommen.

Der Frachtdampfer „Australia“

Eine Ausnahme bildete der DADG-Frachtdampfer „Australia“.

Das Schiff hatte ich ausführlich im Blog vorgestellt. Bei seiner Jungfernfahrt erregte es einige Aufmerksamkeit. Im südaustralischen Erzhafen Port Pirie war es im Februar 1913 das größte Schiff gewesen, das dort jemals angelegt hatte.

Für Sonntag, den 2. März 1913 war sogar ein Konzert an Bord organisiert worden, bei dem der Bevölkerung die Gelegenheit gegeben wurde, sich dieses imposante Schiff aus der Nähe zu betrachten. Auch ein Film wurde an diesem Tag gedreht.

Siehe: Bordkonzert in Port Pirie

Bei Ausbruch des Ersten Weltkrieges wurde die „Australia“ am gleichen Tag wie das Dampfschiff „Fürth“ von der Royal Navy vor Ceylon gekapert und von einem britischen Kriegsschiff in den Hafen von Colombo begleitet.

Siehe: Die Kaperung der „Fürth“

Ebenso wie die „Fürth“ ging die „Australia“ nach Entscheidung des Prisengerichts Colombo in das Eigentum der Britischen Krone über.

Die Bereederung übernahm 1915 BI. Es war damit das einzige DADG-Schiff, das bereits zu Beginn des Krieges unter dem Management von BI stand.

Ein weiterer Unterschied zu allen anderen ehemaligen Schiffen der DADG war, dass BI das Schiff im Jahr 1921 von The Shipping Controller für sich selbst gekauft hat und es in der Folgezeit als Schulschiff einsetzte.

Erst 1936 wurde „Australia“ wieder verkauft und schließlich 1937 in Japan abgebrochen.

Port Pirie, Australia

Die „Australia“ in Port Pirie, eigene Montage aus zwei Fotos der State Library of South Australia, Referenznummern B9524/2 und B9524/3

Das Schulschiff „Australia“ und Richard Crow

Unzählige Seeleute, die bei BI ihren Beruf lernten, durchliefen ihre Ausbildung in der Folge auf dem Schiff „Australia“. Einer davon war der spätere Offizier Richard Crow.

Richard Crow machte jedoch nicht nur Karriere als Schiffsoffizier, er erwarb sich ebenfalls einen Ruf als Marinemaler.

Außerdem sind vom ihm Erinnerungen notiert worden, die uns einen Einblick in seine Zeit auf der „Australia“ geben.

Bevor Sie mir vorwerfen, dass ich abgeschrieben hätte, gebe ich hier meine Quellen bekannt. Die folgenden Informationen stammen von den beiden Seiten:
http://www.biship.com/crow.htm
https://www.benjidog.co.uk/recollections/Richard%20Crow.html

Zur besseren Lesbarkeit dieses Blogartikels habe ich die Zitate von Richard Crow ins Deutsche übersetzt. Im Original finden Sie die Passagen bei https://www.benjidog.co.uk/recollections/Richard%20Crow.html.

Lassen wir Richard Crow zu Wort kommen:

„Meine Eltern zahlten £ 50 für den vierjährigen Ausbildungsvertrag bei der British India Steam Navigation Co. Ltd. und ich sollte ein Lehrgeld von 10/- pro Monat im ersten Jahr, 1 £ im zweiten, 30/- im dritten und 3 £ im letzten Jahr bekommen.“

Anmerkung: 1 £ hatte 20 Shilling, im ersten Jahr bekam er also ein halbes Pfund, im dritten eineinhalb Pfund.

„An meinem 17. Geburtstag, dem 12. September 1932, kam ich zusammen mit sechs anderen Kadetten, die ihre erste Reise antraten, auf das Schulschiff des Unternehmens, die „Australia“ (Kapitän W. Scutt), das bei Carrick Roads in Falmouth vor Anker lag. Ich zeichnete mich gleich am nächsten Tag aus, da ich seekrank wurde.

Die Australia war ein in Deutschland gebauter Glattdecker, ein Kohle verbrennendes Dampfschiff mit einer Schraube und 7500 BRT. Es war in den frühen Tagen des Ersten Weltkrieges vor Colombo gekapert worden.

Sie lag in Falmouth nach einer Reise von Australien mit einer vollen Ladung losen Getreides und es schien, dass wir die ersten paar Wochen jede Stunde mit Tageslicht damit verbrachten, stinkendes und verrottendes Getreide aus den Laderäumen und Bilgen auszuputzen.

Nach ungefähr einem Monat liefen wir aus, umfuhren Lands End bei einem Orkan (wo alle anderen Erstfahrer seekrank wurden), wir bunkerten und luden Weißblech und allgemeine Fracht in einigen südwalisischen Häfen, bevor wir das Laden in Liverpool abschlossen.

1932 war ein Rezessionsjahr, wir hatten nur eine Teilladung und um die Suezkanal-Gebühren zu sparen, segelten wir mit energiesparender Geschwindigkeit um das Kap nach Australien.

So sahen wir, nachdem wir Liverpool in einer dunklen und stürmischen Nacht verlassen hatten, kein Land mehr (wir Erstfahrer dachten schon, dass es dem ‚Alten‘ abhandengekommen war), bevor wir 42 Tage später in Fremantle ankamen.

Australia cadetship 1932

Das BI-Schulschiff „Australia“ in der Großen Australischen Bucht 1932, Ölgemälde von Richard D Crow; Quelle: http://www.biship.com/crow.htm

Wir hatten einen zusätzlichen zweiten Offizier als Ausbilder an Bord und waren mit einer Telefunkenanlage (Morse) ausgestattet. Wir hatten ebenfalls einen Arzt, aber keine Kühlung, so dass nach ungefähr zehn Tagen, als frische Lebensmittel ausgingen und die große Eistruhe abgetaut war, wir von Schiffszwieback und so glaube ich, generell von Dosennahrung leben mussten, die jeden Vormittag mit einem Schlückchen Zitronensaft in Übereinstimmung mit den Board of Trade Regulations ausgegeben wurde, um dem Skorbut vorzubeugen.

Auf See war es uns gestattet, vom Schiffsvorrat eine Dose mit 50 Player-Zigaretten pro Woche für 1/6d oder eine ¼ Pfd.-Dose mit Capstan-Navy-Cut-Tabak und einige Rizla-Zigarettenpapiere zum entsprechenden Preis zu kaufen. Wir nahmen normalerweise den Tabak, weil wir, wenn wir dünne Zigaretten drehten, mehr als 50 herausbekamen, auch wenn sie am Ende der Woche oft wirklich sehr dünn waren.

Die Unterkunft der Kadetten auf der Australia war hinten auf dem Zwischendeck des hinteren Laderaums. Sie bestand aus zwei großen Schlafkajüten mit je 18 Kojen, eine auf jeder Seite mit einer Messe zwischen ihnen. Vor der Steuerbord-Kajüte war eine Kajüte mit drei Kojen für die Petty Officers (Verantwortliche für eine kleine Gruppe von Mannschaftsdienstgraden, Anm. d. Übers.). Auf der Backbordseite war eine ähnliche Kajüte, die als Pantry für die Essensausgabe benutzt wurde. Waschräume und Toiletten befanden sich in einem Deckhaus direkt darüber auf Deck.

Die 39 Kadetten waren in zwei Wachen eingeteilt, back- und steuerbord gemäß ihrer Unterbringung, jede Wache hatte einen eigenen Cadet Petty Officer und zusätzlich gab es einen Cadet Chief Petty Officer. Es war auf See bei den langen Strecken nach Australien üblich, dass die Wachen im wöchentlichen Turnus als Deckwache und Schulwache wechselten. Beide Wachen trafen sich vor dem Frühstück um die Decks zu waschen, nach dem Frühstück blieb eine Wache unten, um mit dem Ausbildungsoffizier zu lernen und die andere übernahm die normalen seemännischen Arbeiten und unterstützte Quartiermeister, Brückenwachen und nächtliche Ausgucke im Krähennest.

Sonntags auf See wurden beide Wachen in voller Uniform an Deck zum Sonntagsappell vom Kapitän, begleitet vom ersten Offizier, dem Ausbildungsoffizier und dem Schiffsarzt gemustert. Nach dieser Musterung ging der Kapitän unter Deck und inspizierte die Unterkünfte in Begleitung der Petty Officers. Dazu trug er weiße Handschuhe und wehe uns, wenn sein Finger auf Balken, in Ecken oder Ritzen Staub oder Dreck fand. Diesem Stubenappell folgte ein kurzer Gottesdienst, von dem die Katholischen ausgenommen waren.“

Australia (ship) under Harbour Bridge, 1932

Die „Australia“ unter der Harbour Bridge in Sydney, Sammlung Richard Crow; https://www.benjidog.co.uk/recollections/Richard%20Crow2.html

In der Folge beschreibt Crow die Leiden der Erstfahrer, den Wettbewerb zwischen den Wachen und sportliche Wettbewerbe mit anderen in australischen Häfen.

Sein letzter Eintrag zum Schiff „Australia“ selbst lautet schließlich:

„Die nächste und letzte Reise der Australia als Schulschiff ging nach Kalkutta und nach unserer Rückkehr in UK, wurden wir in Falmouth auf die Nerbudda überstellt.“

Soweit die Erinnerungen des Richard Crow, die er 70 Jahre nach den Ereignissen zu Papier brachte und die deshalb nach so langer Zeit vielleicht nicht immer ganz genau sind.

„These memories are now some 70 years old and so may not be as accurate as I think they are.“

Nichtsdestotrotz geben Sie uns einen wertvollen Einblick in die längst vergangene Zeit der Dampfschifffahrt.

Anmerkung: Erstveröffentlichung des Beitrags hier im Blog am 25. September 2021

Lüneburg, exFreiberg, um 1926

Aus „Freiberg“ wird „Lüneburg“

Warum ein Schiff der Deutsch-Australischen Dampfschiffs-Gesellschaft zwei Namen hatte

Titelbild: Lüneburg (1914), DADG.- Deutsch-Australische Dampfschiffs-Gesellschaft, Hamburg, Peter Tamm Sen. Stiftung, https://www.deutsche-digitale-bibliothek.de/item/EEEMRBQJLSOJTFSOMZQPWHEWLQCXA4EB, https://creativecommons.org/licenses/by-nc/4.0/

Die Tatsache, dass ein Schiff im Lauf seiner Existenz mehrere Namen besitzt, ist sehr alltäglich. Ungewöhnlich hingegen ist, dass die Reederei eines ihrer Schiffe einen neuen Namen gibt. Warum das damals so war, darüber informiert dieser Blogartikel.

Die Deutsch-Australische Dampfschiffs-Gesellschaft (DADG) hatte viele ihrer Schiffe nach deutschen Industriestädten benannt, in den Firmen beheimatet waren, die entweder Versender oder Empfänger von Gütern waren, die mit der Reederei befördert wurden.

„Freiberg“ war eines der letzten Frachtschiffe der DADG, die vor dem Ersten Weltkrieg für die Reederei noch in Fahrt kamen. Das Schiff war auf der Tecklenborg-Werft in Geestemünde gebaut wurden und nahm seinen Service am 11. April 1914 auf.

Später im Jahr 1914 wurden nur noch „Ulm“ und „Lübeck“ in Dienst gestellt, über beide hatte ich hier im Blog ausführlich berichtet. SIEHE: Die „Ulm“ in Ambon (Teil 1 von 2), Die „Ulm“ in Ambon (Teil 1 von 2) und Das Projekt DigiPEER

Mit diesen beiden Schiffen teilte „Freiberg“ das Schicksal, auf der ersten Fahrt nur bis Niederländisch-Indien zu gelangen und dort nach dem Ausbruch des Krieges interniert zu werden. Für die „Freiberg“ war dies der Hafen Soerabaya auf Java, in dem das gerade einmal drei Monate alte Schiff die Kriegsjahre verbringen musste.

Kalimas Surabaya, ca. 1913
Soerabaya, Neuer Krahn am Kalimas, Ansichtskarte, Deutsch-Australische Dampfschiffs-Gesellschaft, Aufnahme undatiert, Karte ungelaufen, veröffentlicht 1913; eigene Sammlung

Im Jahr 1919 ging „Freiberg“ als Kriegsentschädigung an die britische Regierung, die das Management des Frachtdampfers der British India Steam Navigation Company überließ.

1921 wurde „Freiberg“ innerhalb Englands an Montgomery and Workman verkauft und umbenannt in „City of Sydney“.

Im Jahr 1923 schließlich kaufte die DADG ihr altes Schiff zurück:

Freiberg Sold 1923
Former Steamer Freiberg Sold, The Sydney Herald, 24. November 1923, S. 18; über trove.nla.gov.au

Die Information in der Zeitungsmeldung, dass die DADG mittlerweile ein anderes Schiff „Freiberg“ genannt hätte, ist zwar nicht ganz zutreffend, erklärt aber, dass der Name „Freiberg“ nicht wieder verwendet werden konnte.

Im März 1923 hatte die DADG nämlich den Passagier- und Frachtdampfer „Freiburg“ in Dienst gestellt. Der Betrieb zweier fast namensgleicher Schiffe hätte nur Verwirrung gestiftet. Ein Beleg dafür ist eine Zeitungsmeldung des Moree Gwydir Examiner and General Advertiser, der den neuen Dampfer „Freiburg“ als „Freiberg“ benennt.

Freiburg, first German passenger ship to Australia 1923
First German Passenger Ship, Moree Gwydir Examiner and General Advertiser, 2. Juli 1923, S. 2, über trove.nla.gov.au

Wiederaufnahme der Passagierfahrt

Der Meldung nach war „Freiburg“ das erste deutsche Schiff, das nach dem Ersten Weltkrieg wieder Passagiere nach Australien beförderte. Mit einer Ankunft in Sydney am 29. Juni 1923 hatte es also fast fünf Jahre gebraucht, dass ein deutsches Schiff wieder mit Fahrgästen in einem australischen Hafen festmachte.

Mit günstigen Tarifen versuchte die DADG den ausländischen Linien Konkurrenz zu machen. Die Ticketpreise von Sydney nach Europa werden zwischen 30 Pfund in der dritten und 55 Pfund in der ersten Klasse angegeben.

Zur Erinnerung: Die DADG hatte in ihrer Anfangszeit von 1889 bis 1894 Auswanderer nach Australien befördert, dieses Geschäft aber aufgegeben und sich in der Folgezeit ausschließlich auf den Frachtverkehr konzentriert.

Ein Novum für die Reederei war, dass nun erstmals Passagiere auch von Australien nach Europa befördert wurden. Allerdings blieb die Personenbeförderung nur ein Zusatzgeschäft. Die gemischten Passagier- und Frachtdampfer der DADG (sogenannte Kombischiffe) waren nur für wenige Fahrgäste ausgelegt. Die „Freiburg“ verfügte über eine Kapazität von lediglich 18 Fahrgästen. Bei den anderen Kombischiffen lag die Zahl ebenfalls nur zwischen 18 – 20 Passagieren.

Passengers on deck, SS Amsterdam, about 1910
Passagiere an Deck der SS Amsterdam, um 1910, Aufnahme von Frances Benjamin Johnston; Quelle: Library of Congress, Washington DC, https://www.loc.gov/resource/cph.3a50316/

Anmerkung: Ab 1923 wurden noch die Passagier- und Frachtdampfer „Essen“ (1923) und „Gera“ (1923) in Verkehr gebracht. „Duisburg“ (1925) war dann bereits ein Passagier- und Frachtmotorschiff mit einem MAN-Dieselmotor. 1926 ging die DADG mit allen Schiffen in der HAPAG auf. SIEHE: Schiffsregister: Löschung des Dampfschiffes „Fürth“

Lüneburg II

Nachdem der Name „Freiberg“ nicht verwendet werden konnte, erhielt das Schiff den neuen Namen „Lüneburg“.

Zwar hatte die DADG bereits 1912 ein Schiff gleichen Namens in Fahrt gebracht („Lüneburg I“), aber auch dies musste 1919 abgegeben werden und war seit 1920 als „Padua“ bei der großen britischen Reederei Peninsular & Oriental.

Luneburg steamer 1912
Frachtdampfer „Lüneburg“ (1912, Lüneburg I), Quelle: R. Schmelzkopf, Deutsch-Australische Dampfschiffs-Gesellschaft, Hamburg 1888 – 1926, Eigenverlag (Strandgut), Cuxhaven 1984, Aufnahme aus der Sammlung Vonarb

Insgesamt hatte die DADG 17 Schiffe in Fahrt, deren Namen im Lauf der Unternehmensgeschichte (1888-1926) doppelt vergeben wurden. Spitzenreiter bei den Namenspaten war mit drei Schiffen die Stadt Essen. Die dort ansässige Gussstahlfabrik dürfte ein sehr guter Kunde der Hamburger Reederei gewesen sein.

Krupp Essen about 1915
Eingang der Krupp-Werke in Essen, Aufnahme zwischen 1915-1920; Sammlung Bain News Service, Quelle: Library of Congress, Washington DC, https://tile.loc.gov/storage-services/service/pnp/ggbain/25300/25348v.jpg