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crew list Furth 1911 in Sydney

Dampfschiff „Fürth“: Die Mannschaft am 6. Juli 1911

Momentaufnahme in Sydney

Titelbild: Mannschaftsliste Dampfschiff „Fürth“, 6. Juli 1911, © State Records Authority of New South Wales, Shipping Master’s Office; Quelle: http://marinersandships.com.au/

Heute kann ich Ihnen nach langer Zeit mal wieder eine neue Mannschaftsliste des Dampfschiffes „Fürth“ präsentieren. Sie ist aus dem Jahr 1911.

Zu verdanken ist das Mary-Anne Warner und ihren freiwilligen, ehrenamtlichen Helfern und Helferinnen in Sydney, die Mannschaftslisten einlaufender Schiffe in Sydney von 1845 – 1922 einscannen und dazu noch eine Transkriptionsliste erstellen (siehe Abbildung am Ende des Beitrags) und diese im Internet allgemein verfügbar machen. Das Projekt ist schon sehr weit fortgeschritten und bis 1910 und auch für das Jahr 1922 schon abgeschlossen. Die Jahren 1911 bis 1921 sind noch nicht vollständig, werden aber weiter regelmäßig ergänzt.

Ohne dieses Projekt wären viele der hier im Blog veröffentlichten Artikel schlicht und einfach nicht möglich gewesen. Die Listen geben nicht nur Auskunft über die Mannschaften, sondern auch über die Ankunft der Schiffe im Allgemeinen, zumindest für den Hafen Sydney. An dieser Stelle noch einmal herzlichen Dank für diese fantastische Arbeit.

Die Original-Mannschaftslisten befinden sich bei der State Records Authority of New South Wales, sie mussten von den ankommenden Schiffen bei der Hafenbehörde (Shipping Master’s Office) abgegeben werden.

Darling Harbour, Pyrmont, about 1900

Darling Harbour, Sydney, im Vordergrund Hafenanlagen von Pyrmont, rechts die Pyrmont Bridge, um 1900; Quelle: Powerhouse Museum from Sydney über https://commons.wikimedia.org/wiki/File:Darling_Harbour,_1900.jpg

Ortsangaben

Die hier vorgestellte Liste ist aus einem bestimmten Grund besonders interessant. Sie enthält nämlich in der Spalte der Einträge des Geburtslandes bzw. der Geburtsstadt nicht nur den, in der damaligen Zeit üblichen Eintrag „Germany“. Der Ersteller der Liste hat sich vielmehr die Mühe gemacht, für jedes Mannschaftsmitglied auch die Geburtsstadt anzugeben.

Das war nur noch selten der Fall und für das Dampfschiff „Fürth“ ist es nur die Liste der Jungfernfahrt, die bislang diese Angaben enthalten hat. Alle späteren Listen enthalten nur noch die Nationalitäten, nicht aber die Geburts- bzw. Wohnorte.

Für die Ersteller der Listen war das natürlich eine willkommene Vereinfachung, aber aus heutiger Sicht ist die Angabe des Ortes eine wunderbare Gelegenheit, mehr über die Herkunft und Identität der Seeleute zu erfahren.

Die Liste selbst ist bunt durcheinander gewürfelt, eine Ordnung ist nicht zu erkennen. Im Folgenden ordne ich die Einträge der Übersichtlichkeit halber in Deck- und Maschinenmannschaft, wobei ich jeweils mit den Offizieren beginne.

Woolloomooloo Bay, Sydney 1910

Woolloomooloo Bay, Sydney, Postkarte, teilweise koloriert, gelaufen 1910; Quelle: National Museum of Australia, Ref.: 1986.0117.6471

Von Frederikstadt über Geelong

In der Titelzeile ist der Heimathafen des Schiffes (Hamburg) und der Name des Kapitäns, C B. Saegert angegeben. Saegert war von August 1907 bis Ende August 1912 verantwortlicher Schiffsführer der „Fürth“.

Die Tonnage der „Fürth“ ist ebenfalls im Eintrag vermerkt: 4229/2640 Tonnen (brutto und netto).

Als Abfahrtshafen ist Frederikstadt via Geelong eingetragen.

Es war die neunte Australienfahrt der „Fürth“ und die einzige, auf der das Schiff auf der Skandinavien -Linie der Reederei eingesetzt war. In Gothenburg/Schweden, Christiania (Oslo) oder Frederikstadt/Norwegen wurden große Holzmengen aufgenommen und nach Australien verschifft. Das war zum einen Bauholz und zum anderen Rohstoff für Papiermühlen (wood pulp). SIEHE Die „Fürth“ in Skandinavien  UND Die Barwon-Papiermühle in Fyansford, Geelong

Danish steamer Cambodia in Geelong

Norwegian Steamer Cambodia at Yarra Street Pier, c. 1905, unloads Baltic Timber at Yarra Street Pier. Quelle: Geelong Heritage Centre Main Photographic Collection

Mannschaftsstärke

Die Zahl der regelmäßigen Besatzung, einschließlich des Schiffsführers, sowie des ärztlichen, Maschinen-, Verwaltungs- und Dienstpersonals betrug für das Schiff „Fürth“ vierzig Personen. Diese Angabe ist in der Anzeige der Reederei betreffend Eintragung eines Schiffes in das Register für Schiffe gemacht worden. SIEHE: Der Bielbrief der „Fürth“ und die Eintragung ins Schiffsregister

Die Liste umfasst jedoch nur 36 Mannschaftsmitglieder plus Kapitän Saegert. Es ist daher sicher, dass dem Kapitän in den zuvor angelegten australischen Häfen Fremantle, Melbourne oder Geelong ein paar Seeleute abhandengekommen sind (siehe unten). Vor allem Melbourne und Geelong mit 10 und 11 Tagen Liegezeit boten reichlich Gelegenheit dazu.

Desertion war eine übliche Praxis und ein Prozentsatz von 15-25 % desertierenden Seeleuten nichts Ungewöhnliches. SIEHE: Dampfschiff „Fürth“: Tagebuch-Spezial – Deserteure, Einschleicher und wechselndes Personal

Passagiere waren keine an Bord, der Eintrag lautet daher „NIL“.

Kapitän und Decksoffiziere

Angaben zum Kapitän gibt es in den Mannschaftslisten in der Regel nicht, er war ja nicht Teil der Mannschaft, sondern deren Arbeitgeber. SIEHE: Die Musterrolle (Originaldokument aus den Jahren 1913/1914)

Ausnahmen bestätigen die Regel und aus einer Liste vom 21. März 1909 wissen wir, dass er zu diesem Zeitpunkt 56 Jahre alt war und dann am 6. Juli 1911 folglich 58 oder 59 gewesen sein muss. In der oben erwähnten Anzeige aus dem August 1907 war sein Wohnort mit Rostock angegeben worden.

Master C. B. Saegert, 56 years old, March 21, 1909

Kapitän C. B. Saegert, Unterschrift mit Altersangabe auf der Meldeliste für die Hafenpolizei in Syndey am 21. März 1909

Kapitän C. B. Saegert, Rostock

Ausschnitt aus Seite 4 der Anzeige für die Eintragung der „Fürth“ ins Schiffsregister; © Staatsarchiv Hamburg, Schiffsregisterakte Schraubendampfer Fürth, Registernr. 3656, Ref. 231-4_3005

Zu den Offizieren:

I. Offizier K. Alfred Steinorth, 35, Sund Wiese

Steinorth war langjähriger Offizier auf der „Fürth“.

Seit spätestens März 1909 war er zweiter Offizier und ab Dezember 1910 erster Offiizer. Er blieb es mindestens bis Januar 1914, bis er dann seinem Kapitän als erster Offizier auf das Schiff „Ulm“ folgte. SIEHE: Die „Ulm“ in Ambon (Teil 1 von 2) und Die „Ulm“ in Ambon (Teil 2 von 2)

Der ungewöhnliche Eintrag des Geburtsortes „Sund Wiese“ führt uns auf die Insel Zingst, wo ein Teil der Insel östlich des Ortes Zingst als Sundische Wiese bezeichnet wird. Dort gab es einige Gehöfte mit insgesamt 140 Einwohnern. Auch der Name Steinorth war dort verbreitet.

Sobald ich mehr über den Offizier Alfred K. Steinorth herausgefunden habe, werde ich darüber im Blog berichten.

Sundwiese, Zingst

Sundische Wiese, Meyers Orts- und Verkehrslexikon des Deutschen Reichs 1912; Quelle: Meyers Gazetteer, https://www.meyersgaz.org/place/20916031

Zweiter Offizier war L. Karl Albrech, 27, aus Wardow im Landkreis Rostock, dritter Offizier C. Alfred Hockenholz, 32 aus Gardelegen im Altmarkkreis Salzwedel (Sachsen-Anhalt) und vierter Offizier Eduard Ihlefeld, 28 aus Grevesmühlen, Landkreis Nordwestmecklenburg.

Ihlefeld hatte auch die vorherige Fahrt der „Fürth“ schon als vierter Offizier mitgemacht. SIEHE: Die Mannschaft der Fuerth

In dieser Liste aus dem Jahr 1910 gibt es auch einen K. L. H. Albrecht als zweiten Offizier, so dass ich davon ausgehe, dass wir es hier mit der gleichen Person zu tun haben. Ebenso der dritte Offizier, der in der Mannschaftsliste vom Dezember 1910 als C. A. Hackenholz eingetragen ist.

Sie sehen also, dass die Schreibweise von Namen (und Orten) in den Mannschaftslisten mit Vorsicht zu genießen ist. Das sollte man im Hinterkopf haben, wenn man sich auf die genealogische Suche macht.

Decksmannschaft

Erster Bootsmann der „Fürth“ war Friedrich Tomrop, 56, aus Windau. Er war damit der älteste an Bord. Die Stadt Windau im Kurland heißt heute Ventspils und gehört zu Lettland. Zweiter Bootsmann war der 30-jährige Willy Triest aus Berlin.

Heinrich Enoch, 24, aus Ellerbeck (Landkreis Osnabrück) war der Schiffszimmermann.

Unter den Vollmatrosen finden wir Eduard Netz (25) aus Rotzog, heute Rosocha, in Westpommern (im heutigen Polen), Otto Mertens (29) und Willy Jepsen (20), beide aus Hamburg, H. Ziemendorf (25) aus Wittenberge sowie den Deutschen Alexander Utechin (23, ohne Ortsangabe) und den Niederländer Floringh (49). Bei Floringh ist als Ort Smihle angegeben, eventuell ist das die Stadt Smilde.

Als Leichtmatrosen/Jungmänner waren Ernst Deiss, 17 aus Iserlohn und Dietrich Hagenah, 16 aus Stade an Bord und als Schiffsjunge („Moses“) Friedrich Kruse, 15 aus Kiel.

Auch bei den Matrosen ist die Schreibweise nicht immer gesichert. In der Liste der achten Reise (Dezember 1910) gibt es eindeutig auch W. Jepsen, Utechin finden wir als Utechen und Hagenah als Hagenach.

Koch war Th. Wilhelm Flüchter, 46 aus Ennigerloh im Kreis Warendorf (Münsterland), sein Assistent Otto Wursbech, 27 aus Stangerode (heute Teil der Stadt Arnstein, Landkreis Mansfeld-Südharz in Sachsen-Anhalt).

Flüchter war auch schon bei der vergangenen Fahrt an Bord, Kapitän Saegert wird wohl zufrieden mit ihm gewesen sein. Einen guten Koch zu finden, war nicht einfach. SIEHE: Dampfschiff „Fürth“: Bordverpflegung nach Musterrolle

Der Service oblag Karl Inka (1. Steward, 19) aus Eckartsberga (Burgenlandkreis in Sachsen-Anhalt) und Johannes Fechter, (2. Steward, 20) aus Amstetten. Die deutsche Gemeinde Amstetten liegt im Alb-Donau-Kreis in Baden-Württemberg. Ich würde allerdings auch das niederösterreichische Amstetten nicht ausschließen wollen. Auch die Länderangaben sind nicht immer korrekt.

boiler telegraph

Kesseltelegraf auf der Brücke – Bild symbolisch (Quelle: Pixabay)

Maschinenmannschaft

Als Chefingenieur war Phil. Josef Hess, 42 aus Rastatt (Baden-Württemberg) an Bord.

Es ist sicher keine Überraschung festzustellen, dass die meisten Mannschaftsmitglieder aus der Nordhälfte Deutschlands kamen. Hess bildete mit wenigen anderen eine Ausnahme.

Zweiter Ingenieur war Carl Gustav Wilke, 30, aus Hamburg, dritter Ingenieur Jonny Kesten, 24, aus Hemelingen, heute ein Stadtteil von Bremen. Als vierter Ingenieur war Jürgen Hensen, 25, aus Nordburg, Landkreis Celle an Bord.

Komplettiert wurden die Maschinisten durch die beiden Assistenten Johs. (Johannes?) Hoeck, 24, aus Flensburg und G. Barkow, 21. In der Liste steht Coxeburg, das allerdings nicht existiert. Eventuell ist Coburg gemeint?

Heizer auf der „Fürth“ waren am 6. Juli 1911 Julius Lust (30) aus Wernerheide (ev. in Bochum?), Albert Juch (30) aus Hermannsacker (Landkreis Nordhausen, Thüringen), Hans Harms (33) aus Hamburg und Johann Przywarka (25) aus Groß-Borek (Oberschlesien, heute Borki Wielki). Ferner August J. Queisser (30) aus Blumberg im Schwarzwald-Baar-Kreis, J. Carl Adelmann aus Rastatt und H. Gustav Seidel (37) aus Penig im Landkreis Mittelsachsen.

Für den Kohlennachschub sorgten die Kohlenzieher (Trimmer) R. Curt Richter (22) aus Cölln bei Meißen, Leopold Schlecher (25) aus München und Wilhelm Müller (32) aus Essen.

Zusammen macht das 10 Heizer und Trimmer. Hier war die „Fürth“ definitiv unterbesetzt. Normalerweise sollten das mindestens vierzehn Personen sein. Kapitän Saegert musste also in Sydney nachmustern.

Numerous vessels moored at Woolloomooloo wharf, including MANNHEIM to the left. Mai 1914

Dampfschiffe im Hafen von Wooloomooloo, Mai 1914, links im Bild die „Mannheim“, Deutsch-Australische Dampfschiff-Gesellschaft; Australian National Maritime Museum on The Commons, Object no. 00017565

Erkennen oder vermuten Sie einen Ihrer Vorfahren in der Mannschaftsliste? Alle Informationen, die Hinweise zu den auf dem Schiff gefahrenen Männern geben, sind herzlich willkommen.

Vielleicht geben noch vorhandene Aufzeichnungen oder Fotos noch weitere Details aus dem Alltag auf See bei der Kaiserlichen Handelsmarine im Allgemeinen oder sogar dem Schiff „Fürth“ im Speziellen preis.

Ich gebe die Hoffnung nach weiterem Material noch nicht auf, schließlich war auch der Fund des Schiffstagebuchs der „Fürth“ in Liverpool eine nicht vorhersehbare Entdeckung! SIEHE: Ein Logbuch der „Fürth” in Liverpool

crew list Fuerth, Sydney, July 6th, 1911

Mannschaftsliste Dampfschiff „Fürth“, 6. Juli 1911, Transkription der Originalliste des State Records Authority of New South Wales, Shipping Master’s Office; Quelle: http://marinersandships.com.au/

Ankunft deutscher Internierter aus Australien

Rückkehr in ein fremdes Deutschland

Auf der Suche nach den Deutschen aus Australien

Titelbild: Artikel aus den Hamburger Nachrichten; 21. Juli 1919; Quelle europeana.eu; der Name des Schiffes heißt richtig: „Willochra“ (siehe unten)

Über 6000 Deutsche wurden 1919 und 1920 aus Australien nach Deutschland abgeschoben. Davon waren etwa 5500 während des Krieges in Internierungslagern gefangen gehalten worden.

Nach Kriegsende waren die Deutschen in Australien nicht mehr willkommen und wurden mit Schiffen zurück nach Europa transportiert: Die Abschiebung Deutscher aus Australien

Unter ihnen befanden sich sowohl Deutsche, die bereits lange Jahre in Australien gelebt hatten, als auch Deutsche, die während des Ersten Weltkrieges in anderen Ländern des Commonwealth interniert worden waren und im Verlauf des Krieges nach Australien gebracht wurden. Das waren unter anderem Ceylon, HongKong oder Singapur.

Über den deutschen Geschäftsmann Jacob Jebsen, der sich bei Kriegsausbruch in HongKong befand, habe ich hier berichtet: Siehe: Der Schiffsoffizier Friedrich Meier – ein Nachtrag zu den Tagebucheinträgen

Ein anderes Schicksal, über das ich hier im Blog geschrieben hatte, war das der Familie Freudenberg, die bei Kriegsausbruch zunächst auf Ceylon gefangen gehalten wurde und später nach Australien gebracht wurde. Siehe: Freudenberg und Co. in Colombo

Auch Physikprofessor Hupka war auf Ceylon verhaftet worden und kam anschließend nach Australien. Siehe: Wie ein bekannter deutscher Physikprofessor auf die „Fürth“ kam

Ankunft von Graf Luckner in Hamburg

Artikel aus den Altonaer Nachrichten, 17. Juli 1919; Quelle europeana.eu; der Dampfer „Willoch” muss richtig „Willochra“ heißen

Unter den gefangen genommenen Deutschen waren auch die Besatzungen der Handelsschiffe. Die meisten von ihnen waren bei oder nach Kriegsausbruch in Australien festgesetzt worden. Über das Schicksal des Offiizers Friedrich Meier hatte ich ausführlich berichtet.

Andere Seeleute, wie die Besatzungen der Handelsschiffe „Fürth“ und „Australia“, die vor Ceylon gekapert worden waren, waren im Verlauf des Krieges nach Australien gebracht worden.

Zu den untenstehenden Abbildungen:

Die Titelseiten deutscher Tageszeitungen zwischen November 1918 und Dezember 1920 geben einen Eindruck von den Rahmenbedingungen, unter denen die australischen Rückkehrer nach Deutschland kamen: die neue Nationalversammlung, Generalstreiks und Putschversuche zeugen von der Instabilität der jungen Weimarer Republik.

Die Quelle der Zeitungstitel sind die Europeana Collections. Bei Interesse können Sie die zitierten Ausgaben dort vollständig abrufen.

Abdankung des Kaisers

Berliner Tagblatt, 9. November 1918; Quelle europeana.eu

10 Millionen Gefangene – 10 Millionen Vertriebene

Warum das Nachverfolgen der Spuren der aus Australien abgeschobenen Deutschen wie eine Suche nach der Nadel im Heuhaufen ist, mögen folgende Zahlen verdeutlichen:

Im Ersten Weltkrieg gab es etwa 10 Millionen Gefangene, davon 2 Millionen Zivilpersonen und 8 Millionen Soldaten.
Quelle: Prisoners of the First World War, ICRC Historical Archives; grandeguerre.icrc.org

Auch die in Europa durch den Ersten Weltkrieg vertriebenen Personen werden auf die diese Anzahl geschätzt:

„Die politischen Veränderungen durch die Friedensverträge ließen In Europa etwa zehn Millionen Menschen unfreiwillig die Grenzen überschreiten.“
Zitat aus: J. Oltmer, Flucht- und Zwangswanderungen in der Zwischenkriegszeit, Bundeszentrale für politische Bildung, bpb.de

Niederkämpfung der Putschisten

General-Anzeiger für Hamburg-Altona, 16. März 1920; Quelle europeana.eu

Für das, was von Deutschland noch übrig war, das „Rest-Reich“, bedeutete dies eine Zuwanderung von 120.000-150.000 Menschen aus Elsass-Lothringen und von 16.000 Zuwanderern aus den Deutschen Kolonien. Die größte Anzahl kam jedoch aus Osteuropa:

„bis Mitte 1925 zählte das Statistische Reichsamt 850.000 deutsche ‚Grenzlandvertriebene‘ aus den polnischen Westgebieten. Hinzu kamen die etwa 120.000 ‚Deutschstämmigen‘, die in den Kriegs- und Nachkriegswirren zwischen 1917 und 1921/22 aus dem ehemaligen Zarenreich ins Reich gekommen waren.“
(Zitat aus der gleichen Quelle)

Da fällt es auch wenig ins Gewicht, wenn von den letztgenannten 120.000 Deutschstämmigen etwa die Hälfte wieder ausgewandert ist (nach Übersee oder Rückwanderung nach Polen/UdSSR).

Der erste Tag des Generalstreiks

Berliner Börsen-Zeitung, 5. März 1919; Quelle europeana.eu

Die Auslandsdeutschen

Lange Zeit blieb das Schicksal der abgeschobenen Deutschen aus Ländern der Alliierten unerforscht.

Ein Historiker, der sich dieses Themas angenommen hat, ist Metthew Stibbe, Professor für moderne europäische Geschichte an der Sheffield Hallam University.

Im Folgenden greife ich auf Informationen aus seinem Aufsatz zurück:

Stibbe, Matthew (2020). A forgotten minority: the return of the Auslandsdeutsche to Germany in 1919-20. Studies on National Movements, 5, 144-183; Quelle http://shura.shu.ac.uk/

Als Auslandsdeutsche bezeichnet Stibbe Deutsche, die in westlichen Ländern der Allierten und deren Überseebesitzungen gelebt hatten und nach dem Ausbruch des Ersten Weltkrieges zu „enemy aliens“ geworden waren.

Damit gibt es eine klare Abgrenzung gegenüber den Zuwanderern aus ehemaligen Reichsgebieten und den Kolonien (Kolonialdeutsche). Allerdings schließt Stibbe die große Gruppe der Bewohner Elsass-Lothringens in die Kategorie der Auslandsdeutschen mit ein:

„Also included here are the more than 200,000 German victims of the French épuration (‘purification’) measures in Alsace-Lorraine in 1918-20.

Die Versorgung Deutschlands mit Lebensmitteln

Berliner Börsen-Zeitung, 26. November 1918; Quelle europeana.eu

Ankunft in Rotterdam

Die aus Übersee abgeschobenen Deutschen kamen im Jahr 1919/1920 in der Regel mit Schiffen in Rotterdam an (siehe Titelbild), da die britische Seeblockade in der Nordsee bis zum Sommer 1919 andauerte. Auch nach dem Ende der Blockade wurde Rotterdam weiter angelaufen, erst zu Beginn des Jahres 1920 wurde Rotterdam von Hamburg als wichtigster Hafen für die Rückwanderer aus Übersee abgelöst.

Stibbe zitiert für Rotterdam folgende Zahlen:

Über 11,807 Deutsche kamen hier zwischen dem 7. April und dem 1. August 1919 aus Übersee an, 3014 von ihnen ohne Papiere.

Unter ihnen auch Deutsche aus Australien. Allerdings waren bis zum 1. August 1919 erst zwei Schiffe in Rotterdam angekommen, die „Willochra“ und die „Kursk“ mit insgesamt etwa 1.700 Deutschen. Die anderen Dampfer erreichten Rotterdam erst nach dem 1. August 1919.

Der erste Tag der Nationalversammlung, Eberts Eröffnungsrede

Berliner Tagblatt, 6. Februar 1919; Quelle europeana.eu

Kühler Empfang

Im Gegensatz zu den heimkehrenden Soldaten, die in der Öffentlichkeit als Helden gefeiert wurden, war der Empfang der Auslandsdeutschen weitaus weniger euphorisch:

The reception that the expellees received upon crossing the border into Germany in 1919 or 1920 was often cold and bureaucratic.

Von offiziellen Stellen würden die Rückkehrer oft als unwillkommene Last auf die vorhandenen Wohlfahrtseinrichtungen angesehen. Eine Beschwerde, die der Vorsitzende der Reichsstelle für deutsche Rückwanderung und Auswanderung an verschiedene Regierungsvertreter formuliert hatte.

Interessengruppen, die sich für die Auslandsdeutschen einsetzten waren der 1919 in Düsseldorf gegründete Hilfsbund für Auslandsdeutsche, der Schutzbund der im Feindesland durch Kriegshandlung geschädigten Zivilpersonen, der Volksbund zum Schutze der deutschen Kriegs- und Zivilgefangenen (Berlin) oder der Bund der Auslandsdeutschen.

Die Identifizierung der Auslandsdeutschen bereitete große Schwierigkeiten, da diese Gruppe sehr verschiedenartig zusammengesetzt war:

“Civilian prisoners, however, had diverse interests and a more complicated legal status, which meant that repatriation was often involuntary and combined with loss of property, family separation and destitution.”

Terror in den Straßen Münchens

Berliner Tagblatt, 15. April 1919; Quelle europeana.eu

Für die Rückkehrer waren im Deutschen Reich Lager errichtet worden. Für Ankommende aus Übersee über Rotterdam dürften die Lager Essen und Münster in Nordrhein-Westfalen die zentralen Anlaufstationen gewesen sein. Die Rückkehrer verblieben dort im Schnitt ein bis zwei Monate. Diese Lager wurden Ende 1920 wieder geschlossen, während die Lager an den deutschen Ostgrenzen bis 1923, teilweise bis 1925 weiterexistierten.

Die Wahrnehmung der Auslandsdeutschen verschwand bereits nach 1920 wieder aus der Öffentlichkeit. Die Gruppe war zu klein und auch zu heterogen im Vergleich zu heimkehrenden Soldaten oder Deutschen aus Polen. Außerdem machte die Anwesenheit der Auslandsdeutschen dem Deutschland der Weimarer Republik schmerzlich seine neue Situation in Europa bewusst:

„But the emotional response to the loss of extra-territorial networks and transnational relationships represented by the Auslandsdeutsche – whether of the religious, associational, linguistic or commercial kind – was far more muted, reflecting Weimar Germany’s uncomfortable and ambiguous position as a ‘postcolonial nation in a still-colonial world’ ”.

Die Gefahr eines tschechischen Angriffs

Berliner Tageblatt, 20. Februar 1919; Quelle europeana.eu

Suche nach Einzelschicksalen

Haben Sie Vorfahren, die aus Australien oder anderen Überseegebieten des Commonwealth nach Beendigung des Ersten Weltkrieges ausgewiesen wurden?

Ich freue mich über jede Information, die Auskunft über das Schicksal dieser Heimkehrer gibt, die nach dem Krieg nach Deutschland zurückmussten. Auch über die Besatzungen deutscher Seeleute, die nach dem Krieg wieder nach Deutschland zurückdurften.

Beide Gruppen dürften die Rückkehr nach Deutschland komplett unterschiedlich empfunden haben.

Aber selbst bei dieser Einteilung in zwei Gruppen muss man sehr vorsichtig sein: Ich hatte darüber berichtet, dass bei den Schiffsbesatzungen die Zahl derer, die in Australien desertierten, mit 20 bis 25 Prozent sehr hoch lag.

Daher dürfte auch für diese Deserteure und ehemaligen Seeleute, die sich in Australien ein besseres Leben erhofft hatten, die Rückkehr nach Deutschland wenig erfreulich gewesen sein. Siehe dazu: Dampfschiff „Fürth“: Tagebuch-Spezial – Deserteure, Einschleicher und wechselndes Personal

Die Gegenrevolution niedergezwungen!

Berliner Volks-Zeitung, 24. März 1920; Quelle europeana.eu

Holsworthy Camp, NSW, Australien, WW1

Das Internierungslager Trail Bay – Die Geschäfte der Gefangenen

Und jetzt die Werbung

Titelbild:
„Ladenzeile“ im Holsworthy Camp (Liverpool Camp) um 1916; Australian War Memorial Collection, Canberra; Ref: H17376; public domain

Heute macht der Blog eine Werbepause!

Da der Blog rein persönlich und ohne jegliches kommerzielles Interesse ist, gibt es ganz besondere Werbung mit Bezug zu bereits veröffentlichen Blogartikeln.

Keine Angst also, Sie werden nicht verleitet etwas zu kaufen. Alle folgenden Werbeanzeigen sind von sehr kurzlebigen Unternehmungen, die schon lange nicht mehr existieren.

Trial Bay Internment Camp

Über das australische Lager Trial Bay hatte ich anhand der Tagebucheinträge des Schiffsoffiziers Friedrich Meier hier im Blog ausführlich berichtet.
SIEHE: Trial Bay Camp – Gefängnis am Strand (Teil 1 von 2) und
Das Trial Bay Internierungslager in New South Wales/Australien (Teil 2 von 2)

Das Lager bestand von August 1915 bis Mai 1918 an der Ostküste von New South Wales und beherbergte etwa 500 Personen, meist Angehörige der australischen Oberschicht, Schiffsoffiziere deutscher Handelsschiffe sowie Gefangene aus deutschen Überseegebieten, wie zum Beispiel Deutsch-Neuguinea oder Samoa. Außerdem waren Deutsche aus britischen Besitzungen in Asien dorthin gebracht worden, wie aus Ceylon oder Hong Kong.

Eine Besonderheit der Inhaftierung war, dass es den Gefangenen erlaubt war, eigenen Geschäftstätigkeiten nachzugehen.

Die Unternehmer machten ihr „Business“ den Mitgefangenen bekannt, wozu sie ein „lagereigenes Medienunternehmen“ nutzten: Die Welt am Montag.

Die Welt am Montag war eine Zeitung, die zweiwöchentlich von einigen Gefangen herausgegeben wurde, und die sich wie jede andere Zeitung auch, durch den Verkauf von Abonnements und Anzeigen finanzierte. Auch dies also ein kleines Wirtschaftsunternehmen.

Die Zeitung beschäftigte sich redaktionell von der weltpolitischen Lage bis hin zum Lagerleben. Feste Bestandteil waren die Veröffentlichung des Wochenprogramms (Theater, Vorträge usw.), Anzeigen von den Geschäftsleuten im Lager, private Kleinanzeigen, ein Schachproblem und anderes mehr.

Die Sammlung der 42 Ausgaben befindet sich in digitalisierter Fassung in der State Library of New South Wales in Sydney:

Box 13: Trial Bay Welt Am Montag, Published by German Prisoners at Trial Bay Internment Camp, 1 October 1916-22 December 1918, 1AD.

In der Folge präsentiere ich einige der Geschäfte und ihre Werbung.

Trial Bay Gaol 1917

Trial Bay Camp, Aufnahme 1917; Quelle: Mitchell Library, State Library of New South Wales, file number FL1503963

Gereimte Werbung

Mir persönlich gefällt besonders Werbung in Reimform, wie sie damals von vielen Unternehmen genutzt wurde, um sich in das Gedächtnis der Menschen einzuprägen.

In den zwanziger Jahren warb ein Hersteller von Haushaltgeräten beispielsweise mit dem eingehenden Spruch: „Miele, Miele sagte Tante, die alle Waschmaschinen kannte“.

Oder ein anderes schönes Beispiel: „Feuer breitet sich nicht aus, hast du Minimax im Haus“.

Nachteil dieser flotten Sprüche war, dass der sogenannte Volksmund die gereimten Werbeslogans regelmäßig sehr kreativ weiterentwickelte, wie zum Beispiel: „Aber Minimax ist Mist, wenn du nicht zuhause bist.“

1915 versuchte sich ein kreativer Obsthändler in Trial Bay an dieser Art Werbung:

STETS FRISCHE FRUECHTE!!!

Im Appelladen, klein und eckig,
Ein blonder Hunne, lang und speckig,
Hat bestes Obst dort zu verkaufen;
Drum eilet Euch und kommt gelaufen!

ZU SAISONPREISEN!!!

Die Obstbude.

Der Begriff „Hunne“ ist eine Anspielung auf den Schimpfnamen „the Huns“, den die australischen Medien nach Ausbruch des Ersten Weltkrieges regelmäßig für die Deutschen verwendeten.

Frischobst war in den Rationen für die Gefangenen nicht vorgesehen und so könnte ich mir vorstellen, dass sich frisches Obst gut verkaufen ließ – vorausgesetzt es war einigermaßen bezahlbar.

Trial Bay Gaol WW1

Korridor im Hauptgebäude, Trial Bay Camp; Quelle: Mitchell Library, State Library of New South Wales, file number FL1503992

Auch der Geschäftsmann Armleder setzte mit seiner Wäscherei auf gereimte Werbung:

WAESCHEREI – „SORGFALT“ – WAESCHEREI

Wenn Sie bei „Sorgfalt“ abonnieren,
Koennen Sie niemals Geld verlieren.
Wir waschen auch fuer billig Geld,
So – dass die Waesche ewig haelt!

6/9 per Monat. – Staerken extra.
Spezialitaet: Anzuege chemisch rei-
nigen und aufbuegeln.

Armleder

Die Preise der Wäscherei

Der Preis des Wäsche Abonnements war in der im Commonwealth üblichen Schreibweise 6/9 angegeben, was 6 Shilling und 9 Pence bedeutet.

Zur Erinnerung: 1 Pfund waren 20 Shilling und 12 Pence wiederum 1 Shilling. 1 Shilling entsprach ziemlich genau einer Mark (Stand bis 1914, also vor dem Ersten Weltkrieg).

Zum Vergleich: Für den (freiwilligen) täglichen Arbeitseinsatz erhielten die Gefangenen pro Tag 1 Shilling. Der Schiffsoffizier Friedrich Meier erhielt vom Norddeutschen Lloyd monatlich 2 Pfund, also 40 Shilling Gehalt.

Wäsche waschen lassen musste man sich also leisten können. Gefangene ohne große finanzielle Mittel werden es selbst gemacht haben.

Eine später erschienene Anzeige der Wäscherei Sorgfalt gibt etwas mehr Einblick in den durchschnittlichen Kleidungsbedarf der Häftlinge:

Wenn Sie pro Woche brauchen: 3 Hemden (9d) 3 Hosen (9d) 3 P. Socken (3d) so bezahlen Sie im Monat dafür 7/-!

Unser Abonnement kostet nur 6/9!!
Sie haben also Nachtanzuege, Taschentuecher, Bettzeug etc. GRATIS!!

Weitere Wäschereien

Neben der Wäscherei Sorgfalt gab es noch die Wäscherei Edelweiß als zweites Unternehmen, dass Reinigungsdienste anbot. Es ist ein Hinweis darauf, dass viele Herren auch in Gefangenschaft auf ein korrektes Äußeres Wert legten (und Geld hatten, waschen zu lassen).

Hier die Anzeige des Wettbewerbs:

WAESCHEREI „EDELWEISS“
empfiehlt sich zum
WASCHEN – STAERKEN – BUEGELN
REINIGEN und AUFBUEGELN
von HERRENGARDEROBE.

Das offenbar gut laufende Geschäft rief später einen weiteren Konkurrenten, Herrn Kaspar & Co., auf den Plan:

NEUE WAESCHEREI!

Empfehlen dem Lager unsere neueroeffnete Waescherei. Aeusserst billige Preise! Zuverlaessigste Bedienung! Sorgfaeltige Behandlung!

KEINE BUERSTE – KEINE CHEMIKALIEN
NUR HANDARBEIT!

Spezialitaet:
Waschen von Schlafdecken!
je nach Groesse von 6d bis 1/-
Kaspar & Co.

Trial Bay WW1

Waschtag im Trial Bay Camp; Quelle: Mitchell Library, State Library of New South Wales, file number FL1503985

Alle Anzeigen waren mit der Schreibmaschine getippt. Es war offensichtlich eine britische Maschine, denn Umlaute waren nicht vorhanden. Heraushebungen wurden mit Großschreibung oder mit gesperrtem Text gemacht, wobei ich auf eine gesperrte Wiedergabe hier im Blog verzichtet habe.

Schneider und Schuster

Die von der australischen Regierung ausgegebene Kleidung war sehr knapp bemessen. Diesen Eindruck vermitteln zumindest die Tagebücher. Deshalb konnten sich auch Schneider und Schuster im Trial Bay Camp etablieren. Eine Schneiderei wurde von den Herren Beuermann und Boll betrieben:

SCHNEIDEREI.

Anfertigung nach Mass unter
Garantie fuer tadellosen Sitz,
sowie saemtliche Reparaturen
uebernehmen gut & billigst
BEUERMANN & BOLL

Weniger auf Anfertigungen, sondern auf Änderungen und Ausbesserungen dürfte Herr Schlichting spezialisiert gewesen sein, der zudem noch einen Second-Hand-Shop betrieb:

Fuer saemtliche im Fach vorkommende Schneider-Arbeiten empfiehlt sich:

ADOLF SCHLICHTING.

Gleichzeitig empfehle ich mich zum An-& Verkauf von Sachen aller Art!

Was für die knappe Kleidung galt, war für Schuhe nicht anders. Oft waren die von der Lagerleitung ausgegeben Schuhe aus zweiter Hand und wer es sich leisten konnte, gab eigenes Schuhwerk in Auftrag. Herr Primke machte das möglich:

SCHUHE ! ! STIEFEL ! ! SANDALEN ! !

NUR BESTES MATERIAL.

Anfertigung saemtlicher Schuhwaren
nach MASS unter Garantie
für tadellosen Sitz.
REPARATUREN GUT UND BILLIG!

Primke

Trial Bay Camp a7247041h

Theaterstück “The King’s Order” mit Friedrich dem Großen (sitzend); Trial Bay Camp, Quelle: Mitchell Library, State Library of New South Wales, file number FL1504040

Friseure und Apotheker

Wer nun schick eingekleidet war, für den gab es auch die Möglichkeit, sich im Friseursalon von Heidrich und Behrent entsprechend frisieren zu lassen. Natürlich durften dort auch Zeitungen und Illustrierte nicht fehlen.

BARBIER-& HAARSCHNEIDE SALON
(Heidrich & Behrent)

Geoeffnet :
Vorm: 7 – 10.30
Nachm: 1.30 – 5

Angenehmer Aufenthalt
Sechs Herren gehen auf eine Bank!
Saemtliche Tageszeitungen!
Neueste illustr. Blaetter !!!

Toiletten-Artikel.

Die beworbenen Toilettenartikel wiederum wurden von zwei anderen Herren hergestellt, die sie entweder direkt anboten und auch im Friseursalon verkauften:

Pfefferminz-Camphor-Carbol
Zahnpulver
Aromatische Zahnpasta!
Zahnwasser
Bor Talcumpuder
Eiskopfhaarwasser – Jakobin
Shampooloesung – Lanolin

Zu haben bei :

GIESE, A.58 A. KUBY, E.9

Im Barbierladen.

In einer späteren Ausgabe der Welt am Montag lautete die Anzeige wie folgt:

Aromatische Zahnpasta!
Unuebertroffen an Wohlgeschmack, Desinfektionskraft und Billigkeit!!
JAKUBIN!!!
(Lanolin-Paraffinemulsion)
Mit Baryum nach wissenschaftlicher erprobter Vorschrift von Dr. Jacob. Das beste und sparsamste Heilmittel!
Herabgesetzter Preis: 1/-.

A. Kuby & E. Giese
Apotheker.

Wellness

Sogar Schwitzbäder und Massagen waren im Camp im Angebot. Offeriert hat sie der Unternehmer Raetzsch:

MASSAGE!
Koerpermassage – Gesichtsmassage.

Spezialitaet:
Behandlung von Magen-& Nervenleiden.

SCHWITZBAD!!!
Sorgsamste Behandlung.

A.E. Raetzsch

Für viele Gefangene waren Schwitzbäder offenbar etwas unbekanntes, weshalb es Raetzsch in einer späteren Anzeige ausführlich erklärte:

HEISSLUFTBAD: Das roemische Heissluft- oder Schwitzbad bezweckt vor allem die Oeffnung der Hautporen und eine beschleunigte und staerkere Absonderung der im Koerper vorhandenen Giftstoffe. – Seife und Wasser vermoegen nicht dieselbe gruendliche Reinigung der Hautporen zu erzielen, wie es bei einem Heissluftbad der Fall ist. – Der Gebrauch des Schwitzbades ist absolut unschaedlich und hinterlaesst ein angenehmes Gefuehl der Erfrischung des ganzen Koerpers. –
Die Baeder, mit oder ohne Massage, koennen zu jeder Tageszeit verabreicht werden.

Uhrmacher und Juwelier

Erstaunlich finde ich die Tatsache, dass es im Lager Trial Bay auch einen Uhrmacher und Juwelier gab, das Unternehmen Fröhlich und Sethmacher:

FROEHLICH & SETHMACHER
Uhrmacher & Juweliere.

Reparaturen und Neuanfertigungen
werden sauber und gewissenhaft ausgefuehrt.

GROSSES LAGER IN EDELSTEINEN, UHREN, usw.

In einer späteren Anzeige spezifizieren die Unternehmer ihren Edelsteinvorrat:

Neues Lager von EDELSTEINEN: OPALE – TURMALINE – PERIDOTS.

Es handelt sich um drei Edelsteine, die in Australien vorkommen. Am bekanntesten davon sind die Opale aus Coober Pedy, einer Stadt im südaustralischen Outback. Die Suche nach Opalen begann hier um 1916.

Außerdem hatte sich die Geschäftstätigkeit der Herren sogar über das Lager Trial Bay hinaus ausgeweitet und es wurden zusätzlich Lederwaren aus dem Lager Liverpool gehandelt.

Neue Sendung von PORTEMONNAIES und BRIEFTASCHEN
im Liverpool-Lager angefertigt!!

Holsworthy (Liverpool) Camp, WW1

Schuppen mit verschiedenen Werkstätten, rechts vorne ein Hersteller von Lederwaren, im Holsworthy Camp (Liverpool Camp); Australian War Memorial Collection, Canberra; Ref: H17377; public domain

Fotografie

Über den Fotografen Dubotzki hatte ich bereits berichtet. Er war nach Kriegsausbruch im Lager auf Torrens Island bei Adelaide gefangen gehalten worden und konnte auch dort schon seinem Beruf nachgehen.

Ihm war es, zusammen mit dem Boxer Frank Bungardy zu verdanken, dass die Missstände in diesem Lager nach außen drangen und der Öffentlichkeit bekannt wurden. SIEHE: Auf den Spuren der Seeleute des Dampfschiffes „Fürth“

In Trial Bay konnte er ebenfalls fotografieren und hatte sich ein Fotoatelier eingerichtet:

WERKSTAETTE
fuer
BILDMAESSIGE PHOTOGRAPHIE.

Aufnahmen von
Visitgroesse bis zu 40/30 cm

VERGROESSERUNGEN JEDER ART.

F. Dubotzki

In einer später erschienenen Anzeige macht Dubotzki Angaben zu seinen Tarifen:

P.F. Dubotzki
empfiehlt Aufnahmen jeder Art!

VISISTGROESSE
Aufnahme mit:
12 Bildern – 8/6
6 Bildern – 5/-

KABINETTGROESSE
Aufnahme mit:
12 Bildern – 17/6
6 Bildern – 10/-

Anmeldungen fuer Portraits erbitte ich durch Bestellscheine im Kasten bei der Dunkelkammer aufzugeben.
! Naechster Aufnahmetag voraussichtlich am 30. Nov. !

Das Visitformat bezeichnete Fotos mit einer Größe von etwa 6 cm x 9 cm; das Kabinettformat solche von etwa 10 cm x 15 cm. In einer anderen Anzeige bot Dubotzki beide Formate – gegen Aufpreis – auch auf grünem Karton an.

Paul Dubotzki

Plattenkamera der Marke Globus von Paul Dubotzki im Heimatmuseum Dorfen; https://commons.wikimedia.org/wiki/File:Heimatmuseum_Dorfen_16.jpg

Zahnarzt

Im Trial Bay Internierungslager gab es sogar eine zahnärztliche Praxis. Ganz im Sinne des Eids von Hippokrates war ein Angebot für mittellose Lagerinsassen inbegriffen:

Bekanntmachung !

Meinen werten Kriegskameraden mache ich hiermit bekannt, dass die
Ordinationsstunden fuer Zahnleidende wie folgt festgesetzt sind:

Vorm: 9 Uhr – 11.30
Nachm: 1.30 – 3.00

Sonnabend: 9 – 12 Uhr
Sonntag: geschlossen

Poliklinik fuer Unbemittelte: Dienstag & Freitag 2-3 Uhr.

Preise: Fuellungen 7/6
(Porzellan & Amalgam)

Kronen von £ 1.5 an
Extraktionen  – 1.6

KUENSTLICHE GEBISSE UND BRUECKEN-ARBEITEN nach Uebereinkunft.

Kukulus & Pap.

Billard

Im Lager Trial Bay – und sicher auch in den anderen Lagern – wurde viel gespielt. Kartenspeielen und Würfeln waren beliebte Zeitvertreibe.

Allerdings darf nicht verschwiegen werden, dass einige Gefangene über ihre Verhältnisse Geld beim Spiel „verzockt“ haben und bei ihren Kameraden oft verschuldet waren. Spielsucht war ein Problem.

Siehe dazu das Tagebuch des Gefangenen Otto Wortmann. Wortmann war Pflanzer in Deutsch-Neuguinea. Im Lager hatte er bei seinen Kameraden regelmäßig Spielschulden. https://www.sl.nsw.gov.au/collection-items/otto-wortmann-internment-camp-papers-23-march-14-july-1916

Auch beim Billard dürfte es in der Regel um Geld gegangen sein. Herr Borchert machte Werbung für seine Billard-Halle:

BILLARD-HALLE.
(Besitzer: H. Borchert)

2 – Erstklassige Billards – 2

RUSSISCH POOL ! TEUFELS POOL !

SNOOKER.

Geöffnet von:

morgens 8 Uhr bis abends 9.30

Das Billardspiel erfreute sich offenbar großer Beliebtheit, später investierte Borchert in einen Neubau:

BILLARD-HALLE

Der Neubau sichert ein ungestoertes und ruhiges Spielen!!!
Spielzeit & Preise wie frueher!

BORCHERT

Trial Bay, WW1, Deutsches Lager

Trial Bay Camp, Café mit Billardtisch; Mitchell Library, State Library of New South Wales, file number FL1504086; out of copyright

Demnächst im Blog

Nicht nur in Australien wurden Deutsche während des Ersten Weltkrieges gefangen gehalten.

Zwei Schiffe der Deutsch-Australischen Dampfschiffs-Gesellschaft (DADG) suchten nach Kriegsbeginn Zuflucht in Portugiesisch-Ostafrika: die Dampfschiffe „Essen“ und „Hof“.

Nach dem Kriegseintritt Portugals im März 1916 wurden in Lourenço Marques (heute Maputo/Mosambik) deutsche Schiffsbesatzungen, aber auch Passagiere, Farmer, Geschäftsleute und in einem Lager der Stadt interniert.

Freuen Sie sich auf wenig bekannte, aber eindrucksvolle historische Aufnahmen aus den Jahren 1916-1919.

Kursk 1919 German deportees

Die Abschiebung Deutscher aus Australien

Rücktransport nach Deutschland (1919/1920)

Titelbild:
Abgeschobene Deutsche auf der “Kursk“, 1919, Quelle: Australian War Memorial, HO4148, public domain

Deutsche in Australien am Ende des Ersten Weltkrieges

Nach dem Ersten Weltkrieg wurden 6150 Personen, überwiegend Deutsche und Deutschstämmige, aus Australien abgeschoben. Ebenso betroffen waren Staatsangehörige Österreich-Ungarns.

Von den 6150 Menschen waren 5414 in Lagern interniert gewesen. Die übrigen waren Familienmitglieder (Frauen, Kinder), die vom Verteidigungsministerium (Defense Department) ebenfalls aufgefordert wurden, das Land zu verlassen.

Über 1000 Personen legten Beschwerde gegen die Abschiebung beim Commonwealth Alien Board ein, allerdings wurde nur 306 Anträgen stattgegeben.

Darunter waren 179 Personen, die vorher die australische Staatsbürgerschaft angenommen hatten oder in Australien geboren waren.

Alle anderen mussten das Land verlassen.

Quelle: http://www.migrationheritage.nsw.gov.au/exhibition/enemyathome/holsworthy-internment-camp/index.html

Darling Harbour, German deportees, 1919

Darling Harbour, Sydney, australische Soldaten bewachen die Ankunft eines Zuges mit deutschen Gefangenen am Kai bei der Einschiffung auf die „Kursk“; Quelle: Australian War Memorial, HO4144; public domain.

Die Abschiebung

Für den Rücktransport der unerwünschten Personen nach Europa waren von der australischen Regierung zehn Schiffe vorgesehen.

Offiziell trugen die Schiffe die Bezeichnung H.M.A.T., also His Majesty’s Australian Transport, zum Beispiel H.M.A.T. „Rugia“. Der Einfachheit halber lasse ich diese Bezeichnung in der Folge weg.

Ships for transport of German deportees 1919

Liste der Schiffe für den Rücktransport Deutscher aus Australien in den Jahren 1919/1920; Quelle: Australian War Memorial, AMW2019.8.46

Zielhafen der Schiffe war zunächst Rotterdam, da die britische Seeblockade deutscher Häfen bis über die Mitte des Jahres 1919 hinaus andauerte.

In der Folge gebe ich einige Informationen zu den Schiffen und den Fahrten. Es handelt sich dabei um ausgewählte Beispiele. Weder sind alle Schiffe erwähnt, noch alle Fahrten. Diese sollten sich bis in die Mitte des Jahres 1920 hinziehen und einige Schiffe unternahmen mehrere Fahrten.

Ferner habe ich darauf verzichtet, die Ankunftsmeldungen der Schiffe in den niederländischen Medien zu übersetzen. Ich denke, man kann den Inhalt auch ohne Kenntnisse des Niederländischen zumindest grob verstehen.

Das Lager Holsworthy, in dem viele Deutsche gefangen waren, bestand noch bis in das Jahr 1920 fort, der letzte Gefangene verließ das Lager am 5. Mai 1920.
Quelle: Holsworthy Internment Camp during Word War I, Beverley Donald 2014; dictionaryofsydney.org

Der Krieg war zu diesem Zeitpunkt fast achtzehn Monate vorbei.

„Willochra“

Das erste Schiff, dass Gefangene nach Rotterdam brachte, war die „Willochra“. Die Abfahrt aus Sydney war am 22. Mai 1919.

Dieses Schiff ist in australischen Unterlagen ebenfalls als His Majesty’s Australian Transport bezeichnet, dabei muss es eigentlich H.M.N.Z.T. heißen, also His Majesty’s New Zealand Transport.

Die „Willochra“ diente im Ersten Weltkrieg nämlich als Truppentransporter für neuseeländische Soldaten.

Auch im Sommer 1919 war das Schiff in Wellington abgefahren und hatte etwa 300 Gefangene an Bord, die aus Neuseeland abgeschoben worden waren. In Sydney wurde die „Willochra“ mit Deutschen „aufgefüllt“.

Zuvor mussten zahlreiche Österreicher, die von Neuseeland mit der „Willochra“ gekommen waren, das Schiff verlassen und wurden per Zug ins Holsworthy Camp gebracht. Für sie war ein anderer Transport nach Europa vorgesehen. (Quelle: The Sun, Sydney, 27. Mai 1919)

Austrian Internees 1919 Sydney harbour

Österreichische Gefangene gehen in Sydney von Bord der „Willochra“, The Sun, Sydney, 27. Mai 1919, S. 8. Die schwarzen senkrechten Streifen an der Schiffswand sind Teil des „Dazzle Painting“, einem Camouflage-Anstrich mit geometrischen Mustern.

Willochra

„Willochra“ in Camouflage, Quelle: Mackrell Papers, Manawatuheritage.pncc.govt.nz; ID 2018P_Mackrell-PapersS5F2_024577

Die Zeitung De Maasbode berichtete am 18. Juli 1919 über die Ankunft der „Willochra“ in Rotterdam und kündigt das nächste Schiff, die „Kursk“ an:

Willochra, Rotterdam, 1919

Zeitungsartikel über die Ankunft der „Willochra“ und die erwartete Ankunft der „Kursk“ in Rotterdam; De Maasbode, 18. Juli 1919, S. 3; http://www.delpher.nl

Die „Willochra“ fuhr am 20. Juli von Rotterdam nach London weiter, die begleitenden britischen Wachmannschaften gingen am 21. Juli 1919 in Tilbury von Bord.

Willochra

Die „Willochra“ in „zivilem Anstrich“, Aufnahme von Allan C. Green, Datum unbekannt (wahrscheinlich vor 1914), Quelle: State Library Victoria, BIB ID 1651329.

„Kursk“

Eine Woche nach der „Willochra“, am 29. Mai 1919, verließ die „Kursk“ den Hafen von Sydney. Sie erreichte Rotterdam am 28. Juli 1919.

Die „Kursk“ war ursprünglich ein russischer Passagierdampfer der Russian American Line. Nach der Oktoberrevolution kam das Schiff unter britische Flagge. Im Jahr 1921 wurde die „Kursk“ ein Schiff der Baltic American Line und in „Polonia“ umbenannt.

An Bord der „Kursk” befand sich auch Professor Erich Hupka, über den ich hier im Blog berichtet hatte, da er kurze Zeit im Hafen von Colombo auf dem Frachtdampfer „Fürth“ festgesetzt worden war: Wie ein bekannter deutscher Physikprofessor auf die „Fürth“ kam

„… Familie Hupka verließ Australien zusammen mit vielen weiteren Kriegsgefangenen am 29. Mai 1919 auf dem Truppentransporter „Kursk“, einem ehemaligen russischen Auswandererschiff. Auf dem überbelegten Schiff waren die hygienischen Zustände katastrophal. An den Folgen einer auch aus diesen Gründen an Bord ausgebrochenen Lungenpest verstarb unter anderem auch Dr. Erich Hupka. Er wurde zwei Stunden später in Höhe der südafrikanischen Stadt Durban dem Meer übergeben.“
Zitat aus: Deutsche im Ersten Weltkrieg in Ostasien und Australien von Gerhard Dannemann, 2018, Book on Demand (abgerufen über books.google.fr).

Ehefrau Therese kehrte mit ihrem Sohn Herbert über Rotterdam nach Oberschlesien zurück.

Kursk 1919, at sea

Die „Kursk“ auf See. Das Foto wurde während der Stunde aufgenommen, an denen die Männer einmal täglich ihre Ehefrauen (und Kinder) besuchen konnten. Quelle: Australian War Memorial, HO4145; public domain.

Kursk 1919, Durban, Johann Petersen, Gneisenau

Trauerfeier für den an Bord der „Kursk“ gestorbenen Torpedomatrosen von SMS „Gneisenau“ Johann Petersen in Durban; Quelle: Australian War Memorial, HO4149, public domain.

Petersen (geboren in Kiel am 14.3.1892) wurde auf dem Friedhof in Durban begraben; neben ihm Georg Boysen aus Flensburg. Insgesamt waren an Bord sechzehn Todesopfer zu beklagen.
Siehe dazu auch : https://historischer-kreis.de/erinnerungen-an-die-spanische-grippe-vor-101-jahren/

Kursk, Durban 1919

Während des Aufenthalts der „Kursk“ im Hafen von Durban wurden die deutschen Gefangenen täglich an den Strand „Bluff Beach“ begleitet. Quelle: Australian War Memorial, HO4146, public domain.

„Tras-os-Montes“

Das Schiff “Tras-os-Montes“ ist hier im Blog unter seinem alten Namen „Bülow“ hier im Blog schon einmal kurz erwähnt worden.

Die „Bülow“ war ein Schiff des Norddeutschen Lloyd Bremen, das bei Ausbruch des Krieges in Portugal festgehalten worden war und dann 1916 von Portugal übernommen wurde und den neuen Namen „Tras-os-Montes“ erhielt.

Der von der „Bülow“ abgemusterte Schlachter Max Heigold hatte sich mit dem Schmied Max Benkert Anfang Juli 1914 in Antwerpen an Bord der „Neumünster“ geschlichen. Die beiden blinden Passagiere hatten sich am 5. Juli 1914 bei Kapitän Herrmann gemeldet. SIEHE: Aus dem Logbuch des Schiffes „Neumünster“

Die erste Abfahrt der „Tras-os-Montes“ aus Sydney scheiterte, da kurz danach die Spanische Grippe an Bord ausbrach und das Schiff nach Sydney zurückkehren musste.

Tras os montes, spanish flu, 1919

Nach einem Influenza-Ausbruch musste die „Tras-os-Montes“ nach Sydney zurückkehren, Algemeen Handelsblad, 24. Juni 1919; http://www.delpher.nl

Die „Tras-os-Montes“ verließ Sydney schließlich am 9. Juli 1919. Über Albany und Port Natal (Durban) lief sie nach Rotterdam und schließlich nach London (Tilbury). Die Wachmannschaften verließen dort am 6. September 1919 das Schiff.

“Ypiranga”

Die “Ypiranga” verließ Sydney am 12. August 1919 und erreichte Rotterdam am 10. Oktober mit 943 Deutschen, davon 839 Männer, 60 Frauen und 44 Kinder.

Ypiranga 1919 in Rotterdam

Ankunft der “Ypiranga” in Rotterdam, Nieuwe Rotterdamsche Courant, 10. Okt. 1919; http://www.delpher.nl

Weitere Schiffe

Zum Abschluss dieses Artikels noch einige Meldungen aus der niederländischen Presse über die Ankunft anderer Schiffe mit deutschen Gefangenen in Rotterdam. Es sind dies die „Windhuk“, die „Rio Negro“, die „Valencia“ und die „Rugia“.

Die Abschiebung dauerte bis in den Sommer 1920 an. Laut The Australasian vom 12. Juni 1920 verließen 29 Deutsche mit dem Schiff „Main“ Australien.

Windhuk ship 1919

De Tijd: godsdienstig-staatkundig dagblad, 11.12.1919

Rio Negro 1919

La gazette de Hollande, 27. Okt. 1919

Valencia 1919

Haagsche Courant vom 12. Dez. 1919

SS Rugia 1919

La gazette de Hollande, 12.12.1919

Demnächst im Blog

Rückkehr nach Deutschland

Die Mannschaften der Deutschen Handelsmarine kehrten nach etwa fünf Jahren zu ihren Familien zurück.

Schwieriger war die Lage für diejenigen, die vor dem Krieg in Australien gewohnt hatten und jetzt in ein für sie fremd gewordenes Land zurückgeschickt worden waren.

Deutschland war nicht mehr das Land, das sie verlassen hatten und unter Millionen Vertriebenen und durch die Wirren des Krieges Geflüchteten waren die aus Australien Abgeschobenen eine kleine Minderheit.

Ihre Schicksale sind im Nachkriegsdeutschland untergegangen.

Freight Tariff Europe Australia 1914

Dampfschiff „Fürth“: Frachtraten nach Australien

Kosten für Warentransport im Jahr 1914

In diesem Artikel geht es um die Frachtraten der Deutsch-Australischen Dampfschiffs-Gesellschaft (DADG) im Jahr 1914 für den Warentransport nach Australien.

Das zugrundeliegende Originaldokument ist ein Jahrbuch der DADG aus dem Jahr 1914, dass die Reederei für ihre Kunden herausgegeben hatte. Ein Exemplar übergab die Reederei der Mitchell Bibliothek in Sydney im April 1914. Dort ist es noch heute. Siehe dazu: Die Flotte der Deutsch-Australischen Dampfschiffs-Gesellschaft 1914

Bevor ich auf die Tarife eingehe, erläutere ich zunächst einige Grundbegriffe des Stückgutverkehrs.

Titelbild: Frachttarife von Europa nach Australien im Jahr 1914; aus: Handbuch of the Deutsch-Australische Dampfschiffs-Gesellschaft, Hamburg, for Australia and New Zealand, 1914; State Library of New South Wales, Sydney

Leicht- und Schwergut

Für die Berechnung der Frachtsätze wurde zwischen Leicht- und Schwergut unterschieden. Leichtgut wurde nach Kubikmetern und Schwergut nach Tonnen (1000 Kilogramm) berechnet.

Bei Fixirung der Frachtsätze unterscheidet man zumeist zwischen Leichtgut (Maßgut) und Schwergut (Gewichtsgut).

Alle Güter, welche pro Kubikmeter mehr als 1000 Kilogr. wiegen, werden nach dem Gewichte verladen bezw. als Schwergut behandelt, alle Güter dagegen, welche pro Kubikmeter weniger als 1000 Kilogr. wiegen, sind als Leichtgut behandelt und werden nach dem Raume verladen.
Theorie und Praxis des Seehandelsgeschäfts, R. Stern, Sammlung kaufmännischer Lehrbücher, Verlag der Handels-Akademie Leipzig, 1898.

 

In Schiffswahl – “at ship’s option”

Im Kleingedruckten unter der Frachttabelle heißt es jedoch:

All rates are without primage, per ton of 1000 kilos or 1 cubic metre at ship’s option, unless otherwise stated.

“At ship’s option” oder zu Deutsch „in Schiffswahl“ bedeutet, dass die Reederei entweder nach Kubikmeter oder nach Tonnen berechnet und die höhere und damit für sie günstigere der beiden Frachtraten ansetzt. Daran hat sich bis heute nichts geändert, was der Auszug aus dem Jahr 2013 belegt:

Frachttonne, frachttechnischer Ausdruck bei Zuschlägen zur Seefracht, die Berechnungseinheit für „in Schiffswahl“ notierte Seefrachtraten. Die Seefrachtraten werden nach dem Gewicht (1000 Kilogramm, 1015 kg oder 1016 kg), dem Raummaß (cbm, 40 cbf) oder nach Maß/Gewicht (M/G, w/m = weight mesurement) „in Schiffswahl“ angewandt, d. h. daß der Verfrachter entweder Gewicht oder Maß der Sendung der Frachtberechnung zugrundelegen kann, je nachdem welche Berechnungsart die höhere Fracht ergibt.
Dr. Gablers Verkehrs-Lexikon, 2013, abgerufen über books.google.fr

Primage

Ein Frachtsatz setzt sich aus zwei Teilen zusammen: die reine Fracht oder Nettofracht („net freight“) und dem Frachtzuschlag oder Primage; beide zusammen sind die Bruttofracht („gross freight“).

Die in der Tabelle aufgelisteten Frachtraten sind Nettofrachten, daher sind noch 10 Prozent hinzuzufügen, um zur Bruttofacht zu gelangen (all rates are without primage).

Die Entstehung der Primage geht auf sehr alte Zeiten zurück. Sie war ursprünglich, und zwar in Deutschland unter dem Namen Kaplaken, eine außerordentliche Belohnung für den Schiffern die ihm von dem Befrachter gewährt wurde, um ihn zu reger Tätigkeit in seinem Interesse anzuspornen.
Das Seefracht-Tarifwesen, K. Giese, Springer-Verlag, 1919, abgerufen über books.google.fr

Von diesen 10 Prozent hat die Deutsch-Australische Dampfschiffs-Gesellschaft die Hälfte an den Seehafenspediteur abgegeben:

Von dem Zuschlag wurde die Hälfte (5%) an die Ablader zurückgegeben.
Deutsch-Australische Dampfschiffs-Gesellschaft, Hamburg, Otto Harms (1933), Schröder & Jeve, Hamburg

Freight Tariff Europe Australia 1914

Frachttarife von Europa nach Australien im Jahr 1914; aus: Handbuch of the Deutsch-Australische Dampfschiffs-Gesellschaft, Hamburg, for Australia and New Zealand, 1914; State Library of New South Wales, Sydney

Australische Häfen

Die Frachttabelle (siehe Titelbild) umfasste australische Zielhäfen, die direkt von der DADG angelaufen wurden: Fremantle (Westaustralien), Port Adelaide (Südaustralien) , Melbourne (Victoria), Sydney und Newcastle (New South Wales) sowie Brisbane und Townsville (Queensland).

Für Adelaide war die Besonderheit, dass je nach Entladestelle zwei Tarife angeboten wurden, da die Schiffe entweder am Signalmast (Semaphore) oder etwas weiter in Richtung Stadt am Kai anlegten (Wharf).

Der Tarif für Newcastle galt nur für Direktfahrten (without transshipment). Mit Umladung war der Tarif höher (siehe unten).

Drei weitere Häfen, die ebenfalls direkt bedient wurden, aber weniger Bedeutung hatten, sind unter der Tabelle aufgeführt: Albany (Westaustralien), der Erzhafen Port Pirie (Südaustralien) und Rockhampton (auf halber Strecke zwischen Brisbane und Townsville in Queensland an der australischen Ostküste).

Preise

Von Hamburg nach Sydney lag die Bandbreite der Tarife zwischen 47,50 Mark pro Kubikmeter/Tonne für die Klasse 1 und 16 Mark pro Kubikmeter/Tonne für die Klasse 12.

Die Preise für den Transport sind in zwei Spalten angegeben, zum einen für Hamburg, zum anderen für Rotterdam und Antwerpen.

Die unterschiedliche Schreibweise hängt damit zusammen, dass die Angaben in Hamburg in Mark gemacht worden sind und für Rotterdam und Antwerpen in britischen Pfund bzw. Shilling.

Die Tatsache, dass die Mark einem Shilling entsprach, erleichtert die Übersichtlichkeit ungemein. Nur war die Mark in 100 Pfennige unterteilt, der Schilling jedoch in 12 Pennies.

Der Betrag von 47,50 Mark entspricht daher 47 Shilling und 6 Pennies, kurz 47/6.

Der Vollständigkeit halber sei erwähnt, dass 20 Shilling wiederum ein Pfund ergaben. Anders ausgedrückt war ein Pfund somit 240 Pennies.

Wenn Sie auch wissen wollen, was ein Farthing oder eine Guinee waren, finden Sie alle Informationen zum britischen Währungssystem vor der Dezimalisierung im Jahr 1971 hier: http://projectbritain.com/moneyold.htm (in englischer Sprache).

Anmerkung: Für den Hafen Lissabon, der auf der Ausreise nach Australien von den Linien 3 und 4 der Reederei bedient wurde, gab es eine abweichende Frachttabelle. Auf diese komme ich in einem anderen Artikel noch zurück. Zu den Linien siehe: Die Flotte der Deutsch-Australischen Dampfschiffs-Gesellschaft 1914

transhipment rates, 1914, Australia

Zusätzliche Frachttarife für Umladungen nach Australien im Jahr 1914; aus: Handbuch of the Deutsch-Australische Dampfschiffs-Gesellschaft, Hamburg, for Australia and New Zealand, 1914; State Library of New South Wales, Sydney

Umladungen

Versender von Waren konnten ihre Güter nicht nur in die direkt angelaufenen Hafenstädte verschicken, sondern natürlich auch an andere Destinationen auf dem australischen Kontinent oder über den Hafen Sydney auch in die Südsee oder sogar nach Hawaii (Honolulu).

Je nach Erreichbarkeit des Zielortes lagen die zusätzlichen Frachtraten zwischen 5 – 75 Mark pro Tonne beziehungsweise Kubikmeter.

In einigen extremen Fällen übertrafen die Kosten für den inneraustralischen Transport sogar die Transportkosten von Europa nach Australien. Allerdings werden nur wenige Versender ihre Waren nach Esperance Bay an der westaustralischen Südküste oder in das abgelegene und kleine Burketown an der australischen Nordküste verschickt haben.

additional rates for transhipment

Zusätzliche Frachttarife für Umladungen nach Australien im Jahr 1914 (Fortsetzung); aus: Handbuch of the Deutsch-Australische Dampfschiffs-Gesellschaft, Hamburg, for Australia and New Zealand, 1914; State Library of New South Wales, Sydney

Warenklassifikation

Für die zu verschiffenden Waren gab es unterschiedliche Frachtsätze (siehe Titelbild dieses Beitrags).

Je nach Produkt war ein ganz bestimmter Tarif anzuwenden, wobei die DADG zwölf Tarifklassen unterschied, wobei einige Klassen nochmals unterteilt waren, zum Beispiel gab es eine Klasse 4 und eine Klasse 4a. Eine Ausnahme bildete die Klasse 2, die in sieben Unterkategorien unterteilt war, wobei 2a bis 2c gleich tarifiert wurden.

Die Waren und ihre Klassifizierung waren in einer sechsseitigen Tabelle nach der Tarifübersicht angegeben.

Die Aufstellung enthält die Kategorien für Australien und Neuseeland. Für Neuseeland gab es eine eigene Frachtratentabelle mit 8 Klassen (davon zwei mit zwei Unterklassen). Auf die neuseeländischen Tarife gehe ich hier nicht weiter ein.

classification of goods, 1914, German Australian Line

Warenklassifikation, aus: Handbuch of the Deutsch-Australische Dampfschiffs-Gesellschaft, Hamburg, for Australia and New Zealand, 1914; State Library of New South Wales, Sydney

Der folgende Ausschnitt für verschiedene Drähte gibt ein Beispiel, wie detailliert die Klassifikation war.

Danach unterschied die Reederei zwischen Stacheldraht (barbed wire), „normalen“ Stahl- und Eisendrähten, verkupferten Drähten, Flaschen- und Floristendrähten, Maschendraht und Drahtseilen (wire rope). Nägel und Klammern (nails and tacks) zum Befestigen des Drahts hatten ebenfalls eine eigene Kategorie.

class of freight, wires 1914, GAL

Frachtraten für verschiedene Drähte, aus: Handbuch of the Deutsch-Australische Dampfschiffs-Gesellschaft, Hamburg, for Australia and New Zealand, 1914; State Library of New South Wales, Sydney

Warenbeispiele

Die große Mehrzahl der Konsum- und Verbrauchsgüter waren Klasse 1 oder 2 (a-f) wie zum Beispiel Lebensmittel, Kleidung, Werkzeuge und vieles mehr.

Hier einige Beispiele aus den anderen Klassen:

Klasse 3: Klaviere, Nähmaschinen

Klasse 4 und 4a: Kerzen, Chicorée, Erdfarben, Schmieröl, Kitt, Spielwaren

Klasse 5: Papiertüten, Stöcke

Klasse 6: Holzbretter und -dielen, leere Schachteln oder Flaschen, Bodenbeläge, Sägemehl

Klasse 7: Maschendraht

Klasse 8: Stacheldraht

Klasse 9: Achsen (lose), Eisen- und Stahlbolzen, Zementplatten

Klasse 10: Baumaterial und Eisen (wenn nicht anderes aufgeführt), Ketten in Fässern, Hufeisen, grobe Schmiedestücke, Salz in Säcken

Klasse 11: Eisen- oder Stahlnägel, normaler Eisen- oder Stahldraht

Klasse 12: Eisen- und Stahlblöcke

Sperrgut und Gefahrstoffe

Sperrgut, Gefahrstoffe und sehr schwere Güter unterlagen gesonderten Tarifen und mussten vorher für den Transport eigens angemeldet werden.

Chemikalien waren in einer Tabelle aufgeführt, für alle anderen Spezialtransporte wurden die Frachttarife auf Anfrage angeboten.

Zu den namentlich aufgelisteten Gefahrstoffen zählten Benzin, Kollodium, Salpetersäure, Salzsäure, Schwefelsäure, Diethylether. Sie konnten nur an Deck transportiert werden.

Rates of freight, chemicals, 1914, Australia

Frachttarife für Chemikalien nach Australien im Jahr 1914; aus: Handbuch of the Deutsch-Australische Dampfschiffs-Gesellschaft, Hamburg, for Australia and New Zealand, 1914; State Library of New South Wales, Sydney

Vergütung von 10 %

Neben den Dampfschiffen der Deutsch-Australischen Dampfschiffs-Gesellschaft (DADG) unterhielt auch der Norddeutsche Lloyd einen regelmäßigen Australienverkehr. Anders als die DADG beförderte der NDL auch Passagiere und war die offizielle Postlinie des Deutschen Reiches nach Ostasien und Australien (sogenannte Reichspostdampferlinie).

Versender, die innerhalb eines Halbjahres ihre Waren von Europa nach Australien ausschließlich mit diesen beiden Gesellschaften transportierten, wurde nachträglich eine Vergütung von 10 % auf die Nettofracht gewährt.

Dazu musste innerhalb von drei Monaten nach Ablauf des Halbjahres ein entsprechender Antrag bei der Reederei gestellt werden.

claim for commission, German Australian Line 1914

Formular für 10 %ige Rückvergütung; aus: Handbuch of the Deutsch-Australische Dampfschiffs-Gesellschaft, Hamburg, for Australia and New Zealand, 1914; State Library of New South Wales, Sydney

Schlussbemerkung

In der Schifffahrt sind Tarife in der Regel richtungsgebunden. Die oben genannten Tarife galten für Warenlieferungen von Europa nach Australien. Über die Tarife in die entgegengesetzte Richtung liegen mir derzeit noch keine detaillierten Angaben vor.

cases or boxes were used for a lot of different merchandise

Holzkisten wurden für den Transport der verschiedensten Waren verwendet (Bild symbolisch)

distances Europe Australia in nautical miles

Die weiten Reisen des Dampfschiffes „Fürth“

54000 Kilometer in fünf Monaten

 

Titelbild: Entfernungstabelle Linie 2 aus: Handbuch of the Deutsch-Australische Dampfschiffs-Gesellschaft, Hamburg, for Australia and New Zealand, 1914; State Library of New South Wales, Sydney

 

Passend zur Urlaubszeit zeige ich Ihnen heute eine Entfernungstabelle der Deutsch-Australischen Dampfschiffs-Gesellschaft (DADG) aus dem Jahr 1914.

Sie kennen diese Art von Tabellen vielleicht noch aus dem Pränavizän, also dem Erdzeitalter vor der Erfindung des Navigationsgerätes, als ein Autoatlas zur Standardausrüstung für die automobile Urlaubsreise gehörte.

Mein betagtes Exemplar von der Kraftstofffirma mit der Muschel weist beispielsweise für die Reise von Hammerfest nach Malaga stolze 5533 Straßenkilometer aus.

Mit ungleich größeren Entfernungen rechnete die DADG in ihren Entfernungstabellen.

 

Die Tabelle der DADG aus dem Jahr 1914

Wie es sich für eine Reederei gehört, sind alle Entfernungen in Seemeilen (= nautische Meilen) angegeben, das heißt, für eine Angabe in Kilometern muss jeder Wert mit 1,852 multipliziert werden (1 Seemeile entspricht 1852 Meter).

Die Gesamtdistanz einer gut fünfmonatigen Rundreise von Hamburg nach Hamburg, in der Tabelle 29245 Seemeilen, entspricht also gut 54000 Kilometern. Die Strecke Hammerfest-Malaga würde dagegen, in Seemeilen ausgedrückt, auf 2988 Seemeilen zusammenschrumpfen.

Zugegebenermaßen habe ich die umfangreichste Tabelle mit den weitesten Entfernungen herausgesucht (Linie 2 der DADG), aber die anderen Übersichten stehen diesem Tableau nicht viel nach.

Warum der Text in Englisch ist, habe ich hier erklärt: Die Flotte der Deutsch-Australischen Dampfschiffs-Gesellschaft 1914

distances Europe Australia in nautical miles

Entfernungstabelle Linie 2 aus: Handbuch of the Deutsch-Australische Dampfschiffs-Gesellschaft, Hamburg, for Australia and New Zealand, 1914; State Library of New South Wales, Sydney

 

Die Häfen der Linie 2

Von links nach rechts sind die Häfen in der Reihenfolge angegeben, wie sie auf der Linie 2 der Reederei angelaufen wurden: von Europa über Südafrika nach Australien. Sydney war die „Endhaltestelle“. Von dort ging es zurück über Süd- und Westaustralien, also Port Adelaide und Fremantle nach Batavia (Jakarta).

Anmerkung: In Klammern habe ich die heute gültigen Namen der Städte gesetzt.

Die weiteren Häfen auf Java waren Samarang (Semarang), Soerabaya (Surabaya) und Tjilatjap (Cilacap). Anschließend liefen die Schiffe in die beiden britischen Besitzungen, die Strait Settlements Singapur und Penang auf der Malayischen Halbinsel und von dort an die indische Malabarküste nach Cochin (Kochi). Zu Cochin siehe: Das Dampfschiff „Fürth“ an der indischen Malabarküste

Suez (Sues) und Port Said schließlich sind die beiden Endpunkte des Suezkanals, bevor Marseille der erste europäische Hafen auf der Rückreise war (in der Tabelle wird die englische Schreibweise Marseilles verwendet).

Durch den Umweg über Südostasien wuchs die Entfernung zwischen Sydney und Hamburg auf 15335 Seemeilen an. Auf der Hinreise waren es dagegen „nur“ 13910 Seemeilen, obwohl die Reise um den Afrikanischen Kontinent herumlief.

Eine andere Tabelle (Linie 1) weist für die direkte Rückreise von Sydney über Colombo nach Hamburg eine Entfernung von 12790 Seemeilen aus (siehe Abbildung).

Distances in nautical miles, Europe, Australia

Entfernungstabelle Linie 1 aus: Handbuch of the Deutsch-Australische Dampfschiffs-Gesellschaft, Hamburg, for Australia and New Zealand, 1914; State Library of New South Wales, Sydney

 

Nah und fern

Die kürzeste Entfernung in der Tabelle ist die von Suez nach Port Said mit 87 Seemeilen, was der Länge des Suezkanals zur damaligen Zeit entspricht (genau waren es 87,7 Seemeilen oder 162,5 Kilometer).

Die weitesten Distanzen, die das Schiff zwischen zwei Häfen ohne Landberührung zurücklegte, waren die Strecke Antwerpen – Kapstadt (6250 Seemeilen) und East London (Südafrika) nach Fremantle (Westaustralien, 4320 Seemeilen).

In Zeit ausgedrückt dauerte die Reise von Antwerpen nach Kapstadt etwa 3 ½ Wochen, die von East London nach Fremantle rund 2 ½.

 

United Tyser Line

Interessant finde ich auch die Tabelle der United Tyser Line, einer Gemeinschaftslinie aus DADG, DDG Hansa (Bremen) und der Tyser Line Ltd. (London). Von New York nach Sydney (über Südafrika) legten die Frachtdampfer eine Strecke von 14010 Seemeilen, knapp 26000 Kilometer zurück. Nicht in der Tabelle verzeichnet ist Durban in Südafrika, ein Hafen der zwischen New York und Fremantle zur Aufnahme von Bunkerkohlen angelaufen wurde.

United Tyser Line, distances

Entfernungstabelle United Tyser Line aus: Handbuch of the Deutsch-Australische Dampfschiffs-Gesellschaft, Hamburg, for Australia and New Zealand, 1914; State Library of New South Wales, Sydney

 

Zurückgelegte Gesamtdistanz

Für das Dampfschiff „Fürth“ habe ich versucht, die zurückgelegten Seemeilen abzuschätzen, die das Schiff von der Jungfernfahrt im August 1907 bis zum Ersten Weltkrieg bei der Festsetzung in Colombo (August 1914) zurückgelegt hat.

Allein sechsmal bediente das Schiff die in der Entfernungstabelle angegebene Linie 2.

Bei insgesamt fünfzehn durchgeführten Reisen komme ich an Hand der Entfernungstabellen und mit zusätzlicher Ergänzung einiger Strecken durch die Internetseite searoutes.com auf etwa 425 000 Seemeilen oder 787 000 Kilometer.

Zurück zu eingangs erwähnter Strecke: die Distanz von Hammerfest nach Malaga hätte das Schiff in den sieben Jahren insgesamt mehr als 142-mal zurückgelegt.

Anders ausgedrückt hat die „Fürth“ in dieser Zeit die Erde über neunzehnmal umrundet.

Auf das Kalenderjahr gerechnet gibt das eine Fahrdistanz des Dampfschiffes „Fürth“ von 61 000 Seemeilen oder 112 000 Kilometern.

Bei einer angenommenen Durchschnittsgeschwindigkeit von 10,5 Knoten dürfte das Schiff im Schnitt somit rund 242 Tage pro Jahr auf See gewesen sein.

Wenn man bedenkt, dass das Be- und Entladen vor Erfindung des Containers eine aufwändige Angelegenheit war, ist das eine gute Auslastung.

steam ship Furth, 10th travel to Australia

Beispiel für eine Linienfahrt der „Fürth“ auf der Linie 2 der Deutsch-Australischen Dampfschiffs-Gesellschaft; eigene Tabelle; jedes Datum ist durch mindestens eine Zeitungsmeldung belegt

 

Zuverlässige Dampfmaschine

 

Die Maschinisten der „Fürth“ müssen gute Arbeit geleistet haben, denn in den sieben Jahren ist kein einziger Maschinenschaden dokumentiert, zumindest keiner, der eine lange Verzögerung bedeutet hätte und eine Meldung in den damaligen Tageszeitungen wert gewesen wäre.

SS Great Britain Bristol, engine room

SS Great Britain, Maschinenraum, Bristol (England), eigene Aufnahme Februar 2019

 

Allgemeine Gültigkeit

Die vorgestellten Werte dürften ein Durchschnitt gewesen sein, der für alle anderen Schiffe der Reederei ebenfalls Gültigkeit hat. Die Höchstgeschwindigkeit der Schiffe lag sehr einheitlich zwischen 11,5 und 12,5 Knoten (21,30 -23,15 km/h).

Mit einer Maschinenleistung von 2200 PS lag die „Fürth“ zu Beginn des Jahres 1914 bereits am unteren Ende der Skala aller eingesetzten Schiffe, neuere Frachtdampfer ähnlicher Baugröße hatten bereits 3100 PS, die großen Schiffe bis zu 4500 PS.

Auch alle anderen Frachtschiffe der großen deutschen Reedereien im Überseeverkehr (HAPAG, Norddeutscher Lloyd, DDG Hansa oder Hamburg Süd) dürften um das 1910 auf ähnliche Werte gekommen sein.

Für Kombi- oder Passagierschiffe galten andere Werte, diese Schiffe waren deutlich schneller unterwegs und konnten dementsprechend größere Distanzen bei gleicher Fahrzeit zurücklegen.

 

shipping review 1912

Shipping Review, Daily Commercial and Shipping News, Sydney 31.12.1912

 

Von der Tageszeitung zum Live-Tracking

Vor dem Ersten Weltkrieg waren Tageszeitungen für ein breites Publikum die einzigen Nachrichtenquellen, um zu erfahren, wo sich ein Schiff gerade aufhielt, beziehungsweise am Tag oder an den Tagen zuvor aufgehalten hatte. In den Zeitungen der großen Hafenstädte nahmen diese Meldungen durchaus eine ganze oder sogar mehrere Seiten ein. Zwei Beispiele sind abgebildet.

Heute können Sie den weltweiten Schiffverkehr live von zu Hause aus mitverfolgen. Wenn Sie zum Beispiel Apps oder Homepages von MarineTraffic oder ShipFinder ansehen, bekommen Sie einen Eindruck vom globalen Schiffsverkehr.

 

Schiffsmeldungen Tageszeitung 1913, Beispiel

Suchbild: In welchem Hafen ist die „Fürth“ am 6. November 1913 angekommen? Schiffsmeldungen, Ausschnitt, De Maasbode, Rotterdam, 7. Nov 1913 (Abendblatt, 2. Ausgabe)

 

German Australian liner FURTH, detail, collection A. Kludas

Das Dampfschiff „Fürth“ – ein Fazit nach vierzehn Australienfahrten

Die Globalisierung beginnt

Im vergangenen Jahr wurden hier im Blog die ersten sieben Jahre des Dampfschiffes „Fürth“ ausführlich dargestellt.

Vierzehn Fahrten der „Fürth“ nach Australien und Niederländisch-Indien wurden ebenso dokumentiert wie die Entwicklung des Handels zwischen Deutschland und Australiens und der Aufstieg der Deutsch-Australischen Dampfschiffs-Gesellschaft (DADG), der fünftgrößten deutschen Reederei, in den ersten Jahren des zwanzigsten Jahrhunderts.

Es ist die gleichzeitig die Geschichte der ersten Globalisierungswelle, die durch die Dampfschifffahrt und dem damit verbundenen regelmäßigen Güteraustausch ermöglich wurde. Der Mensch hatte sich vom Wind als unzuverlässigen Schiffsantrieb emanzipiert und dem Handel seinen eigenen Rhythmus auferlegt.

German Australian Line's Advertisment, September 1912 (detail)

Ausschnitt der Anzeige der DADG in der Zeitung Hamburger Correspondent und neue hamburgische Börsenhalle vom 05. September 1912

Australien rückt näher

Güter vom anderen Ende der Welt wurden zur Selbstverständlichkeit. In Australien trug man europäische Kleidung, arbeitete mit europäischem Werkzeug und Maschinen und in der Freizeit musizierte man auf deutschen Instrumenten oder die Kinder spielten mit Spielzeug aus Fürth oder Nürnberg. Siehe dazu: Deutsche Exporte nach Australien 1908

In Europa wurden aus australischer Wolle Stoffe und Kleidung, aus australischen Tierhäuten Schuhe und Lederwaren, aus australischem Weizen Nudeln oder Kekse hergestellt und durch die Entwicklung der Kühltechnik kamen in Europa Äpfel und Fleisch aus Australien auf den Tisch.

Loading bales of wool onto a ship, Queensland, about 1910

Verladung von Wollballen auf ein Schiff, Queensland, ca. 1910. Quelle: State Library of Queensland, Referenz: 147203

Niederländisch-Indien als Rohstofflieferant

Für die Deutsch-Australische Dampfschiffs-Gesellschaft war der Markt in Niederländisch-Indien ähnlich wichtig wie der australische. Kopra, Guttapercha, tropische Harze, Gerb- , Farbstoffe und vieles mehr waren wertvolle Rohmaterialien, die von der aufblühenden europäischen Industrie in großer Menge nachgefragt wurden. Gleichzeitig verlangten die Verbraucher nach Kaffee, Tee, Kakao, Gewürzen und anderen Genussmitteln aus fernen Ländern.

Alles Produkte, die wir auf den Fahrten der „Fürth“ angetroffen haben und die wir sicher auch auf jedem anderen Schiff der Reederei in wechselnden Mengen wiedergefunden hätten.

Kokosfett Palmin Werbung

Palmin-Werbung zu Beginn des 20. Jahrhunderts

Ausbeutung von Natur und Mensch

Bei all dieser florierenden Entwicklung in den Jahren zwischen 1900 – 1914, darf man aber auch nicht vergessen, dass zu dieser Zeit der Raubbau an der Natur seinen Ursprung nahm. Für Guttapercha wurden die Wälder damals ebenso abgeholzt, wie sie es heute für Palmöl werden. Nur in kleinerem Maßstab.

Auch die Arbeits- und Lebensbedingungen in den Kolonien als auch in den Industrieländern (und auf den Schiffen) waren vielerorts lebensbedrohend und nach heutigen Maßstäben menschenunwürdig.

Das Dampfschiff machte die Flucht vor diesem schlechten Leben zu einer Option, zumindest in Europa. Amerika wurde das neue Sehnsuchtsziel vieler Menschen.

guttapercha java

Nicht erst seit Palmöl: Die Abrodung von tropischen Wäldern auf Java für Guttapercha-Plantagen Quelle: commons.wikimedia.org, File:COLLECTIE TROPENMUSEUM Proefaanplant van guttapercha op de rubberonderneming Langsa West-Java TMnr 60020174.jpg

Geschichte wiederholt sich

Vieles, was damals passiert ist, erleben wir heute in ähnlicher Form wieder. Gesellschaft, Sprache und Begleitumstände haben sich verändert, aber viele Grundprobleme kehren in gleicher Form wieder: Armut, Migration, Kriminalität: Beim Studieren der Zeitungsartikel aus den Jahren 1900-1914 kommt einem vieles sehr bekannt vor und nicht selten schießt einem der Gedanken durch den Kopf, dass alles schon einmal genauso dagewesen ist.

Der Blog in der Folgezeit

Ganz zu Beginn hatte ich geschrieben, dass die Geschichte der „Fürth“ niemals vollständig erzählt sein wird. Das Format eines Blogs erlaubt es jedoch, diese Geschichte nach und nach zu vervollständigen. Neue Fundsachen aus der Zeit vor dem Ersten Weltkrieg werden daher hier im Blog in Zukunft weiterhin in unregelmäßigen Abständen erscheinen. Neue Dokumente, die ich nach und nach in möglichen Quellen recherchiere und hier vorstellen werde, werden dazukommen.

In erster Linie geht es aber in der Folgezeit darum, die Geschichte des Dampfschiffes „Fürth“ weiter zu erzählen, auch wenn das Schiff im Jahr 1915 einen anderen Namen erhält.

Die Informationslage in den Kriegsjahren als auch in der turbulenten Zeit direkt nach dem Krieg ist nicht so reichhaltig, wie in der Zeit davor. Auch die Informationsquellen werden sich zwangsläufig ändern. Sehen Sie mir daher bitte die ein oder andere größere Lücke nach. Ich werde versuchen, sie im Laufe der Zeit zu füllen.

The Sun, Sydney, Titel, August 5th, 1914

Titelseite der Zeitung „The Sun“, Sydney vom 5. August 1914

Nächste Woche im Blog:

Das Dampfschiff „Fürth“ beim Ausbruch des Ersten Weltkriegs

Bleiben Sie dran!

 

Thursday Island, Torres Strait

Nach Hause

Die Geschichte des Dampfschiffes „Fürth“
vom 21. Dezember 1913 bis 7. April 1914

Singapur – Australien – Europa

Über 10 Monate war die „Fürth“ im Dezember 1913 bereits unterwegs, als sie sich von Singapur über Australien und den Suezkanal auf die Heimreise nach Hamburg machte.

In Newcastle (New South Wales) bekam Kapitän Richter zwar keine Kohle, aber dafür Ärger mit der australischen Justiz. In Sydney wurden über 5000 Ballen Wolle, eine große Menge Holz, Erze/Metalle sowie verschiedene andere Produkte geladen. Die Wollmenge wurde in Melbourne noch einmal um über 2000 Ballen erhöht, außerdem wurde dort, in Adelaide und in Fremantle weitere Ladung aufgenommen. Auf direkter Fahrt lief die „Fürth“ dann nach Antwerpen und Hamburg.

Aus Antwerpen gibt es eine detaillierte Importliste und in Hamburg wird die „Fürth“ durch ein schlecht ausgeführtes Verholmanöver durch den Dampfer „Blücher“ beschädigt. Der Schaden konnte jedoch in einer Woche wieder behoben werden.

Der Abschluss der dreizehnten Fahrt der „Fürth“ jetzt im Blog:
Endlich nach Hause!

Bildnachweis zum Titelbild:

Postkarte von Thursday Island (Torres-Straße), 1917, [Five views of Thursday Island, including] Thursday Island from the wharf, Victoria Parade, [view of harbour], native dance, Torres Island, pearling lugger, [ca. 1917 -1920], viewed 25 November 2018; © National Library of Australia http://nla.gov.au/nla.obj-148876221

Thursday Island ist eine kleine Insel in der Torres-Straße, die auf den Fahrten von Südostasien an die australische Ostküste (oder umgekehrt) passiert werden muss. Die Torres-Straße liegt zwischen Australien und Neuguinea.

Deutsche Exporte nach Australien 1908

Kleidung, Metallwaren und Musikinstrumente

Bei den ersten Fahrten haben wir gesehen, dass über die Ladung, die von Europa nach Australien ging, nur wenig bekannt wurde. Oft heißt es in den Schiffsmeldungen nur „allgemeine Waren“ oder ähnliches.

Werfen wir also einen Blick in ein statistisches Jahrbuch. Dort finden wir eine detaillierte Aufstellung, der von Deutschland im Jahr 1908 nach Australien exportierten Waren. Die Liste habe ich nach absteigendem Wert sortiert, so dass die wichtigsten Produktkategorien oben stehen.

Australische Zeitung advertisement

Anzeige für Gritzner-Nähmaschinen in der Australischen Zeitung, Adelaide, 22. April 1908.

Kleidung und Textilen, £1,248,115
Eisen, Stahl und Produkte aus diesen, £720,126,
                davon Drähte und Drahtgeflechte, £490,880
Andere Metallwaren (außer Eisen und Stahl), £260,798
Musikinstrumente, £246,570
Papier, £227,338
Maschinen und Apparate, £212,494
Drogeriewaren, £161,594
Versch. Konsumgüter („fancy goods”), £116,743
Waffen, Munition und Sprengstoffe, £90,191
Glas- und Glaswaren, £84,137
Schreibwaren, £82,668
Kautschukprodukte, £80,553
Schmuck etc., £68,018
Porzellan etc., £65,914
Leder und Lederwaren (Anm. ohne Stiefel und Schuhe), £62,046
Biere, £58,775
Zement, £37,222
Bürstenartikel etc., £35,697
Lampen und Lampenartikel, £34,058
Möbel, Kleinmöbel und Zubehör £21,178
Tonerzeugnisse, £17,357
Hochprozentige alkoholische Getränke, £15,804
Farben und Lacke, £14,761
Tabak, £14,735
Hopfen, £8799

Anm: Kategorien: eigene Übersetzung ins Deutsche; versch. Konsumgüter (im Original “Fancy goods”): Dem Wert nach dürfte diese Kategorie die verschiedensten Konsumgüter umfasst haben, darunter wohl auch Spiegel und Spielwaren aus Fürth.

Quelle: Official Year Book of the Commonwealth of Australia No. 3 – 1910, Commonwealth Bureau of Census and Statistics, Melbourne, 1201 S. (books.google.fr)

Ganz persönlich haben mich die Musikinstrumente auf Platz 4 überrascht.

Biese Pianos, Zimmermann Pianos, Geißler Pianos

Anzeige für deutsche Klaviere in der Australischen Zeitung, Adelaide, 22. April 1908.

Die Importe aus Deutschland beliefen sich 1908 nach obiger Quelle auf insgesamt £4,482,119. Damit stand Deutschland auf Platz 3 hinter Großbritannien und den USA (Gesamtimporte Australiens (ohne Münzen und Barren) insgesamt in Höhe von £48,608,921, davon UK £25,042,810 und USA £6,574,380).

Diese Zahlen verdeutlichen die dominante Stellung Großbritanniens. UK hat diese Vormachtstellung mit Schutzzöllen verteidigt (dazu später mehr). Ein Pfund entsprach vor dem Ersten Weltkrieg übrigens etwa 20 Mark.

Sämereien Heuzenroeder

Anzeige für deutsche Gemüsesämereien, Australische Zeitung, Adelaide, Mi 13. Mai 1908.

Anm.: Die Australische Zeitung in Adelaide war eine Wochenzeitung in deutscher Sprache und erschien ab 1875 bis 1916.

Abschließend gesagt überrascht es nicht, dass wir über die relativ wenigen, leicht anzusprechenden Massengütern aus Australien wesentlich mehr wissen, als über die stark gemischte Palette an Handelswaren, die von Deutschland (oder Europa) nach Australien geliefert wurde.

Wenn wir die oben genannten Zahlen aus dem Jahr 1908 mit Statistiken aus dem Jahr 1905 vergleichen (z. B. Deutsch- Australischer Handelsbericht, Australische Zeitung, Adelaide, Mi 12. Jun 1907, S. 10), sehen wir, dass die Handelsbeziehungen zwischen Deutschland und Australien in diesen drei Jahren stark angewachsen sind.

Bis zum Ausbruch des Ersten Weltkrieges hat das Volumen des Warenaustausches noch weiter zugenommen, was sich in häufigeren Fahrten, mehr Schiffen und zunehmend größeren Ladekapazitäten widerspiegelte. Wir werden darauf zurückkommen.